Urteil des OLG Hamm vom 03.07.2007

OLG Hamm: abnahme, allgemeine geschäftsbedingungen, fälligkeit, rate, begriff, besteller, datum, muster, verzicht, werk

Oberlandesgericht Hamm, 21 U 14/07
Datum:
03.07.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 14/07
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 9 O 176/04
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 3.11.2006 verkündete Urteil
des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
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(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Fälligkeit der
streitgegenständlichen Schlußrate mit unzutreffender Begründung, im Ergebnis aber zu
Recht verneint.
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1.
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Für die "vollständige Fertigstellung" des Bauvorhabens, die gemäß Abschnitt V.2.m des
Bauträgervertrages Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlußrate ist, ist im vorliegenden
Fall weder die Abnahme noch die vom Landgericht erörterte Abnahmereife maßgeblich.
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Mit der Abnahme ist die vollständige Fertigstellung nicht gleichzusetzen. Bei ihr handelt
es sich um die einseitige Hinnahme des Werkes durch den Besteller als im
wesentlichen vertragsgemäß, während der Begriff der Fertigstellung ein objektives
Kriterium darstellt, das zudem durch den Zusatz "vollständig" einen höheren
Vollendungsgrad zum Ausdruck bringt als nur "im wesentlichen" gegebene
Vertragsgemäßheit. Im übrigen ist auch davon auszugehen, daß die Parteien dadurch,
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daß sie einen von der Abnahme verschiedenen Begriff verwendeten, damit im Zweifel
auch sachlich von der Fälligkeit des (Rest-)Werklohnes mit Abnahme, so wie sie der
gesetzlichen Regelung (§ 641 BGB) entsprochen hätte, abweichen wollten. Dem Willen
der Parteien dürfte es ferner nicht entsprochen haben, bei normaler Vertragsabwicklung
mehrere Raten zum gleichen Zeitpunkt fällig werden zu lassen; da aber bei normaler
Vertragsabwicklung mit einer gleichzeitigen Durchführung von Abnahme und
Besitzübergabe (vgl. Abschnitt V.2.k des Vertrages) zu rechnen war, wären die zu
erwartenden Fälligkeitszeitpunkte der drittletzten und der letzten Rate
zusammengefallen, wenn mit der vollständigen Fertigstellung nichts anderes gemeint
gewesen wäre als die Abnahme (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2003, 93).
Da die Abnahmereife, also das Recht des Unternehmers auf Abnahme bei bis auf
unwesentliche Mängel vertragsgemäßem Werk, gemäß § 640 Abs. 1 BGB der Abnahme
gleichsteht, kann sie ebenfalls im Regelfall nicht der Voraussetzung der vollständigen
Fertigstellung entsprechen. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, daß eine Abnahme
ausdrücklich erfolgt war, so daß für ein Recht zur Abnahmeverweigerung und damit für
eine Anwendung des Begriffs der Abnahmereife von vornherein kein Raum mehr war.
Daß, wie im Urteil ausgeführt, die Beweislastregelung im Abnahmeprotokoll hieran
etwas ändern können sollte, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
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2.
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Zutreffend ist von einer vollständigen Fertigstellung vielmehr dann auszugehen, wenn
die bei Abnahme zu Protokoll gerügten Mängel ("Protokollmängel") beseitigt sind. Auf
die Beseitigung anderer, erst nach Abnahme aufgetretener bzw. entdeckter Mängel,
mögen sie auch wesentlich sein, kommt es hingegen nicht an. Da eine einmal
eingetretene Fälligkeit nicht nachträglich wieder entfallen kann, wäre ansonsten der
Fälligkeitseintritt von dem zufälligen Umstand abhängig, ob zum Zeitpunkt der
Entdeckung des neuen Mangels der letzte "Protokollmangel" schon beseitigt war oder
nicht. In der Abnahmeerklärung kommt hingegen der Wille der Parteien zum Ausdruck,
die zur Herbeiführung der Schlußfälligkeit noch zu schaffenden Voraussetzungen klar
festzulegen und sie nicht von Zufällen abhängig zu machen (vgl. Senat, Urt. v. 2.3.2006
– 21 U 46/05).
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3.
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Die im Abnahmeprotokoll vom 23. bzw. 24.12.2003 gerügten Mängel sind indes nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vollständig beseitigt.
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a) Wie der dem Senat als erfahren und zuverlässig bekannte Sachverständige Dipl.-Ing.
U festgestellt hat, liegen die vom Beklagten behaupteten Risse an mehreren Stellen des
Hauses tatsächlich vor und stellen, soweit es sich um sog. Verformungsrisse in den
Wandecken handelt, auch nicht unerhebliche Verstöße gegen die vorauszusetzende
Sollbeschaffenheit des Hauses, also Werkmängel gemäß § 633 Abs. 2 BGB dar.
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b) Bei den Rissen handelt es sich, auch wenn sie nicht mit den im Abnahmeprotokoll
aufgeführten Rissen identisch, sondern erst jetzt neu zutagegetreten sind, um
Protokollmängel. Für die Frage, was von der Bezeichnung eines Mangels durch den
Besteller sachlich umfaßt ist, kann nämlich bei den sog. Protokollmängeln nichts
anderes gelten als diejenigen Grundsätze, die von der Rechtsprechung für Mängel im
allgemeinen anerkannt sind. Insofern ist davon auszugehen, daß mit der Beschreibung
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des äußeren Erscheinungsbildes eines Mangels auch die diesem zugrundeliegende
tatsächliche Mangelursache vorgetragen bzw. gerügt ist (Symptomtheorie, vgl. BGH
BauR 2003, 693; 2002, 1385 [1388]; 1992, 503). Wie der Sachverständige U ausgeführt
hat, ist diese Ursache bei den in den Wandecken neu zutagegetretenen
Verformungsrissen unverändert dieselbe wie bei den im Abnahmeprotokoll
insbesondere unter Nr. 5 aufgeführten Putzrissen im Schlafraum.
4.
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Die vollständige Beseitigung der sog. Protokollmängel ist für die vollständige
Fertigstellung des Bauvorhabens gemäß Abschnitt V.2 des Bauvertrages schließlich
auch nicht entbehrlich. Die hinter dem Ratenplan befindliche Klausel, die zugunsten der
Klägerin einen Verzicht auf die Beseitigung der Protokollmängel vorsieht, ist nämlich
wegen Verstoßes gegen § 305c Abs. 1 n. F. BGB unwirksam. Nach den gegebenen
Umständen ist davon auszugehen, daß der vorliegende Notarvertrag auf einem zur
mehrfachen Verwendung vorgesehenen Muster beruht und daher Allgemeine
Geschäftsbedingungen darstellt. Da es sich bei der Beseitigung der Protokollmängel
nach den obigen Ausführungen gerade um das maßgebliche Kriterium für den Begriff
der vollständigen Fertigstellung handelt, ist eine Klausel, die den Bauträger von diesem
Erfordernis vollständig entbindet – und im übrigen vollständig offenläßt, welches andere
Kriterium an seine Stelle treten soll – für den Erwerber überraschend.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die
gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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