Urteil des OLG Hamm vom 22.09.1997

OLG Hamm (abtretung einer forderung, abweisung der klage, unterbrechung der verjährung, tatsächliche vermutung, firma, abtretung, forderung, geschäftsführer, zpo, verjährung)

Oberlandesgericht Hamm, 6 W 14/97
Datum:
22.09.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 14/97
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 2 O 139/93
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Gründe
1
I.
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Der Beklagte war Gesellschafter und zunächst auch Geschäftsführer, der 1990
gegründeten und 1991 zusammengebrochenen Firma xxx GmbH (im Folgenden: Firma
xxx), die aus Werbeaufträgen erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber der xxx hatte.
Diese trat am 17.10.1991 ihre Forderung in Höhe von 103.666,73 DM an die Klägerin
ab, die bisher vergeblich versucht hat, die Forderung einzubringen.
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Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in
Anspruch mit der Begründung, er habe die Werbeaufträge erteilt, obwohl er gewußt
habe, dass die Firma xxx die Rechnungen nicht bezahlen werde. Er habe die Firma xxx
in betrügerischer Absicht gegründet und sie sodann ausgehöhlt, indem er ihre
Vermögensgegenstände auf eine andere von ihm gesteuerte Gesellschaft übertragen
habe; außerdem habe er den erforderlichen Konkursantrag nicht rechtzeitig gestellt.
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Da in einem gegen den Beklagten eingeleiteten Ermittlungsverfahren (3 Js 1157/91 StA
Dortmund) von einem Wirtschaftssachverständigen ein Liquiditätsgutachen eingeholt
wurde, setzte, das Landgericht das vorliegende Verfahren durch den angefochtenen
Beschluß vom 23.7.1993 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Ermittlungsverfahrens 3
Js 1157/91 StA Dortmund und des sich eventuell anschließenden gerichtlichen
Strafverfahrens aus.
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Der Beklagte erstrebt nunmehr die Fortsetzung des vorliegenden Rechtsstreits und die
Abweisung der Klage. Er vertritt die Auffassung, evtl. gegen ihn bestehende
Schadensersatzansprüche seien jedenfalls verjährt, weil die Klägerin die Klage nicht
als Berechtigte i.S.d. § 209 BGB erhoben habe. Er hat gegenüber dem
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Aussetzungsbeschluß "das zulässige Rechtsmittel" eingelegt, dem das Landgericht
nicht abgeholfen hat.
II.
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Das Rechtsmittel des Beklagten ist als Beschwerde gem. §§ 252, 567 I ZPO gegen den
Aussetzungsbeschluß vom 23.07.1993 anzusehen. Als solches ist es zulässig, hat aber
in der Sache keinen Erfolg. Denn der Rechtsstreit ist nicht in der inzwischen
verstrichenen Zeit durch Verjährung des geltend gemachten Anspruchs
entscheidungsreif geworden.
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1)
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Die Klageerhebung im März 1993 hat die laufende Verjährung der auf §§ 823 II, 826
BGB i.V.m. § 263 StGB, §§ 84 I Nr. 1, 64 I GmbHG gestützten Ansprüche unterbrochen,
denn die Klägerin war Berechtigte i.S.d. § 209 I BGB. Zwar heißt es in der
Abtretungserklärung vom 17.10.1991 lediglich, daß die xxx "die ihr aus der
Geschäftsbeziehung gegen die xxx GmbH ... zustehende Forderung in Höhe von
103.666,73 DM" an die Klägerin abtrete; eine Abtretung evtl. daneben bestehender
Ansprüche gegen den Beklagten als früheren Geschäftsführer der Firma xxx aus
unerlaubter Handlung wird nicht erwähnt. Die Auslegung der § 133, 157 BGB führt
jedoch zu dem Ergebnis, daß die Abtretung sich auch auf diese Ansprüche erstreckt,
wie sich aus folgendem ergibt:
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Falls zugunsten der xxx tatsächlich die geltend gemachte Schadensersatzforderung
gegen den Beklagten entstanden war, haftete dieser der Firma xxx als
Gesamtschuldner, wobei es hier nicht auf den Unterschied zwischen echter und
unechter Gesamtschuld ankommt; fest steht jedenfalls, daß Tilgungsleistungen eines
Verpflichteten regelmäßig auch dem jeweils anderen zugute gekommen wären. Die
Abtretung einer Forderung gegen nur einen Gesamtschuldner wird zwar grundsätzlich
für möglich erachtet (vgl. Palandt-Heinrichs, § 425 Rz. 6). Sie wirkt nach dem klaren
Wortlaut des § 425 I BGB im Zweifel nur für und gegen den Gesamtschuldner, dessen
Verbindlichkeit Gegenstand der Forderungsübertragung ist. Eine derartige
Separatübertragung wird indessen dadurch erschwert, daß sie nur mit Zustimmung der
weiteren Schuldner wirksam ist (vgl. Staudinger-Kaduk, 12. Auflage, 1994, § 425 Rz. 42;
Palandt a.a.O.). Nach Überwindung dieser Hürde bestünde im Ergebnis auf der einen
Seite eine modifizierte Gesamtgläubigerschaft zwischen Zedent und Zessionar und auf
der anderen Seite Gesamtschuldnerschaft. Ein derart kompliziertes Gebilde zu schaffen,
entspricht regelmäßig nicht den Willen und dem Interesse der an der Abtretung
beteiligten Vertragspartner. Demgemäß wird die Auslegungsregel des § 424 I BGB
zumeist durch eine tatsächliche Vermutung entkräftet, die dahin geht, daß gewöhnlich
die Abtretung gegen alle Gesamtschuldner gewollt sein wird (vgl. Staudinger-Kaduk, §
425 Rz. 42, 44, Erman/W.P. Westermann § 425 Rz. 5)
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Besondere Umstände, welche die Annahme rechtfertigen könnten, daß im vorliegenden
Fall ausnahmsweise nur eine seperate Abtretung der Ansprüche gegen die Fa. xxx
gewollt war, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Insbesondere spricht der
Wortlaut der Abtretungserklärung keineswegs dafür, daß deliktische Ansprüche gegen
den Beklagten als früheren Geschäftsführer der Firma nach dem Willen der Klägerin und
der xxx von dem Anspruchsübergang ausgenommen sein sollten; vielmehr ging ihr
Wille offenbar dahin, daß der Klägerin das ihrer Schwesterfirma - der xxx - zustehende
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Geld zufließen sollte, gleichviel ob nach dem Zusammenbruch der Firma xxx die
Forderung doch noch - wie auch immer - bei dieser oder bei einer
Geschäftsnachfolgerin als Vermögensübernehmerin zu realisieren wäre, oder ob der
Beklagte als ehemaliger Geschäftsführer aufgrund deliktischen Handelns in Anspruch
genommen werden könnte.
2)
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Die durch die Klageerhebung der Berechtigten bewirkte Verjährungsunterbrechung
dauert zur Zeit noch an. Sie ist nicht gem. § 211 II 1 BGB durch Prozeßstillstand
beendigt worden, denn dieser ist nicht durch Parteivereinbarung herbeigeführt worden
oder dadurch, daß der Prozeß nicht betrieben worden ist, sondern durch den
angefochtenen Aussetzungsbeschluß vom 23.7.1993. Eine gerichtlich angeordnete
Aussetzung fällt jedoch nicht unter die Regelung des § 211 II 1 BGB (vgl. BGH NJW-RR
93, 741).
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Die Unterbrechung der Verjährung, ist auch nicht anderweitig beendet worden. Zwar
endet im Falle einer Aussetzung der Verhandlung nach §§ 148, 149 ZPO die durch
Klageerhebung eingetretene Verjährungsunterbrechung mit der Erledigung des anderen
Verfahrens (vgl. BGH NJW 89,1729). Das gegen den Beklagten eingeleitete
Strafverfahren ist aber noch nicht erledigt; es wird lediglich zur Zeit nicht fortgesetzt,
solange der Beklagte flüchtig ist.
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3)
16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.
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