Urteil des OLG Hamm vom 30.09.1999

OLG Hamm: unfall, fahrzeug, gehweg, strafverfahren, hund, beteiligter, kollision, stillstand, kriminalpolizei, verwertung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 6 U 41/99
30.09.1999
Oberlandesgericht Hamm
6. Zivilsenat
Urteil
6 U 41/99
Landgericht Dortmund, 21 O 74/94
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Dezember 1998
verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer des Klägers: unter 25.000,00 DM.
Entscheidungsgründe:
I.
Mit der Behauptung, sein am 10.3.1994 gegen 21.50 Uhr auf dem Gehweg neben dem L-
Weg in E abgestellter Mercedes 300 E sei - ohne sein Wissen - durch einen Unfall
beschädigt worden, hat der Kläger Ersatz seines mit 20.398,00 DM bezifferten Schadens
begehrt. Zu dem Unfall - so der Kläger - sei es deshalb gekommen, weil die Beklagte zu 1)
mit ihrem Honda die linke der beiden Fahrspuren stadteinwärts befahren, diese Spur
plötzlich nach rechts gewechselt und dabei den Pkw Mercedes Tasasiz, gefahren von dem
Zeugen D, in Bedrängnis gebracht habe mit der Folge, daß dieses Fahrzeug nach rechts
hin ausgewichen und gegen sein dort abgestelltes Fahrzeug geprallt sei. Hierdurch
wiederum sei sein eigener Mercedes auf einen unmittelbar vor ihm ebenfalls abgestellten
weiteren Mercedes geprallt, so daß sowohl Front- als auch Heckschäden entstanden seien.
Die Beklagte zu 2) hat die Schadensregulierung mit der Behauptung verweigert, der Unfall
sei gestellt gewesen.
Das Landgericht hat nach beweismäßiger Verwertung der Strafakten 36 Js 202/95 StA
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Dortmund der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, trotz
einiger außergewöhnlicher Umstände sei letztlich nicht feststellbar, daß der Unfall
verabredet gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten die Beklagte zu 2) zugleich als
Streithelferin der Beklagten zu 1) - ,die mit näheren Ausführungen und unter Hinweis auf
zahlreiche Ungereimtheiten erneut ein abgesprochenes Unfallgeschehen behaupten.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts sechs Zeugen vernommen und ein
Gutachten des Sachverständigen T eingeholt, das dieser im Senatstermin mündlich
erläutert hat.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat angesichts der Vielzahl und der
Schwere der feststehenden Auffälligkeiten keinen vernünftigen Zweifel daran, daß das
gesamte Unfallgeschehen auf einer Absprache zwischen den beteiligten
Fahrzeugführern/Fahrzeughaltern beruhte.
Auffällig ist bereits, daß die Beklagte zu 1) schon vor dem hier streitigen Unfall am
16.10.1993, also fünf Monate vorher, einen fast identischen Unfall hatte, bei dem ebenfalls
nach einem Fahrspurwechsel der Beklagten zu 1) ein anderes Fahrzeug nach rechts
ausgewichen ist und dort drei abgestellte Fahrzeuge der Mercedes-Klasse beschädigt hat.
Das mittlere der am 16.10.1993 abgestellten Fahrzeuge gehörte dem Zeugen U, der bei
dem hier streitigen Unfall vom 10.3.1994 Beifahrer im Pkw des D gewesen ist. Bei ihrer
verantwortlichen Vernehmung vor der Kriminalpolizei in Dortmund vom 28.6.1994 hat die
Beklagte zu 1) diesen Unfall fünf Monate zuvor verschwiegen und erklärt, sie habe den
letzten Unfall "vor etwa 7 Jahren" gehabt.
Auffällig ist ferner, daß das erste der auf dem Gehweg abgestellten Fahrzeuge (ein
Mercedes 124) dem Vater des Zeugen U gehörte, dem im Senatstermin nicht erschienen
Zeugen U. Bei allen drei geschädigten Mercedes-Fahrzeugen handelt es sich um größere
Modelle der älteren Baujahre 1988/1989.
Die auf dem Gehweg abgestellten Fahrzeuge standen an einer Stelle, an der nach dem
Polizeibericht vom 11.3.1994 und auch nach der Aussage des unbeteiligten Zeugen U2,
der in unmittelbarer Unfallnähe wohnt, im Normalfall nur sehr selten Fahrzeuge abgestellt
werden. Ein plausibler - unverdächtiger - Grund für das Abstellen der Fahrzeuge an dieser
Stelle ist auch nach der Anhörung des Klägers und der übrigen Beteiligten nicht erkennbar
geworden.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist der gesamte Hergang
technisch nicht plausibel. Die Endstellung des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) ist durch den
Polizeibericht und die gefertigten Fotos dokumentiert. Danach stand das Fahrzeug fast auf
gleicher Höhe wie der Pkw D im Bereich der Mittellinie, noch innerhalb der rechten Spur.
Diese Endstellung kann fahrdynamisch nicht erreicht werden, da nach der gesamten
Unfallrekonstruktion der Pkw D nach der harmlosen Streifberührung mit dem Fahrzeug der
Beklagten zu 1) seine Fahrtrichtung zunächst nicht verändert hat und deshalb den Platz auf
der rechten Fahrspur für den Pkw der Beklagten zu 1) gar nicht freimachen konnte. Auch
konnte das Fahrzeug der Beklagten zu 1) nicht auf etwa gleicher Höhe wie der Pkw D zum
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Stillstand gebracht werden, da dieser immerhin noch mit einer Kollisionsgeschwindigkeit
von 25 km/h auf den Pkw des Klägers geprallt ist.
Zu den technischen Ungereimtheiten gehört auch, daß D den Mercedes derart weit nach
rechts herüber gezogen haben will, obwohl es praktisch nur eine Bagatellberührung mit
dem Pkw der Beklagten zu 1) gegeben haben kann. Im Regelfall - so der Sachverständige -
werden Fahrzeuge bei derartigen Berührungen praktisch parallel weitergefahren. Neben
weiteren Ungereimtheiten zum Hergang und zur Plausibilität der gesamten Ereignisse
erscheint erwähnenswert, daß der Zeuge D wegen einer bereits früher begangenen
Unfallmanipulation rechtskräftig vorbestraft ist, wie er im Senatstermin auch eingeräumt hat.
Der Senat ist davon überzeugt, daß auch der Kläger in diesen für ein manipuliertes
Unfallgeschehen typischen Ablauf eingewilligt hatte. Zwar ist er im Strafverfahren durch
Urteil vom 10.6.1998 freigesprochen worden. Die überzeugenden Aussagen des vom
Senat im einzelnen vernommenen unbeteiligten Zeugen U2 lassen an seiner Beteiligung
aber keine vernünftigen Zweifel. Der Zeuge hat die Vorgeschichte des manipulierten
Unfalls im einzelnen beobachtet und - wie schon vor der Polizei am 30.5.1994, also nur
kurze Zeit nach dem angeblichen Unfall -erneut sehr detailliert geschildert. Danach sind die
später auf dem Gehweg abgestellten Mercedes-Fahrzeuge und deren Insassen zuvor
bereits an der Unfallstelle gewesen; die Insassen sind ausgestiegen und in verschiedene
Richtungen hin- und hergegangen. Anschließend - so der Zeuge - sind die beiden
Mercedes-Pkw gleichzeitig und ganz dicht hintereinander abgestellt worden. Nur zehn
Minuten später, nachdem der Zeuge zwischenzeitlich mit seinem Hund "Gassi gegangen"
und zurückgekehrt war, war schon die Polizei zur Stelle, weil die beiden Fahrzeuge in der
geschehenen Weise beschädigt worden waren. Der Zeuge hat auch keinen Zweifel daran
gelassen, daß es sich bei den beiden dort abgestellten Fahrzeugen um dieselben
handelte, die unmittelbar darauf beschädigt wurden.
Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft. Im Senatstermin war deutlich erkennbar, daß seine
Erinnerung an die inzwischen mehr als fünf Jahre zurückliegenden Ereignisse zunehmend
lebendiger und plastischer wurde, nachdem ihm die Einzelheiten seiner damaligen
Aussage Stück für Stück vorgehalten wurden. So erinnerte sich der Zeuge insbesondere
auch wieder daran, daß ihm schon damals merkwürdig vorgekommen war, daß beide
Fahrzeuge an dieser ungewöhnlichen Stelle gleichzeitig und noch dazu so dicht
hintereinander abgestellt worden waren.
Mit dieser Aussage aber ist die Behauptung des Klägers widerlegt, er habe sein Fahrzeug
als einziges vor dem Unfall dort abgestellt, ein weiteres Fahrzeug habe es dort nicht
gegeben. Das gemeinsame Abstellen beider Fahrzeuge an dieser ungewöhn-
lichen Stelle, noch dazu ohne nennenswerten Abstand, macht unter Berücksichtigung der
übrigen technischen und auch in der Person mehrerer Beteiligter liegenden Auffälligkeiten
nur dann einen Sinn, wenn beabsichtigt war, durch eine anschließende, zuvor
abgesprochene einzige Kollision einen großen Schaden an insgesamt drei größeren
Mercedes-Modellen zu produzieren.
Bei dieser Sachlage war die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.