Urteil des OLG Hamm vom 20.08.2009

OLG Hamm (stgb, weisung, stpo, beschwerde, rechtskräftiges urteil, hamburg, gesetzliche grundlage, teleologische auslegung, auflage, begründung)

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ws 207/09
Datum:
20.08.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 207/09
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 61 StVK 77/08
Tenor:
Die Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen
Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt
werden, auf Kosten des Beschwerdeführers mit der Maßgabe verworfen,
dass die dem Verurteilten zu Ziffer 4. erteilte Weisung wie folgt lautet:
„4. Ihm werden sämtliche Tätigkeiten – sowohl als Selbstständiger als
auch als Arbeitnehmer – im Bereich der Kapitalanlageberatung und –
vermittlung untersagt.“
Gründe:
1
I.
2
Der Verurteilte wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Paderborn vom 18.
November 2004 – 5 Kls 112 Js 191/04 AK 15/04 – wegen sexuellen Missbrauchs von
Kindern in 66 Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts
Paderborn vom 01. Dezember 1998 - 1 KLs 11 Js 325/98 – 74/98 – nach Auflösung der
dortigen Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von sieben Jahren
und sechs Monaten verurteilt.
3
Der einbezogenen Strafe lag eine Verurteilung wegen Betruges in 281 Fällen zugrunde.
Der Verurteilte hatte als tatsächlicher Inhaber der Firma M mit zahlreichen Personen
insgesamt 281 Anlageverträge abgeschlossen, wobei den Anlegern monatliche
Renditen zwischen vier und sechs Prozent zugesagt wurden. Diese wurden nur zu
Beginn der Vertragslaufzeit ausgezahlt, um den jeweiligen Anleger zu weiteren Anlagen
zu veranlassen. Der Verurteilte veranlasste die Anleger zur Hingabe erheblicher
Geldbeträge zwischen 5.000 und 200.000,- DM, obwohl ihm nach den dortigen
Urteilsfeststellungen klar war, dass er die versprochenen Renditen zu keiner Zeit würde
erwirtschaften können. Insgesamt nahm er Kapitalanlagen in Höhe von 7,6 Millionen
DM vor, die verloren waren. Unter Erhöhung der höchsten Einzelstrafe von einem Jahr
und fünf Monaten war gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von fünf Jahren und
sechs Monaten verhängt worden.
4
Nach Vollverbüßung der Strafe entschied die Strafvollstreckungskammer des
Landgerichts Hagen durch Beschluss vom 14. Februar 2008 – StVK S 0077/08 (61) –
über das Nichtentfallen der gesetzlich eingetretenen Führungsaufsicht, deren Dauer auf
vier Jahre festgesetzt wurde, und ordnete näher bezeichnete Weisungen an. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des
Landgerichts Hagen vom 14. Februar 2008 Bezug genommen.
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Nachdem der Bewährungshelfer im November 2008 angeregt hatte, dem Verurteilten
nachträglich noch eine weitere Weisung dergestalt zu erteilen, dass es ihm untersagt
sei, jegliche Art von Finanzdienstleistungen zu tätigen, erteilte die
Strafvollstreckungskammer nach schriftlicher Anhörung dem Verurteilten durch
Beschluss vom 13. Januar 2009 diese Weisung. Auf die Beschwerde des Verurteilten
vom 21. Januar 2009 hat der Senat durch Beschluss vom 19. März 2009 – 2 Ws 40/09 –
den angefochtenen Beschluss mangels ausreichender Anordnungsbegründung
aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen. Wegen der
weiteren Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf
den Senatsbeschluss vom 19. März 2009 verwiesen.
6
Mit Verweis auf die Vorstrafen des Verurteilten und die Tatsache, dass er anlässlich
eines Gesprächs mit dem Bewährungshelfer am 20. Mai 2009 lediglich unzureichende
Angabe zu seinem Lebensunterhalt gemacht hatte, regte der Bewährungshelfer unter
dem 04. Juni 2009 erneut an, dem Verurteilten die Weisung zu erteilen, während der
Dauer der Führungsaufsicht , jegliche Art von Finanzdienstleistungen zu erteilen. Nach
schriftlicher Anhörung des Verurteilten, der sich durch anwaltlichen Schriftsatz vom 29.
Juni 2009 gegen die Weisungserteilung richtete, ordnete die Strafvollstreckungskammer
gegen ihn durch den angefochtenen Beschluss vom 14. Juli 2009 folgende
nachträgliche Weisung an: "4. Er hat jegliche Art von Finanzdienstleistungen zu
unterlassen".
7
Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, der Verurteilte habe als
Anlagebetrüger einen Gesamtschaden von mehr als 6,5 Millionen DM verursacht.
Ferner sei der Verurteilte dem Bewährungshelfer gegenüber nicht bereit gewesen, seine
finanzielle Situation nachvollziehbar darzulegen. Im Hinblick auf die Vorstrafen und die
ungeklärte finanzielle Situation des Verurteilten sei die Erteilung der Weisung – im
Anschluss an die Anregung des Bewährungshelfers – gerechtfertigt. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 14. Juli
2009 Bezug genommen.
8
Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte durch anwaltlichen Schriftsatz vom 22. Juli
2009 "sofortige Beschwerde" eingelegt und diese durch anwaltliche Schriftsätze vom
31. Juli und 17. August 2009 begründet. Zur Begründung hat er im Wesentlichen
ausgeführt, die Weisung sei wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot
gesetzwidrig. Zudem laufe sie auf ein Berufsverbot hinaus. Wegen der weiteren
Einzelheiten der Begründung wird auf die anwaltlichen Schriftsätze vom 31. Juli und 17.
August 2009 verwiesen.
9
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen hat die Sache ohne
Nichtabhilfeentscheidung dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat unter dem 05. August Stellung genommen
und beantragt, die Beschwerde des Verurteilten als unbegründet zu verwerfen.
11
II.
12
1.
13
Da der Verurteilte sich ausschließlich gegen die nachträglich erteilte Weisung richtet, ist
seine als "sofortige Beschwerde" bezeichnete Eingabe gemäß § 300 StPO als
(einfache) Beschwerde im Sinne des § 304 Abs. 1 StPO auszulegen, die gemäß §§ 463
Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 1 StPO, 68 a, 68 b StGB insoweit statthaft und auch im Übrigen
zulässig ist.
14
Der Senat weist in diesem Zusammenhang klarstellend darauf hin, dass ausschließlich
gegen das Nichtentfallen der gesetzlich eingetretenen Führungsaufsicht gemäß § 68 f
Abs. 2 StGB nach §§ 463 Abs. 3 S. 1, 454 Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. § 68 f Abs. 2 StGB die
sofortige Beschwerde statthaft ist.
15
2.
16
Die Beschwerde hat indes in der Sache keinen Erfolg.
17
a)
18
Zwar hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen entgegen § 306 Abs.
2 erster Halbsatz StPO keine Nichtabhilfeentscheidung getroffen, da sie die
ausdrücklich als "sofortige Beschwerde" bezeichnete Eingabe vom 22. Juli 2009 als
solche verstanden hat. Dies führt aber nach Auffassung des Senats nicht zur Aufhebung
des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an die
Strafvollstreckungskammer. Fehlt eine (Nicht-)Abhilfeentscheidung hat das
Beschwerdegericht unter Berücksichtigung seiner Pflicht zur schnellen und
wirtschaftlichen Erledigung der Beschwerde darüber zu befinden, ob es selbst
entscheiden oder dem Erstrichter Gelegenheit geben will, die unterbliebene
Entscheidung über die Abhilfe nachzuholen (Senatsbeschlüsse vom 05. Februar 2009 -
2 Ws 16/2009 -, vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 373; Holger
Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage 2003, § 306 Rn. 21 – jeweils mit weiteren
Nachweisen). Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, eine Zuleitung an das
Erstgericht zur Nachholung der (Nicht-) Abhilfeentscheidung komme stets in Betracht,
wobei es sich nicht um eine die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung
voraussetzende "Zurückverweisung" handele (Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar,
StPO, 6. Auflage 2008, § 306 Rn. 19 – ohne weitere Begründung). Nach anderer
Meinung ist eine Zurückverweisung ausnahmsweise nur dann angezeigt, wenn das
Verfahren dadurch beschleunigt wird, weil die tatsächliche Richtigkeit des
Beschwerdevorbringens vom näheren Erstrichter leichter und schneller festgestellt
werden kann und zu erwarten ist, dass dieser seine Entscheidung aufgrund dessen
selbst korrigiert (Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage 2003, § 306 Rn.
21) und das Beschwerdegericht andernfalls an einer eigenen Sachentscheidung im
Sinne des § 309 Abs. 2 StPO gehindert wäre (Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage 2008, §
306 Rn. 10). Denn die Nichtabhilfe ist keine Verfahrensvoraussetzung für die
Entscheidung des Beschwerdegerichts (Senatsbeschlüsse vom 05. Februar 2009 - 2
Ws 16/2009 - , vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374 mit
19
zahlreichen weiteren Nachweisen; Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage
2003, § 306 Rn. 21; Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage 2008, § 306 Rn. 10). Eine eigene
Entscheidung des Beschwerdegerichts entsprechend § 309 Abs. 2 StPO ist danach bei
offensichtlicher Unbegründetheit der Beschwerde geboten, bei der ohne längere
Prüfung erkennbar ist, dass das Beschwerdevorbringen die Beschwerde nicht zu
begründen vermag (Senatsbeschlüsse vom 05. Februar 2009 - 2 Ws 16/2009 -, vom 18.
Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374).
Dies ist vorliegend der Fall, so dass der Senat entsprechend § 309 Abs. 2 StPO selbst
in der Sache entschieden hat. Hierzu war er in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang befugt, da die nach Änderung verbleibende Weisung als minus in der durch die
Vorinstanz ausgesprochenen Weisung enthalten ist.
20
b)
21
Nach §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 2 StPO kann die Beschwerde nur darauf gestützt
werden, dass die getroffene Anordnung gesetzeswidrig ist. Dies ist der Fall, wenn sie im
Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig, unzumutbar (Senatsbeschluss vom 18.
Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 - = VRS 104, 372, 374; OLG Hamm, MDR 1975, 1041;
OLG Koblenz, MDR 1976, 946) oder zu unbestimmt ist (Hanseatisches OLG Hamburg,
Beschluss vom 04. März 2008 – 2 Ws 205/07 -, zitiert nach juris Rn. 24) oder nicht auf
rechtsfehlerfreier Ermessensausübung beruht (vergleiche dazu: Senatsbeschluss in
dieser Sache vom 19. März 2009 – 2 Ws 40/09 – ).
22
Die angegriffene Weisung, wonach der Verurteilte "jegliche Art von
Finanzdienstleistungen zu unerlassen" hat, hält der vorzunehmenden
Gesetzmäßigkeitsprüfung nur teilweise stand.
23
Die angefochtene Weisung ist nicht bereits wegen eines Verstoßes gegen das
Bestimmtheitsgebot gesetzeswidrig. Der Begriff der "Finanzdienstleistungen" ist
gesetzlich nicht ausdrücklich definiert. Nach Sinn und Zusammenhang des
Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes, das die früheren Bundesaufsichtsämter für das
Kreditwesen, für das Versicherungswesen und für den Wertpapierhandel in einer
Bundesanstalt zusammengefasst hat (§ 1 FinDAG), sind damit sämtliche
Dienstleistungen gemeint, die sich auf Kapitalanlagen und andere Finanzprodukte,
insbesondere Kredite, Bausparverträge und Versicherungen beziehen (Hanseatisches
OLG Hamburg, Beschluss vom 04. März 2008 – 2 Ws 205/07 - , zitiert nach juris Rn. 34).
24
Die Weisung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB.
25
Entgegen der überwiegenden Meinung in der Literatur (Fischer, StGB, 56. Aufl., § 68 b
Rn. 6 i.V.m. § 56 c Rn. 4 mit weiteren Nachweisen; vergleiche auch die umfangreichen
Nachweise bei: Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 04. März 2008 – 2 Ws
205/07 -, zitiert nach juris Rn. 38) ist die angefochtene Weisung auch nicht deshalb
gesetzeswidrig, weil sie in ihrer Wirkung einem Berufsverbot gemäß § 70 StGB
gleichkommt. Soweit insofern im Wesentlichen zur Begründung angeführt wird, im
Rahmen des § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB seien Weisungen nicht möglich, die auf
Maßnahmen gerichtet seien, die als staatliche Reaktionen besonderer Art anderweitig
ausdrücklich geregelt seien (Fischer, StGB, 56. Aufl., § 56 c Rn. 4), überzeugt das nicht.
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Gemäß § 72 Abs. 2 StGB schließen sich die Maßregeln des Berufsverbots nach § 70
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StGB und die Führungsaufsicht gerade nicht generell aus. Im Anschluss an die vom
Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 04. März 2008 zu
dem Aktenzeichen 2 Ws 205/07 vertretenen Ansicht hält auch der Senat es weder für
verfassungs- noch einfachrechtlich ausgeschlossen, auf der Grundlage des § 68 b Abs.
1 S. 1 Nr. 4 StGB solche Tätigkeitsverbote anzuordnen, die in ihrer Wirkung einem
Berufsverbot nach § 70 StGB gleichkommen.
Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB
ergeben sich dafür Anhaltspunkte. Die in § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB enthaltene
Formulierung " bestimmte Tätigkeiten" enthält nach allgemeinem Sprachverständnis
gerade keine Beschränkung auf singuläre Tätigkeiten, sondern umfasst auch
mannigfaltige Tätigkeiten, die sich in summa zu einem oder sogar mehreren Berufen
verdichten können (Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 04. März 2008 – 2
Ws 205/07 -, zitiert nach juris Rn. 40; offengelassen noch von: OLG Karlsruhe,
Beschluss vom 08. Dezember 1994 – 2 Ws 219/94 -, zitiert nach juris Leitsatz 1 und Rn.
6).
28
Auch die teleologische Auslegung des § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB ergibt nichts
anderes. Denn Zweck der Erteilung von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht
ist es gerade, die Gefahr weiterer Straftaten zu verringern oder zu beseitigen. Um dieses
Ziel zu erreichen, das letztlich der Resozialisierung des Verurteilten dient, kann je nach
Sachlage die Untersagung spezieller Tätigkeitsbereiche innerhalb eines bestimmten
Berufsbildes oder die Untersagung bestimmter Berufe in ihrer Gesamtheit erforderlich
sein (Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 04. März 2008 – 2 Ws 205/07 -,
zitiert nach juris Rn. 44, vergleiche dort auch Rn. 45 ff. zu dieser Auslegung aus dem
historischen Willen des Gesetzgebers).
29
Ferner ist zu beachten, dass gemäß § 56 c Abs. 2 Nr. 1 StGB auch im Rahmen der
Bewährungsaufsicht die Weisung möglich ist, Anordnungen bezüglich der Arbeit zu
befolgen. Nach überwiegender Auffassung ist dadurch die Möglichkeit eröffnet, die
Ausübung eines Berufes zu verbieten (vergleiche dazu bereits: BGHSt 9, 258, 259-260
– noch zu § 24 Abs. 1 StGB a.F.; a.A. wohl: Fischer, StGB, 56. Aufl., § 56 c Rn. 4). Wenn
aber im Rahmen der Bewährungsaufsicht – ungeachtet der positiven Legalprognose –
eine solche Weisung zur Wiedereingliederung des Verurteilten angezeigt sein kann,
muss dies erst Recht im Falle der Führungsaufsicht gelten. Denn diese setzt die
Vollverbüßung einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren oder von einem Jahr
wegen der in § 181 b StGB genannten Art voraus. Daraus folgt, dass eine positive
Legalprognose mit der Folge einer bedingten Entlassung gemäß § 57 StGB im Falle der
Führungsaufsicht gerade nicht gestellt werden konnte und damit eine berufsverbietende
Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht – im Hinblick auf die größere Gefährlichkeit
des Verurteilten – erst Recht möglich sein muss.
30
Die aus § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB folgende einfachgesetzliche Möglichkeit, einen
oder mehrere Berufe zu untersagen, ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit, der durch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG
gewährleistet ist, ist durch den Gesetzesvorbehalt aus Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG gedeckt.
Die weite Formulierung der angefochtenen Weisung, "jegliche Art von
Finanzdienstleistungen zu unterlassen" stellt sich als Eingriff in die Berufswahl dar.
Unter Berücksichtigung der Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht im Rahmen
der sogenannten "Stufentheorie" im Rahmen der verfassungsrechtlichen (Eingriffs-
)Rechtfertigung für die Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aufgestellt
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hat, ergibt sich, dass die angefochtene Weisung wegen Unzumutbarkeit (§ 68 b Abs. 3
StGB) einschränkender Änderung bedurfte.
Eingriffe auf der Stufe der Berufswahl sind grundsätzlich dann verfassungsrechtlich
gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes
geboten ist, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht (BVerfGE 25, 88, 101
;
Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 12 Rn. 133) und das vorliegend im Schutz der Allgemeinheit vor
Straftaten des Verurteilten im Tätigkeitsbereich "Finanzdienstleistungen" zu sehen ist.
32
Unter Beachtung dieser Vorgaben hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Hagen im Grundsatz ermessensfehlerfrei die Erteilung der angefochtenen Weisung für
erforderlich erachtet. Insoweit verweist der Senat auf die Gründe der angefochtenen
Entscheidung, die durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt werden.
Angesichts der Vorstrafen des Verurteilten und seines aktuell bestehenden
zurückhaltenden Mitteilungsverhaltens zu seiner finanziellen Situation, ist gegen die
Weisung im Grundsatz nichts zu erinnern.
33
Dabei ist der Senat im Anschluss an die von dem Hanseatischen Oberlandesgericht
Hamburg in seinem Beschluss vom 04. März 2007 – 2 Ws 205/07 - , vertretene Meinung
der Ansicht, dass die Erteilung einer Weisung nach § 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB nicht an
dieselben Voraussetzungen wie die Erteilung eines Berufsverbotes nach § 70 StGB –
insbesondere nicht an die sogenannte berufstypische Verbindung zwischen strafbarer
Handlung und ausgeübter Berufstätigkeit - geknüpft ist (Hanseatisches OLG Hamburg,
Beschluss vom 04. März 2008 – 2 Ws 205/07 -, zitiert nach juris Rn. 61; a.A. OLG
Karlsruhe, Beschluss vom 08. Dezember 1994 – 2 Ws 219/94 _ , zitiert nach juris
Leitsatz 2 und Rn. 7 – 9). Denn für die Weisungserteilung im Rahmen der
Führungsaufsicht ist ausschließlich die Prognose entscheidend, der Verurteilte könnte
die Tätigkeit zur Begehung von Straftaten missbrauchen.
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Die angefochtene Weisung ist indes in ihrer weiten Ausgestaltung gemäß § 68 b Abs. 3
StGB unzumutbar und bedurfte daher der Abänderung. Die Strafvollstreckungskammer
hat dem Verurteilten nicht einzelne Funktionsausübungen, sondern branchendeckend
jegliche Tätigkeit im Bereich der "Finanzdienstleistungen" untersagt. Angesichts des
seiner Verurteilung wegen Betruges in 281 Fällen zugrundeliegenden Sachverhalts hält
der Senat es für ausreichend, dem Verurteilten sämtliche Tätigkeiten – als Angestellter
oder Selbstständiger - im Bereich der Kapitalanlageberatung und –vermittlung zu
untersagen.
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Damit ist ihm lediglich ein Teilbereich im Rahmen der "Finanzdienstleistungen"
untersagt, der im Übrigen bestimmt genug, da allgemein gebräuchlich, ist (vergleiche
nur die Verwendung im Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Hamm für
das Geschäftsjahr 2009, Stand: 03. Februar 2009, unter Teil II - Zuständigkeit der
Zivilsenate -, "A. Zivilsenate" bezüglich der Zuständigkeit des 28. – Ziff. 3. - und des 31.
Zivilsenats – Ziffer 2. -).
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Die abgeänderte Weisung ist auch zumutbar und im Übrigen verhältnismäßig. Dabei
handelt es sich lediglich um einen Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 S. 1
GG auf der Stufe der Berausausübung. Dieser ist bereits verfassungsrechtlich
gerechtfertigt, wenn sie durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls legitimiert
sind (Mann, in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 12 Rn. 126 mit weiteren Nachweisen), die hier im
Schutz der Allgemeinheit vor erneuten Straftaten des Verurteilten in dem näher
37
bestimmten Bereich liegen.
III.
38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Die Abänderung im
Beschwerdeverfahren stellt keinen Erfolg im kostenrechtlichen Sinne dar.
39