Urteil des OLG Hamm vom 10.02.1998

OLG Hamm (stpo, verhältnis zu, rechtsmittel, beteiligung am verfahren, beschränkung, ziel, strafzumessung, interesse, essen, strafe)

Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 575/97
Datum:
10.02.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ws 575/97
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 29 (10/97) 52 Js 393/95
Tenor:
Die Revision des Angeklagten wird auf seine Kosten als unbegründet
verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Er hat die insoweit den Nebenklägern
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird die
Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts Essen vom 21. April
1997 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die dem Angeklagten
insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten mit
Ausnahme der gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen, die bei
einer alsbald nach Urteilszustellung erklärten Rechtsmittelbeschränkung
vermeidbar gewesen wären, fallen der Staatskasse zur Last. Der
Angeklagte hat jedoch die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu
tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit dem
Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen fallen zu 6/7 dem
Angeklagten, im übrigen der Staatskasse zur Last. Die insoweit den
Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte
zu tragen.
Gründe:
1
I.
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Durch Urteil des Amtsgerichts Gladbeck vom 22. November 1996 ist der Angeklagte
wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten
sowie wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe
von 180 Tagessätzen zu je 80,00 DM verurteilt worden. Für die beiden letztgenannten
Körperverletzungen hat das Amtsgericht jeweils auf Einzelgeldstrafen von 120
Tagessätzen erkannt.
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Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26. November 1996, eingegangen beim
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Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26. November 1996, eingegangen beim
Amtsgericht Gladbeck am selben Tag, hat der Angeklagte gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt. Mit Verfügung vom 28. Februar 1997 hat der Vorsitzende der IX. Strafkammer
des Landgerichts Essen Termin zur Berufungsverhandlung auf den 21. April 1997
anberaumt und die Ladung verschiedener Zeugen angeordnet. Mit Schriftsatz vom 14.
April 1997 hat der Verteidiger des Angeklagten mitgeteilt, daß die mit Schriftsatz vom
26. November 1996 eingelegte Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt
werde. Mit Verfügung vom 15. April 1997 hat daraufhin der Vorsitzende die Abladung
bereits geladener Zeugen angeordnet.
4
Mit Urteil vom 21. April 1997 hat die IX. Strafkammer des Landgerichts Essen das Urteil
des Amtsgerichts Gladbeck im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, daß der
Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 225 Tagessätzen zu je 80,00 DM verurteilt
wird. Es ist auf Einzelgeldstrafen in Höhe von 150, 90 und 60 Tagessätzen erkannt
worden. Es wurde folgende Kostenentscheidung verkündet:
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"Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger (im
schriftlichen Urteil irrtümlich als "der Nebenklägern" bezeichnet) trägt der Angeklagte.
Die Berufungsgebühr wird jedoch um die Hälfte ermäßigt; in diesem Umfang trägt die
Landeskasse auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten im
Berufungsrechtszug."
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Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 24
April 1997 Revision eingelegt. Darüber hinaus wendet er sich mit dem Rechtsmittel der
sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts Essen über die
Kosten und notwendigen Auslagen, auch bezüglich der Nebenkläger. Mit seiner
rechtzeitig begründeten Revision rügt der Angeklagte die Strafzumessung des
angefochtenen Urteils.
7
II.
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Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig, in der Sache
jedoch nicht begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit wie folgt Stellung
genommen:
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"Die auf die allein erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts vorzunehmende
Überprüfung des angefochtenen Urteils hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
nicht ergeben. Die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den
Rechtsfolgenausspruch ist wirksam gewesen. Das erstinstanzliche Urteil enthält die für
den Schuldspruch erforderlichen Darlegungen. Mithin unterliegt lediglich der
Rechtsfolgenausspruch der Überprüfung durch das Revisionsgericht.
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Die für die Bemessung der Strafe beachtlichen Gesichtspunkte gegeneinander
abzuwägen ist wesentlicher Bestandteil der Strafzumessung und deshalb grundsätzlich
Aufgabe des Tatgerichts und unterliegt nur einer begrenzten Nachprüfung. In die
tatrichterliche Strafzumessung kann nur eingegriffen werden, wenn diese Rechtsfehler
aufweist, weil sie einseitig, widersprüchlich oder unvollständig ist. Dabei ist eine ins
einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 09.03.1993 -
1 StR 766/92 -; BGHSt 34, 345, 349), auch die Darlegung sämtlicher Erwägungen ist
insoweit weder möglich noch nötig (BGH, Urteil vom 25.05.1994 - 3 StR 239/94 -).
Hieran gemessen ist die Strafzumessung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Die
Kammer hat ent- und belastende Strafzumessungsgesichtspunkte umfassend
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dargestellt und abgewogen Entgegen dem Revisionsvorbringen ist die Kammer auch
nicht zu Lasten des Angeklagten davon ausgegangen, daß die im Wasser geführten
Schläge bei dem Kind zu einer unkontrollierten Aufnahme von Wasser und damit zu
gefährlichen Folgen geführt haben. Das Gericht hat in seinem Urteil diese mögliche
Folge nur deshalb aufgezeigt, um die Gefährlichkeit des Handelns des Angeklagten
darzustellen.
Ein Ermessensfehler bei der Strafzumessung ist insgesamt nicht ersichtlich."
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Diese Stellungnahme macht der Senat sich zu eigen und legt sie seiner Entscheidung
zugrunde. Da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, war die Revision mit der sich
aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu
verwerfen.
13
III.
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Die gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige
Beschwerde hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als die Kostenentscheidung im
angefochtenen Urteil - soweit sie die Kosten des Berufungsverfahrens und die insoweit
entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten betrifft - fehlerhaft ist. Sem
Rechtsmittel hat indes keinen Erfolg, soweit sich der Angeklagte auch dagegen
gewendet hat, die im Berufungsrechtszug entstandenen notwendigen Auslagen der
Nebenkläger tragen zu müssen.
15
1.
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Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens und der notwendigen Auslagen des
Angeklagten im Berufungsrechtszug kommt entgegen der Auffassung des Landgerichts
nicht § 473 Abs. 4 StPO zur Anwendung, die Kostenentscheidung ergibt sich vielmehr
aus der sinngemäßen Anwendung des § 473 Abs. 3 StPO, da der Angeklagte die
Berufung wirksam auf das Strafmaß beschränkt hat und das Ziel dieser eingeschränkten
Berufung in vollem Umfang erreicht worden ist.
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Vollen Erfolg hat ein beschränktes Rechtsmittel, wenn der Beschwerdeführer sein
erklärtes Ziel im wesentlichen erreicht. Bei einer Strafmaßberufung kommt es dabei auf
einen Vergleich zwischen der in der Vorinstanz erkannten Strafe und der in der
Rechtsmittelinstanz erreichten Milderung, hingegen nicht entscheidend auf den
Schlußantrag des Beschwerdeführers an (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43
Aufl., § 473 Rdnr. 21).
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Hier hat der Angeklagte mit seiner (nachträglich) auf das Strafmaß beschränkten
Berufung sein Ziel zumindest im wesentlichen erreicht. Ausweislich des Antrages in der
Berufungshauptverhandlung ging es ihm zumindest in erster Linie darum, daß die
ursprüngliche Verurteilung in einem Fall zu einer Freiheitsstrafe entfallen und insgesamt
nur auf Geldstrafen erkannt werden sollte. Schon insoweit hatte sein Rechtsmittel vollen
Erfolg. Darüber hinaus ist in den beiden weiteren Fällen der Körperverletzung die
ursprüngliche Tagessatzzahl von 120 deutlich auf 90 bzw. 60 Tagessätze herabgesetzt
worden, worin ein weiterer Erfolg zu sehen ist.
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Sind nach alledem die Kosten der beschränkten Berufung und die notwendigen
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Auslagen des Angeklagten in Anwendung des § 473 Abs. 3 StPO der Staatskasse
aufzuerlegen, so ist aber doch dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der Angeklagte
die Berufung erst nachträglich beschränkt hat. Dies geschieht in entsprechender
Anwendung des § 473 Abs. 1 StPO (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 473
Rdnr. 20). Denn in der nachträglichen Beschränkung der Berufung ist eine
Teilrücknahme des Rechtsmittels zu sehen. Der Angeklagte hat in diesem Fall
diejenigen Kosten und Auslagen zu tragen, die bei rechtzeitiger Beschränkung nicht
angefallen wären. Es ist nicht gerechtfertigt, auch diese Kosten der Staatskasse
aufzuerlegen, nur weil der Beschwerdeführer mit seinem später beschränkten
Rechtsmittel Erfolg gehabt hat (OLG Hamm, MDR 1982, 778). Vorliegend können
solche Kosten auch angefallen sein, nachdem vor der Beschränkung der Berufung auf
das Strafmaß bereits Zeugen geladen worden waren.
2.
21
Soweit sich der Angeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde auch dagegen wendet,
daß er die den Nebenklägern im Berufungsrechtszug entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen hat, ist seinem Rechtsmittel der Erfolg zu versagen.
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a)
23
Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dazu, wer die notwendigen Auslagen von
Nebenklägern bei vollem Erfolg eines auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittels des
Angeklagten zu tragen hat, fehlt. Wie diese Lücke zu schließen ist, wird unterschiedlich
behandelt.
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Ein wesentlicher Teil vor allem der Kommentarliteratur und ein Teil der Rechtsprechung
stellt den Angeklagten in derartigen Fällen von den notwendigen Auslagen der
Nebenkläger frei. Begründet wird diese Ansicht damit, der Angeklagte werde bei vollem
Erfolg kostenrechtlich für das Rechtsmittelverfahren wie ein Freigesprochener
behandelt. Das müsse konsequent auch im Verhältnis zu Nebenklägern gelten (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 473 Rdnr. 23; Heidelberger Kommentar
zur StPO, § 473 Rdnr. 22; Reihe Alternativ-Kommentare, StPO, § 473 Rdnr. 18, OLG
Saarbrücken, StV 90, 366).
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Nach anderer Ansicht ist im Grunde dieselbe Schlußfolgerung zu ziehen, die
Verpflichtung der Nebenkläger, ihre notwendigen Auslagen selbst tragen zu müssen,
soll allerdings dann nicht bestehen, wenn sie nach erfolgter Beschränkung des
Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ihren Anschluß widerrufen (KMR, StPO, §
473 Rdnr. 73; Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 473 Rdnr. 76-78).
26
Schließlich wird vertreten, daß sich die Verteilung der notwendigen Auslagen der
Nebenklage nach § 472 Abs. 1 StPO zu richten habe. Als Grundsatz gelte danach, daß
der Verurteilte die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen habe, wovon
jedoch im Rahmen der Billigkeit abgewichen werden könne (vgl. Pfälzisches OLG
Zweibrücken, MDR 93, 698).
27
b)
28
Auch der Senat hält in Fällen, in denen der Angeklagte mit seinem auf das Strafmaß
beschränkten Rechtsmittel einen vollen Erfolg erzielt, einzig die entsprechende
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Anwendung von § 472 Abs. 1 StPO für sachgerecht. Nur auf diese Weise lassen sich
unbefriedigende Wertungswidersprüche mit anderen bestehenden gesetzlichen
Regelungen vermeiden Diese Lösung bewirkt zudem, daß die Zielsetzung, die der
Gesetzgeber mit dem Opferschutzgesetz vom 18.12.1986 verfolgt hat, über die
Kostenregelung, der faktisch wesentlicher Einfluß auf die Mitwirkung der Nebenkläger
beikommt, verwirklicht werden kann und nicht durch richterliche Lückenfüllung
gegenteilig unterlaufen wird. Schließlich lassen sich nur auf diese Weise aufgrund der
Eröffnung einer Billigkeitsentscheidung jeweils im Einzelfall sachgerechte Ergebnisse
erzielen.
Schon der gedankliche Ansatz der erstgenannten Ansicht, der lediglich im Strafmaß
erfolgreiche Angeklagte sei auch im Verhältnis zum Nebenkläger wie ein
Freigesprochener zu behandeln, vermag nicht zu überzeugen. Auch in derartigen Fällen
ist und bleibt der Angeklagte wegen einer den Nebenkläger betreffenden Straftat
verurteilt. Folglich ist auch anerkannt, daß die Befugnis des Nebenklägers, sich am
Verfahren aktiv zu beteiligen, nicht etwa deshalb endet, weil in der Rechtsmittelinstanz
nur noch das Strafmaß zur Disposition steht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43 Aufl.,
§ 400 Rdnr. 1, OLG Düsseldorf, MDR 91, 276). Zudem ist in derartigen Fällen auch bei
einer Revision des Angeklagten nach § 347 StPO dem Nebenkläger als Gegner des
Beschwerdeführers die Revisionsschrift mit der Möglichkeit, binnen einer Woche eine
schriftliche Gegenerklärung abzugeben, zuzustellen, ihn also zu beteiligen. Hieraus
wird deutlich, daß der Gesetzgeber auch bei auf das Strafmaß beschränkten
Rechtsmitteln das Bestehen eines billigenswerten Interesses der Nebenklage an einer
weiteren Beteiligung am Verfahren als möglich erkannt und anerkannt hat.
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Daß diese Sichtweise zutreffend ist, belegt schon allein der Umstand, daß die Prüfung
der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung nicht nur ausnahmsweise zur
Aufhebung von Urteilen durch die Obergerichte führt. Damit erweist sich zugleich die
Ansicht, die den Nebenkläger über das Kostenrecht bei einer Strafmaßberufung zu
einem Widerruf des Anschlusses nötigen will, als praktisch ungeeignet. Fälle, in denen
nach vorläufiger Prüfung eine Beschränkung zunächst als wirksam angesehen worden
ist, dann aber andere Erkenntnisse zur Aufgabe dieser Ansicht zwingen, führen zu
erheblichen praktischen Komplikationen, weil nunmehr dem Nebenkläger ein Anschluß
erneut ermöglicht und so eine Mitwirkungsmöglichkeit wieder eingeräumt werden
müßte.
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Die beiden erstgenannten Ansichten stehen zudem in einem Wertungswiderspruch zu
den Kostenfolgen, die unzweifelhaft bei einem erfolglosen oder nur teilweise
erfolgreichen auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittel anzuordnen sind.
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Daß dem Angeklagten, der mit einem auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittel
erfolglos geblieben ist, auch die notwendigen Auslagen der Nebenkläger aufzuerlegen
sind, ergibt sich unmittelbar aus § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO. Das Interesse der
Nebenklage an einer Beteiligung unterscheidet sich aber - im Lichte des § 400 Abs. 1
StPO betrachtet - nicht von dem Fall, daß der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel Erfolg
hat Insbesondere ist daraus nicht erkennbar, warum sich der Nebenkläger - so die
zweite Ansicht - im Kosteninteresse zu einem Widerruf seines Anschlusses genötigt
fühlen soll.
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Ganz augenscheinlich wird der Wertungswiderspruch jedoch in Fällen, in denen der
Angeklagte mit seinem beschränkten Rechtsmittel einen Teilerfolg erzielt. Hier wird über
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§ 473 Abs. 4 StPO die Möglichkeit eröffnet, über die notwendigen Auslagen der
Nebenklage nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Dabei sollen dann das
Interesse des Nebenklägers, sich am Rechtsmittelverfahren zu beteiligen, der Umfang
des Teilerfolges und auch die spezielle Bedeutung der Beteiligung für die Beteiligten
und in ihrem Verhältnis untereinander zu berücksichtigen sein (Löwe-Rosenberg, StPO,
24. Aufl., § 473 Rdnr. 80). Insoweit kommt insbesondere aus Sicht eines Nebenklägers
in Betracht, sich gegen den Vorwurf eines Mitverschuldens zu wenden (KMR, StPO, §
473 Rdnr. 74; OLG Düsseldorf MDR 92, 599). Auch hierin zeigt sich, daß sich aus § 400
Abs. 1 StPO nichts für die Kostentragungspflicht der Nebenklage ableiten läßt.
Entscheidend kann nur sein, ob ein billigenswertes Interesse besteht, sich trotz der
Beschränkung weiter an dem Verfahren zu beteiligen.
Die unterschiedliche Behandlung eines erfolgreichen und nur teilweise erfolgreichen
beschränkten Rechtsmittels ist aber unverständlich, wenn man sich vergegenwärtigt,
wie schwer oftmals festzustellen ist, ob der Beschwerdeführer "im wesentlichen" sein
erklärtes Ziel erreicht hat (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 473 Rdnr. 21)
oder ob es im Falle einer Strafmaßberufung, bei der die Herabsetzung der Strafe in das
Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu einer "fühlbaren Milderung" kommt (KK, StPO,
3. Aufl., § 473 Rdnr. 4). So können im letzteren Fall unter Zugrundelegung üblicher,
wenn auch nicht unbestrittener Kriterien (Herabsetzung der Strafe um mindestens 25 %,
vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 473 Rdnr. 21) geringste Unterschiede
im Erfolg dazu führen, daß unter Zugrundelegung der beiden erstgenannten Ansichten
dem Gericht eine Billigkeitsentscheidung hinsichtlich der notwendigen Auslagen der
Nebenklage verschlossen wird und der Nebenkläger nunmehr zwingend seine
notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat. Zu denken ist beispielsweise an den Fall,
daß ein Angeklagter in 1. Instanz zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt
worden ist, mit seinem auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittel eine Verurteilung
von entweder 40 oder aber 35 Tagessätzen erreicht. Daß dieser geringe Unterschied im
Erfolg so weitreichende Konsequenzen für die Entscheidung über die notwendigen
Auslagen der Nebenklage haben soll, ist weder sachgerecht noch einsichtig. Das
Interesse der Nebenklage, sich am Verfahren zu beteiligen, unterscheidet sich in diesen
Fällen nicht.
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Wesentliches Gewicht für die Entscheidung des Senats kam dem Umstand bei, daß nur
die entsprechende Anwendung von § 472 Abs. 1 StPO der Motivation des
Gesetzgebers, die dieser mit dem Opferschutzgesetz vom 18.12.1986 verfolgt hat,
gerecht wird und die Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte dafür geben, daß mit der
Gesetzesnovelle eine inhaltliche Änderung der bis dahin von der Rechtsprechung
ebenfalls als Billigkeitsentscheidung ausgefüllten Lücke gewollt war.
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Nach der früheren Gesetzeslage vor Inkrafttreten des Opferschutzgesetzes bestand
Einigkeit, daß in derartigen Fällen über eine analoge Anwendung von § 471 Abs. 3 Nr. 1
StPO eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklage nach
Billigkeitsgesichtspunkten eröffnet wurde (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 473
Rdnr. 89 m.w.N. OLG Hamm, Anw Bl. 79/240). Zwar war durch das Opferschutzgesetz
eine Abkehr von der nicht in allen Fällen als passend angesehenen Vorschrift des § 471
StPO gewollt, Anhaltspunkte dafür, daß insoweit eine inhaltliche Änderung durch den
Gesetzgeber gewollt war, finden sich in den Gesetzesmaterialien aber nicht (vgl. BT-
Drucksache 10/5305 S. 21 f.; 10/6124 S. 12). Den Motiven ist vielmehr zu entnehmen,
daß der Gesetzgeber hinsichtlich der Kostenregelung für die Nebenklage von dem
allgemeinen Grundgedanken geleitet wurde, daß der Angeklagte die notwendigen
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Auslagen der Nebenklage zu tragen hat, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die
den Nebenkläger betrifft, es sei denn, daß hiervon im Rahmen der Billigkeit abzusehen
ist (vgl. BT-Drucksache 10/5305, S. 21). Daß das Rechtsmittelverfahren nicht von
diesem kostenrechtlichen Grundsatz geleitet werden soll, ist nicht erkennbar.
Gegen eine andere Sichtweise im Sinne der beiden erstgenannten Ansichten spricht
insbesondere die Motivation des Gesetzgebers, die zur Verabschiedung des
Opferschutzgesetzes geführt hat Ziel dieses Gesetzes war es, "erste gesetzliche
Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren zu
verwirklichen" (BT-Drucksache 10/5305, S. 8). Dieses Ziel ist aber nicht zu erreichen,
würde die Rechtsstellung des Verletzten über die faktisch bedeutsame Kostenregelung
im Gegensatz zur früher bestehenden Regelung beschnitten. Der Nebenkläger stünde
dann nach "neuem" Recht schlechter dar als zuvor. Folglich läßt sich nur die vom
Pfälzischen OLG Zweibrücken aufgezeigte Lösung mit dem gesetzgeberischen Willen
zum Opferschutzgesetz in Einklang bringen.
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c)
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Die entsprechende Anwendung von § 472 Abs. 1 StPO führt vorliegend dazu, daß der
Angeklagte die notwendigen Auslagen der Nebenkläger in der Berufungsinstanz zu
tragen hat. Von diesem sich aus Satz 1 dieser Vorschrift ergebenden Grundsatz aus
Billigkeitsgründen abzuweichen, besteht kein Anlaß. Insoweit war zu berücksichtigen,
daß der Angeklagte, wenn auch möglicherweise nicht mehr so massiv wie in 1. Instanz,
auch noch in der Berufungsinstanz "immer wieder, auch auf Vorhalte der Nebenkläger
versucht hat, seine Handlungen ... nicht nur zu beschönigen, sondern zu rechtfertigen"
(U.A. S. 6). In der 1. Instanz hatte er die Anwesenheit mehrerer Kinder im Schwimmbad
noch mit dem Konzentrationslager Auschwitz in Zusammenhang gebracht und
behauptet, ein Schwimmer habe seinen Schnorchel zugehalten, so daß er Todesangst
gehabt habe. Bei einem derartigen Verteidigungsverhalten muß den Nebenklägern ein
berechtigtes Interesse, einem solchen Vorbringen in aller Entschiedenheit entgegen zu
treten, zuerkannt werden. Daß es trotz des Erfolges im Strafmaß die Billigkeit erfordert,
den Angeklagten von den notwendigen Auslagen der Nebenkläger für die
Berufungsinstanz freizustellen, ist vorliegend nicht ersichtlich. Dazu kommt, daß für die
Nebenkläger nicht von vornherein völlig unzweifelhaft feststellbar war, daß die
Beschränkung des Rechtsmittels letztlich als wirksam anzusehen war, weil im
amtsgerichtlichen Urteil ausdrückliche Ausführungen zum subjektiven Tatbestand
fehlten, wenn sich auch die erforderlichen Feststellungen letztlich hinreichend aus den
Ausführungen ergeben.
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Lediglich klarstellend wird angemerkt, daß es für die 1. Instanz bei der
Kostenentscheidung des Amtsgerichts Gladbeck verbleibt.
41
III.
42
Die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten für
das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 473 Abs. 4 StPO. Angesichts des
Umstandes, daß der Angeklagte hinsichtlich der Kosten und seiner notwendigen
Auslagen im Beschwerdeverfahren im wesentlichen Erfolg hatte, hinsichtlich der
notwendigen Auslagen der Nebenkläger dagegen erfolglos geblieben ist, hielt der
Senat die vorgenommene Quotelung für angemessen. Die insoweit entstandenen
notwendigen Auslagen der Nebenkläger hatte dagegen der Angeklagte ganz zu tragen,
43
§§ 473 Abs. 4, 472 Abs. 1 Satz 1 StPO. Da seinem Rechtsmittel im Verhältnis zu den
Nebenklägern der Erfolg zu versagen war, ist es angemessen, dem Angeklagten die
den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen vollständig aufzuerlegen.