Urteil des OLG Hamm vom 12.06.2001

OLG Hamm: hauptsache, anteil, abgabe, abrede, ermessen, erfüllung, anforderung, betrug, unrichtigkeit, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 21 W 29/00
12.06.2001
Oberlandesgericht Hamm
21. Zivilsenat
Beschluss
21 W 29/00
Landgericht Essen, 9 O 266/99
Der angefochtene Streitwertbeschluß wird wie folgt abgeändert:
Der Streitwert beträgt bis zum 17.11.1999 31.799,79 DM. Für die Zeit
danach beträgt der Streitwert 28.050,00 DM.
Die angefochtene Kostenentscheidung wird wie folgt abgeändert:
Von den bis zum 17.11.1999 entstandenen Kosten tragen die Klägerin 93
% und die Beklagte 7 %. Die nach dem 17.11.1999 angefallenen Kosten
trägt die Klägerin.
Im übrigen werden die Rechtsmittel zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens über die sofortige Beschwerde
tragen die Klägerin zu 78 % und die Beklagte zu 22 % nach einem
Beschwerdewert bis 1.800,00 DM.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin hat mit Mahnbescheid, der der Beklagten am 27.07.1999 zugestellt worden ist,
eine Werklohnforderung in Höhe von 31.799,79 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem
23.04.1999 geltend gemacht. Nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid hat die
Beklagte am 23.08.1999 einen Betrag von 4.386,18 DM auf die Hauptforderung gezahlt.
Die Klägerin hat auf entsprechende Aufforderung durch das Mahngericht weitere
Gerichtskosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens nach dem ursprünglichen
Streitwert eingezahlt. Nach Abgabe des Rechtsstreits an das Landgericht zur Durchführung
des streitigen Verfahrens gemäß § 696 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin mit Schriftsatz vom
17.11.1999 den Antrag aus dem Mahnbescheid abzüglich eines am 23.08.1999 gezahlten
Betrages von 4.386,18 DM angekündigt und mit diesem Antrag später auch verhandelt. Die
Beklagte hat zunächst Klageabweisung beantragt. Nach Durchführung einer
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Beweisaufnahme haben die Parteien im Kammertermin vom 13.06.2000 wegen der am
23.08.1999 gezahlten 4.386,98 DM den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt. Nach weiterer Beweisaufnahme hat das Landgericht mit Urteil vom
11.08.2000 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 86 %
und der Beklagten zu 14 % auferlegt. Die auf die Beklagte entfallende Kostenquote von
14 % hat das Landgericht damit begründet, daß es sich hierbei um den Anteil des
gezahlten und für erledigt erklärten Betrages von 4.386,18 DM am ursprünglichen Streitwert
gehandelt habe. Insoweit seien der Beklagten nach § 91 a ZPO die Kosten aufzuerlegen
gewesen. Das Urteil ist der Beklagten am 27.09.2000 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 29.09.2000, der am 03.10.2000 bei dem Landgericht Essen
eingegangen ist, hat die Beklagte um Festsetzung des Streitwertes auf 27.413,61 DM für
die Zeit nach dem 22.08.1999 gebeten und im übrigen Berichtigung der
Kostenentscheidung des Urteilstenors beantragt. Sie hat insoweit gemeint, daß die
Zahlung bereits im Mahnverfahren auf die später entstandenen Kosten keine Auswirkung
gehabt habe, so daß die Kostenquote von 14 % zu Lasten der Beklagten nicht zutreffend
sei, richtig sei lediglich eine Kostenquote von 6,5 %. Hilfsweise hat die Beklagte sofortige
Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
Mit Beschluß vom 31.10.2000 hat das Landgericht den Streitwert für den Rechtsstreit auf
bis 35.000,00 DM festgesetzt und eine Berichtigung des Urteilstenors wegen offenbarer
Unrichtigkeit abgelehnt. Die Streitwertfestsetzung hat das Landgericht damit begründet,
daß die Klägerin den Rechtsstreit hinsichtlich des im Mahnverfahren gezahlten Betrages
zunächst einseitig für erledigt erklärt habe, was nicht zu einer Ermäßigung des Streitwerts
geführt habe. Die spätere übereinstimmende Erledigungserklärung habe sich auf den
Streitwert nicht mehr ausgewirkt, da zu diesem Zeitpunkt sämtliche Gebühren bereits
entstanden gewesen seien. Auf die hilfsweise erhobene sofortige Beschwerde hat das
Landgericht die Sache dem Senat vorgelegt.
Im Beschwerdeverfahren hat die Beklagte in Erweiterung ihres Rechtsmittels beantragt, der
Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang aufzuerlegen. Darüber hinaus hat
sie gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts im Beschluß vom 21.10.2000
Beschwerde eingelegt.
II.
Beide Rechtsmittel der Beklagten haben zum Teil Erfolg und führen zu einer Abänderung
der angefochtenen Entscheidungen.
1.
Die nach § 25 Abs. 3 GKG zulässige Beschwerde der Beklagten gegen den
Streitwertbeschluß vom 31.10.2000 ist in der Sache zum Teil begründet. Für die Zeit bis
zum Eingang des Schriftsatzes vom 17.11.1999 bleibt es bei dem vom Landgericht
festgesetzten Streitwert bis 35.000,00 DM. Für die Zeit nach der in dem genannten
Schriftsatz enthaltenen einseitigen Erledigungserklärung der Klägerin hinsichtlich des
gezahlten Betrages von 4.386,18 DM betrug der Streitwert lediglich 28.050,00 DM.
Das Mahnverfahren hatte zunächst einen Streitwert von 31.799,79 DM, wie auch von der
Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird. Allein durch die Zahlung der Beklagten in Höhe
von 4.386,18 DM ist eine Änderung des Streitwertes nicht eingetreten. Vielmehr ist der
Rechtsstreit mit dem bisherigen Streitwert von 31.799,79 DM nach Abgabe an das
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Landgericht dort anhängig geworden mit der Folge, daß sich die Gerichtskosten sowie die
anwaltlichen Prozeßgebühren nach diesem Streitwert berechnen. Die Klägerin hat nämlich
ihren Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nach der erfolgten Teilzahlung
nicht auf den noch streitigen Betrag beschränkt, was zulässig gewesen wäre und zu einer
Reduzierung des Streitwerts geführt hätte (OLG Hamm, 23. Zivilsenat, Beschluß vom
26.04.2001 - 23 W 594/00), sondern auf entsprechende Anforderung des Mahngerichts die
Gerichtskosten nach dem vollen Streitwert eingezahlt.
Nach der einseitigen Erledigungserklärung im Schriftsatz vom 17.11.1999 hinsichtlich des
gezahlten Betrages von 4.386,18 DM ist entgegen der Auffassung des Landgerichts eine
Reduzierung des Streitwerts eingetreten. Der Senat folgt der ganz überwiegenden
Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, daß sich der Streitwert des Erledigungsstreits
nach dem gemäß § 3 ZPO zu bewertenden wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der
Feststellung der Erledigung der Hauptsache richtet und seinem Kosteninteresse entspricht,
d.h. nach den bis zur Erledigungserklärung (anteilig) angefallenen Kosten (ständige
Rechtsprechung des BGH, z.B. BGH NJWRR 1993, 765; NJWRR 1996, 1210; OLG
Hamburg, KostRsp ZPO § 3 Nr. 964; JurBüro 1990, 911; OLG Karlsruhe, NJWRR 1994,
761; OLG Stuttgart JurBüro 1989, 526; OLG München NJWRR 1995, 1086; OLG Hamm,
12. ZS, JurBüro 1991, 1122; Zöller-Vollkommer, 22. Aufl. § 91 a Rdn. 34). Auch der
Kostensenat des OLG Hamm folgt dieser Auffassung unter Aufgabe seiner vom
Landgericht zitierten früheren Rechtsprechung (OLG Hamm, 23. ZS, MDR 2000, 175).
Das Kosteninteresse bei der hier vorliegenden teilweisen Erledigungserklärung ist
entgegen der Auffassung des BGH (NJWRR 1988, 1465) nicht nach der
Mehrkostenmethode zu ermitteln, sondern nach der Quotenmethode (eingehend Liebheit,
AnwBl 2000, 73), d.h. die bis zur Teilerledigungserklärung angefallenen Kosten sind
entsprechend dem Anteil des für erledigt erklärten Teils des Streitwerts am
Gesamtstreitwert zu quoteln. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
Bis zur Teilerledigungserklärung im Schriftsatz vom 17.11.1999 waren Kosten in Höhe von
4.010,00 DM angefallen (Gerichtskosten und anwaltliche Prozeßgebühren nebst
Auslagenpauschalen). Der Anteil des für erledigt erklärten Betrages von 4.386,18 DM am
ursprünglichen Gesamtstreitwert beträgt 13,8 %, so daß das darauf entfallende
Kosteninteresse mit 13,8 % von 4.010,00 DM, das sind 553,38 DM, zu bemessen ist. Hierzu
ist der Wert der weiterhin streitigen Hauptforderung von 27.413,61 DM sowie die nicht für
erledigt erklärten Zinsen auf den gezahlten Betrag, die nunmehr als Hauptsache
weiterverfolgt worden sind, von ca. 100,00 DM zu addieren, so daß sich ein Streitwert von
abgerundet 28.050,00 DM ergibt.
Auf die Beschwerde der Beklagten war der angefochtene Streitwertbeschluß entsprechend
abzuändern.
Eine Kostenentscheidung wegen der Streitwertbeschwerde ist nicht veranlaßt, § 25 Abs. 4
GKG.
2.
Auch die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts
vom 11.08.2000 ist zulässig und überwiegend begründet.
Soweit eine einheitliche Kostenentscheidung in einem Urteil zum Teil auf § 91 a ZPO
gestützt worden ist, ist unabhängig von einem Rechtsmittel in der Hauptsache die sofortige
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Beschwerde nach § 91 a Abs. 2 ZPO zulässig (BGH NJW 1964, 660). Diese Situation ist
hier gegeben, da das Landgericht die Entscheidung, 14 % der Kosten der Beklagten
aufzuerlegen, auf § 91 a ZPO gestützt hat und nur insoweit die Kostenentscheidung von
der Beklagten angefochten wird.
Das fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
Von den bis zur einseitigen Erledigungserklärung am 17.11.1999 entstandenen Kosten hat
die Beklagte grundsätzlich den Anteil zu tragen, der dem Anteil der für erledigt erklärten
Forderung an der Gesamtforderung entspricht, das sind 13,8 %. Daß die Forderung der
Klägerin in Höhe von 4.386,18 DM begründet war und die entsprechenden Kosten zu
Lasten der Beklagten gehen, wird von dieser nicht in Abrede gestellt.
Bei dem nach § 91 a Abs. 1 ZPO auszuübenden Ermessen war jedoch weiterhin zu
berücksichtigen, daß ein Teil der bis zum 17.11.1999 angefallenen Kosten hätte vermieden
werden können, wenn die Klägerin bereits im Mahnverfahren sachgerecht auf die teilweise
Erfüllung der Hauptforderung reagiert hätte. Sie hätte nämlich den Antrag auf Durchführung
des streitigen Verfahrens auf die noch offene Forderung von 27.413,61 DM nebst Zinsen
beschränken können, was zur folge gehabt hätte, daß lediglich die im Mahnverfahren
angefallenen Kosten nach dem hohen Streitwert zu berechnen wären, während die
Gerichtskosten im übrigen (Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses zum GKG) sowie die
weiteren anwaltlichen Prozeßgebühren sich nach dem geringeren Streitwert gerichtet
hätten, der dann in das Prozeßverfahren übergegangen wäre. Die Berechnung der
Verfahrensgebühr nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses zum GKG nach dem
ermäßigten Wert gilt selbst für den Fall, daß der Kläger für den Fall des Widerspruchs
schon im Mahnbescheidsantrag die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt hatte
(OLG Hamm, 23. ZS Beschluß vom 26.04.2001 23 W 594/00). Wegen des materiell-
rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs hinsichtlich der von der Beklagten zu tragenden
Kosten des Mahnverfahrens, die auf den gezahlten Betrag entfallen, hätte die Klägerin im
streitigen Verfahren die Feststellung begehren können, daß die Beklagte verpflichtet ist,
diese Kosten zu tragen (vgl. Liebheit, NJW 2000, 2235, 2236).
Hätte die Klägerin so gehandelt, hätten sich die auf den von der Beklagten gezahlten
Betrag entfallenden Kosten etwa halbiert. Die Auslösung von Kosten, die hätten vermieden
werden können, muß sich bei der nach § 91 a ZPO vorzunehmenden Beurteilung zu
Lasten der Klägerin auswirken mit der Folge, daß die Beklagte nur 7 % der bis zur
einseitigen Teilerledigungserklärung angefallenen Kosten zu tragen hat.
Die in der Folgezeit angefallenen Kosten (Verhandlungsgebühren, Kosten der
Beweisaufnahme) sind in vollem Umfang von der Klägerin zu tragen, die im Rechtsstreit in
der Hauptsache unterlegen ist. Die Tatsache, daß die Beklagte zunächst in vollem Umfang
Klageabweisung beantragt und sich erst nach durchgeführter Beweisaufnahme der
Teilerledigungserklärung angeschlossen hat, was die oben dargestellte Erhöhung des
Streitwerts um das Kosteninteresse der Klägerin zur Folge hatte, wirkt sich nicht zu Lasten
der Beklagten aus. Der Wert des Kosteninteresses ist im Verhältnis zum Gesamtstreitwert
derart gering, daß unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 92 Abs. 2 ZPO eine
Beteiligung der Beklagten an den nach dem 17.11.1998 angefallenen Kosten nicht
berechtigt erscheint, zumal der um ca. 500,00 DM erhöhte Streitwert keine zusätzlichen
Kosten verursacht hat.
Die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1
ZPO.