Urteil des OLG Hamm vom 21.07.2003

OLG Hamm: vernehmung von zeugen, eventualwiderklage, aufrechnung, agb, gefahr, gegenforderung, verfahrensmangel, computer, hardware, anhörung

Oberlandesgericht Hamm, 13 U 185/00
Datum:
21.07.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 U 185/00
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 11 O 191/99
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04.04.2000 verkündete
Teilurteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld
mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Berufungsinstanz, zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil beschwert den Kläger in Höhe von 27.595,92 €.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
1
I.
2
Die vormalige Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund einer Bestellung von
Computer-Soft- und Hardware vom 11.10.1999 einen Anspruch in Höhe von
53.972,92 DM. Nach Ziff. 6 der diesem Vertrag zugrundeliegenden allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB) ist die Aufrechnung nur mit unbestrittenen oder
rechtskräftig festgestellten Forderungen zugelassen. Die Beklagte rechnete mit einer ihr
am 27.10.1999 abgetretenen angeblichen Forderung aus Mietzinsansprüchen der
Bauherrengemeinschaft L gegen die Klägerin auf und erklärte, die Bestellung vom
11.10.1999 sei erfolgt, um der Beklagten eine werthaltige Gegenforderung zu
verschaffen, mit der sie aufrechnen könne, da die Gefahr bestanden habe, daß die
Bauherrengemeinschaft anderenfalls mit der Mietzinsforderung über angeblich
94.210,93 DM vollständig ausfalle. Die Klägerin hat sich auf das Aufrechnungsverbot
nach ihren AGB berufen. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung Eventual-
Widerklage in Höhe der Hauptforderung erhoben.
3
Das Landgericht hat nach Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin und
Vernehmung von Zeugen durch Teilurteil auf Antrag der Klägerin die Klage in voller
Höhe mit der Begründung zugesprochen, hier greife das Aufrechnungsverbot der AGB
ein, da die Aufrechnungsforderung weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt und
4
auch die Entscheidung über die Gegenforderung noch nicht möglich sei, weil noch
klargestellt werden müsse, wie sich die in der Abtretungsurkunde enthaltene
Gesamtforderung von 94.210,93 DM errechne. Gegen dieses Urteil richtet sich die
Berufung der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die
Zurückverweisung zur weiteren Verhandlung erstrebt. Sie begründet ihren Antrag mit
der Auffassung, das Aufrechnungsverbot greife nicht mehr ein, weil unstreitig durch
Beschluß des Amtsgerichts Bielefeld vom 17.07.2000 über das Vermögen der
ursprünglichen Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
II.
5
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie am 06.09.2000 wirksam eingelegt
worden, obwohl das Verfahren infolge der Insolvenzeröffnung vom 17.07.2000 gem.
§ 240 ZPO unterbrochen war (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 249, Rn. 5).
6
Der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der
Sache ist auch begründet. Maßgeblich ist gem. § 26 Ziff. 5 EG ZPO § 539 ZPO a.F.
7
Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel
im Sinne dieser Bestimmung, weil nicht durch Teilurteil hätte entschieden werden
dürfen.
8
Ein Teilurteil darf nicht ergehen, wenn die Gefahr besteht, daß in einem Verfahren sich
widersprechende Entscheidungen ergehen können (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 61.
Aufl., Rn. 5 zu § 301 ZPO). Ein Teilurteil kann deshalb dann nicht ergehen, wenn dem
Klageanspruch eine Aufrechnung oder ein Zurückbehaltungsrecht entgegensteht oder
entgegenstehen kann. Wird gegenüber der Klageforderung mit einer Forderung
aufgerechnet, die auch mit einer Eventualwiderklage geltend gemacht wird, ist die
Gefahr widersprechender Entscheidungen gegeben. Denn es ist zumindest möglich,
daß im Verfahren über die Eventualwiderklage entgegen der Erstauffassung die Ansicht
vertreten wird, daß die Aufrechnung doch durchgreife. Dies zeigt auch die weitere
Entwicklung des Rechtsstreits. Denn die von der Berufung vertretene Auffassung, daß
das Aufrechnungsverbot nicht mehr eingreife, weil über das Vermögen der Klägerin das
Insolvenzverfahren eröffnet wurde, trifft zu (vgl. BGH NJW 1984, 357, 358; h.M.:
Kilger/Carsten Schmidt, KO, 17. Aufl. 1997, § 350 KO, Anm. 9; Uhlenbruch, InsO, 12.
Aufl. 2003, § 94, Rn. 37 m.w.N.; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 11 AGB, Rn. 10).
Denkbar ist auch, daß unterschiedliche Auffassungen zur Aufrechnung in erster und
zweiter Instanz zu widersprechenden Entscheidungen führen, und zwar dann, wenn in
der Berufungsinstanz die Auffassung vertreten würde, die Aufrechnung sei wirksam,
während in erster Instanz bei der Prüfung der Eventualwiderklage das
Aufrechnungsverbot für wirksam gehalten würde. Dann wäre im Rahmen der
Eventualwiderklage die Gegenforderung erneut zu prüfen.
9
Der Senat hat gem. § 540 ZPO a.F. von einer eigenen Sachentscheidung abgesehen,
da diese nicht sachdienlich wäre. Über die Klage und die Eventualwiderklage muß
einheitlich entschieden werden; die Eventualwiderklage ist jedoch nicht Gegenstand
des Berufungsverfahrens.
10