Urteil des OLG Hamm vom 28.09.2004

OLG Hamm: gemeinsame elterliche sorge, wohl des kindes, sorgerecht, anhörung, obhut, eltern, haushalt, gewalt, kindeswohl, alter

Oberlandesgericht Hamm, 2 UF 237/04
Datum:
28.09.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 UF 237/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 108 b F 74/02
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers vom 13. Mai 2004 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller nach
einem Wert von 3.000,00 €.
Gründe:
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I.
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Die Kindeseltern haben am 15.05.1998 geheiratet. Sie leben seit Juni 2002
voneinander getrennt. Das Scheidungsverfahren ist vor dem Amtsgericht Essen unter
dem Aktenzeichen 12 F 155/03 anhängig.
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Der Kindesvater ist deutscher Staatsangehöriger, die Kindesmutter ist polnische
Staatsangehörige. Aus der Ehe ist das gemeinsame Kind Q, geb. am 10.12.1999,
hervorgegangen.
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Am 22.04.2002 (noch vor der räumlichen Trennung der Parteien) hat der Kindesvater
den Antrag gestellt, das alleinige Sorgerecht für Q auf ihn zu übertragen. Seiner
Auffassung nach sei die Kindesmutter mit der Erziehung überfordert, was sich
insbesondere an von ihm beobachteten aggressivem Verhalten von Q zeige.
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Im Juni 2002 zog die Kindesmutter mit Q aus der Ehewohnung aus, zunächst wegen
behaupteter Bedrohung und körperlicher Misshandlung in ein Frauenhaus, und ab
Oktober 2002 in eine eigene Wohnung. Auch sie hat beantragt, die alleinige elterliche
Sorge für Q auf sie zu übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 20.02.2003 hat sich der
Kindesvater mit dem vorübergehenden Aufenthalt von Q bei der Kindesmutter bis zur
endgültigen Entscheidung über das Sorgerecht einverstanden erklärt. Gleichzeitig
haben die Parteien ein Umgangsrecht des Kindesvaters dergestalt vereinbart, dass die
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Besuchskontakte beim Kinderschutzbund alle 14 Tage für 3 Stunden stattfinden.
Nachdem der Kindesvater vorübergehend Umgang auch außerhalb der Räume des
Kinderschutzbundes hatte, fanden seit September 2003 auf Antrag der Kindesmutter
Besuchskontakte wieder in den Räumen des Kinderschutzbundes statt und zwar
mittwochs vormittags für 3 Stunden.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Essen aus August 2004 ist der Umgang des
Kindesvaters mit Q neu geregelt worden. Umgangskontakte sollen danach alle zwei
Wochen samstags von 10.00 bis 17.00 Uhr stattfinden. Der letzte Umgangskontakt
erfolgte Ende September 2004.
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Mit Beschluss vom 31.03.2003 hat das Familiengericht das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für Q einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache
auf die Kindesmutter übertragen.
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Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die alleinige elterliche Sorge
für Q die Kindesmutter übertragen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des
angefochtenen Beschlusses vom 01.04.2004 Bezug genommen.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters, der beantragt, den Antrag der
Kindesmutter auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sie zu
zurückzuweisen, und es beim gemeinsamen Sorgerecht zu belassen; hilfsweise ihm
das alleinige elterliche Sorgerecht für Q zu übertragen.
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Die Kindesmutter beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
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II.
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Nach dem Ergebnis der Ermittlungen entspricht es dem Wohl des Kindes am Besten,
die gemeinsame Sorge aufzuheben und die elterliche Sorge allein der Kindesmutter zu
übertragen.
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§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB verlangt für den Fall der fehlenden Zustimmung eines
Elternteils zu einer Alleinsorge des anderen Elternteils die Feststellung, dass die
Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung der Alleinsorge auf
den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am Besten entsprechen. Im
Streitfall ist unter Kindeswohlgesichtspunkten zu prüfen, welche der in Betracht
kommenden Regelungen die bessere für das Kind ist. Ohne hinreichende
Kooperationsfähigkeit und –bereitschaft der Eltern ist eine gemeinsame elterliche Sorge
nicht möglich.
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Hieran fehlt es nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat anlässlich der
Anhörung der Kindeseltern gewonnen hat. Der Kindesvater spricht der Kindesmutter
ihre Erziehungsfähigkeit ab. Er hat im Sitzungstermin vor dem Senat behauptet, die
Kindesmutter sei nicht in der Lage, Q intellektuell, insbesondere sprachlich, optimal zu
fördern, wozu er selbst befähigt sei. Außerdem erlebe er Q als aggressiv, was er aus
Erfahrungen des Kindes mit Gewalt im Haushalt der Kindesmutter zurückführe. Die
Kindesmutter hat die von dem Kindesvater erhobenen Vorwürfe bestritten und ihrerseits
seine ausreichende Kooperationsbereitschaft in Frage gestellt.
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Eine gemeinsame Sorge setzt eine ausreichende Kommunikationsbasis der Eltern
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voraus, die bei beiderseitig geäußertem Misstrauen nicht besteht. Nach dem
persönlichen Eindruck, den der Senat von den Kindeseltern gewonnen hat, besteht
zwischen ihnen nach wie vor ein erheblicher Konflikt, der eine gemeinsame elterliche
Sorge für Q ausschließt.
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass es dem Kindeswohl am Besten
entspricht, die alleinige elterliche Sorge auf die Kindesmutter zu übertragen.
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Der Senat folgt den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegungen der
Sachverständigen L in ihrem schriftlichen Gutachten vom 26.01.2004. Die Kindesmutter
ist nach den Feststellungen der Sachverständigen erziehungsgeeignet und in der Lage,
Q seinem Alter entsprechend zu fördern, ohne ihn zu überfordern. Der Senat hat
anlässlich der persönlichen Anhörung von Q den Eindruck gewonnen, dass die von
dem Kindesvater behaupteten Sprachdefizite nicht vorhanden sind. Bei Q handelt es
sich vielmehr um ein aufgewecktes, altersgemäß entwickeltes Kind. Dies ergibt sich im
Übrigen auch aus der Stellungnahme des Sozialdienstes M vom 02.09.2004.
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Q fühlt sich in der Obhut seiner Mutter nach dem Ergebnis der Kindesanhörung
ersichtlich wohl.
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Der Grundsatz der Kontinuität spricht für einen Verbleib des Kindes unter der Obhut der
Kindesmutter und für eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sie.
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Eine mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens ist nach dem Ergebnis des
Senatstermins nicht erforderlich; zumal der Kindesvater nach seiner Äußerung im
Senatstermin an dem Gutachten lediglich kritisiert, dass die Sachverständige ihn falsch
beurteilt und ihn insbesondere mit den Vorwürfen der Gegenseite konfrontiert habe.
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Dieser Einwand des Kindesvaters vermag die in sich schlüssigen und
nachvollziehbaren und insgesamt überzeugenden Darstellungen der Sachverständigen
L nicht zu erschüttern, die sich im Übrigen auch mit den Ermittlungen des Senats
anlässlich des Sitzungstermins decken.
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Das schriftliche Sachverständigengutachten ist entgegen der Ansicht des Kindesvaters
auch ausgewogen und lässt eine einseitige Sichtweise zu seinen Lasten nicht
erkennen. Die Sachverständige stellt nämlich fest, dass Q auch zu dem Kindesvater
eine tragfähige Beziehung hat und dieser ebenfalls, wie die Kindesmutter,
erziehungsgeeignet sei. Die Sachverständige räumt aber letztendlich dem Grundsatz
der Kontinuität eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Alleinsorge für Q ein.
Der Senat teilt – wie bereits ausgeführt – diese Einschätzung.
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Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht
auf § 13 a Abs. 1 FGG.
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Die Festsetzung des Gegenstandswert findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 131 Abs. 2, 30
Abs. 3 KostO.
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