Urteil des OLG Hamm vom 24.06.2008

OLG Hamm: auskunft, veröffentlichung, geschädigte partei, kausalität, wild, eingriff, urheberrechtsgesetz, sorgfalt, internetadresse, handbuch

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 25/08
Datum:
24.06.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 25/08
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 8 O 311/07
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.12.2007 verkündete Urteil
der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bochum, Az. 8 O 311/07,
abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen
über die am 29.06.2007 auf der Webpräsenz *internetadresse* in den
einzelnen Werbeformen (D, D2, D3, M, Q, Q2, G, Y, J, T, X, Us,
Sonderwerbeformen) generier-ten Werbeerlöse sowie die erteilten
Auskünfte durch Abrechnungen zu bele-gen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von
10.000,- Euro abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
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Der Kläger will den tödlichen Fallschirmsprung des Politikers N gefilmt haben. Die
Beklagte veröffentlichte ein Video, das diesen Sprung zeigt, am 29.06.2007 auf ihrem
Internetportal "*internetadresse*". Der Kläger verlangt Auskunft über die hierdurch von
der Beklagten generierten Werbeerlöse. Die Beklagte hat dem Kläger durch Schreiben
vom 30.8.2007 die Anzahl der Seitenaufrufe mitgeteilt, die Mitteilung über die
Werbeerlöse aus den an diesem Tage ausgelieferten Werbeformen allerdings
verweigert.
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Der Kläger hat behauptet, er sei am 05.06.2003 an Bord der Sportmaschine gewesen,
aus der N abgesprungen ist. Diesen Sprung habe der Kläger gefilmt. Der Kläger meint,
die Beklagte müsse ihm zum Zweck der Berechnung seines Schadensersatzanspruchs
Auskunft über die von ihr durch die Veröffentlichung des Videos erzielten Werbeerlöse
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erteilen. Auch die Beklagte habe Kenntnis darüber haben müssen, dass der Kläger
Hersteller des Videos war, da in der Printausgabe der konzernangehörigen C-Zeitung
als Hersteller ein "M2" genannt werde. Zudem behauptet der Kläger, die
Veröffentlichung seines Videos sei für die von der Beklagten am 29.06.2007 generierten
Werbeerlöse kausal gewesen. Die Beklagte sei gegenüber ihren Online-Werbekunden
verpflichtet, die jeweiligen Anzeigen in einem redaktionellen Umfeld zu platzieren.
Dieses Umfeld habe die Beklagte am 29.06.2007 in weiten Teilen durch die
urheberrechtswidrige Nutzung seiner Laufbilder geschaffen.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen über die am 29.06.2007 auf
der Webpräsenz *internetadresse* in den einzelnen Werbeformen (D, D2, D3, M, Q,
Q2, G, Y, J, T, X, U, Sonderwerbeformen) generierten Werbeerlöse sowie
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die erteilten Auskünfte durch Rechnungen zu belegen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen, hilfsweise
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ihr das Recht vorzubehalten, die von ihr vorzulegenden Abrechnungen mit ihren
Werbekunden einem zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten
Wirtschaftsprüfer zu Prüfungszwecken übergeben zu dürfen, sofern dieser
ermächtigt und verpflichtet, ist, dem Kläger auf Antrag mitzuteilen, ob in der
Rechnungslegung eine oder mehrere bestimmte Einnahmen enthalten sind.
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Die Beklagte hat die Urheberschaft des Klägers mit Nichtwissen bestritten und
vorgetragen, die Rechte an dem Video von der T AG erworben zu haben; diese habe
ihrerseits die Rechte aus einem am 19.05.2007 mit dem als Zeugen benannten M
geschlossenen Exklusivvertrag (Anlage B 1) hergeleitet. Der Beklagten sei daher
insbesondere kein Verschulden vorzuwerfen, da sie sich auf die Berechtigung der T AG
habe verlassen dürfen. Die von dem Kläger verlangte Auskunft schulde sie nicht; sie sei
ohne Einsatz eines speziell zu entwickelnden Computerprogramms auch nicht zu
beschaffen. Im Übrigen seien die am 29.06.2007 erzielten Werbeerlöse nicht auf die
Veröffentlichung des N-Videos zurückzuführen, da die an diesem Tag geschalteten
Werbeanzeigen bereits seit längerer Zeit und unabhängig von den Sendeinhalten am
29.06.2007 gebucht worden seien. Ein Einfluss auf die Sendeinhalte werde den
Werbekunden nicht verschafft, dies auch, weil die Sendeinhalte kurzfristig disponiert
würden. Auch sei eine taggenaue Berechnung der Werbeerlöse nicht möglich, weil eine
entsprechende Auswertung nicht erfolge. Die Beklagte hat hilfsweise gemeint, sie
müsse jedenfalls nur einem Wirtschaftsprüfer, nicht aber dem Kläger selbst Auskunft
erteilen, weil die Beklagte schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen in Form von
Geschäfts- und Steuergeheimnissen geltend machen könne. Die Beklagte könne nicht
ausschließen, dass der Kläger die Zahlen Dritten zur Verfügung stelle.
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Der Kläger hat repliziert, der Wirtschaftsprüfervorbehalt dürfe nur unter Wettbewerbern
geltend gemacht werden.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dem Kläger stehe kein
aus § 97 UrhG folgender Auskunftsanspruch über die erzielten Werbeerlöse zu. Es
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könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte Urheberrechte des Klägers verletzt habe,
weil die Veröffentlichung des Videos für die von ihr an diesem Tag erzielten
Werbeerlöse nicht kausal gewesen sei. Für den erforderlichen Kausalzusammenhang
zwischen Verletzungshandlung und dem behaupteten Schaden reiche es nicht aus,
dass die Werbekunden der Beklagten generell ein bestimmtes redaktionelles Umfeld mit
einer größtmöglichen Publikumswirksamkeit erwarten. Vielmehr müssten sich die
Werbeerlöse der Beklagten gerade auf die Veröffentlichung des sog. N-Videos
zurückführen lassen. Hierzu habe die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass die
entsprechenden Werbebuchungen bereits vorlagen, als die Veröffentlichung noch nicht
absehbar war, ferner die Sichtkontakte am 29.06.2007 eher unterdurchschnittlich waren.
Daher sei ein Werbemehrerlös auszuschließen, es sei denn, die Beklagten hätten einen
von den Sichtkontakten abhängigen "Zuschlag" verlangt, was der Kläger aber nicht
behauptet habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt und vertieft
seinen erstinstanzlichen Vortrag und trägt vor, er habe seine Urheberschaft unter
Beweis gestellt, eine Lizenzierung an Dritte sei nicht erfolgt. Die Beklagte selbst habe
eingeräumt, gegenüber ihren Werbekunden zu einer Platzierung der Werbung in einem
Nachrichten- und Unterhaltungsumfeld verpflichtet gewesen zu sein. Der Kläger rügt
eine fehlerhafte Auslegung des § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Die urheberrechtswidrige
Veröffentlichung der klägerischen Laufbilder könne entgegen der Ansicht des
Landgerichts nicht hinweggedacht werden, ohne dass die unter dem 29.6.2007 erzielten
Werbeerlöse wegfielen. Kausalität in diesem Sinne liege vor. Die Werbekunden
erwarteten nicht nur die Bereitstellung eines werbetauglichen redaktionellen Umfeldes,
sondern die Beklagte sei hierzu auch werkvertraglich verpflichtet. Aufgrund des
Präventionscharakters der Gewinnabschöpfung dürften an das Kausalitätserfordernis
keine gänzlich überspannten Anforderungen gestellt werden. Das Kausalitätserfordernis
sei daher wertend zu verstehen. Maßgeblich sei allein, ob sich der Beklagte zur
Erzielung der Online-Werbeerlöse in unerlaubter Weise des klägerischen
Immaterialgutes bediente. Insoweit genüge ein mittelbarer Zusammenhang. Um von
seinem Wahlrecht zwischen Gewinnentgang, Lizenzanalogie und Gewinnherausgabe
Gebrauch machen zu können, bedürfe es der Auskunft, weil nur so die Höhe des
Schadens ermittelt werden könne.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des am 13.12.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts
Bochum, Az. 8 O 311/07 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu
erteilen über die am 29.06.2007 auf der Webpräsenz *internetadresse* in den
einzelnen Werbeformen (D, D2, D3, M, Q, Q2, G, Y, J, T, X, Us,
Sonderwerbeformen) generierten Werbeerlöse sowie die erteilten Auskünfte durch
Abrechnungen zu belegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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hilfsweise der Beklagten das Recht vorzubehalten, die von ihr vorzulegenden
Abrechnungen mit ihren Werbekunden einem zur Verschwiegenheit verpflichteten,
vereidigten Wirtschaftsprüfer zu Prüfungszwecken übergeben zu dürfen, sofern
dieser ermächtigt und verpflichtet ist, dem Kläger auf Antrag mitzuteilen, ob in der
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Rechnungslegung eine oder mehrere bestimmte Einnahmen enthalten sind.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen
Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, sie sei davon ausgegangen, dass der als Zeuge
benannte Herr M die Erlaubnis des Rechteinhabers zur Weitergabe der Fotos zwecks
Veröffentlichung eingeholt habe. An der Kausalität zwischen der Nutzung des
streitgegenständlichen Videos und den über die Plattform selbst erzielten Werbeerlösen
fehle es auch deswegen, weil die Kunden der Beklagten keinerlei Einfluss auf die
konkrete Platzierung von Werberaum hätten. Der Beklagten sei überdies die
Ausweisung eines Tagesumsatzes aus Werbeerlösen nicht möglich, da sie ihren
Kunden Gesamtpreise für eine Kampagne berechne, die nicht nur eine einzelne
Werbeleistung beträfen und die zudem häufig rabattiert würden.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte dem
Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz, weil die Beklagte durch die
Veröffentlichung des streitgegenständlichen Videos in geschützte Rechtspositionen des
Klägers eingegriffen hat. Für die Berechnung des entstandenen Schadens ist der Kläger
darauf angewiesen, Auskunft über die von der Beklagten erzielten Werbeerlöse zu
erhalten. Der Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG, soweit
Herausgabe des Verletzergewinns als Anspruchsziel geltend gemacht wird. Überdies
kann der Auskunftsanspruch auf § 242 BGB gestützt werden, solange der Kläger von
seinem Wahlrecht nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG noch keinen Gebrauch gemacht hat
und jedenfalls auch die Berechnung des Schadens anhand einer entgangenen
Lizenzgebühr möglich bleibt (vgl. BGH GRUR 1984, 287, 289 - Herstellerbegriff IV;
GRUR 1999, 984, 988 – Laras Tochter).
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I. Der Kläger ist zur Verfolgung der geltend gemachten Verletzung einer
urhebergesetzlich geschützten Befugnis nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG berechtigt. Dabei
konnte als zugestanden angenommen werden, dass der Kläger die
streitgegenständlichen Aufnahmen selbst angefertigt und die Rechte hieran nicht
weiterlizenziert hat. Die von der Beklagten erhobene Rüge, dass der Kläger seine
Rechtsinhaberschaft nicht ausreichend bewiesen, sondern diese lediglich durch
Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen von Zeugen glaubhaft gemacht hat, die
beobachtet haben wollen, wie der Kläger die Aufnahmen anfertigte, genügt den
prozessualen Anforderungen an ein ausreichendes Bestreiten nicht. Zwar hat in
Verletzungsprozessen der Kläger seine Rechtsinhaberschaft jedenfalls dann
darzulegen und zu beweisen, wenn für ihn nicht die Vermutung nach § 10 UrhG spricht.
Allerdings hat der Kläger vorliegend substantiiert unter Vorlage von dem Grunde nach
nicht angegriffenen eidesstattlichen Versicherungen dargelegt, welche Personen
wahrgenommen haben, dass er das streitgegenständliche Video tatsächlich angefertigt
hat. Die Beklagte hat weder substantiiert bestritten, dass die vom Kläger benannten
Personen an dem Flug teilgenommen haben, noch dass diese auch potentiell die
Geschehnisse während des Fluges wahrnehmen konnten. Sie hat lediglich die
Rechtsinhaberschaft pauschal mit Nichtwissen bestritten und behauptet, ein Dritter habe
ihr Rechte eingeräumt. Das allein genügt aber nicht, um die substanziell vorgetragenen,
mit eidesstattlichen Versicherungen und Zeugnisangeboten unterlegten Darlegungen
des Klägers über seine Rechtsinhaberschaft zu erschüttern. Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist
eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene
Handlungen der Partei betreffen noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind.
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§ 138 Abs. 4 ZPO ist eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist, weil sie mit der
Prozessförderpflicht aus § 138 Abs. 2 ZPO und § 282 ZPO in Konflikt geraten kann (vgl.
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 138 Rn 49 und Rn 56). Eine unter
§ 138 Abs. 4 ZPO fallende Konstellation ist daher bereits fraglich, wenn eine Partei - wie
hier die Beklagte - die Rechtsinhaberschaft des Klägers letztlich mit dem Argument
angreift, sie habe an die Rechtsinhaberschaft ihres eigenen Informationszuträgers
geglaubt. Die Frage, inwieweit dieser Zuträger Rechte vermitteln konnte, betrifft nämlich
die Möglichkeit eigener Wahrnehmbarkeit. Jedenfalls in Fällen, in denen der in ein
Recht Eingreifende auch materiellrechtlich verpflichtet ist, sich über die von ihm
behauptete Rechtekette zu unterrichten, trifft ihn auch eine Informationspflicht, bevor er
sich auf Nichtwissen beruft (BGH GRUR 2002, 191, 192 – DIE PROFIS). Die Beklagte
hat aber keinerlei Erkundigungen darüber angestellt, inwieweit die von ihr behaupteten
Rechte von demjenigen abgeleitet waren, der die Videoaufnahme hergestellt hat. Sie
hat auch nicht vorgetragen, dass derjenige, von dem sie Rechte ableitet, selbst die
streitgegenständlichen Aufnahmen angefertigt hat. In dem von der Beklagten in
Fotokopie vorgelegten Exklusiv-Vertrag (Bl. 40 d.A.) ist der Zeuge M ausdrücklich nicht
als Urheber, sondern nur als Nutzungsberechtigter bezeichnet.
II. Das von der Beklagten verwendete Video ist ein nach dem Urheberrechtsgesetz
geschützter Gegenstand nach §§ 94, 95 UrhG. Die Frage, ob auch ein Filmwerk vorliegt,
kann dahingestellt bleiben, da sich die Klägerin nur auf Laufbildschutz beruft.
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III. Die Beklagte hat das Laufbild auf ihrer Website öffentlich zugänglich gemacht und
damit in das dem Kläger zustehende Recht nach §§ 94, 95 UrhG eingegriffen.
Urheberrechtliche Schrankenbestimmungen oder Rechtfertigungsgründe, die das
Handeln der Beklagten gestatteten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere war das
Interesse der Öffentlichkeit, tagesaktuelle Nachrichten mitgeteilt zu erhalten, vorliegend
nicht berührt.
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IV. 1. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt, weil sie sich nicht mit gehöriger
Sorgfalt danach erkundigt hat, ob die Person, von der sie glaubte, Rechte herzuleiten,
selbst im Besitz solcher Verwertungsrechte war. Grundsätzlich werden im Urheberrecht,
ebenso wie im Wettbewerbsrecht, an die Beachtung der erforderlichen Sorgfalt strenge
Anforderungen gestellt (BGH GRUR 2002, 248, 252 – Spiegel CD-Rom). Der
Handelnde muss alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die Rechtmäßigkeit
seines Handelns zu überprüfen (Vinck, in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts,
2003, § 81 Rn 37). Fahrlässig ist daher bereits das Nichteinholen näherer Informationen
über die Rechtekette, die Grundlage einer Lizenzberechtigung des Verletzers sein soll
(Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, § 97 Rn 57). Dass die Beklagte solche
Nachprüfungen angestellt hat, wird nicht behauptet.
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2. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, mit der im Mediengeschäft üblichen
Sorgfalt die Rechtekette überprüft und danach keinen Anlass gefunden zu haben, an der
Rechtsinhaberschaft der Person zu zweifeln, von der sie ihre Rechte glaubte erworben
zu haben. Ein besonderer für Pressezwecke abgemilderter Sorgfaltsmaßstab gilt nur,
wenn es um die Tatsachenrecherche bei der Nachrichtenberichterstattung geht (BGHZ
68, 331 = NJW 1977, 1288, 1289 – Abgeordnetenbestechung; BGH NJW 1987, 2225,
2226). Die hierdurch vermittelten besonderen Maßstäbe spielen aber nur eine Rolle,
wenn und soweit es um pressemäßige Berichterstattung in persönlichkeitsrechtlich
sensiblen Bereichen geht. Der Tatbestand einer Persönlichkeitsrechtsverletzung kann
dabei nicht allein erfolgsbezogen, d.h. vom Eingriff her als verletzt angesehen werden,
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sondern nur durch einzelfallbezogene Abwägung zweier gleichrangiger Rechtsgüter
ermittelt werden. Aufgrund dieser Besonderheit einer handlungsbezogenen Prüfung
kann es daher genügen, wenn die in Persönlichkeitsrechte eingreifende Presse mit
presseüblicher Sorgfalt die Grenzen ihrer Handlungsbefugnisse überprüft hat.
Dieser Maßstab gilt aber nicht, wenn es um den Eingriff in ein objektbezogen, d.h.
gegen jeden Eingriff geschütztes Immaterialgüterrecht geht. Bereits der Eingriff indiziert
hier die Rechtswidrigkeit. Auch Presse und Medien haben keine erweiterten Handlungs-
oder Einschätzungsspielräume, wenn es um die Beurteilung von Eingriffen in
Eigentums- oder Immaterialgüterrechte geht. So haftet für eine Urheberrechtsverletzung
nicht nur der Verfasser eines Berichts, sondern auch der Verleger oder Herausgeber
(Schricker/Wild, Urheberrechtsgesetz § 97 Rn 52). Bei der Nutzung urheberrechtlich
geschützter Güter haben sich alle Beteiligten mit der allgemeinüblichen Sorgfalt über
Existenz und Umfang urheberrechtliche Nutzungsbefugnisse zu informieren (vgl.
Schricker/Wild, § 97 Rn 53; Dreier/Schulze, § 97 Rn 57). Dieser Pflicht ist die Beklagte
nicht nachgekommen. Sie durfte nicht darauf vertrauen, dass der ihr gegenüber nicht als
"Urheber" der Laufbilder auftretende Herr M die Rechte zur öffentlichen
Zugänglichmachung selbst wirksam erworben hatte.
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V. 1. Dem Kläger ist auch ein Schaden in Form einer Rechtseinbuße entstanden. Steht
fest, dass einerseits das ohne Vergütung genutzte Leistungsergebnis einen
Vermögenswert hat, der es zur Lizenzierung geeignet erscheinen lässt, und dass
andererseits der Inhaber eines Ausschließungsrechts dessen Benutzung nicht ohne
Gegenleistung gestattet haben würde, so indiziert dies eine der nicht geleisteten
Vergütung entsprechende Vermögenseinbuße auf Seiten des Rechtsinhabers (BGH
GRUR 1995, 349, 351; mit Hinweis auf BGH GRUR 1993, 899, 900 f. - Dia-Duplikate
und BGHZ 57, 116, 118 - Wandsteckdose II).
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2. Der genaue Umfang und die genaue Höhe der Einbusse kann vom Kläger erst durch
Auskunft über die von der Beklagten durch Werbebuchungen erzielten Werbeerträge
ermittelt werden. Zu Unrecht hat das Landgericht argumentiert, die Kausalität zwischen
Rechtsverletzung und Gewinnerzielung fehle, weil die Werbeerlöse jedenfalls keinen
Gewinn aus der Nutzung der klägerischen Verwertungsrechte darstellten, da die
Werbebuchungen bereits vor der konkreten Werknutzung gebucht waren.
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a) Richtig ist, dass In Rechtsprechung und Literatur im Ansatz einhellig darauf
hingewiesen wird, dass die Herausgabe des Verletzergewinns im Falle von
Verletzungen urhebergesetzlich geschützter Befugnisse nur insoweit verlangt werden
kann, als der Gewinn kausal auf der unbefugten Benutzung des geschützten Gutes
beruht (vgl. BGH GRUR 1987, 37, 39 f. - Videolizenzvertrag; GRUR 2002, 532, 525 -
Unikatrahmen; Dreier/Schulze § 97 Rn 67; Lütje, in: Möhring/Nicolini, § 97 Rdnr. 174;
Schricker/Wild, Urheberrechtsgesetz, § 97 Rn 67; v. Wolff in Wandtke/Bullinger,
Urheberrechtsgesetz, § 97 Rn 64; Vinck, in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts,
§ 81 Rn 47). Verneint wird die Kausalität, wenn ein Gewinn auch auf anderen
Umständen als der Verletzungshandlung beruht (BGH GRUR 1961, 354, 355 –
Vitasulfat; Lütje, in Möhring/Nicolini, UrhG, § 97 Rn 174; Vinck, in Loewenheim,
Handbuch, § 81 Rn 47). Ebenso soll es an der Kausalität fehlen, wenn die
Gewinnerzielung nur zum Teil auf der Nutzung geschützter, zum Teil aber auch auf der
Nutzung abhängiger Werke (BGH GRUR 1959, 379, 380 – Gasparone) oder von einem
Dritten gehaltener Nutzungsbefugnisse beruht (BGH GRUR 1987, 37, 39 -
Videolizenzvertrag). Die genannten Konstellationen haben allerdings sämtlich den
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Regelfall zum Ausgangspunkt, dass ein Gewinn auf einer direkten, also typischerweise
entgeltlichen Nutzung des betroffenen Schutzgutes selbst beruht. Daran fehlt es
vorliegend.
b) Es fehlt hieran geradezu typischerweise in Fällen, in denen ein Erlösmodell nicht auf
einer Direktvermarktung von Inhalten beruht (wie z.B. beim Pay-TV), sondern darauf,
dass die Inhalte auch dem Zweck dienen, Aufmerksamkeit für eine Plattform zu
erzeugen und diese Aufmerksamkeit auf kommerzielle Werbung umzulenken. In
solchen Fällen, in denen die Inhalte Mittel sind, um eine indirekte Finanzierungsquelle
zu erschließen, versagt die im Falle einer Direktnutzung des Werkes übliche
Kausalitätsbetrachtung. Käme es auf eine solche Kausalität an, wäre der Fall der
Urheberrechtsverletzung im frei empfangbaren Fernsehen oder im frei zugänglichen Teil
des Internet für Zwecke der Gewinnherausgabe nicht erfassbar. Daher wird in der
Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass auch mittelbar aufgrund einer
unberechtigten Nutzung von Inhalten erzielte Gewinne zu berücksichtigen sind, soweit
diese Gewinne gerade auf die Werbewirkung der rechtswidrigen Nutzung
zurückzuführen sind (Lütje in Möhring/Nicolini, § 97 Rn 174 mit Hinweis auf BGH GRUR
1962, 509, 512 – Dia-Rähmchen II; ebenso Schricker/Wild § 97 Rn 67).
Dementsprechend kann es bei mittelbarer Medienfinanzierung auch nicht darauf
ankommen, wie hoch die Zahlungsbereitschaft der Werbeinteressierten für das
tatsächlich benutzte Gut war. Es genügt die Ermittlung der Zahlungsbereitschaft für
vergleichbare Inhalte, die aufgrund der vom Kläger erwähnten allgemeinen
werkvertraglichen Verpflichtung der Beklagten zur Bereitstellung aktueller
Laufbildinhalte vorhanden war.
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c) Für diese Deutung spricht auch der Charakter des Gewinnherausgabeanspruchs. In
Rechtsprechung und Literatur ist weitgehend unbestritten, dass § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG
keinen Fall der konkreten Schadensberechnung betrifft (vgl. Dreier, Kompensation und
Prävention, Tübingen 2002, S. 274). Überwiegend wird die Norm stattdessen als
Ausdruck einer speziell für Immaterialgüterrechtsverletzungen aufgrund
Gewohnheitsrechts anerkannten Methode der erleichterten Schadensberechnung
gedeutet (BGH GRUR 1995, 349- 351 – Objektive Schadensberechnung; BGHZ 44,
372, 374 – Messmer-Tee II; BGHZ 20, 345, 353 – Paul Dahlke; ebenso die Deutung im
Bürgerlichen Recht: Staudinger/Wittmann, vor §§ 677 Rn 15). Die Gerichte haben
hieraus eine Vermutung dergestalt entwickelt, dass "im Regelfall" vom Verletzergewinn
auf den Schaden beim Verletzten geschlossen werden könne, denn "nach der
Lebenserfahrung (könne) normalerweise davon ausgegangen werden, … dass dem
Verletzten entsprechende eigene Geschäfte (und daraus resultierende
Gewinnmöglichkeiten) entgangen sind" (BGH GRUR 1995, 349, 351). Diese
Überlegungen zeigen, dass es auf den Zeitpunkt der Werbebuchungen gerade nicht
ankommt, sondern die Beklagte sich vielmehr an der tatsächlichen Nutzung des
geschützten Gegenstandes festhalten lassen muss.
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Dem entspricht auch der Zweck der durch die Möglichkeit zur dreifachen
Schadensberechnung geschaffenen Erleichterung. Die gewohnheitsrechtliche
Ergänzung der allgemeinen Bestimmungen des Schadensersatzrechts entspricht einem
praktischen Bedürfnis. Es basiert auf der besonders leichten Verletzlichkeit von
Immaterialgüterrechten und den typischerweise vorhandenen Nachweisschwierigkeiten
auf Seiten des Verletzten (BGHZ 68, 90, 94 – Kunststoffhohlprofil). Es entspricht ferner
der Billigkeitserwägung, dass niemand durch den unerlaubten Eingriff in solche Rechte
besser gestellt werden soll, als er im Fall einer ordnungsgemäß nachgesuchten und
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erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte (BGHZ 57, 116, 119 –
Wandsteckdose II).
Die vorgenannte Betrachtung trägt auch der sog. Durchsetzungs- oder EG-Enforcement-
Richtlinie Rechnung (Richtlinie 2004/48/EG v. 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte
am geistigen Eigentum, EG-ABl. L 157 v. 30.4.2004, S. 45), die bis zum 29.4.2006
umzusetzen war. Sie ist (verspätet) am 11.4.2008 in das deutsche Recht umgesetzt
worden. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) dieser Richtlinie sollen bei der
Festsetzung des Schadensersatzes "alle in Frage kommenden Aspekte, wie die
negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, einschließlich der Gewinneinbußen für die
geschädigte Partei und der zu Unrecht erzielten Gewinne des Verletzers" berücksichtigt
werden. Die Richtlinienfassung, die dem Grundsatz nach nicht von dem bisherigen
Verständnis des § 97 Abs. 1 UrhG abweicht (von Wolff in: Wandtke/ Bullinger, § 97 Rn
58) und nunmehr dort kodifiziert ist, zeigt, dass der Schadensberechnung Elemente der
Schätzung anhaften, welche nicht nur die tatsächlichen, sondern auch die potentiellen
Vermarktungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Immaterialgüterrechten
berücksichtigen.
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d) Deswegen greift die Argumentation des Landgerichts zu kurz. Der Kläger wird seinen
Schadensersatz erst beziffern können, wenn er den kommerziellen Wert der Nutzung
des streitgegenständlichen Videos anhand der erzielten Werbeerlöse für dieses oder
auch für vergleichbare Koppelungsprodukte ermessen kann. Dies gilt im Übrigen nicht
nur für die Bezifferung eines Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns, sondern
auch für die Berechnung einer angemessenen Lizenzgebühr, die der Kläger hätte
verlangen können, wenn die Beklagte vorher um Erlaubnis nachgesucht hätte. Dabei ist
die Beklagte mit dem Einwand, dass sie das Recht im Falle eines solchen
Lizenzverlangens nicht genutzt hätte, ausgeschlossen (BGH GRUR 1990, 1008, 1009 –
Lizenzanalogie). Auch wenn der Kläger anstelle des Gewinns eine angemessene
Lizenzgebühr verlangt, kommt es auf den Wert des verletzten Rechts sowie den Umfang
der Verletzungshandlung an (Vinck in Loewenheim, Handbuch, § 81 Rn 45).
Insbesondere der Wert des verletzten Rechts wird nämlich entscheidend durch Ausmaß
und Ertrag aus der möglichen Werbenutzung bestimmt.
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VI. Der Kläger kann verlangen, dass die Auskunft an ihn selbst erteilt wird. Er muss sich
nicht darauf verweisen lassen, dass die Auskunft lediglich an einen Wirtschaftsprüfer zu
erfolgen hat, wie es die Beklagte hilfsweise beantragt. Zwischen den Parteien ist
unstreitig, dass der Kläger kein Wettbewerber der Beklagten ist. Für diejenigen
Umstände, welche die Einschränkung des Verlangens rechtfertigen, trägt die
Auskunftspflichtige die Darlegungs- und Beweislast (BGH GRUR 1981, 535 –
Wirtschaftsprüfervorbehalt). Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass
Konkurrentenbeziehungen durch die begehrte Auskunft gefährdet sind. Sie hat lediglich
allgemein den Verdacht geäußert, der Kläger könne die Werbeumsatzdaten an Dritte
weiterleiten. Einen konkreten Anlass für diesen Verdacht hat sie nicht genannt. Er ist
auch nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund kommt eine Einschränkung des
Auskunftsanspruchs nicht in Betracht. Der sog. Wirtschaftsprüfervorbehalt trägt dem
Umstand Rechnung, dass ein Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch nicht in
Betracht kommt, wenn aufgrund der Auskunft geschützte Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse preisgegeben würden. Umsatzdaten sind allerdings nicht
generell als geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzusehen. Soweit ein
Auskunftsbegehren durch die Rechtsprechung bislang durch einen
Wirtschaftsprüfervorbehalt beschränkt wurde, geschah dies stets vor dem Hintergrund,
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dass es dem Auskunftspflichtigen nicht zumutbar ist, Wettbewerbern Auskünfte über den
Kundenstamm zu erteilen (BGH GRUR 1980, 227, 232 – Monumenta Germaniae
Historica; von Wolff in Wandtke/Bullinger, § 97 Rn 46) oder vertrauliche Auskünfte über
die eigenen Kunden preiszugeben (OLG Frankfurt/M. Ufita 93/1982, S. 197: Auskünfte
von einem Verein, der Pornofilme vermietet). Auch in der Literatur wird darauf
hingewiesen, dass die Einschränkung des Auskunftsanspruchs nur mit Rücksicht auf
die Wettbewerbslage (Schricker/Wild, § 97 Rn 83) und gegenüber einem Konkurrenten
erfolgen dürfe (Lütje in Möhring/Nicolini, § 97 Rn 237). Ansonsten wird betont, dass an
die Einschränkung des Auskunftsverlangens hohe Anforderungen gestellt werden
müssen (Schricker/Wild, § 97 Rn 83 mit Hinweis auf OLG Frankfurt/M. ZUM 1989, 355,
357 – Hängender Panther: kein Vorbehalt, wenn ein Einbruch in die Lieferbeziehungen
des Auskunftspflichtigen nicht zu befürchten ist).
VII. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO. Da die Sache
grundsätzliche Bedeutung hat, war die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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