Urteil des OLG Hamm vom 22.11.2004

OLG Hamm: familie, verfügung, vermögensbildung, selbstbehalt, leistungsfähigkeit, anteil, bestreitung, sparkasse, haus, nebentätigkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 8 UF 411/00
22.11.2004
Oberlandesgericht Hamm
8. Senat für Familiensachen
Urteil
8 UF 411/00
Amtsgericht Steinfurt, 30 F 64/00
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06. September 2000
verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Steinfurt
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des
Revisionsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Zahlung von
Elternunterhalt für die Zeit von August 1995 bis Dezember 1999 in Anspruch.
Die am 07. Oktober 1923 geborene Mutter der Beklagten - Frau I - lebte bis zu ihrem Tod im
Seniorenheim L-T-Haus in P. Der Kläger gewährte ihr seit dem 01. Februar 1993
Leistungen nach § 68 BSHG, da ihre eigenen Einkünfte nicht ausreichten, um die
Pflegekosten abzudecken. Der Kläger erbrachte folgende Leistungen:
1. 21.381,91 DM
2. 37.368,42 DM
3. 16.687,81 DM
4. 16.797,25 DM
Der Betrag für 1998 entsprach auch in etwa dem Leistungsbetrag im Jahr 1999. In diesen
Leistungen ist Wohngeld mit höchstens 5.672,16 DM im Jahr enthalten.
Mit Schreiben vom 29. Januar 1993 wurde der Beklagten die Sozialhilfegewährung an ihre
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Mutter vom Kläger angezeigt. Darüberhinaus wurde sie gebeten, Auskunft über ihre
Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Außerdem leitete der Kläger die
Unterhaltsansprüche der Mutter gegen die Beklagte auf sich über und zeigte ihr dies an. Mit
Schreiben vom 20. November 1997 forderte der Kläger die Beklagte auf, für die Zeit von
August 1995 bis Dezember 1995 Unterhalt in Höhe von 102,00 DM pro Monat und ab
Januar 1996 in Höhe von 60,00 DM pro Monat zu zahlen. Mit einem am 03. Dezember
1997 bei dem Kläger eingegangenen Schreiben teilte die Beklagte jedoch mit, dass sie die
von ihr verlangten 1.950,00 DM rückständigen Unterhalts nicht zur Verfügung habe. Sie
verdiene lediglich monatlich ca. 500,00 DM, mit denen sie ihren Ehemann entlaste. Nach
weiterem Schriftverkehr teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er an der Forderung
festhalte. Mit Schreiben vom 19. November 1999 bezifferte der Kläger die
Unterhaltsforderung auf monatlich 190,00 DM ab Februar 1999.
Die Beklagte, die den Familienhaushalt führt, verfügte in der unterhaltsrelevanten Zeit über
ein monatliches Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung und zwar nach Abzug
von Fahrtkosten in Höhe von 500,00 DM bis zum Jahre 1998 und ab 1999 in Höhe von
550,00 DM. Der Sohn der Eheleute war bis Januar 1999 unterhaltsbedürftig. Der Ehemann
der Beklagten betrieb ein Unternehmen für Garten-, Landschafts- und Baumpflege. Hieraus
erzielte er die folgenden Bruttoeinkünfte:
1995. 50.075,21 DM
1996. 45.252,59 DM
1997. 48.475,90 DM
Daneben erzielte er Einkünfte aus einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit in folgender
Höhe (jeweils brutto):
1995. 35.967,31 DM
1996. 35.967,31 DM
1997. 38.318,02 DM
Die Beklagte und ihr Ehemann leben in einem ihnen gehörenden, unbelasteten Eigenheim
mit einer Wohnfläche von mindestens 120 qm. Der Ehemann der Beklagten zahlte in dem
streitigen Zeitraum auf ein privates Darlehn monatlich 81,53 DM an Zinsen und Tilgung.
Darüber hinaus tilgte er betriebsbedingte Darlehn mit monatlich 1.401,90 DM. Die auf die
betriebsbedingten Darlehen entfallenden Zinsen sind in der Gewinn- und Verlustrechnung
seines Gewerbebetriebes berücksichtigt.
Mit der Klage hat der Kläger Unterhaltsansprüche für die Zeit von August 1995 bis
Dezember 1999 in einer Gesamthöhe von 4.820,00 DM zuzüglich Zinsen geltend gemacht.
Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei für 1995 in Höhe von monatlich 102,00
DM, für die Zeit von Januar 1996 bis Januar 1999 in Höhe von monatlich 60,00 DM und ab
Februar 1999 in Höhe von monatlich 190,00 DM leistungsfähig. Der Anteil des
Einkommens der Beklagten an dem gesamten Einkommen der Familie belaufe sich
nämlich lediglich auf 9 %. Entsprechend diesem Anteil habe sie sich an dem Barbedarf der
Familie zu beteiligen. Das verbleibende Einkommen könne sie für die
Unterhaltsverpflichtung einsetzen.
Demgegenüber hat die Beklagte die Einrede der Verjährung für die Unterhaltsforderung
aus dem Jahr 1995 erhoben. Die späteren Ansprüche seien verwirkt, jedenfalls sei die
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Klage im Hinblick auf ihre Leistungsunfähigkeit abzuweisen. Das Einkommen ihres
Ehemannes sei nämlich bei der Unterhaltsberechnung nicht zu berücksichtigen.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Sie habe ihr Einkommen für die
Unterhaltsansprüche der Mutter einzusetzen. Ihr Bedarf werde nämlich von ihrem Ehemann
vollständig gedeckt. Verjährung sei nicht eingetreten.
Gegen diese Verurteilung wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Dabei hat sie im
Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Insbesondere hat sie
darauf verwiesen, dass die Unterhaltsansprüche verjährt - bzw. verwirkt - seien. Sie sei
auch nicht leistungsfähig, da ihr Einkommen unter ihrem angemessenen Selbstbehalt
liege.
Die Beklagte hat beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Steinfurt vom 06. September 2000
abzuändern und die Klage abzuweisen:
Der Kläger hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat das amtsgerichtliche Urteil verteidigt.
In seiner Entscheidung vom 07. Mai 2001 hat der Senat das amtsgerichtliche Urteil
teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.310,00 DM nebst Zinsen
zu zahlen. Die Unterhaltsansprüche des Jahres 1995 seien verjährt; demgegenüber sei die
Klage für die Folgejahre begründet. Die Beklagte sei ihrer Mutter nach §§ 1601, 1602 BGB
dem Grunde nach unterhaltspflichtig. Weiter sei davon auszugehen, dass ihr ungedeckter
Bedarf die geltend gemachten Ansprüche übersteige. Diese seien nach § 91 Abs. 1 S. 1
BSHG auf den Kläger übergegangen. Die Beklagte sei auch zur Zahlung hinreichend
leistungsfähig. Das Einkommen der Beklagten liege zwar stets unter ihrem Selbstbehalt.
Hierauf könne jedoch nicht allein abgestellt werden. Vielmehr müsse auch das Einkommen
des Ehemannes berücksichtigt werden. Denn über dieses Einkommen decke die Beklagte
ihren Bedarf teilweise ab. In erster Linie sei davon auszugehen, dass im Fall einer nur
geringfügigen Nebentätigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten und einer vollständigen
Sicherung des Unterhalts der Familie durch den vollschichtig tätigen Ehepartner das
gesamte Einkommen aus der Nebentätigkeit für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehe.
Der geringfügig verdienende Ehegatte erfülle nämlich durch die überwiegende
Haushaltsführung seine Familienunterhaltspflicht bereits vollständig. Unter
Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze sei die Beklagte leistungsfähig. Denn der
Ehemann der Beklagten sei auf Grund seiner Einkünfte aus der selbständigen und der
nichtselbständigen Tätigkeit in der Lage, den Mindestbedarf der Familie abzudecken.
Dabei ist der Senat von einem Mindestbedarf in Höhe von 4.000,00 DM ausgegangen.
Dieser Bedarf erhöhe sich noch im Hinblick auf den bis Januar 1999 unterhaltsbedürftigen
Sohn um 930,00 DM. Dieser pauschalierte Gesamtbedarf der Familie sei nicht weiter zu
erhöhen. Es handele sich nämlich bereits um einen erhöhten angemessenen Selbstbehalt.
Der pauschalierte Gesamtbedarf sei jedoch noch um rd. 485,- DM herabzusetzen, da die
Familie Aufwendungen durch das mietfreie Wohnen erspare. Es errechne sich deshalb ein
Bedarf der Familie in Höhe von zunächst 4.445,00 DM (4.000,00 DM + 930,00 DM - 485,00
DM) und nach Wegfall der Unterhaltspflicht für den Sohn in Höhe von 3.515,00 DM. Dieser
Bedarf könne vollständig mit dem Erwerbseinkommen des Ehemannes der Beklagten
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sichergestellt werden. Der Ehemann verfüge nämlich über ein monatsdurchschnittliches
Nettoeinkommen in Höhe von 4.778,00 DM im Jahr 1995, 4.505,00 DM ab 1996 und
4.891,00 DM im Jahr 1999. Von diesen Einkünften seien lediglich 82,00 DM im Hinblick auf
ein privates Darlehn abzusetzen. Sein Einkommen sei nicht im Hinblick auf die
Tilgungsleistungen für die betrieblich bedingten Kredite zu bereinigen. Denn in den
Jahresabschlüssen seien bereits Abschreibungen berücksichtigt. Eine zusätzliche
Berücksichtigung der Tilgungsleistungen würde dazu führen, dass der Darlehnsbetrag
unterhaltsrechtlich doppelt abgezogen würde.
Auch wenn man davon ausginge, dass der Ehepartner den Familienbedarf nicht vollständig
abzudecken habe, vielmehr jeder Ehegatte nur den seinem Anteil am Gesamteinkommen
der Familie entsprechenden Teil seines Einkommens für den Unterhalt der Familie zur
Verfügung zu stellen habe, sei von der vollen Leistungsfähigkeit der Beklagten
auszugehen. Bei einem Verdienst von 500,00 DM entspreche der Anteil ihres Einkommens
am Gesamteinkommen der Familie 10,16 %, so dass sie sich nur in der Höhe von 51,00
DM am Familienbedarf zu beteiligen habe. Ihr freies Einkommen in Höhe von 449,00 DM
könne sie für die Unterhaltsverpflichtung vollständig einsetzen. Ab Februar 1999 habe sich
ihr freies Einkommen sogar auf 493,00 DM erhöht.
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Senats vom 07.
Mai 2001 insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Amtsgerichts - Familiengericht - Steinfurt vom 06. September 2000 zurückgewiesen worden
ist. Es hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten
des Revisionsverfahrens an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. In seiner
Entscheidung führt der Bundesgerichtshof aus, dass das Urteil des Senats nicht in allen
Punkten der rechtlichen Nachprüfung standhalte. Allerdings sei der Senat im Ansatz
zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht bereits deshalb leistungsunfähig
sei, weil sie nicht über eigene Einkünfte verfüge, die ihren angemessenen Selbstbehalt
überstiegen. Der bei Inanspruchnahme auf Elternunterhalt dem Unterhaltspflichtigen zu
belassende Selbstbehalt könne nämlich auch durch den von seinem Ehegatten zu
leistenden Familienunterhalt abgedeckt werden. Dabei richte sich die Höhe des von jedem
Ehegatten - abgesehen von der Haushaltsführung - zu leistenden Beitrags zum
Familienunterhalt nach dem Verhältnis der beiderseitigen unterhaltsrechtlich relevanten
Nettoeinkommen. Soweit das Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehegatten zur
Bestreitung des angemessenen Familienunterhalts nicht benötigt werde, stehe es für den
Elternunterhalt zur Verfügung. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung bestehe eine
Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen dann, wenn er neben der Haushaltsführung
Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung erziele und dieses Einkommen
tatsächlich für eigene Zwecke verwenden könne. Davon sei hier jedoch nicht auszugehen.
Die Beklagte habe nämlich in dem am 03. Dezember 1997 bei dem Kläger eingegangenen
Schreiben mitgeteilt, dass sie mit dem von ihr erzielten bereinigten Einkommen von 500,00
DM monatlich ihren Ehemann entlaste. Hieraus sei zu entnehmen, dass sie ihr Einkommen
tatsächlich für den Familienunterhalt zur Verfügung stelle. Deshalb könne von einer
Leistungsfähigkeit nur dann ausgegangen werden, wenn die Beklagte rechtlich nicht
verpflichtet sei, dieses Einkommen ganz oder teilweise für den Familienunterhalt
einzusetzen. Dies könne aber nach den gegenwärtigen Feststellungen nicht angenommen
werden. Zunächst bestehe kein Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen der Eheleute
zum Familienunterhalt. Ferner liege auch nicht eine Fallgestaltung vor, in der der
Unterhaltspflichtige die ihm zur Verfügung stehenden Geldmittel nicht benötige, weil der
von seinem Ehegatten zu leistende Familienunterhalt so auskömmlich sei, dass er bereits
daraus angemessen unterhalten werden könne. Deshalb könne sich eine
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Leistungsfähigkeit der Beklagten nur insoweit ergeben, wie ihr Einkommen zur Bestreitung
des vorrangigen, angemessenen Familienunterhalts nicht benötigt werde. Dabei sei
zunächst festzustellen, wie der geschuldete Familienunterhalt zu bemessen sei. Dieser
könne nicht generell mit dem Mindestselbstbehalt des Unterhaltspflichtigen und seines
Ehegatten gleichgesetzt werden. Denn der Ehegatte des Unterhaltspflichtigen stehe
außerhalb des Unterhaltsrechtsverhältnisses zwischen dem Ehegatten und dessen Eltern.
Was die Ehegatten für ihren Familienunterhalt benötigten, müsse vielmehr nach den im
Einzelfall maßgebenden Verhältnissen, insbesondere unter Berücksichtigung der
jeweiligen Lebensstellung, des Einkommens, Vermögens und sozialen Rangs bestimmt
werden. Dies obliege tatrichterlicher Beurteilung im Einzelfall. Feststellungen hierzu habe
das Familiengericht nicht getroffen. Mit Rücksicht auf diese Umstände müsse der für seine
eingeschränkte Leistungsfähigkeit darlegungsbelastete Unterhaltspflichtige dann, wenn
das Familieneinkommen die ihm und seinem Ehegatten zuzubilligenden
Mindestbedarfsätze übersteige, vortragen, wie sich der Familienunterhalt gestalte und ob
und gegebenenfalls welche Beträge zur Vermögensbildung verwendet würden. Soweit das
Einkommen nämlich nicht für den Familienunterhalt verbraucht, sondern einer
Vermögensbildung zugeführt worden sei, könne es für Unterhaltsverpflichtungen
hinzugezogen werden.
Nach der Zurückverweisung des Verfahrens an das Oberlandesgericht hat sich die
Beklagte im Wesentlichen den Ausführungen des Bundesgerichtshofs angeschlossen. Im
konkreten Fall könne deshalb das von ihr erzielte Einkommen nur so weit für den Unterhalt
ihrer Mutter hinzugezogen werden, wie dies nicht für den vorrangigen angemessenen
Familienunterhalt benötigt werde. Tatsächlich seien jedoch sowohl ihr Einkommen als
auch das ihres Ehemannes vollständig für den angemessenen Familienunterhalt
eingesetzt worden. Eine Vermögensbildung habe nicht betrieben werden können. Sie habe
gerade die Zusatzverdienste erzielen müssen, um überhaupt ihr Auskommen zu haben. Sie
und ihr Ehemann seien nach wie vor hoch verschuldet. In den Jahren 1996 bis 1999 hätten
sich die Schulden immer in einer Größenordnung zwischen 210.000,00 und 290.000,00
DM bewegt. Es habe nur ein "geringer Notgroschen" auf einem Postsparkonto gebildet
werden können. Dieser sei später auch zur Schuldentilgung eingesetzt worden. Die Kredite
seien aus der geschäftlichen Tätigkeit ihres Ehemannes entstanden. Zudem sei das
Studium des Sohnes finanziert worden. Weiterhin seien auch Aufwendungen für das Haus
getätigt worden. Schließlich seien Krankenbehandlungen zu finanzieren gewesen. Bei
dieser Sachlage habe sie über kein Einkommen verfügt, das sie für den Unterhalt ihrer
Mutter habe einsetzen können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Steinfurt vom 06. September 2000
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bestreitet, dass die Einkünfte der Beklagten und ihres Ehemannes vollständig für den
Familienunterhalt in der streitgegenständlichen Zeit verbraucht worden seien. Im Übrigen
stellt er die Unterhaltsbedürftigkeit des Sohnes in Abrede. Es sei auch nicht erkennbar,
dass die von der Beklagten dargestellte Verschuldung bereits im unterhaltsrelevanten
Zeitraum vorgelegen habe. Schließlich bestreitet der Kläger die weiter von der Beklagten
dargestellten Ausgaben.
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II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger kann keine auf ihn nach § 91 BSHG
übergegangenen Unterhaltsansprüche der Mutter gegen die beklagte Tochter geltend
machen.
1.
Eventuell bestehende Unterhaltsansprüche für die Zeit bis Dezember 1995 sind verjährt.
Die hierzu in dem Urteil des Senats vom 07. Mai 2001 getroffene Entscheidung ist
rechtskräftig, da der Bundesgerichtshof das Urteil nur insoweit aufgehoben hat, als die
Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist. Die Zurückweisung der Berufung
betraf aber nur die Zeit ab Januar 1996.
2.
Auch für den Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 1999 ist die Klage unbegründet, da die
Beklagte nicht leistungsfähig ist (§ 1603 BGB).
a)
Die Beklagte verfügt selbst über kein Einkommen, das ihren Selbstbehalt übersteigt. Der
Senat nimmt insoweit auf S. 9 Ziffer. 2) a des Urteils vom 07. Mai 2001 Bezug.
Einwendungen gegen die dort getroffene Feststellungen sind nicht erhoben worden.
b)
Die Beklagte ist auch nicht unter Hinzuziehung des Einkommens ihres Ehemannes als
leistungsfähig anzusehen.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 28. Januar 2004 ausgeführt,
dass der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Selbstbehalt auch dadurch gewahrt sein
kann, dass er durch den von seinem Ehegatten zu leistenden Familienunterhalt sein
Auskommen findet. Die Höhe des von jedem Ehegatten - neben der Haushaltsführung - zu
leistenden Beitrags zum Familienunterhalt richte sich grundsätzlich nach dem Verhältnis
der beiderseitigen unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkünfte. Soweit das Einkommen
eines Ehegatten zur Bestreitung des angemessenen Familienunterhalts nicht benötigt
werde, stehe es ihm selbst zur Verfügung und könne für Unterhaltszwecke eingesetzt
werden. Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Beklagte jedoch nicht
gehalten, ihr Einkommen für die Unterhaltsansprüche ihrer Mutter einzusetzen, da ihr
Einkommen hier zur Bestreitung des vorrangigen angemessenen Familienunterhalts
benötigt worden ist.
aa)
Allerdings hat die Beklagte entgegen der Terminsverfügung nicht dargelegt, wie sich der
Familienunterhalt in dem streitbefangenen Zeitraum gestaltet hat. Der Senat ist deshalb
daran gehindert, das Einkommen der Eheleute in Relation zum Familienunterhalt zu setzen
und auf diese Weise zu ermitteln, ob der Beklagten Einkommen zur Verfügung stand, das
sie für die Unterhaltsansprüche ihrer Mutter hätte einsetzen können.
bb)
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Dies ist hier jedoch im Ergebnis unschädlich, da die Beklagte dargestellt hat, dass die
Ausgaben der Familie insgesamt stets so hoch gewesen sind, dass keine
Vermögensbildung betrieben worden ist. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs führt dies dazu, dass die Beklagte nicht gehalten war, ihr Einkommen
ganz oder teilweise für den Unterhalt ihrer Mutter zur Verfügung zu stellen; sie war vielmehr
berechtigt, dieses Einkommen vollständig für den Familienunterhalt einzusetzen.
Die Beklagte hat zum Beleg ihrer Behauptung, dass keine Vermögensbildung betrieben
worden sei, die Entwicklung der von der Familie geführten Konten wie folgt dargestellt:
1996
1997
1998
1999
VB N Nr. 464200
- 37.599,00
- 60.397,68
- 55.880,00
- 76.856,00
DGM Nr. 9035001
- 3.239,00
- 11.295,77
- 12.714,21
- 28.650,87
Sparkasse St. Nr. 5001508
- 58.192,86
- 110.107,00 - 99.893,24
- 63.024,52
Sparkasse St. Nr. #####/####
- 70.909,18
- 70.909,18
- 63.050,38
- 55.087,38
Sparkasse St. Nr. #####/####
- 38.520,74
- 38.520,74
- 37.606,45
- 36.620,65
Postbank Nr. #####/####
+ 1.868,35
+ 1 0.634,80 + 4.213,80
+ 39.053,25
Insgesamt
- 206.592,43 - 280.595,57 - 264.930,48 - 221.186,17
Anhand dieser Aufstellung spricht vieles dafür, dass im Zeitraum von 1996 bis 1999 die
Verbindlichkeiten der Familie angestiegen sind. Dies ließe darauf schließen, dass das
gesamte Familieneinkommen für den Familienunterhalt eingesetzt worden ist. Die
dargestellten Salden sind von der Beklagten - bis auf die der Konten #####/#### und
#####/#### im Jahr 1996 bei der Sparkasse T - belegt. Da ihr für die letztgenannten
Konten keine Belege vorgelegen haben, hat die Beklagte auf die Zahlen des Folgejahres
zurückgegriffen. Tatsächlich dürften die Debetsalden allerdings über denen des Jahres
1997 gelegen haben, da es sich um Annuitätendarlehen handelt und Tilgungen geleistet
worden sein dürften. Selbst wenn man aber unter Berücksichtigung dieses Umstandes
davon ausginge, dass in dem Zeitraum von 1996 bis 1999 die Verbindlichkeiten nicht
angestiegen sind, sondern abgebaut wurden, ändert dies an dem Ergebnis, dass der
Beklagten kein Einkommen zur Verfügung stand, das sie für die Unterhaltsansprüche ihrer
Mutter einzusetzen hatte, nichts. Denn eine Rückführung von Krediten ist grundsätzlich
nicht als Vermögensbildung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu
qualifizieren. Im Gegensatz zur Vermögensbildung verfügt der Unterhaltspflichtige in einem
solchen Fall nämlich nicht über freies Einkommen, das er für den Unterhalt einzusetzen
hat. Vielmehr ist er berechtigt, zunächst das Debetsaldo auszugleichen. Erst nach einer
derartigen Rückzahlung der Kredite ist das Einkommen für Unterhaltsverpflichtungen frei.
Anders dürfte dies lediglich dann zu beurteilen sein, wenn mit den Krediten
Vermögensgegenstände angeschafft worden sind, die wirtschaftlich mit fortschreitender
Tilgung immer mehr dem Vermögen des Unterhaltspflichtigen oder seines Ehegatten
zuwachsen. Davon ist hier aber nicht auszugehen. Denn die Kredite bezogen sich nicht auf
Vermögensgegenstände. Die Beklagte hat angegeben, dass es sich bei den Krediten um
Geschäftsschulden ihres Ehemannes aus früheren Jahren handele. Zudem seien Kredite
aufgenommen worden, um das Studium des Sohnes und Reparaturen am Haus zu
finanzieren. Hiervon ist auszugehen, da sich für eine Unrichtigkeit dieser Angaben keine
Anhaltspunkte ergeben.
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Nach Auffassung des Senats verbietet es sich auch, das Konto bei der Postbank, das stets
Guthabenbeträge aufgewiesen hat, isoliert zu betrachten und die dort vorgehaltenen
Geldbeträge als Vermögensbildung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
anzusehen. Denn die auf diesem Konto angesparten Gelder sind immer wieder auch zur
Kredittilgung genutzt worden. Das Konto diente deshalb nicht dem langfristigen Aufbau von
Vermögen, sondern nur der besseren Zahlungsabwicklung. Dieser Gestaltung ist
unterhaltsrechtlich dadurch Rechnung zu tragen, dass es im Rahmen einer Gesamtschau
mit den Salden der anderen Konten zu verrechnen ist.
Der Senat verkennt nicht, dass es die Beklagte unterlassen hat, den Familienbedarf -
zumindest beispielhaft - darzustellen und zu belegen. Dies ist jedoch letztlich unschädlich,
da es der Beklagten gelungen ist, vorzutragen und auch zu belegen, dass das gesamte
Familieneinkommen verbraucht und eben keine Vermögensbildung betrieben worden ist.
Damit hat die Beklagte das von ihr erzielte Einkommen für den Familienunterhalt voll
einsetzen müssen, so dass kein Spitzenbetrag vorhanden ist, der für die
Unterhaltsansprüche ihrer Mutter zur Verfügung stand. Die von der Beklagten gewählte Art
und Weise der Darlegung würde nach Auffassung des Senats nur dann nicht ausreichen,
wenn anzunehmen wäre, dass mit den Einkünften der Familie Ausgaben bestritten worden
sind, die nicht als zum Familienbedarf zugehörig qualifiziert werden könnten. Hierfür gibt es
aber keine Anhaltspunkte. Insbesondere deutet nichts darauf hin, dass die Beklagte und ihr
Ehemann etwa einen Lebensstil geführt haben könnten, der unter Berücksichtigung der
Unterhaltsansprüche der Mutter der Beklagten nicht mehr als angemessen anzusehen
wäre.
Nach alledem ist die Beklagte nicht leistungsfähig.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 92, 97 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.