Urteil des OLG Hamm vom 14.03.2017

OLG Hamm (annahme, beschwerde, antrag, gegenstand des verfahrens, familie, kind, vater, gesetzlicher vertreter, offensichtliches versehen, stiefmutter)

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 187/79
Datum:
19.09.1979
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 187/79
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 9 T 147/79
Tenor:
Die weiteren Beschwerden werden mit der Maßgabe zurückgewiesen,
daß die erste Beschwerde des Beteiligten zu 4) vom 22. März 1979
gegen den Beschluß des Amtsgerichts Dortmund vom 6. März 1979 als
unzulässig verworfen wird.
Der Wert des Gegenstandes der ersten - insoweit in Abänderung des
angefochtenen Beschlusses - und der weiteren Beschwerde wird auf je
50.000.-- DM festgesetzt.
Gründe:
1
I.
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1) Die Beteiligten zu 1) und 2) beabsichtigen, den volljährigen Beteiligten zu 3) als
gemeinschaftliches Kind anzunehmen, und zwar in erster Linie mit starker Wirkung (§
1772 BGB), weil der Beteiligte zu 3) bereits als Minderjähriger in die Familie der
Annehmenden aufgenommen worden sei. Zur Frage einer solchen Aufnahme hat die
Vorinstanz folgende Feststellungen getroffen:
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Der Beteiligte zu 1) und der Vater des Beteiligten zu 3), der aus einer früheren Ehe eine
am 22. Juni 1934 in Gelsenkirchen geboren Tochter mit Namen XXX hatte, lernten sich
in russischer Kriegsgefangenschaft kennen und unterhielten auch nach ihrer Entlassung
weiter freundschaftliche Beziehungen zueinander. Nach der Geburt des Beteiligten zu
3) am 12. Oktober 1946 wurde der Beteiligte zu 1) sein Pate. Am 9. Juli 1961 verstarb
die Mutter des Beteiligten zu 3). Für die Durchführung der Erbauseinandersetzung
zwischen dem Beteiligten zu 3) und seinem Vater wurde der Beteiligte zu 1) zum
Ergänzungspfleger für den Beteiligten zu 3) bestellt. Der Vater des Beteiligten zu 3)
heiratete am 28. November 1961 erneut.
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Durch notarielles Testament vom 9. Februar 1962 setzte der Vater des Beteiligten zu 3)
seinen Sohn als Erben und den Beteiligten zu 1) als Ersatzerben für den Fall ein, daß
der Sohn vor oder nach ihm, dem Erblasser, versterben sollte, ohne Abkömmlinge zu
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hinterlassen oder verheiratet zu sein.
Nach der Schulentlassung zu Ostern 1962 kam der Beteiligte zu 3) zur kaufmännischen
Privatschule in XXX. Während dieser Zeit besuchten ihn die Beteiligten zu 1) und 2), die
er als "Onkel" und "Tante" betrachtete und bezeichnete, des öfteren. Auch wenn der
Beteiligte zu 3) alle zwei Monate auf Veranlassung seines Vaters über das
Wochenende das Elternhaus besuchte, kam es zu Begegnungen zwischen ihm und den
Beteiligten zu 1) und 2). Nach einjährigem Privatschulbesuch nahm der Beteiligte zu 3)
eine Tätigkeit als kaufmännischer Lehrling im väterlichen Knochengroßhandelsbetrieb
auf und zog wieder in das Elternhaus ein. Sämtliche Angelegenheiten, die den Sohn
betrafen, besprach der Vater mit dem Beteiligten zu 1), weil er wußte, daß der Beteiligte
zu 3) dessen Anordnungen und Ratschläge befolgte.
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Am 22. Februar 1965 starb der Vater des Beteiligten zu 3). Der Beteiligte zu 1) wurde
am 9./14. April 1965 zum Vormund des Beteiligten zu 3) bestellt (11 VII 44423 AG XXX).
Der Beteiligte zu 3) blieb weiterhin in dem väterlichen Betrieb beschäftigt und im
elterlichen Hause wohnen. Er bezog ein Zimmer im Obergeschoß. Seine im
Erdgeschoß wohnende Stiefmutter beköstigte und versorgte ihn. Die Beteiligten zu 1)
und 2) wohnten zu dieser Zeit in XXX, in einer Vier-Zimmer-Wohnung, in der neben
ihnen noch ihr Sohn und die Mutter des Beteiligten zu 1) lebten.
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In der Zeit nach des Vaters Tod verfiel der Beteiligte zu 3) zunehmend dem Alkohol. Auf
Veranlassung des Beteiligten zu 1) unterzog er sich einer freiwilligen Entziehungskur.
Auch in dieser Zeit bestand ein enger Kontakt zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) und
dem Beteiligten zu 3) in der Form, daß des öfteren wechselseitige Besuche stattfanden
und der Beteiligte zu 3) seine Sorgen und Probleme mit den Beteiligten zu 1) und 2)
besprach.
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Nach Eintritt der Volljährigkeit des Beteiligten zu 3) am 12. Oktober 1967 wurde für ihn
am 11. Februar 1972 vorläufige Vormundschaft angeordnet und der Beteiligte zu 1) als
vorläufiger Vormund ausgewählt und bestellt (11 VII 48256 AG XXX). Auf Grund der
Aufenthaltsbestimmung des Vormunds kam der Beteiligte zu 3) am 14. Februar 1972 in
das XXX. Er wurde am 4. Juli 1972 wegen Geistesschwäche entmündigt (3 C 122/72
AG XXX). Das Vormundschaftsgericht XXX hat daraufhin am 18./24./26. Juli 1972 den
"vorläufigen Vormund zum endgültigen Vormund, mit Ausnahme der
Vermögensverwaltung, bestellt" und "für die Vermögensverwaltung eine
Ergänzungspflegschaft angeordnet" mit dem Wirkungskreis der Wahrnehmung der
Interessen des Pfleglings bei der Verwaltung seines Vermögens; Ergänzungspfleger ist
Rechtsanwalt XXX in XXX geworden. Nach seiner Entlassung aus dem XXX am 13.
August 1972 lebte der Beteiligte zu 3) mit den Beteiligten zu 1) und 2) in seinem Haus in
XXX und wird seitdem von ihnen versorgt.
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2) Mit notarieller Verhandlung vom 6. Juli 1977 (Urkundenrolle Nr. 34/1977 des Notars
XXX) haben die Beteiligten zu 1) bis 4) - im nachfolgenden Antrag als Erschienene zu 1)
bis 4) bezeichnet - beim Amtsgericht Dortmund zunächst folgende Anträge gestellt:
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"Die Erschienenen zu 1) und 2) sind bereit, den Erschienenen zu 3) mit der Wirkung als
gemeinschaftliches Kind anzunehmen, daß die Annahme sich nach den Vorschriften
über die Annahme eines minderjährigen Kindes gemäß §§ 1754 bis 1756 BGB richtet.
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Der Erschienene zu 3) nimmt das Angebot der Erschienenen zu 1) und 2) hiermit an.
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Der Erschienene zu 4) erteilt zu der Erklärung des Erschienenen zu 3) seine
Zustimmung.
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Sämtliche Erschienenen sind darüber einig, daß der Erschienene zu 3) mit Abschluß
des Vertrags den Familiennamen der Erschienenen zu 1) und 2) seinem eigenen
Namen hinzufügt, so daß er in Zukunft heißt XXX."
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Durch Verfügung des Amtsgerichts Dortmund vom 17. November 1978 ist der
Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten darauf hingewiesen worden, daß Anträge der
Annehmenden und des Anzunehmenden im Sinne des § 1768 BGB bisher nicht
vorlägen und beide Teile eindeutig erklären müßten, ob sie auch den Ausspruch der
Annahme als Kind beantragen für den Fall, daß das Gericht die Voraussetzungen des §
1772 BGB nicht für gegeben ansehe. Nachdem das Amtsgericht am 19. Dezember 1978
an die Stellung dieser Anträge erinnert hatte, ist am 13. Januar 1979 beim Amtsgericht
eine neue notarielle Verhandlung vom 10. Januar 1979 (Urkundenrolle Nr. 3/79 des
Notars XXX) eingegangen. Darin sind die Anträge der Beteiligten zu 1) bis 3) - im
nachfolgenden Wortlaut als Erschienene zu 1) bis 3) bezeichnet - enthalten, das
Vormundschaftsgericht möge folgendes beschließen:
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"1) Wir, die Erschienenen zu 1) und 2), nehmen den Erschienenen zu 3) als
gemeinschaftliches Kind als Kind an, und zwar mit der aus § 1772 I b BGB ersichtlichen
Wirkung, daß sich also die Annahme als Kind nach den Vorschriften über die Annahme
eines Minderjährigen richtet; hilfsweise mit der Maßgabe, daß die Adoption sich nach
der Vorschrift des § 1770 BGB richtet.
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2) Ich, der Erschienene zu 3), werde von den Erschienenen zu 1) und 2) als
gemeinschaftliches Kind mit den zu 1) bezeichneten Wirkungen angenommen.
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3) Der Erschienene zu 4) stimmt dem vorstehenden Antrag des Erschienenen zu 3) als
gesetzlicher Vertreter zu.
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4) Sämtliche Erschienenen sind darüber einig, daß der Erschienene zu 3) mit der
Rechtskraft des Adoptionsbeschlusses den Namen XXX führen kann. Im übrigen bleibt
es bei den gesetzlichen Wirkungen der Kindesadoption."
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Nach Anhörung des Jugendamts der Stadt XXX und Einholung einer schriftlichen
Auskunft der Frau XXX, der Stiefmutter des Beteiligten zu 3), vom 30. November 1978
hat das Amtsgericht Dortmund durch Beschluß vom 6. März 1979 die Anträge der
Beteiligten zu 1) bis 3), soweit sie auf eine Annahme als Kind gemäß § 1772 Abs. 1
Buchstabe b BGB gerichtet sind, zurückgewiesen und angekündigt, daß es über die
Hilfsanträge (Wirkung der Annahme nach § 1770 BGB) entscheiden werde, wenn die
Beteiligten nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des Beschlusses
Beschwerde einlegen.
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Mit Schriftsatz vom 22. März 1979 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu
1) bis 4) "namens sämtlicher Beteiligten" gegen die erstinstanzliche Entscheidung
Beschwerde eingelegt mit dem Begehren, nach den Anträgen vom 12. Januar 1979 auf
Adoption mit stärkeren Wirkungen zu entscheiden. Diese Beschwerde ist vom
Landgericht Dortmund durch Beschluß vom 5. Juni 1979 zurückgewiesen worden.
Hiergegen richtet sich die "im Auftrage sämtlicher Beteiligten" vom
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Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) bis 4) eingelegte weitere Beschwerde
vom 20. Juli 1979 mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
nach dem Antrag vom 7. Juli 1977 zu beschließen.
II.
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1) Die statthaften weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 4) sind formgerecht
erklärt worden (§§ 27, 29 FGG). Den Beschwerdeführern steht ein Recht für die
Einlegung dieser Rechtsmittel schon deshalb zu, weil ihre ersten Beschwerden ohne
Erfolg geblieben sind (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschlüsse vom 9.
Mai 1977 - 15 W 433/76 - und vom 11. September 1979 - 15 W 12/79 - ; OLG Köln,
OLGZ 1971, 94; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 11. Aufl., Rz. 10 zu § 27 PGG).
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2) Die somit zulässigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 3) sind aber
nicht begründet, weil die Beschwerdeentscheidung insoweit nicht auf einer Verletzung
des Gesetzes beruht (§ 27 FGG). Lediglich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu
4) führt nicht zu einer Sachprüfung des Senats; denn das Landgericht hat zu Unrecht die
erste Beschwerde dieses Beschwerdeführers als zulässig beurteilt.
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a) Der Senat deutet das Ziel der Rechtsbeschwerde dahin aus, daß die
Beschwerdeführer nicht einen Verfahrensgegenstand einführen wollen, der nicht
Gegenstand der Beschwerdeentscheidung gewesen ist. Zwar haben sie in ihrer
Rechtsmittelschrift vom 20. Juli 1979 den Antrag formuliert, unter Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses nach dem Antrag vom 7. Juli 1977 zu beschließen.
Verfahrensgegenstand der Vorinstanzen ist dagegen allein der Antrag der notariellen
Verhandlung vom 10. Januar 1979 geblieben, der konkludent eine Rücknahme des
Begehrens der notariellen Verhandlung von 6. Juli 1977 bedeutet. Aber die
Antragsformulierung der Rechtsmittelschrift vom 20. Juli 1979 ist nur als ein
offensichtliches Versehen zu werten. Denn bereits in der Erstbeschwerdeschrift von 22.
März 1979 ist durch Antrag und Begründung deutlich erkennbar geworden, daß
alleiniger Gegenstand des Verfahrens nur noch der der jetzigen Rechtslage im
Annahmeverfahren angepaßte Antrag vom 12. Januar 1979 sein sollte. Auch die
Begründung der weiteren Beschwerde vom 20. Juli 1979 läßt keinen Anhaltspunkt dafür
erkennen, daß jetzt wieder beabsichtigt war, von dieser ersetzenden Antragstellung
abzuweichen. Es ist vielmehr das Beschwerdeziel der Beschwerdeführer weiterhin
erkennbar geblieben, den Hauptantrag vom 12. Januar 1979 durchzusetzen.
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b) In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das Landgericht die Zulässigkeit der ersten
Beschwerden bejaht, ohne sich damit auseinanderzusetzen. Im Hinblick auf den
Beteiligten zu 4) ist das anfechtbar. Der erstinstanzliche Beschluß, der den Antrag auf
Annahme des Volljährigen als Kind mit stärkeren Wirkungen zurückgewiesen hat, war
nach der allgemeinen Regel des § 19 FGG mit einfacher Beschwerde angreifbar
(Keidel/Kuntze/Winkler, Rz. 30 zu § 56 e FGG; MünchKomm-Lüderitz, Rz. 18 zu § 1752
BGB; Palandt/Diederichsen, BGB, 38. Aufl., Anm. 2 zu § 1752 BGB).
Beschwerdeberechtigt waren nach § 20 Abs. 2 FGG nur die Antragsteller, im hier
gegebenen Falle des § 1768 Abs. 1 BGB also die Annehmenden und der
Anzunehmende. Während die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1) bis 3)
mithin keinen Bedenken begegnet, gilt dies nicht hinsichtlich des Beteiligten zu 4). Nach
§ 1768 Abs. 2 Satz 1 BGB kann für einen Anzunehmenden, der geschäftsunfähig ist, der
Antrag nur von seinem gesetzlichen Vertreter gestellt werden. Der Vertreter handelt
dabei nicht aus eigenem Recht, sondern für den Vertretenen, kann also auch nur für
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diesen ein Rechtsmittel einlegen. Für den in der Geschäftsfähigkeit beschränkten
Anzunehmenden sieht § 1768 Abs. 2 Satz 2 BGB dagegen eine Antragstellung nur
durch ihn selbst vor; er bedarf hierzu lediglich der Zustimmung des gesetzlichen
Vertreters. Der wegen Geistesschwäche entmündigte Beteiligte zu 3) ist gemäß § 114
BGB beschränkt geschäftsfähig. Da in diesem Falle der gesetzliche Vertreter nicht
einmal bei der eigentlichen Antragstellung mitwirken kann, wird ihm umso weniger ein
Beschwerderecht über § 20 Abs. 2 FGG einzuräumen sein. Hat aber das Landgericht
eine unzulässige Beschwerde aus sachlichen Gründen zurückgewiesen, statt sie als
unzulässig zu verwerfen, so ist es angebracht, die weitere Beschwerde dieses
Beschwerdeführers mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß seine erste Beschwerde als
unzulässig verworfen wird (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschlüsse vom
7. April 1972 - 15 W 135/72 - = FamRZ 1972, 520 = MDR 1972, 700 = OLGZ 1972, 382
und vom 13. September 1979 - 15 W 209/79 - ). Entsprechend ist hier im Hinblick auf
den Beteiligten zu 4) zu verfahren.
c) Die erstinstanzlichen Verfahrensvoraussetzungen für die in der notariellen
Verhandlung vom 10. Januar 1979 von den Beteiligten zu 1) bis 3) gestellten Anträge
hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend bejaht, ohne Näheres hierzu auszuführen.
Die Annahme eines Volljährigen mit stärkeren Wirkungen (§ 1772 BGB) wird vom
Vormundschaftsgericht nur ausgesprochen, wenn der Antrag darauf gerichtet ist, wobei
dieser Antrag - wie hier - zweckmäßigerweise mit dem Annahmeantrag (§ 1768 Abs. 1
BGB) verbunden wird (MünchKomm-Lüderitz, Rz. 3 zu § 1772 BGB;
Palandt/Diederichsen, Anm. 2 zu § 1772 BGB). Die zulässigerweise gemeinsam
gestellten Anträge der Annehmenden und des Anzunehmenden liegen hier vor.
Bedenken gegen die nach § 1752 Abs. 2 Satz 2 BGB notwendige notarielle
Beurkundung der Anträge in der hier geschehenen Weise könnten allerdings aus § 3
Abs. 1 Nr. 4 BeurkG hergeleitet werden, da der beurkundende Notar
"Vermögenspfleger" des Beteiligten zu 3) ist. Diese Bedenken schlagen aber nicht
durch, da § 3 BeurkG eine Sollvorschrift ist und eine Verletzung die Wirksamkeit der
Beurkundung nicht berührt (Keidel/Kuntze/Winkler, Rz. 7 zu § 3 BeurkG).
Ausschließungsgründe gemäß §§ 6, 7 BeurkG, die zur Unwirksamkeit der Beurkundung
führen, liegen hier nicht vor. Der Beteiligte zu 4 hat als Ergänzungspfleger für den
verhinderten Beteiligten zu 1) nach § 1768 Abs. 2 Satz 2 BGB zugestimmt.
Zustimmungsberechtigter ist der Vertreter für die Person, wenn Personen- und
Vermögenssorge verschiedenen Personen zustehen (Palandt/Diederichsen, Anm. 2 zu
§ 1746 BGB). Die Bestellung des Rechtsanwalts XXX zum "Ergänzungspfleger" des
Beteiligten zu 3) nach dessen Entmündigung hat in § 1909 BGB keine Grundlage;
gesetzentsprechend wäre die Anordnung einer Mitvormundschaft gewesen (§§ 1897,
1775, 1797 Abs. 2 BGB)
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Das Amtsgericht hat zweckmäßig über die Hauptanträge auf Ausspruch der Annahme
mit stärkeren Wirkungen vorab entschieden, um deren Berechtigung im Instanzenzuge
überprüfen zu lassen, ehe über die Annahme mit schwächeren Wirkungen befunden
wurde. Der Hilfsantrag ist hierbei lediglich von einer innerprozessualen Bedingung
abhängig gemacht, verstößt also nicht gegen § 1752 Abs. 2 Satz 1 BGB.
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d) In sachlicher Hinsicht ist die Beschwerdeentscheidung rechtlich nicht zu
beanstanden, da sie von der maßgeblichen Rechtsvorschrift ausgeht, zutreffende
Rechtsgrundsätze hierzu vertritt und nach der gegebenen Tatsachengrundlage die
Annahme bedenkenfrei ablehnt.
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aa) Nach § 1772 Satz 1 Buchstabe b BGB in der Fassung des Adoptionsgesetzes vom
2. Juli 1976 (BGBl. I S. 1749) kann das Vormundschaftsgericht beim Ausspruch der
Annahme eines Volljährigen auf Antrag des Annehmenden und des Anzunehmenden
bestimmen, daß sich die Wirkungen nach den Vorschriften über die Annahme eines
Minderjährigen richten, wenn der Anzunehmende bereits als Minderjähriger in die
Familie des Annehmenden aufgenommen worden ist. Diese Vorschrift ist eng
auszulegen. Das folgt aus ihrem Ausnahmecharakter.
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Der Gesetzgeber des Adoptionsgesetzes hat sich für die Volljährigenadoption mit dem
Hinweis auf die praktische Verbreitung und das hieraus abgeleitete Bedürfnis
ausgesprochen (Lüderitz, NJW 1976, 1865, 1871), obwohl damit
Mißbrauchsmöglichkeiten verbunden sind (Palandt/Diederichsen, Anm. 1 zu § 1767
BGB). Er hat aber das bei der Volljährigenadoption entstehende Rechtsverhältnis nicht
in derselben Weise ausgeprägt wie das durch die Minderjährigenadoption geschaffene.
Die Vorschriften der §§ 1767 ff. BGB begnügen sich daher im wesentlichen damit die
??? über die Minderjährigenadoption einzuschränken und damit neben die Volladoption
Minderjähriger einen besonderen Typ der Annahme Volljähriger mit minderen
Wirkungen zu stellen.
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In vier Fällen der Volljährigenadoption hat sich der Gesetzgeber aber mit diesen
schwachen Wirkungen nicht begnügt, sondern er läßt auch hier die starken Wirkungen
mit der vollen Eingliederung des Anzunehmenden in die neue Familie und dem
Erlöschen der familienrechtlichen Bindung zur bisherigen Familie (mit Einschränkungen
bei der Verwandtenadoption) zu. Das sind insbesondere Fälle, in denen der
Anzunehmende schon besondere Beziehungen zu dem Annehmenden hat, die nur
dadurch ausreichend verstärkt werden können, daß die Annahme des schon
Volljährigen mit starken Wirkungen verbunden wird (BT-Drucksache 7/3061, Seiten 55
und 56). Den Ausnahmecharakter dieser Volladoptionen Volljähriger betont die amtliche
Begründung zu § 1772 BGB ausdrücklich, wenn sie ausführt, daß ein Mißbrauch dieser
Form der Annahme eines Volljährigen nicht zu befürchten ist, weil die Fälle, in denen
sie zulässig ist, klar abgegrenzt sind. Wo Rechtssätze erkennbar Ausnahmecharakter
haben sollen, wo also - wie hier - der Gesetzgeber ihre Verallgemeinerung abgelehnt
hat, ist nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsanwendung ein Analogieschluß
insoweit verboten, als damit die gewollte Ausnahme gefährdet würde; insbesondere ist
für Analogie kein Raum, wo der Gesetzgeber eine enge Fassung, durch die einem
eindeutig abgegrenzten Personenkreis Rechte zugebilligt sind, absichtlich gewählt hat
(vgl. Palandt/Heinrichs, Einl. V 3 ? vor § 1 BGB).
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Bei § 1772 Satz 1 Buchstabe b BGB handelt es sich um den Ausnahmefall einer
nachgeholten Annahme als Kind; eine solche Annahme bedeutet die Bestätigung des
faktisch schon während der Minderjährigkeit des Kindes gewachsenen Verhältnisses
(Massfeller/Böhmer, Das gesamte Familienrecht, 3. Aufl., Anm. 1 zu § 1772 BGB). Die
Vorschrift setzt eine Aufnahme des Anzunehmenden bereits als Minderjähriger in die
Familie des Annehmenden voraus. Die amtliche Begründung (BT-Drucksache 7/3061,
Seite 56) erläutert die Bestimmung dahin, daß in manchen Fällen ein Pflegekind in einer
Familie lebt, ohne daß es zu einer Adoption gekommen ist; wenn sich die Beteiligten
hier erst später entschlössen, ein Annahmeverhältnis zu begründen, erscheine es
ebenfalls gerechtfertigt, die Annahme mit starken Wirkungen zuzulassen.
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bb) Von diesen Rechtsgrundsätzen, die den Ausnahmecharakter des § 1772 Satz 1
Buchstabe b BGB betonen, ist das Landgericht durchweg ausgegangen. Auf Grund der
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von ihm fehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat es nicht die von dieser
Bestimmung geforderte tatsächliche Eingliederung des Beteiligten zu 3) in die Familie
der Beteiligten zu 1) und 2) bejahen können, als der Anzunehmende noch minderjährig
war. Das Landgericht hat mit Recht ausgeführt, daß eine derartige Aufnahme in die
Familie mehr bedeute als eine vormundschaftliche Sorge für einen Vollwaisen. Es hat,
ohne das Gesetz zu verletzen, die Integration des Minderjährigen in den
Familienverband im Sinne eines Lebensmittelpunktes in psychischer, sozialer und
räumlicher Hinsicht gefordert, wobei es zumindest das Fehlen der beiden zuletzt
genannten Aspekte feststellen konnte, weil der Beteiligte zu 3) als Minderjähriger zu
keinem Zeitpunkt bei den Beteiligten zu 1) und 2) gewohnt hat und von ihnen versorgt
worden ist. Die tatsächlichen Grundlagen für seine Würdigung hat das Landgericht vor
allem den Beiakten 11 VII 44423 und 11 VII 48256 AG XXX entnehmen können;
außerdem hat die Stiefmutter des Beteiligten zu 3) in ihrer Eingabe vom 30. November
1978 dargelegt, daß ihr Stiefsohn bis zum Tode seines Vaters am 22. Februar 1965 in
der gemeinschaftlichen elterlichen Wohnung gelebt habe; auch nach dem Tode des
Vaters habe der Beteiligte zu 3) weiterhin im Elternhaus gelebt, wobei die Besorgung
seiner eigenen Wohnung, die Beköstigung und sonstige Versorgung bis Februar 1972
ununterbrochen durch sie, die Stiefmutter, erfolgt sei. Bis zum Eintritt seiner
Volljährigkeit am 12. Oktober 1967 war der Beteiligte zu 3) nach der fehlerfreien
Subsumtion des Landgerichts daher nicht in die Familie der Beteiligten zu 1) und 2)
aufgenommen; das ist erst nach seiner Rückkehr aus dem XXX im August 1972
geschehen, also fast fünf Jahre nach Eintritt der Volljährigkeit.
Die weitere Beschwerde macht demgegenüber geltend, es müsse eine Eingliederung
des Beteiligten zu 3) schon als Minderjähriger in den Familienverband der
Annehmenden bejaht werden, wobei diese Verbundenheit in folgenden
Lebensstationen deutlich werde: Patenschaft des Annehmenden, Einsetzung des
Annehmenden vom Vater des Anzunehmenden zum Testamentsvollstrecker und
Ersatzerben, Pflegerbestellung des Annehmenden im
Erbauseinandersetzungsverfahren aus Anlaß der Wiederverheiratung des Vaters des
Anzunehmenden, Einwirkung des Annehmenden auf berufliche Zukunft des
Anzunehmenden, Vormundbestellung des Annehmenden und Sorge für eine freiwillige
Alkoholentziehungskur des Anzunehmenden, Sorge des Annehmenden als Vormund
für die Beziehungen zwischen dem Anzunehmenden und seiner Stiefmutter. Das
Gesetz fordert demgegenüber aber, daß der Anzunehmende bereits als Minderjähriger
in der Familie der Annehmenden gelebt hat. Dieses Erfordernis füllt der Vortrag der
weiteren Beschwerde nicht aus. Zu den Zeiten der aufgezählten Lebensstationen hat
der Beteiligte zu 3) vielmehr seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bei seinen Eltern,
nach dem Tode der Mutter kurze Zeit beim Vater, nach dessen Wiederverheiratung bei
seinem Vater und seiner Stiefmutter und nach dem Tode des Vaters bis zum Eintritt der
Volljährigkeit im elterlichen Hause mit seiner Versorgung durch die Stiefmutter gehabt.
Die Beschwerdeführer wiederholen im wesentlichen lediglich ihre Auffassung, daß auch
ohne eine Aufnahme in den Familienverband des Annehmenden im tatsächlichen Sinne
"eine Aufnahme in die Familie" nach dem Gesetz dann gegeben sei, wenn einem
Anzunehmenden durch eine ihm eingeräumte Rechtsstellung eine in jeder Beziehung
mögliche Einflußnahme und Entscheidungsbefugnis rechtlicher Art zugestanden hat. Mit
Recht hat das Landgericht aber angesichts des klaren Wortlauts von § 1772 Satz 1
Buchstabe b BGB, des offenbarten gesetzgeberischen Willens und des
Ausnahmecharakters dieser Vorschrift einen Analogieschluß abgelehnt und die
"Aufnahme in die Familie" im Sinne dieser Vorschrift als ein tatsächliches und kein
rechtliches Verhältnis gewertet.
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Die weitere Beschwerde ist unter diesen Umständen zurückzuweisen.
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3) Für eine Erstattungsanordnung des Senats hinsichtlich außergerichtlicher Kosten
besteht kein Anlaß, da die Beteiligten zu 1) bis 4) nicht in entgegengesetztem Sinne
beteiligt sind, sondern gleichgerichtete Interessen vertreten haben.
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Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO. Der Senat hat Anlaß
gesehen, auch die Wertfestsetzung zweiter Instanz gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO von
Amts wegen zu ändern, wie dies der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis
4) angeregt hat. Für den Ausspruch der Annahme eines Volljährigen als Kind ist es bei
der Wertbemessung gemäß §§ 98 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO anerkannt, daß zwar in der
Regel der Ausgangswert von 5.000.-- DM anzunehmen sei, der Geschäftswert aber
höher oder niedriger bei großem oder kleinem Vermögen des Annehmenden oder des
Anzunehmenden bemessen werden könne (Hartmann, Kostengesetze, 19. Aufl., Anm. 2
zu § 98 KostO; Rohs/Wedewer, KostO, 2. Aufl., Anm. III c zu § 98 und Anm. IV b zu § 30
KostO). Angesichts des erheblichen Vermögens des Beteiligten zu 3) - die letzte
Zwischenrechnung des "Vermögenspflegers" vom 12. März 1979 nennt
Vermögenswerte von über 1.200.000.-- DM - erscheint es angemessen, den Wert der
Beschwerdeinstanzen auf je 50.000.-- DM festzusetzen, weil der Gegenstand erster
Instanz hier auch das Interesse der Beschwerdeführer verkörpert.
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