Urteil des OLG Hamm vom 28.11.1986

OLG Hamm (ehefrau, kläger, geschäftsführung ohne auftrag, haus, beweisaufnahme, positive vertragsverletzung, besondere gefahr, zpo, verhältnis zwischen, beurteilung)

Oberlandesgericht Hamm, 9 U 263/81
Datum:
28.11.1986
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 263/81
Vorinstanz:
Landgericht Detmold, 1 O 475/81
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im übrigen das am 23. Oktober 1981 verkündete Urteil der
Zivilkammer I des Landgerichts Detmold so abgeändert:
Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung von 2.230,46 DM, von
monatlich 700,-- DM für die Zeit vom 1. Februar 1979 bis zur
rechtskräftigen Erledigung dieses Prozesses und von monatlich 850,--
DM für die Folgezeit, längstens jedoch bis zum 30. August 2000, werden
dem Grunde nach nebst 4 % Zinsen seit dem 5. August 1981 zu 2/3 für
gerechtfertigt erklärt, und zwar vorbehaltlich eines gesetzlichen
Anspruchsübergangs.
Es wird festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet sind, als
Gesamtschuldner dem Kläger die diesen beiden Renten
entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge nebst 4 % Zinsen seit dem
5. August 1981 zu ersetzen, und zwar vorbehaltlich eines gesetzlichen
Anspruchsübergangs.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Rechtsstreit wird zur Entscheidung über die Beträge und über die
Kosten, auch diejenigen des Berufungsverfahrens im ersten und zweiten
Durchgang und des Revisionsverfahrens an das Landgericht
zurückverwiesen.
Die Beschwer des Klägers beträgt 45.726,82 DM, die der Beklagten
109.453,64 DM.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers wegen Verletzung der
Streupflicht durch die Beklagten.
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Die Beklagten sind Wohnungseigentümer der Wohnung Nr. 4 im ersten Obergeschoß
des Hauses xxx in xxx; sie hatten ihre Wohnung an den Kläger und seine Ehefrau
vermietet. Das Haus besteht aus insgesamt drei Etagen mit je drei
Eigentumswohnungen. Zum Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft war seit
Anfang 1977 der (Mit-)Eigentümer der Wohnung Nr. 3) der Zeuge xxx bestellt. Der (Mit-
)Eigentümer der Wohnung Nr. 1, xxx, war als Hauswart tätig.
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Am 23. Januar 1979 kam die damals 57-jährige Ehefrau des Klägers gegen 8.00 Uhr auf
dem Gehweg vor dem Wohnhaus infolge Glatteis zu Fall und verletzte sich so schwer,
daß sie auf dem Transport zum Krankenhaus verstarb. Im Raum Herford war etwa seit
7.00 Uhr, jedenfalls vor 7.30 Uhr, unterkühlter Regen gefallen, der - bis mindestens
10.00 Uhr - auf dem (leicht) gefrorenen Boden sofort zur Bildung von Glatteis führte, also
beim Aufprall spontan gefror. Wegen der Einzelheiten insoweit wird Bezug genommen
auf die Auskünfte des deutschen Wetterdienstes vom 13.3.1981 (Bl. 17 f. d.A.), vom
26.2.1985 (Bl. 161 ff. d.A.), vom 19.11.1985 (Bl. 220 ff. d.A.) und auf das mündlich
erstattete Gutachten des Sachverständigen xxx (Berichterstattervermerk zur
Sitzungsniederschrift vom 7. Januar 1936, Bl. 278 - 281 d.A.).
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Der Kläger hatte das Haus gegen 7.50 Uhr (so seine Behauptung) oder 7.55 Uhr (so die
Behauptung der Beklagten unter Bezugnahme auf die polizeilichen Feststellungen, Bl. 3
der Beiakten 46 U Js 58/79 StA xxx), verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Seine
Arbeitsstelle war ca. 600 bis 700 m Fußweg, für den er 5 bis 10 Minuten benötigte,
entfernt. In seinem Büro angekommen rief der Kläger seine Ehefrau an und unterrichtete
diese von dem von ihm bereits vor dem Haus festgestellten Glatteis. Seine Frau betrat
daraufhin gegen 8.00 Uhr den Bürgersteig vor dem Haus, um mit dem von der
Wohnungseigentümergemeinschaft bereitgestellten Streusalz den Bürgersteig
abzustreuen. Dabei glitt sie aus und erlitt eine tödliche Kopfverletzung. Von diesem
Unfall wurde der Kläger telefonisch von der Zeugin xxx zwischen 8.10 Uhr und 8.15 Uhr
verständigt.
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Durch Ortssatzung der Stadt xxx war die Verpflichtung, Bürgersteige ab 7.00 Uhr zu
streuen, auf die Anlieger übertragen. Die von der Wohnungseigentümergemeinschaft
beschlossene Hausordnung, die Bestandteil des Mietvertrages der Parteien war, lautete
unter anderem: "In den Wintermonaten, also von der Woche ab, in der der 1. November
liegt, bis zu der Woche, in der der 30. April liegt, wird der Winterdienst etagenweise
durchgeführt, so daß die Bewohner einer Etage im Rahmen der vorstehenden Ordnung
den Streu-, Schneeräum- und Kehrdienst zu erledigen haben.
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Die Zugangswege sind nicht nur sauber zu halten, sondern im Winter auch nach Bedarf
vom Schnee zu befreien und bei eintretender Glätte vor 7.00 Uhr morgens zu streuen".
7
Streumittel waren von der Wohnungseigentümergemeinschaft bereitzustellen.
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Im Haus hing ein Plan "Schneewochen erste Hälfte 1979" aus, der für die 4. bis 6.
Woche (vom 22. Januar bis 11. Februar 1979) den Winterdienst der Wohnungsinhaber
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des 2. Obergeschosses vorsah. Die Übernahme einer bestimmten Woche blieb der
Absprache auf der Etage vorbehalten.
Der Kläger hat vorgetragen:
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Die Beklagten hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die "Schneewochen-
Regelung" sei zu unbestimmt gewesen und auch nie in die Tat umgesetzt worden, da -
unstreitig - bis auf seine Ehefrau und einen 76-jährigen Rentner, den nunmehr
verstorbenen xxx alle Hausbewohner berufstätig gewesen seien und das Haus
regelmäßig vor 7.30 Uhr verlassen hätten. Auch der Hausverwalter xxx habe seine
Aufgaben nie wahrgenommen. Deswegen sei vor dem Hause auch so gut wie nie
gestreut worden. Wenn die Beklagten bzw. der Verwalter ihrer Streupflicht
nachgekommen wären, hatte seine Frau keinen Anlaß gehabt, sich auf den Bürgersteig
zu begeben, um zu streuen.
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Seine Ehefrau habe für die Haushaltsführung täglich drei Stunden aufgewandt; für eine
Hausgehilfin müsse er, der Kläger, bei entsprechendem Arbeitsumfang 900,-- DM brutto
aufwenden, auf die er sich 50,-- DM wegen ersparter Aufwendungen für die verstorbene
Ehefrau anrechnen lasse. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung verlange er jedoch nur
eine Geldrente von 700,-- DM monatlich zuzüglich darauf entfallender
Sozialversicherungsbeiträge, da er bis zu diesem Zeitpunkt von seiner Tochter versorgt
werde, mit der er ein Entgelt von 700,-- DM monatlich vereinbart habe.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn
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1. für die Zeit vom 1.2.1979 bis zur Rechtskraft des in dieser Sache ergehenden Urteils
monatlich 700,-- DM zuzüglich der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen,
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2. ab Rechtskraft des Urteils bis zu seinem Lebensende monatlich 850,-- DM zuzüglich
der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen,
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3. 2.230,45 DM zu zahlen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben vorgetragen:
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Die Klageanträge zu 1) und 2) seien betragsmäßig nicht bestimmt und deshalb
unzulässig.
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Zur Unfallzeit (8.00 Uhr) habe keine Streupflicht bestanden, da ein Streuen mit
abstumpfenden Mitteln wegen des sich ständig erneuernden Glatteises sinnlos
gewesen wäre. Außerdem habe die Ehefrau des Klägers selbst zu dem streupflichtigen
Personenkreis gehört, auch wenn am Unfalltag eine andere Etage an der Reihe
gewesen sei; sie falle daher nicht in den Schutzbereich des § 823 Abs. 2 BGB.
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Im übrigen habe die Eigentümergemeinschaft mit der Aufstallung des
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Schneewochenplanes und der Einsetzung des sorgfältig ausgewählten und
zuverlässigen Verwalters xxx alles Erforderliche getan, um ihrer Streupflicht zu
genügen. Diesem Zeugen habe die Eigentümergemeinschaft die Überwachung und
Einhaltung der Streupflicht übertragen.
Auch müsse der Kläger sich ein Mitverschulden der Ehefrau entgegenhalten lassen, da
diese unmittelbar vor dem Unfall vor dem Glatteis gewarnt worden sei; sie habe den
Verwalter anrufen und zum Streuen auffordern müssen, ehe sie selbst den Bürgersteig
betrat. Zumindest hätte sie mit dem Streugut, das sie in der Hand gehalten habe,
zunächst den Weg vor ihren Füßen begehbar machen können und müssen. Sofern
überhaupt eine Haftung der Beklagten in Betracht komme, müsse sie angesichts des
überwiegenden Eigenverschuldens der Ehefrau des Klägers zurücktreten.
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Zumindest müsse der Kläger sich den Wegfall der Unterhaltspflicht gegenüber seiner
nicht berufstätigen Ehefrau anrechnen lassen, die mit mindestens 700,-- DM monatlich
anzusetzen sei.
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Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, es könne dahinstehen, ob zur Unfallzeit eine Streupflicht bestanden habe
und ob die Eigentümergemeinschaft alles Erforderliche getan habe, um ihre Streupflicht
zu erfüllen. Ansprüche aus Delikt stünden dem Kläger nicht zu, da nicht unter den
Schutzzweck der verletzten Norm falle, wer die Verkehrssicherheit des Bürgersteiges im
Auftrage des Streupflichtigen oder als Geschäftsführer ohne Auftrag in dessen Interesse
erst herstellen wolle. Dies gelte zumindest dann, wenn der freiwillig Streuende nicht in
seinem eigenen Interesse tätig werde, etwa weil er selbst das Haus verlassen wolle.
Der Kläger habe nicht vorgetragen, daß seine Frau das Haus zu anderen Zwecken als
zum Streuen habe verlassen wollen. Auch aus dem Gesichtspunkt des
Aufwendungsersatzes (§§ 633, 670 BGB) könne der Kläger nicht Ersatz seines
Schadens verlangen. Zum einen sei seine Ehefrau offenbar aufgrund ihrer
altersbedingten körperlichen Verfassung nicht in der Lage gewesen, auf dem vereisten
Bürgersteig das Gleichgewicht zu halten, so daß es nicht dem wirklichen Interesse des
Geschäftsherrn entsprochen habe, daß sie sich selbst in Lebensgefahr begebe. Zum
anderen scheitere ein Aufwendungsersatzanspruch daran, daß der Sturz keine den
übernommenen Geschäft immanente Gefahr dargestellt habe. Der Streuende könne
durch geeignetes Schuhwerk, durch Streuen der unmittelbar vor ihm liegenden Flächen
und notfalls durch Rutschen auf den Knien jede Gefahr ausschließen; wenn er dennoch
falle, verwirkliche sich nur sein allgemeines Lebensrisiko, nicht aber eine dem
übernommenen Geschäft innewohnende besondere Gefahr.
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Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Anträge weiter, beschränkt die
begehrte Rente aber auf die Dauer der statistischen Lebenserwartung seiner Ehefrau
zum Unfallzeitpunkt und verlangt hinsichtlich der auf die begehrten Renten entfallenden
Sozialversicherungsbeiträge nur noch Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten.
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Nach Anhörung des Klägers und Vernehmung des Zeugen xxx hat der Senat im ersten
Durchgang auf die Berufung des Klägers durch Senatsurteil das angefochtene Urteil
des Landgerichts teilweise abgeändert und die Ansprüche des Klägers auf Zahlung von
2.230,46 DM, von monatlich 700,-- DM für die Zeit vom 1. Februar 1979 bis zur
rechtskräftigen Erledigung dieses Prozesses und von monatlich 850,-- DM für die
Folgezeit, längstens jedoch bis zum 30. August 2000, dem Grunde nach zu 2/3 für
gerechtfertigt erklärt, und zwar vorbehaltlich eines gesetzlichen Anspruchsübergangs.
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Er hat weiter festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner an
den Kläger die diesen beiden Renten entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu
ersetzen, und zwar vorbehaltlich eines gesetzlichen Anspruchsübergangs.
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27.11.1984,
auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, das vorgenannte Urteil des Senats
aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt ist.
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Der Kläger verfolgt seine ursprünglichen Berufungsanträge weiter. Er wiederholt sein
bisheriges Vorbringen und stützt seine Ansprüche auch darauf, daß die Verletzung der
Streupflicht durch die Beklagten zugleich eine positive Vertragsverletzung des
Mietvertrages der Parteien darstelle.
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Ergänzend trägt er vor:
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Wenn der Streupflichtige bei einem Glätteunfall keinen Ersatz verlangen könne, dann
nicht etwa, weil er nicht unter den Schutzzweck falle, sondern deshalb, weil es an einer
Pflichtverletzung fehle: Gegenüber dem Pflichtigen könne die Pflicht nicht bestehen.
Eine Streupflicht bestehe gerade dann im besonderen Maße, wenn sich
ausnahmsweise ständig neues Glatteis bildet.
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Ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn sei wegen §§ 633 Satz 2, 679 3GB
unbeachtlich, da die Erfüllung der Streupflicht im öffentlichen Interesse gelegen habe.
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Ein Mitverschulden seiner Ehefrau sei nicht erwiesen. Sie habe geeignetes Schuhwerk
getragen, sei trotz ihres Alters gesund und rüstig gewesen und habe den Sturz trotz aller
Sorgfaltspflicht nicht vermeiden können. Er habe seine Ehefrau am Telefon nur vor dem
Glatteis gewarnt, welches er bereits beim Verlassen des Hauses sofort bemerkt habe.
Zu seiner Firma sei er mehr oder weniger rübergeschlindert. Über ein Abstreuen habe er
mit seiner Ehefrau am Telefon nicht gesprochen.
34
Die Winterwartung sei im Hause nur schlecht praktiziert worden, weil nahezu alle
Bewohner berufstätig gewesen seien. Von denen, die zu Hause geblieben seien, sei
wohl mal jemand, wenn es in der Zwischenzeit geschneit habe, rausgegangen. Dann
sei aber mal wieder nichts passiert. Die anderen Mieter seien vielleicht mal abends
rausgegangen und hätten gestreut. Häufig sei trotz Notwendigkeit jedoch nicht gestreut
worden. Ob samstags und sonntags gestreut worden sei, daran könne er sich nicht
erinnern. Absprachen für die Zeit der Abwesenheit der berufstätigen Bewohner habe es
nicht gegeben. Die Berufstätigen hätten etwa in der Zeit von 7.15 Uhr bis 7.45 Uhr das
Haus verlassen. Der im Haus lebende Rentner, der verstorbene Herr xxx, der schon alt
gewesen sei, habe meistens zusammen mit seiner Ehefrau das Notwendigste gemacht.
Er, der Kläger, habe damals schon nach dem Einzug bemängelt, daß die
Schneewochenregelung nicht in Ordnung sei. Es sei jedoch nichts geändert worden.
Wenn ihre Etage Schneewoche gehabt habe, habe seine Frau das Streuen auch
erledigt. Aber auch in diesen Wochen habe es keine Absprache mit den anderen
Etagenbewohnern gegeben. Er nehme an, daß die anderen sich darauf verlassen
hätten. Eine Absprache sei jedoch nicht erfolgt. Er, der Kläger habe auch schon mal die
anderen Eigentümer angesprochen, daß diese auch hätten abstreuen können. Hinterher
habe er solche Bemerkungen unterlassen, da er sowieso nur "dumme" Antworten
erhalten habe.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn
38
a) für die Zeit vom 1.2.1979 bis zur Rechtskraft des Urteils in dieser Sache, längstens
jedoch bis zur Erreichung des mutmaßlichen Alters der Ehefrau gemäß der
maßgeblichen Lebenserwartungstabelle, monatlich 700,-- DM,
39
b) ab Rechtskraft des Urteils bis zur Erreichung des mutmaßlichen Alters der Ehefrau
gemäß der
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maßgeblichen Lebenserwartungstabelle monatlich 850,-- DM zu zahlen,
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c) 2.230,46 DM zu zahlen,
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2. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihm als Gesamtschuldner die den
beiden Renten zu Ziffer 1 a) und b) entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu
ersetzen,
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und zwar dies alles mit der Maßgabe, daß jeweils nur 2/3 verlangt werde, bzw. eine
Quote von 2/3 zugrunde zu legen sei.
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3. Die Beklagten zur Zahlung von 4% Zinsen auf die in den ihren Anträgen zu 1) und 2)
genannten Beträge ab 1.2.1979 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
46
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigen das angefochtene Urteil und tragen ergänzend vor:
48
Die Ehefrau des Klägers sei selbst streupflichtig gewesen. Im Außenverhältnis sei
nämlich jeder Wohnungseigentümer gleichermaßen streupflichtig gewesen; an die
Stelle der Beklagten seien insoweit kraft der mietvertraglichen Regelung der Kläger und
seine Ehefrau getreten. Die in der Hausordnung festgelegte Reihenfolge sei lediglich
eine interne Regelung, die für die Frage, wer im Außenverhältnis streupflichtig sei, keine
Bedeutung habe. Da die Ehefrau des Klägers streupflichtig gewesen sei, stehe diesem
weder ein Anspruch aus unerlaubter Handlung noch ein Anspruch aus
Geschäftsführung ohne Auftrag zu.
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Mit Nichtwissen werde bestritten, daß die Glatteisbildung schon um 7.00 Uhr eingesetzt
habe. Im Bereich der Unfallörtlichkeit habe es erst kurz vor 8.00 Uhr zu regnen
begonnen. Niemand habe also vor dem Unfall der Ehefrau des Klägers streuen können.
Im Anschluß an die Auskünfte des deutschen Wetterdienstes und der Polizeistation
Herford vom 7.11.1985 (Bl. 214 R d.A.) behaupten die Beklagten weiterhin, daß nicht
einmal davon ausgegangen werden könne, daß der Beginn der Eisbildung mit dem
Beginn des Niederschlages zusammenfalle. Der Regen könne auch erst später und
allmählich in Eisregen übergegangen sein. Außerdem sei in der Zeit vor 8.00 Uhr die
Niederschlagsmenge und die Intensität des Regens so niedrig gewesen, daß er nicht
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einmal als Regen wahrzunehmen gewesen sei. Eine unausgesetzte Beobachtung und
Kontrolle des Bürgersteigs könne von einem Streupflichtigen nicht verlangt werden.
Als die berufstätigen Hausbewohner morgens das Haus bis 7.30 Uhr verlassen hätten,
sei der Gehweg vor dem Haus eisfrei gewesen. Der Zustand des Gehweges sei auch
noch unbedenklich gewesen, als der Kläger um 7.55 Uhr das Haus verlassen habe. Die
einsetzende Glättebildung habe er erst auf dem weiteren Weg zur Arbeitsstelle bemerkt.
Die Ehefrau des Klägers habe aufgrund des Anrufs des Klägers wegen einer von allen
Bewohnern beachteten und praktizierten Übung bzw. Übereinkunft für die abwesenden
berufstätigen streupflichtigen Bewohner (damals des zweiten Obergeschosses) streuen
wollen. Der Anruf des Klägers sei Ausdruck dieser Übung gewesen. In diesem
Zusammenhang beziehen sich die Beklagten auf die Feststellung im Polizeibericht, daß
dem Kläger bekannt gewesen sei, daß seine Frau den Gehweg vor dem Hause habe
streuen wollen. In der letzten Berufungsverhandlung hat dazu der
Prozeßbevollmächtigte der Beklagten unter Bezugnahme auf den Polizeibericht
ausgeführt, es werde bestritten, daß die Ehefrau des Klägers deshalb zum Streuen nach
draußen gegangen sei, weil sie gewußt habe, daß keiner streue.
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Schließlich behaupten die Beklagten, daß es bis 10.00 Uhr unmöglich gewesen sei,
auch nur für kurze Zeit durch Streusalz oder abstumpfende Streumittel eine stumpfe
Oberfläche herzustellen. Sie verweisen dazu darauf, daß laut Auskunft des Wetteramtes
und zwischen den Parteien unstreitig unterkühlter Regen ("Eisregen") auf gefrorenen
Boden gefallen und dort sofort (spontan) gefroren sei. Diese Sachlage sei aber der in
den vom 13. Zivilsenat des hiesigen Oberlandesgerichts entschiedenen Fällen
vergleichbar, in denen für den 8.1.1979 eine Streupflicht verneint worden sei, was der
BGH in einem der beiden Fälle auch gebilligt habe (vgl. dazu BGH VersR 1984, 645).
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Die Überwachung der Einhaltung der Winterwartung habe immer funktioniert. Diese sei
dem Hauswart, dem Zeugen xxx anvertraut gewesen und im übrigen durch die im
Hause wohnenden Miteigentümer täglich und zwangsläufig erfolgt. Demgemäß habe es
auch nie Beanstandungen oder Mißhelligkeiten gegeben.
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Letztlich meinen die Beklagten, daß das Eigenverschulden der Ehefrau des Klägers
höher anzusetzen sei als mit 1/3. Die Ehefrau des Klägers habe Schuhe mit
Kreppsohlen getragen; solche Sohlen veränderten sich mit der Zeit und würden
rutschig. Es sei anzunehmen, daß auch die Schuhe der Ehefrau des Klägers unsicher
gewesen seien und zum Unfall beigetragen hätten. Von einer völligen
Vernachlässigung der Überwachungspflicht durch die Wohnungseigentümer könne
zudem keine Regel sein.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug
genommen auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren.
55
Der Senat hat den Kläger erneut angehört und die Zeugen xxx und xxx uneidlich
vernommen. Als Sachverständige wurden gehört der Dipl.-Metereologe xxx vom
Deutschen Wetterdienst und der Beigeordnete der Stadt xxx. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke vom 7.1.1936 (Bl. 271 bis
281 d.A.) und die Sitzungsniederschrift vom 10.10.1986 (Bl. 306 bis 307 d.A.) Bezug
genommen. Wegen der amtlich eingeholten Auskunft der Polizeistation xxx wird Bezug
genommen auf Bl. 214 R d.A.
56
Die Akten 9 C 95/80 AG xxx und 46 U Js 58/79 StA xxx lagen vor und waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
57
Entscheidungsgründe:
58
Die Berufung ist zulässig. Sie hat in der Sache teilweise Erfolg.
59
Die Klage ist zulässig, wie der Senat bereits in dem aus anderen Gründen teilweise
aufgehobenen Urteil vom 11. Januar 1983 ausgeführt hat und auf das (Seite 11) zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
60
Die Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch zum Teil dem Grunde nach
gerechtfertigt. Die Beklagten haften dem Kläger aus unerlaubter Handlung auf Ersatz
vom 2/3 seines Unterhaltsschadens und der ihm entstandenen Begräbniskosten.
61
I.
62
Daß Ansprüche wegen Verletzung mietvertraglicher Nebenpflichten und ebenfalls
Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 in Verbindung mit §§ 844,
618 Abs. 3 BGB analog) ausscheiden, hat der Senat bereits im einzelnen in dem
vorgenannten Urteil auf den Seiten 11 und 12, auf die verwiesen wird, ausgeführt.
63
II.
64
Die Eigentümergemeinschaft haftet dem Kläger jedoch nach §§ 823 I, 831 Abs. 1 Satz 1,
844 Abs. 1 und 2 BGB wegen Verletzung ihrer Pflichten zur Schaffung einer
hinreichenden Streuorganisation und ausreichenden Überwachungen der Erfüllung der
Streupflicht. Eine Entlastung nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht erfolgt.
65
Die Beklagten haften als Mitglieder dieser Eigentümergemeinschaft dem Kläger
gegenüber als Gesamtschuldner, § 840 BGB (vgl. Bärmann-Pick-Merle, WEG, 4. Aufl.
1980, § 16 Rn. 146; Weitnauer WEG, 6. Aufl. 1982, § 27 Rn. 29). Der Kläger muß sich
aber gemäß §§ 846, 254 BGB ein Eigenverschulden seiner Ehefrau anrechnen lassen.
Dieses kann im Verhältnis zum Verschulden der Eigentümergemeinschaft nicht mit
mehr als 1/3 bewertet werden.
66
1.
67
Die Beklagten hatten zusammen mit den übrigen Wohnungseigentümern des Hauses
aus § 823 Abs. 1 BGB abgeleitete Verkehrssicherungspflichten zu erfüllen.
68
a)
69
Aufgrund der Ortsatzung der Stadt xxx waren die Wohnungseigentümer beim Eintritt von
Glätte streupflichtig, wie dies der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27.11.1934 im
einzelnen auf den Seiten 5 und 6, auf die verweisend Bezug genommen wird,
ausgeführt hat.
70
b)
71
Wie der Bundesgerichtshof im einzelnen für rechtsfehlerfrei erklärt hat (Seite 6 bis 8 des
Revisionsurteils), durfte die Wohnungseigentümergemeinschaft zwar in der von ihr
gewählten Art und Weise die ihr durch Ortsatzung übertragene Streupflicht
wochenweise auf die Wohnungsinhaber etagenweise übertragen, es oblag ihr, d. h.
allen Wohnungseigentümern, jedoch eine streng zu handhabende Überwachungspflicht
und zwar auch den Mietern der einzelnen Eigentumswohnungen gegenüber.
72
2.
73
Dieser Überwachungspflicht ist die Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgekommen:
74
So hat der damalige Hausverwalter xxx ausgesagt, daß er, der nicht in dem Hause xxx
gewohnt hat, sich um den Streudienst und die Hausordnung nicht gekümmert und nichts
kontrolliert habe, da dies Sache des damaligen Hauswartes, des Zeugen xxx gewesen
sei. Der Zeuge xxx hat bekundet, daß man gemeinsam einen Streuplan erstellt habe.
Um das Streuen habe er sich "an und für sich" nicht gekümmert und habe auch nichts
überwacht. Wenn auch keine Beschwerden den auswärts wohnenden
Wohnungseigentümer wie den Zeugen xxx und xxx gegenüber laut geworden sind, wie
dies diese beiden Zeugen bekundet haben, so ist die Streupflicht trotz bestehenden
Streuplanes im einzelnen jedoch nur unkoordiniert und mehr oder weniger zufällig und
unregelmäßig erfüllt worden, wie sich dies nicht nur aus den Erklärungen des Klägers
vor dem Senat, sondern letztlich auch aus der Aussage der Zeugin xxx und des Zeugen
xxx ergibt.
75
3.
76
Die Ehefrau des Klägers fiel auch in den Schutzbereich der der
Wohnungseigentümergemeinschaft obliegenden Pflichten zur Erfüllung und
Sicherstellung der Winterwartung auf dem Gehweg vor dem Hause xxx. Nur dann, wenn
die Ehefrau des Klägers der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber verpflichtet
gewesen wäre, streuend tätig zu werden, fiele sie bei wertender Beurteilung aus dem
Schutzbereich der Pflichten der Wohnungseigentümergemeinschaft heraus, wie der
Bundesgerichtshof auf Seite 8 des Revisionsurteils ausgeführt hat. Eine Verpflichtung
der verstorbenen Ehefrau, für die anderen Bewohner des Hauses einzugreifen, ist nach
der Beweisaufnahme jedoch nichts festgestellt worden. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme hat damals allenfalls eine tatsächliche Übung bestanden, daß mal
der, mal jener streute und sich darauf offenbar auch alle Bewohner des Hauses
verließen. Aus einer tatsächlichen Übung heraus kann jedoch eine Herausnahme der
Verstorbenen aus dem Schutzzweckbereich der verletzten Pflichten nicht hergeleitet
werden. Es ist nicht begründbar, daß derjenige, der mehrfach, jedoch freiwillig und ohne
Verpflichtung und ohne Übernahme einer solchen Verpflichtung tätig wird, sich dann
dadurch um eigene Ansprüche bringt, obwohl er rechtlich zu nichts verpflichtet war und
auch keinen Ausgleich für seine Risikoübernahme erhält.
77
Hiergegen läßt sich auch nicht anführen, daß sich die eigentlichen Streupflichtigen
durch das Verhalten des Dritten-, hier der verstorbenen Ehefrau des Klägers, veranlaßt
gesehen haben, ihrerseits von den Maßnahmen abzusehen, die sie sonst auf jeden Fall
zur eigenen Pflichterfüllung hätten treffen müssen. Sollte der freiwillig tätig werdende
Dritte durch sein Verhalten zurechenbar einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben,
würde er allerdings letztlich die Gefahr für sich selbst geschaffen haben und könnte
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möglicherweise bei wertender Beurteilung wegen der Schaffung eines
Vertrauenstatbestandes den an sich Pflichtigen doch nicht in Anspruch nehmen. Eine
solche Schlußfolgerung setzte aber voraus, daß wirklich ein Vertrauenstatbestand
geschaffen worden ist, der den Pflichtigen tatsächlich von sonst von ihm ergriffenen
Maßnahmen abgehalten hat. Ein solcher von der verstorbenen Ehefrau des Klägers den
Wohnungseigentümern gesetzter Vertrauenstatbestand konnte jedoch nicht festgestellt
werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann insoweit nichts hinreichendes
zugunsten der Beklagten der Entscheidungsfindung zugrundegelegt werden. So hat der
Zeuge xxx lediglich bekundet, daß er sich um nichts gekümmert hatte, daß keine
Beschwerden vorgelegen hätten, daß alles in allem überhaupt keine Probleme
vorgelegen hätten. Der Zeuge hat auch nichts darüber gehört, daß die Verstorbenen
regelmäßig gestreut habe. Genauso wenig wie man aus dieser Zeugenaussage einen
irgendwie gearteten, von der Verstorbenen geschaffenen Vertrauenstatbestand herleiten
kann, kann man dies aus der Aussage des Zeugen xxx, der im wesentlichen ähnlich
ausgesagt und von Einzelheiten nichts gewußt hat. Auch der Zeuge xxx, der zur
damaligen Zeit Hauswart war, hat sich um das Streuen nicht gekümmert. Nach seiner
Aussage ist nichts überwacht worden; die Gemeinschaft gut gewesen. Der verstorbene
Rentner xxx hat nach der Aussage dieses Zeugen ab und an spontan gestreut. Eine
stillschweigende Übereinkunft über das Streuen habe nicht bestanden. Die Zeugin xxx
hat bekundet, daß nie versäumt worden sein soll zu streuen; daß sich keiner gedrückt
habe und daß der Rentner xxx auch dann gestreut habe, wenn es nicht nötig gewesen
sei. Diese Zeugin wußte aber auch nicht, ob die verstorbene Ehefrau tagsüber gestreut
hat. Auch war dieser Zeugin nicht bekannt, daß diese ständig gestreut hätte. Es war also
auch nach dieser Zeugenaussage nicht so, daß sie sich auf den verstorbenen Rentner
xxx und die verstorbenen Ehefrau des Klägers verlassen und diesen (stillschweigend)
die Verantwortung für das Streuen übertragen hätte.
4.
79
Die verstorbene Ehefrau des Klägers ist auch aufgrund der Pflichtverletzung der
Wohnungseigentümer zu ihrem Tätigwerden "herausgefordert" worden, der Unfall mit
seinen Folgen daher haftungsrechtlich den Beklagten zuzuordnen.
80
a)
81
In den Fällen sogenannter psychischer Kausalität, zu denen die sogenannten
Herausforderungsfälle zu rechnen sind, geht es um die "rechtliche Zuordnung bzw.
Zurechnung" von Verhaltensfolgen (so deutlich: BGH NJW 1981, 570, 571; vgl. auch
weiter Münchener Kommentar-Grunsky, Vorbemerkung § 249 Rn. 57 und 59), also um
eine wertende Beurteilung. Entscheidend ist danach, ob der Verursacher das Verhalten
des Geschädigten voraussehen und bei Einrichtung seines eigenen Verhaltens auch
berücksichtigen mußte (BGH a.a.O.). Danach ist Zurechnungsgrund die Schaffung eines
gesteigerten Gefahrenzustandes, durch den das Eingreifen eines (opferbereiten) Dritten
herausgefordert wird, wobei entscheidend ist, daß der Dritte sich herausgefordert fühlen
darf und zwar einmal überhaupt und gegebenenfalls auch in der von ihn gewählten Art
und Weise (vgl. z. B. BGH NJW 1976, 569; BGH NJW 1975, 168 f. = BGHZ 63, 189,
192; Senat, Urteil vom 11.5.1984 in 9 U 250/83). Dabei unterscheiden sich die beiden
Fallgruppen der sogenannten Nothilfefälle und der Verfolgungs- bzw. Fluchtfälle nur in
Modifikationen (vgl. BGH NJW 1964, 1364; vgl. auch Zimmermann JZ 80, 10, 11),
nämlich dahingehend, daß bei einem Eingreifen zur Hilfeleistung wegen der Gefahr für
Leib und Leben für jemanden das Eingreifen des Dritten nahezu zwangsläufig
82
herausgefordert worden ist und in solchen Fällen grundsätzlich eine
Verhältnismäßigkeit ohne weiteres gegeben ist. Aber auch in diesen Fällen darf
naturgemäß kein krasses Mißverhältnis zwischen der eingegangenen Gefahr und dem
mit der Hilfeleistung angestrebten Erfolg gegeben sein (vgl. dazu Münchener
Kommentar-Grunsky vor § 249 Rn. 59). Dagegen muß bei weniger bedrohlichen
Situationen differenziert werden, ob sie generell geeignet sind, Hilfeleistungen Dritter
überhaupt und gegebenenfalls in der vorliegenden Form hervorzurufen (vgl. BGH
a.a.O.). Unerheblich ist dabei, ob eine Pflicht des Dritten zum Eingreifen (etwa gemäß §
330c StGB) besteht, ob die Hilfe einem anderen Opfer des Schädigers oder diesem
selbst geleistet wird und ob vor dem Eingreifen des Dritten schon irgend ein
haftungsrechtlich relevanter Sachverhalt des Schädigers vorlag (so wohl zu Recht:
Münchener Kommentar-Grunsky vor § 249 Rn. 59). Entscheidend ist nur, ob aus der
damaligen Sicht, also ex-ante betrachtet (vgl. dazu BGH NJW 1971, 1981 = BGHZ 57,
25, 32 und auch BGH NJW 1981, 571) der Dritte zu seinem Eingreifen berechtigt ist, ob
also eine Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und erkennbarem Risiko seiner Aktion
vorliegt (s. BGH NJW 1971, 1981; vgl. auch OLG Celle NJW 1979, 723 m.w.N.).
b)
83
Die Ehefrau des Klägers durfte als "Herausgeforderte" auch angesichts der bei
Übernahme des Risikos erkennbaren Gefahrenlage überhaupt und in der von ihr
gewählten Art und Weise zur fraglichen Zeit tätig werden. Die
Wohnungseigentümergemeinschaft auf der anderen Seite mußte das Eingreifen der
Ehefrau überhaupt und in der von ihr gewählten Art und Weise zum fraglichen Zeitpunkt
voraussehen.
84
aa)
85
Eine Herausforderung der verstorbenen Ehefrau und damit eine wertende Zurechnung
der Schadensfolgen zu Lasten der Beklagten scheidet nicht etwa deshalb aus, weil die
verstorbene Ehefrau zu früh, d. h. zeitlich gesehen zu einem Zeitpunkt tätig geworden
ist, wo die den streupflichtigen Wohnungseigentümern einzuräumende Zeitspanne zur
Erfüllung ihrer mit dem Eintritt der Glätte entstandenen Streupflicht (vgl. dazu BGH, Seite
9 des Revisionsurteils zu Ziffer 2 a und Seite 5 zu Ziffer 1 a) noch nicht abgelaufen war.
Nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist zu diesem Punkt der
Entscheidungsfindung zugrunde zu legen:
86
Wie der Sachverständige xxx im einzelnen überzeugend dargelegt hat, lag der Beginn
des unterkühlten Regens im Bereich des Hauses xxx in xxx, der spontan sofort am
Boden gefror bei 7.10 Uhr (+ - 5 Minuten). Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß bei
erwärmten Boden eine gewisse Verzögerung der Eisbildung vorliegen kann. Hierzu hat
der Sachverständige ausgeführt, daß die Geschwindigkeit der Glatteisbildung von
Bodenzustand abhängig sein kann und daß von daher gesehen gewisse
Zeitunterschiede möglich sind. Deshalb ist z. B. möglich, daß der Zeuge xxx im Bereich
der Kfz-Halle, wo vielleicht günstigere Temperatur- und Bodenverhältnisse vorgelegen
haben, erst relativ spät eine Glatteisbildung bemerkt hat. Während der Sachverständige
die untere Grenze der Glatteisbildung von zwei Minuten korrigiert und dazu ausgeführt
hat, daß diese Grenze zu hoch angesetzt ist, hat er zu der oberen Grenze der zeitlichen
Verzögerung der Glatteisbildung, die er in seinem schriftlichen Gutachten mit 10
Minuten angegeben hat, nicht korrigiert. Unsicherheiten gehen zu Lasten des
beweispflichtigen Klägers. Eine Glatteisbildung vor dem Haus xxx kann mithin
87
frühestens ab 7.25 Uhr bis 7.30 Uhr festgestellt werden. Auch nach der amtlichen
Auskunft der Polizeistation xxx sind Glatteisunfälle im Raum xxx ab 7.50 Uhr, also nicht
vor 7.25 Uhr registriert worden. Auch der Zeuge xxx hat bekundet, daß es auf seinem
Weg zur Arbeit um 7.15 Uhr zu regnen begonnen habe, daß er ca. 10 bis 15 Minuten
Fußweg gehabt habe, und daß es auf dem Weg unterwegs glattgeworden sei.
Wenn die berufstätigen streupflichtigen Bewohner des Hauses die Glätte schon beim
Verlassen des Hauses bemerkt haben sollten, hätten diese sofort tätig werden oder
entsprechendes veranlassen müssen. Eine weitere größere Zeitspanne könnte diesen
nicht zugebilligt werden. Bis zum Tätigwerden der Verstorbenen, die um ca. 8.00 Uhr
nach draußen gegangen ist, hätte etwas geschehen können und müssen. Neben dem
Rentner xxx und der Verstorbenen war zumindest noch die Zeugin xxx im Hause, wie
diese Zeugin vor dem Senat ausgesagt hat. Daß die Berufstätigen aus dem zweiten
Obergeschoß jedoch konkret etwas bemerkt haben, als sie das Haus verlassen haben,
ist jedoch zu Lasten der Beklagten positiv nicht feststellbar.
88
Nach allgemeinen Grundsätzen zur Erfüllung der Streupflicht in zeitlicher Hinsicht, d. h.
zur Beurteilung der Frage, ob der Streupflichtige die mit der Glättebildung begründete
Streupflicht trotz ihm zuzubilligender Frist bis zum Tätigwerden schuldhaft verletzt hat
oder nicht, entfiele im vorliegenden Fall eine Schadensersatzpflicht der Beklagten.
Ordnungsgemäße Organisation und Überwachung unterstellt, wäre eine erste Kontrolle
vor 7.00 Uhr, dem satzungsgemäßen Beginn der Streupflicht, irrelevant, da zu dieser
Zeit noch kein Regen fiel und keine Glätte zu verzeichnen war. Derjenige, der bei
ordnungsgemäßer Organisation und Kontrolle als beauftragt anzusehen wäre, hätte die
Gefahrenlage vor dem Anruf des Klägers und vor dem Tätigwerden der verstorbenen
Ehefrau des Klägers auch nicht erkennen und bereits tätig werden müssen. Weder der
Kläger noch die Zeugin xxx noch die Verstorbene hatten aus ihren Wohnungen heraus
bemerkt, was sich draußen abspielte. Dies ist auch ohne weiteres erklärlich. Hierzu hat
der Sachverständige xxx im einzelnen überzeugend ausgeführt:
89
Es herrschte zu dieser Zeit Dämmerung. Der Niederschlag fiel als nur kleintropfiger
Regen, der schon fast nur Nieselregen war. Gegen einen dämmerigen Hintergrund
derartige Wassertropfen zu sehen, ist ungeheuer schwierig. Auch die ehrenamtlichen
Wetterbeobachter haben die Glätte größtenteils erst bemerkt, als sie um 7.30 Uhr zu
ihren Beobachtungspunkten nach draußen gingen. Auch die Glätte als solche war vom
Hause aus nicht zu sehen. Es wäre auch eine Überspannung der Sorgfalts- und
Kontrollpflichten, daß der Streupflichtige das Radio zu hören und das Thermometer zu
beobachten gehabt hätte. Daß der Pflichtige vor 8.00 Uhr selbst durch sein eigenes
Hinausgehen hätte abkontrollieren müssen, ist deshalb nicht vertretbar. Erst dann, wenn
der Regen wahrnehmbar ist und im Zusammenhang mit den dem am Thermometer
ablesbaren Minustemperaturen eine Gefahrenlage erkennbar wird, sich dem
Streupflichtigen mithin Anhaltspunkte für eine gefährliche Glättebildung darbieten, kann
das Unterlassen eines Tätigwerdens als schuldhaft .eingestuft werden. Daß eine solche
Fallkonstellation für den gedachten beauftragten sorgfältigen Streupflichtigen vor 8.00
Uhr vorgelegen hat, kann zu Lasten der Beklagten mangels näherer Tatsachen nicht
angenommen werden.
90
Gleichwohl besteht eine Haftung der Beklagten im vorliegenden Fall wegen der hier zu
beurteilenden besonderen Sachlage. Die Besonderheit liegt darin, daß die Verstorbene
nicht wie eine unbeteiligte Passantin den Bürgersteig betreten hat, sondern deshalb
nach draußen gegangen ist, weil sie von dem Kläger telefonisch über die Glätte
91
informiert war und abstreuen wollte. Wären die Beklagten und die
Wohnungseigentümergemeinschaft ihrer Organisations- und Überwachungspflicht
hinreichend nachgekommen, hätte für die Verstorbene kein Anlaß bestanden, tätig zu
werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß in dem Haus xxx Nr.
43 die Streupflicht "locker" gehandhabt wurde und jeder dann und wann streute, wenn
er sich "angesprochen" fühlte und tätigwerden konnte.
Unstreitig waren tagsüber alle aus dem Haus mit Ausnahme des verstorbenen Rentners
xxx und der verstorbenen Ehefrau des Klägers. Unstreitig war keine Versorge für den
Fall tagsüber auftretender Schnee- und/oder Eisglätte getroffen worden und war nicht
geregelt, in welcher Weise dann die Streupflichtigen vertreten wurden. Dies alles war -
wie der Kläger glaubhaft geschildert hat - ihm und seiner Ehefrau bekannt. Von daher
wird auch seine Glatteiswarnung an seine Ehefrau durchaus plausibel. Selbst wenn der
Kläger - sein Vorbringen als wahr unterstellt - bei seinem Anruf seine Frau nicht zum
Streuen aufgefordert haben sollte, so ist auch diese tätiggeworden in der durch
Erfahrung geprägten Erwartung, daß die Streupflichtigen weder selbst noch durch
Beauftragte der Streupflicht nachkommen werden würden. Dann kann es aber nicht
mehr darauf ankommen, daß die Klägerin vielleicht ein paar Minuten "zu früh" tätig
geworden ist, also zu einem Zeitpunkt nach draußen gegangen ist, wo Dritten
gegenüber die Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgreich hätte einwenden können,
ihre Streupflicht noch nicht schuldhaft verletzt zu haben.
92
Soweit der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten im letzten Senatstermin hierzu erklärt
hat, es sei nicht unstreitig, daß die Ehefrau des Klägers nach draußen gegangen sei,
weil sie gewußt habe, daß keiner streut, so ist diese Behauptung unrichtig. Sie steht
einmal im Widerspruch zu dem eigenen Vortrag der Beklagten, wonach der Kläger
seine Ehefrau gerade zum Streuen aufgefordert hat und daß die Verstorbene dieser
Aufforderung wegen der allgemein praktizierten Übung nachgekommen sei, weil sie
sich dazu verpflichtet gefühlt habe. Zum anderen hat die Beweisaufnahme ergeben -
wie bereits im anderen Zusammenhang ausgeführt -, daß während der Abwesenheit der
berufstätigen Hausbewohner für eine ordnungsgemäße Erfüllung der
Winterwartungspflichten keine ausreichende Vorsorge getroffen war.
93
Den oben dargelegten Ausführungen kann nicht erfolgreich entgegengehalten werden,
daß der Streupflichtige einem Passanten gegenüber mangels Verschuldens nicht haftet,
wenn dieser "zu früh stürzt", und daß der Gestürzte nicht erfolgreich geltend machen
kann, daß der Streupflichtige ja sowieso nicht, also auch nicht zu einem späteren
Zeitpunkt gestreut hätte, so daß er, der Passant, auch eine Stunde später gefallen wäre.
Der Unterschied des vorliegend vom Senat zu beurteilenden Falles zu dieser
Konstellation liegt nämlich in folgendem:
94
Im "Passantenfall" liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung der Streupflichtigen (noch)
nicht vor. Im vorliegenden Falle wurde jedoch durch eine bereits vorliegende
schuldhafte Pflichtverletzung der Wohnungseigentümer (mangelhafte Organisation und
fehlende Überwachung) das Verhalten der
95
Verstorbenen konkret veranlaßt. Die Verstorbene ist nicht wie ein Passant zufällig und
unabhängig von einer schuldhaften Pflichtverletzung der
Wohnungseigentümergemeinschaft dahergekommen. Sie hat sich vielmehr nach
draußen begeben, weil sie wußte, daß kein anderer, zumindest kein Pflichtiger oder von
diesem Beauftragter tätig werden würde, jetzt nicht und auch nicht später vor der
96
Rückkehr der berufstätigen Bewohner des Hauses.
Der Senat ist auch nicht gehindert, bei seiner jetzigen Entscheidung von den
dargelegten rechtlichen Erwägungen auszugehen. § 565 Abs. 2 ZPO steht nicht
entgegen. Wenn auch der Bundesgerichtshof in seinem aufhebenden Urteil (wie auch
der Senat in seinem aufgehobenen Urteil vom 11.1.1983) von einer Relevanz des
genauen Zeitpunkts des Unfalls der Ehefrau des Klägers und der Bestimmung der
angemessenen Zeitspanne zur Erfüllung der Streupflicht durch die Beklagten
ausgegangen ist, so begründet dies doch keine Bindungswirkung gemäß § 565 Abs. 2
ZPO. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH (im Anschluß an das
Reichsgericht), daß eine Bindung des Berufungsgerichts nur wegen derjenigen Punkte
besteht, deren rechtsirrtümliche Würdigung die Aufhebung unmittelbar herbeigeführt hat.
Das Berufungsgericht darf die vom Revisionsgericht gerügten Fehler, die zur Aufhebung
geführt haben, nicht wiederholen, ist aber im übrigen in seiner Entscheidung frei. Eine
andere Auffassung würde eine klare Grenzziehung unmöglich machen und außerdem
das Berufungsgericht in der Findung eines gerechten Urteils zu stark einengen (BGHZ
3, 321 (326); BGHZ 6, 76 (79); BGHZ 22, 370 (373)). Wenn das Berufungsurteil nur
wegen Verfahrensmängeln aufgehoben wird, ist das Berufungsgericht hinsichtlich der
sachlich-rechtlichen Beurteilung überhaupt nicht gebunden (BGHZ 2, 321 (326); BGHZ
6, 76 (79)). So aber liegt der Fall hier. Das Senatsurteil vom 11.1.1983 ist nur wegen
Verfahrensfehlern aufgehoben und deswegen die Sache zurückverwiesen worden.
97
Die danach zu erhebenden Beweise sind nunmehr ausgeschöpft worden.
98
bb)
99
Die Beklagten können sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, daß ein Streuen in der
damaligen Situation völlig sinnlos gewesen sei und daß sich die Ehefrau des Klägers
deshalb nicht als "herausgefordert" habe betrachten dürfen. Auf die gebotene ex-ante-
Sicht des "Herausforderers" abgestellt, mußten die Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft einrechnen, daß die Ehefrau des Klägers auch in
der konkreten Situation für die Streupflichtigen streuen würde. Es lag nicht völlig
außerhalb jeder Erfahrung und stellte nicht etwa nur eine ganz unbestimmte Möglichkeit
dar, daß die Verstorbene sich mit Auftausalz nach draußen begeben würde. Auch aus
der Sicht der "herausgeforderten" Ehefrau des Klägers in der ex-ante-Beurteilung bei
Übernahme des Risikos unter Zugrundelegung des Maßstabes eines durchschnittlich
sorgfältigen und verständigen Menschen war die Übernahme des Risikos durch ein
Abstreuen bei den gegebenen Wetterverhältnissen verhältnismäßig. Hierzu ist durch
den Sachverständigen xxx bewiesen, daß ein Abstreuen mit Tausalz, wie es von der
Wohnungseigentümergemeinschaft bereitgestellt war und wie es die Verstorbene
benutzt hat, nicht sinnlos war. Das Aufbringen minimalster Mengen (1 knapper Eßlöffel
pro Quadratmeter) hätte zur Entglättung des Bürgersteiges für 1 Stunde gereicht. Wäre
anstelle des gestrichenen Eßlöffels eine größere Salzmenge aufgebracht worden, wie
dies erfahrungsgemäß gerade in früheren Jahren häufig und unbedenklich erfolgt ist,
hätte der Zeitraum der Entglättung sich entsprechend verlängert. Der Sachverständige
hat auch überzeugt ausgeführt und erläutert, daß ein Niederschlag in Form unterkühlten
Regens die Auftauwirkung von Salz, die mittels wässeriger Lösung erfolgt, begünstigt.
100
Ist danach schon keine Situation am Unfallmorgen feststellbar, die objektiv ein
Abstreuen als sinnlos erscheinen lassen mußte, so kommt hinzu, daß eine
Herausforderung desjenigen, der für den Streupflichtigen tätig wird, nach Ansicht des
101
Senats nur dann verneint werden kann, wenn die Streumaßnahme sich für jeden
Einsichtigen im Hinblick auf die Wetterlage als völlig nutz- und zwecklos darstellte. Im
Zweifel ist Streuen besser als Nichtstreuen. Der Herausgeforderte muß schnell
entscheiden, ob er tätigwerden soll und kann nicht erst einen Sachverständigen
befragen.
Soweit die Beklagten darauf abstellen wollen, daß keine Verpflichtung zum Abstreuen
mit Salz bestanden habe und ein Aufbringen von Sand oder anderen bloß
abstumpfenden Mitteln sinnlos gewesen sei, ist dies unbeachtlich. Daß Salz als
geeignetes Mittel zur Bekämpfung einer Glatteisgefahr anerkannt ist, bedarf keiner
Erläuterung (vgl. dazu im einzelnen z. B. Walprecht/Brinkmann,
Straßenreinigungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 1985, Rn. 31 m. w. N.). Wenn bei
bestimmten Witterungslagen nur Salz (vorübergehenden) Schutz vor Glättegefahren
bringt, so ist auch ein privater Streupflichtiger verpflichtet, Salz zu verwenden, und zwar
zumindest dann, wenn er es zur Verfügung hat, wie dies im vorliegenden Fall unstreitig
der Fall war. Wenn der Streupflichtige ohnehin zum Abstreuen Salz zu verwenden
pflegt, kann er nicht gerade bei extremer Witterungslage, die die Verwendung von Salz
als einzig wirksames Streumittel nahelegt, sich darauf zurückziehen, daß andere
Streumittel wirkungslos wären.
102
5.
103
Ein höheres Eigenverschulden seiner verstorbenen Ehefrau als 1/3 muß sich der Kläger
nicht anrechnen lassen. Die vom Senat im Urteil vom 11. Januar 1983 zu den
erwiesenen Verursachungsbeiträgen und zu deren Abwägung angestellten
Erwägungen werden unter Bezugnahme auf Seite 17 und 18 des vorgenannten
Senatsurteils aufrechterhalten. Das weitere Vorbringen der Beklagten gibt zu einer
abweichenden Beurteilung keinen Anlaß. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat eine
erhebliche Vernachlässigung der Organisations- und Überwachungspflichtigen der
Wohnungseigentümergemeinschaft ergeben.
104
III.
105
Der Kläger kann die ihm wegen seines Unterhaltsschadens zustehende Rente bis zum
30. August 2000 verlangen, da nach der statistischen Lebenserwartung seiner Ehefrau
zum Unfallzeitpunkt davon auszugehen ist, daß sie ohne den Unfall bis zu diesem
Zeitpunkt gelebt hätte. Die Ehefrau des Klägers war am 1. August 1921 geboren. Am
Unfalltage (23. Januar 1979) war sie somit 57 Jahre alt und hatte nach der allgemeinen
Sterbetafel die weibliche Bevölkerung des Bundesgebiets einschließlich Berlin
(abgedruckt bei Becker, Kraftfahrzeug-Haftpflichtschäden, 14. Aufl., S. 287 f.) eine
statistische Lebenserwartung von noch 21,62 Jahren, d. h. bis etwa Ende August 2000.
106
Es besteht kein Anlaß, die Unterhaltsschadensrente nicht bis zu dieser statistischen
Grenze zu gewähren, da es nicht ungewöhnlich ist, daß auch eine 79-jährige Frau noch
einen nennenswerten Beitrag zur Haushaltsführung leisten kann.
107
IV.
108
Welchen Beitrag die Ehefrau des Klägers zu dessen Unterhalt geleistet hätte und wie
dieser zu bewerten ist, war gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem Betragsverfahren
vorzubehalten, da der Rechtsstreit insoweit noch nicht entscheidungsreif ist. Dies gilt
109
auch für die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit der Kläger zumindest ab eigener
Pensionierung zu einer Mithilfe im Haushalt verpflichtet gewesen wäre.
Gleiches gilt für die Beerdigungskosten, da insoweit noch die Diskrepanz zwischen dem
verlangten Betrag und der Summe der eingereichten Belege (Bl. 8 bis 30 d.A.)
aufzuklären ist, die selbst dann verbleibt, wenn man die Skontogewährung bei der
Rechnung für das Grabdenkmal berücksichtigt.
110
Der Feststellungsantrag hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge ist im Rahmen des
Tenors begründet, weil der Kläger Anspruch auf Ersatz auf Zahlung der Beträge hat, die
erforderlich sind, um sich die entgangenen Unterhaltsleistungen anderweitig zu
beschaffen. Dazu gehören auch die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, soweit
eine Ersatzkraft tatsächlich beschäftigt wird und soweit für diese Arbeitgeberbeiträge zur
Sozialversicherung für einen der zu gewährenden Rente entsprechenden Bruttolohn
auch abzuführen sind (vgl. dazu BGH NJW 1983, 1425 ff.).
111
V.
112
Der Zinsanspruch ist in dem zuerkannten Umfang begründet gemäß §§ 284 Abs. 1 Satz
2, 288 Abs. 1 BGB. Verzug vor Rechtshängigkeit ist nicht dargelegt. Die Beklagten
haben daher ab Rechtshängigkeit die bis dahin fällig gewordenen Rückstände und
sodann die danach fällig gewordenen rückständigen Beträge nach den einzelnen
Fälligkeitsdaten in der gesetzlichen Höhe zu verzinsen.
113
Da es sich bei dem im letzten Senatstermin gestellten Antrag um keine echte
Klageänderung handelt, sondern um eine gemäß §§ 264 Nr. 2, 261 Abs. 2 in
Verbindung mit § 523 ZPO in der mündlichen Verhandlung zulässige Klageerweiterung
in Bezug auf eine Nebenforderung, brauchte den Beklagten keine Einlassungsfrist
eingeräumt werden (vgl. dazu Baumbach-Lauterbach-Hartmann, 43. Aufl., § 261 Anm. 4
B). § 520 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 274 Abs. 3 ZPO sind nicht einschlägig. Eine
Schriftsatzfrist gemäß § 283 ZPO entfiel schon mangels Antrags.
114
VII.
115
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
116