Urteil des OLG Hamm vom 18.11.2008

OLG Hamm: internet, daten, elektronische signatur, käufer, urkunde, aussteller, fälschung, adresse, anbieter, ware

Oberlandesgericht Hamm, 5 Ss 347/08
Datum:
18.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
5. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 Ss 347/08
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 30 Ns 13/08
Tenor:
Die Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte
lediglich des Betruges in sechs Fällen sowie des gewerbsmäßigen
Betruges in
17 Fällen schuldig ist und die in 20 Fällen tateinheitlich angenommene
Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß § 269 StGB entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
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I.
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Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts –
Schöffengericht – Gelsenkirchen-Buer vom 17.Januar 2008 mit der Maßgabe verworfen,
dass der Angeklagte wegen Betruges in 6 Fällen, gewerbsmäßigen Betruges in 17
Fällen, davon in 20 Fällen tateinheitlich begangen mit der Fälschung beweiserheblicher
Daten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt
wurde.
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Die auf die (nicht näher ausgeführte) Verfahrensrüge und die Rüge der Verletzung
materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus dem
Beschlusstenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO); im
Übrigen war die Revision als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
StPO zu verwerfen, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils insoweit keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
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Der Schuldspruch des angegriffenen Urteils war insoweit fehlerhaft und zu korrigieren,
als die Strafkammer bei 20 Fällen des Betruges tateinheitlich die Fälschung
beweiserheblicher Daten gemäß § 269 StGB als verwirklicht angesehen hat.
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Nach den – zusammengefasst wiedergegebenen - Feststellungen des Landgerichts
schaltete der Angeklagte in der Zeit vom 23. März 2007 bis zum 30. Juli 2007 bzw.
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bereits zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 23. März 2007 auf der
Internet-Auktionsplattform "F" mehrere Accounts, unter denen er in der Folgezeit die
streitgegenständlichen Waren feilbot, nach Ersteigerung durch die jeweiligen Käufer
und Bezahlung der Waren durch diese, die Waren jedoch, wie von Anfang an
beabsichtigt, nicht auslieferte, da er gar nicht im Besitz der Waren war und auch nicht
beabsichtigt hatte, die Waren noch vor Auslieferung zu beschaffen. Zur Anlegung der
Accounts bei der Auktionsplattform "F" bediente sich der der Angeklagte falscher
Personalien, d.h. so nicht existierender Namen und Anschriften, welche er sich
ausdachte, da seine eigenen Personalien und damit auch seine eigene Handynummer
bereits von der Internet-Auktionsplattform "F" aufgrund von Unregelmäßigkeiten gesperrt
worden war.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts erfüllt das Schalten eines Accounts unter
falschen Personalien bei einer Internet-Auktionsplattform nicht den objektiven
Tatbestand des § 269 StGB.
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a. Voraussetzung für die Teilnahme an einer "Online-Auktion" ist die Anmeldung des
Internetnutzers und die Angabe bestimmter abgefragter Adressdaten gegenüber dem
"Auktionshaus", die im Falle des Zustandekommens eines Vertrages seitens des
Auktionshauses an den jeweiligen Vertragspartner zwecks Abwicklung des Vertrages
weitergegeben werden ((Marberth-Kubicki in Computer- und Internetstrafrecht, 2004,
Rn.116). Unter dem zu vergebenden Pseudonym können dann Waren aller Art zum
Verkauf angeboten werden.
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§ 269 StGB schützt die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechts- und Beweisverkehrs,
soweit er sich im Zusammenhang mit Datenverarbeitungsvorgängen beweiserheblicher
Daten bedient (Lackner/Kühl StGB, 26. Aufl., § 269, Rn. 1; Malek in "Strafsachen im
Internet", 2005, Rn.196; Ernst in Hacker, Cracker & Computerviren, 2004, Rn.292) und
greift ein, wenn in den Computer eingespeiste Daten verändert werden (Marberth-
Kubicki, a.a.O., Rn101). Die Vorschrift soll dabei die Lücke schließen, die sich aus dem
für § 267 StGB allgemein anerkannten, aus der Perpetuierungsfunktion folgenden
Erfordernis ergibt, dass die Urkunde eine visuell wahrnehmbare Erklärung verkörpern
muss ( LPK StGB, 3. Aufl., § 269, Rn.1; M-K-Erb, StGB, 1. Auflage, 2006, § 269 StGB,
Rn.5 ).
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Die Subsumtion eines Sachverhaltes unter den Tatbestand des § 269 StGB erfolgt
dabei im Wege eines hypothetischen Vergleichs: Unter der Voraussetzung, dass die
fraglichen Daten in visuell wahrnehmbaren Symbolen (Schriftzeichen) verkörpert wären
– z.B. in einem Computerausdruck – müssten alle weiteren Urkundsmerkmale des § 267
StGB gegeben sein. (LPK-StGB a.a.O., Ernst a.a.O., Rn.293, BGH
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NStZ-RR 2003, 265, 266). Insbesondere muss ihr Aussteller erkennbar sein, d.h.
derjenige dem die Daten zuzurechnen sind (Marberth-Kubicki, a.a.O., Rn.104) und der
den Anschein eines vorhandenen Garantiewillens übernehmen will. Daran fehlt es aber
bereits bei der Anmeldung unter falschen Namen beim F-Account. Unabhängig von der
Frage, wer Aussteller im Sinne des § 269 StGB ist (vgl. zu dieser Problematik Fischer,
StGB, 55. Aufl., § 269 StGB, Rn.5a), kann aus der Eingabe des (falschen) Namens der
geistige Urheber der abgegeben Erklärung nicht erkannt werden. Zwar genügt es, dass
die Individualisierung des Ausstellers nach Gesetz, Herkommen oder
Parteivereinbarung, sei es auch nur für die unmittelbar Beteiligten, aus der Urkunde
möglich ist (Schönke/Schröder-Cramer, StGB, 27. Aufl., § 267, Rn.17).
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Allein die Angabe eines (falschen) Namens und einer (Schein-) Adresse im Rahmen
einer Internet-Anmeldung reicht hierzu jedoch nicht aus, da der Name als solcher keine
rechtserhebliche Gedankenerklärung enthält und auch nicht hinreichend geeignet ist ,
für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen. So ist im Bereich des
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§ 267 StGB anerkannt, dass es an einer Ausstellererkennbarkeit dann fehlt, wenn ein
Schriftstück bewusst nicht unterzeichnet wird (vgl. hierzu Schönke/Schröder-Cramer §
267, Rn.18; SK-StGB-Hoyer, § 267 Rn.52).
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Zwar wird eine Unterschrift im Rahmen eines Datensatzes nicht gefordert
(Schönke/Schröder-Cramer § 269, Rn. 20; Münchener Kommentar, a.a.O., Rn.18). Die
bloße Eingabe des Namens und der Adresse geben aber keinen hinreichenden
garantierten Rückschluss auf die Authentizität, da es jedem Internet-Nutzer im offenen
Medium "Internet" möglich ist, auch unter einem fiktiven Namen den Zugang zu einer
Internet-Plattform zu erlangen. Dem Vertragspartner ist es dabei in der Regel sogar
gleichgültig, wer tatsächlicher Verkäufer ist, solange der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt
wird.
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Sofern bei dem entsprechenden Auktionshaus anlässlich der Anmeldung die
sogenannte IP-Adresse - jeder Rechner im Internet erhält beim Zugang zum Internet
eine eindeutige Adressierung, bestehend aus einer Netzwerkkennung und einer
Hostkennung - gespeichert wird, könnte hierüber seitens des Auktionshauses allenfalls
eine hohe Wahrscheinlichkeit der Identifizierung des Rechners vorgenommen werden,
von der die Anmeldung erfolgte, nicht aber der Person, die die Daten eingegeben hat.
Bei Verwendung eines IP-Spoofing-Programms gibt noch nicht einmal die
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IP-Adresse die Möglichkeit zur Identifizierung des Rechners.
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Etwas anderes gilt lediglich für den Fall, dass der Täter anlässlich einer Anmeldung
einen – wie auch immer erworbenen - fremden Signierschlüssel im Sinne des
Signaturgesetztes verwendet (Malek in "Strafsachen im Internet, a.a.O., Rn. 201), der
allerdings im Rahmen der Anmeldung bei der Auktionsplattform "F" ausweislich der
getroffenen Feststellungen nicht zur Anwendung kam.
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Soweit vertreten wird (Ernst, a.a.O., Rn.295, wohl auch M-K-Erb, a.a.O., § 269 StGB,
Rn.18), auch eine einfache elektronische Willenserklärung ohne elektronische Signatur
erfülle den Tatbestand des § 269 StGB, wird gleichzeitig zugestanden, dass die
Beweiseignung einer solchen Willenserklärung nur sehr schwach ist. Aus diesem
Grunde folgt der Senat dieser Auffassung ausdrücklich nicht.
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Unabhängig von dieser Frage führt die Erstellung eines Accounts bei einer Internet-
Plattform durch Verwendung komplett oder teilweiser falscher Absenderangaben noch
nicht zur Herstellung eines einer unechten Urkunde im Sinne des § 267 StGB
vergleichbaren Datenbestandes. Es fehlt hier bei der Anmeldung an der für den
Urkundscharakter zusätzlich erforderlichen rechtlich relevanten Gedankenerklärung, da
die Einrichtung eines Accounts zunächst ein Vorgang ohne jeden nach außen hin
wirkenden Erklärungscharakter ist. Durch die Angabe der Personalien und der
Anmeldung erhält der Anmeldende lediglich eine Zugangsberechtigung und ein
Pseudonym, die es ihm erlauben, Ware anderen Besuchern auf der Auktionsplattform
anzubieten.
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b. Aber auch das jeweilige Einstellen von Waren unter dem Account/Mitgliedsnamen bei
einer Internetplattform erfüllt nicht den Tatbestand des Herstellens falscher Daten (a.A.
AG Euskirchen, Urteil vom 19.6.2006, 5 Ds 279/05). Die Auktionsplattform selbst wird
durch das Einstellen nicht getäuscht, da das Online-Auktionshaus allein die Ressourcen
für die Anbahnung des rechtsgeschäftlichen Kontakts zwischen Anbieter und Käufer zur
Verfügung stellt.
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Der potenzielle Käufer wird bei Abgabe eines Gebotes ebenfalls nicht hinsichtlich der
Identität des Verkäufers getäuscht. Für den Käufer ist lediglich das Pseudonym des
Verkäufers erkennbar, ohne dass sich für ihn der tatsächliche Anbieter der Ware
erkennen lässt. Auf den Fall bezogen, wussten die Geschädigten z.B. lediglich, dass
"meister200708" eine SD-Speicherkarte zum Verkauf anbot. Für den potentiellen Käufer
der Ware handelt es sich bei dem für ihn sichtbaren "Bildschirmangebot" damit nicht um
eine Urkunde im Sinne des § 267 StGB und damit auch nicht im Sinne des § 269 StGB,
da in ihr jeder Hinweis auf den Aussteller der Urkunde fehlt und die teilnehmenden
Personen bei der Auktionsplattform wissen, dass Anbieter und Bieter jeweils unter
"Decknamen" auftreten. Die Anonymität ist für jeden, sei es Käufer oder Verkäufer, ohne
Weiteres erkennbar und von der Internetplattform auch bezweckt. Insoweit handelt es
sich um einen Fall der offenen Anonymität (vgl. Schönke/Schröder-Cramer § 267,
Rn.18).
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Unabhängig davon handelt es sich bei der Einstellung eines Angebotes nicht um einen
unechten Datenbestand im Sinne des § 269 StGB, da scheinbarer und tatsächlicher
Aussteller - vorliegend z.B. "meister200708" - identisch sind. Soweit das Angebot
inhaltlich falsch ist, handelt es sich um eine Datenlüge, vergleichbar einer schriftlichen
Lüge im Sinne des § 267 StGB.
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c. Soweit schließlich ein Kaufvertrag durch das Höchstgebot des Bieters wirksam
zustande kommt und infolgedessen seitens der Auktionsplattform die Personalien des
Anbieters zur Abwicklung des Kaufvertrags an den Käufer übermittelt werden, handelt
es sich weder um ein Speichern, Verändern oder Gebrauchmachen von unechten Daten
seitens des Angeklagten, da er insoweit auf den übermittelten Datensatz keinerlei
Einfluss hat.
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Eine Strafbarkeit gemäß § 269 StGB ist daher nicht gegeben.
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§ 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchberichtigung nicht entgegen, weil sie allein
zugunsten des Angeklagten wirkt und dieser sich nicht anders als geschehen hätte
verteidigen können.
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Der Wegfall der tateinheitlich verwirklichten Fälschung beweiserheblicher Daten lässt
die für die Betrugsfälle verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unberührt. Der
Senat kann hier ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher
Würdigung mildere Strafen ausgeurteilt hätte. Insbesondere hatte die Strafkammer im
Rahmen der Strafzumessung nicht strafschärfend berücksichtigt, dass – aus Sicht der
Strafkammer - der Angeklagte neben den jeweiligen Betrugshandlungen tateinheitlich
einen weiteren Straftatbestand erfüllt hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1. und 4 StPO. Der Erfolg des
Rechtsmittels war so gering, dass er kostenmäßig nicht zu berücksichtigen war.
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