Urteil des OLG Hamm vom 24.09.1998

OLG Hamm (cmr, rückgabe, verhältnis zu, ladung, fahrer, gegenleistung, darlehensgeber, sicherung, zug, frachtführer)

Oberlandesgericht Hamm, 18 U 186/97
Datum:
24.09.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 186/97
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 16 O 284/97
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Senats vom 25. Mai 1998 wird mit der
Einschränkung aufrechterhalten, daß die Berufung der Beklagten gegen
das am 24. September 1997 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des
Landgerichts Essen nur mit der Maßgabe zurückgewiesen wird, daß ein
Teilbetrag von 2.500 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 3.7.1997 nur Zug
um Zug gegen Übereignung von 30 gebrauchten Europaletten zu zahlen
ist.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 1/8 die Klägerin und 7/8 die
Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert keine der Parteien in Höhe der Revisionssumme.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
1
Entscheidungsgründe:
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Die Berufung hat insoweit Erfolg, als ein Teilbetrag der vom Landgericht zuerkannten
Klageforderung nur Zug um Zug gegen die Rückgabe von Paletten zu zahlen ist.
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I.
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Unstreitig steht der Klägerin aus der Durchführung von Transportaufträgen eine in der
Klageschrift im einzelnen aufgeschlüsselte Restforderung von 10.764,18 DM zu.
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II.
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Die Geltendmachung von Gegenrechten durch die Beklagte ist nicht durch das in § 32
ADSp vorgesehene Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsverbot ausgeschlossen.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien
überhaupt die ADSp anzuwenden sind. Das Verbot einer Aufrechnung oder
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überhaupt die ADSp anzuwenden sind. Das Verbot einer Aufrechnung oder
Zurückbehaltung entfällt jedenfalls dann, wenn der Spediteur zahlungsunfähig
geworden ist (BGH NJW-RR 1987, 883; Koller, Transportrecht, 3. Auflage, § 32 ADSp
Rdn.2; Palandt-Heinrichs BGB, 57. Auflage, § 11 AGBG Rdn. 16). Vorliegend ist zwar
bisher noch nicht der Konkurs über das Vermögen der Klägerin eröffnet worden. Es ist
aber, wie eine Auskunft der Amtsgerichts Hamburg ergeben hat, im Rahmen eines
Konkursantragsverfahrens die Sequestration gemäß § 106 KO angeordnet worden. Es
ist demnach zumindest davon auszugehen, daß die Klägerin in Vermögensverfall
geraten ist. Das reicht aus, um die Berufung auf ein Aufrechnungs- oder
Zurückbehaltungsverbot auszuschließen (Palandt/Heinrichs a.a.O.).
III.
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Gegenrechte der Beklagten bestehen aber nur wegen der nach ihrer Darstellung nicht
zurückgegebenen 30 Paletten. Insoweit kann die Beklagte allerdings nicht
Schadensersatz verlangen, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen.
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1.
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Unstreitig bestand zwischen den Parteien die Abrede, bei der Ablieferung eines auf
Paletten gelagerten Transportgutes eine entsprechende Anzahl von Paletten
zurückzugeben.
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a.
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Wie eine solche Abrede rechtlich zu qualifizieren ist, ist in Rechtsprechung und Literatur
umstritten. Der Senat neigt mit der überwiegenden Meinung dazu, sie als
Darlehnsvertrag anzusehen, (vgl. OLG Frankfurt Transportrecht 1984, 245;
offengelassen in TranspR 1993, 145; KG TranspR 1995,299; Knorre TranspR 1990,99;
Willenberg, Rechtsfragen des Palettenverkehrs auf der Straße U-Straße, 161, 167).
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b.
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Dabei wird allerdings von der h.M. (vgl. OLG Celle TranspR 1984, 253; TranspR 1994,
247 ff.; LG Hannover TranspR 1984, 254; OLG Frankfurt TranspR 1993, 145; Willenberg
U-Straße, 169; Thume TranspR 1989, 47 ff.) die Verpflichtung zur Rückgabe
gleichwertiger Paletten als eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflicht i.S. der
§§ 320 ff. BGB angesehen. Dieser Ansicht ist indessen nicht zu folgen; sie ist
unzutreffend. Das - regelmäßig in Geld gewährte - Darlehn ist, soweit es zinslos
hingegeben wird, keineswegs ein gegenseitiger, sondern nur ein zweiseitig
verpflichtender Vertrag (allg. Meinung, vgl. Staudinger/Hopt/Mühlberg, § 607 BGB Rdz.
17; RGRK-Ballhaus, vor § 607 Rdz. 7, 8; MK-Westermann, vor § 607 Rdz. 5;
Soergel/Häuser, vor § 607 Rdz. 10; Palandt/Putzo, vor § 607 Rdz. 2). Der
Darlehensgeber erhält beim zinslosen Darlehen für die Hingabe der Darlehensvaluta
nichts. Der Darlehensnehmer ist lediglich verpflichtet, das Empfangene in Sachen
gleicher Art, Güte und Menge zurückzugeben. Diese Verpflichtung steht aber gerade
nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Darlehenshingabe, denn der Darlehensgeber
stellt das Darlehen nicht um der Rückgabe willen ("do ut des"), sondern aus ganz
anderen (unterschiedlichen) Gründen und Motiven zur Verfügung. Ein gegenseitiger
Vertrag liegt beim Darlehen (nur) dann vor, wenn vereinbart wird, daß als Gegenleistung
für die Überlassung Zinsen zu zahlen sind oder der Darlehensnehmer andere
besondere Verpflichtungen übernimmt (vgl. die Beispiele bei RGRK-Ballhaus a.a.O.).
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An einer derartigen Vereinbarung fehlt es jedoch beim einfachen Palettendarlehen. Der
"Darlehensgeber" (Versender) erhält für die Überlassung der Paletten keinerlei
Gegenleistung. Ebensowenig wie beim zinslosen, in Geld gewährten Darlehen der
Darlehensgeber - wie erwähnt - die Darlehensvaluta deswegen hingibt, weil er das Geld
später wiederhaben will, verfolgt der Versender mit der Überlassung der Paletten den
Zweck und das Ziel, später gleichartige Paletten zurückzuerhalten. Mit der Überlassung
der Paletten wird vielmehr angestrebt, die Abwicklung des Transports zu erleichtern und
zu beschleunigen, weil sonst durch Umpacken des Ladungsgutes kostbare Zeit verloren
ginge. Die Rückgabepflicht wird vereinbart, damit diese kostensparende Erleichterung
des Transportvorgangs nicht (endgültig) zu Lasten des Auftraggebers geht, und soll den
(vorläufigen) Nachteil, der durch die kostenlose Überlassung der Paletten eintritt, später
wieder ausgleichen. Die Rückgabe der Paletten ist somit keine im Austauschverhältnis
stehende Gegenleistung für die Überlassung. Der Auftraggeber überläßt die Paletten
dem Frachtführer nicht, um eine Gegenleistung dafür zu erhalten, sondern obwohl er
dafür keine Gegenleistung - auch nicht in Form eines Preisnachlasses - bekommt.
c.
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Steht aber der Austausch von Paletten nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis, finden auch
die Vorschriften der §§ 320 ff BGB auf die Verpflichtung zur Rückgabe der Paletten
keine Anwendung. Die Beklagte kann daher wegen nicht zurückgegebener Paletten
auch keinen Schadensersatzanspruch aus § 326 BGB herleiten. Einen
Schadensersatzanspruch wegen Verzuges mit der Palettenrückgabe könnte sich nur
aus § 286 II BGB ergeben. Das würde aber voraussetzen, daß die Rückgabe der
Paletten infolge des Verzuges für die Beklagte kein Interesse mehr hätte. Dafür fehlt
indes jeder Anhaltspunkt. Die Beklagte hat vielmehr auch im Laufe des Rechtsstreits
immer wieder die Rückgabe der Paletten verlangt.
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d.
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Für die Erfüllung der Rückgabepflicht ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig.
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Daß die Kläger die Paletten an einer von der Beklagten benannten Lieferadresse
abgegeben hat, hat sie aber nicht einmal substantiiert dargelegt. Der von ihr vorgelegte
Frachtbrief (Bl. 45 GA) enthält keine Empfangsquittung. Das ist um so erstaunlicher, als
zu diesem Zeitpunkt doch bereits im Rechtsstreit gerade über die Rückgabe dieser
Paletten gestritten wurde. Zudem soll der Frachtbrief am 6.8.1997 in I2 ausgestellt
worden sein. Am selben Tag soll aber bereits die Übergabe der Paletten an den im
Frachtbrief genannten Empfänger in Spanien erfolgt sein. Es wird weder der
Frachtführer benannt, der die Paletten nach Spanien gebracht haben soll, noch wird
mitgeteilt, wann genau an welche Person die Paletten übergeben worden sind. Ob dies
der als Zeuge benannte Inhaber der Firma F war oder woher er seine Kenntnis von der
Palettenrückgabe haben soll, ist völlig offen. Die Klägerin hätte aber die genauen
Umstände der Rückgabe konkret darlegen müssen. Das gilt umso mehr, als unstreitig
ist, daß sie ihrerseits ihren Unterfrachtführer Belz wegen der fehlenden Paletten auf
Schadensersatz in Anspruch genommen hat. Angesichts dieses unsubstantiierten und
in sich widersprüchlichen Vorbringens war dem Beweisantrag der Klägerin auf
Vernehmung des Inhabers der Firma F nicht nachzugehen.
21
e.
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Die Beklagte ist deshalb berechtigt, einen Teil des Frachtlohns bis zur Rückgabe der
Paletten einzubehalten. Bei einem angenommenen Wert der Paletten von etwa 800 DM
schätzt der Senat das Sicherungsinteresse der Beklagten auf 2.500 DM.
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2.
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Gegenansprüche aus den Schadensfällen vom 13.5.1996 und 7.6. 1996 stehen der
Beklagten nicht zu.
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Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, das einen Beförderungsvertrag im
grenzüberschreitenden Güterverkehr zum Gegenstand hatte, finden die zwingenden
Vorschriften der CMR Anwendung.
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a.
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Nach Art. 17 I CMR besteht hinsichtlich des Transportschadens vom 13.5.1996 eine
grundsätzliche Haftung der Klägerin, da der Schaden zwischen der Übernahme des
Transportgutes und dessen Ablieferung eingetreten ist.
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Die Klägerin ist jedoch gemäß Art. 17 IV lit. c CMR von der Haftung befreit. Die Beklagte
hat, gestützt auf das Gutachten des Kommissars für Transportschäden vom 23.5.1996
(Bl. 141 ff GA), selbst vorgetragen, der Schaden sei darauf zurückzuführen, daß sich
zwei Metallstangen, die zur Befestigung der Ladung angebracht worden seien, durch
den Druck des Ladeguts gelöst hätten und so die gesamte Ladung mit Salatköpfen ins
Rutschen geraten sei. Es ist davon auszugehen, daß dies auf einen der Beklagten
zuzurechnenden Ladefehler zurückzuführen ist.
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Die CMR trifft für die Frage, wer die Pflicht zum Beladen und Verstauen der Ware hat,
keine Regelung. Nach hier anzuwendendem deutschem Recht (beide Parteien sind
deutsche Unternehmen) hat der Frachtführer für die beförderungssichere Verladung, d.h.
die Zweckmäßigkeit der Verladung unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des
Ladegutes vor Transportschäden, ohne besondere Abrede nicht zu sorgen. Ihn trifft
insoweit auch keine Kontrollpflicht (Koller, Transportrecht, 3. Auflage, § 425 HGB
Rdn.14; Herber/ Piper CMR 1996, Art. 17 CMR Rdn.156). Daß vorliegend hiervon
abweichende Abreden getroffen worden sind und tatsächlich anders verfahren worden
ist, hat die Beklagte nicht geltend gemacht.
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Allerdings behauptet sie, der Fahrer der Klägerin habe die Metallstangen zur Sicherung
der Ladung angebracht. Dessen Verhalten muß sich die Klägerin aber nicht zurechnen
lassen.
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Der Haftungsausschluß nach Art. 17 IV lit. c CMR setzt voraus, daß der Absender, der
Empfänger oder ein Dritter, der für sie handelt, die Beladung vorgenommen hat.
Differenziert zu beurteilen ist, wem ein Tätigwerden des Fahrers des Frachtführers
zuzurechnen ist, wenn dieser bei einer vom Absender geschuldeten Befestigung der
Ladung zum Schutz gegen Transportschäden tätig wird. Wirkt der Fahrer auf
Veranlassung und unter der Oberaufsicht des Absenders mit, ist er als Dritter im Sinne
der Ausschlußregelung anzusehen. Anders ist es, wenn der Fahrer bei der
Transportsicherung eine eigenständige Tätigkeit entfaltet oder durch bestimmte
Weisungen in die Verladung eingreift. Das muß sich der Frachtführer zurechnen lassen
(Herber/Piper a.a.O. Art. 17 CMR Rdn. 122).
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Vorliegend ist davon auszugehen, daß der Lieferant der Salatsendung die Beladung für
die Beklagte durchgeführt hat. Der Fahrer hätte ohne Hilfsmittel den LKW überhaupt
nicht mit den Paletten beladen können. Etwas anderes ist auch von der Beklagten nicht
behauptet worden. Wenn dann der Fahrer zur weiteren Sicherung der Ladung
Metallstangen anbrachte, die ein Verrutschen der Ladung verhindern sollten, kann er
dabei nur als Hilfsperson der Lieferfirma angesehen werden. Diese aber war im
Verhältnis zu ihrem Auftraggeber, der Beklagten, für die transportsichere Verladung
verantwortlich. Im Verhältnis zur Klägerin wiederum trägt die Beklagte die
Verantwortung für das Handeln des Lieferanten und seiner Hilfspersonen. Sie kann sich
deshalb gegenüber der Klägerin nicht auf eine Beschädigung des Transportgutes
infolge eines Verladefehlers berufen.
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Die Klägerin haftet daher gemäß Art. 17 IV lit. c CMR nicht für Schäden infolge fehlender
Transportsicherheit.
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Die Grundsätze der positiven Vertragsverletzung sind nach Auffassung des Senats
neben der Haftungsregelung der CMR nicht anwendbar (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR
1995, 169; Koller a.a.O. Art. 23 CMR Rdn.10; a.A. Herber/Piper a.a.O. Art.23 CMR, Rdn.
32). Art. 17 CMR dient der Haftungsbegrenzung auf den objektiven Minderwert der
Ladung, es soll nicht der dem Anspruchsteller entstandene Schaden zu ersetzen sein.
Der Zweck würde aber bei einer Anwendung der Grundsätze der positiven
Vertragsverletzung unterlaufen.
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b.
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Hinsichtlich des beim Transport vom 7.6.1996 angeblich entstandenen Schadens fehlt
es schon an einer genauen Schilderung des Schadenshergangs durch die Beklagte.
Sie trägt insoweit nur vor, es sei eine Palette geladen worden, die infolge ungenügender
Sicherung durch Metallstangen umgefallen sei. Das genügt nicht den Anforderungen an
einen schlüssigen Sachvortrag. Es ist daraus nicht einmal ersichtlich, ob der Schaden
vor oder nach Übernahme des Gutes durch die Klägerin entstanden ist. Im übrigen
bestreitet die Beklagte den gesamten Sachverhalt. Ein Beweisantritt der Beklagten für
den Schadenshergang fehlt.
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Gegenrechte stehen der Beklagte daher nur im Hinblick auf die noch nicht
zurückgegebenen Paletten zu.
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Die Entscheidung über die Zinsforderung ist mit der Berufung nicht angegriffen worden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10,
713 ZPO.
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