Urteil des OLG Hamm vom 20.10.2000

OLG Hamm: kaufmann, rechtsschutz, erwerb, versicherungsschutz, willenserklärung, firma, abgabe, angemessenheit, hauptsache, kaufpreis

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 247/99
Datum:
20.10.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 247/99
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 15 O 163/99
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Senats vom 5. April 2000 bleibt aufrecht
erhalten.
Der Klägerin werden auch die weiteren Kosten des Rechts-streits
auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand und Entscheidungsgründe
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abgekürzt nach § 543 Abs. 1 ZPO
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I.
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Die Klägerin hat bei der Beklagten mit Wirkung ab 17.11.1998 eine Privat-, Berufs- und
Verkehrsrechtsschutzversicherung für Nichtselbständige gemäß § 26 ARB 94
abgeschlossen. Sie hat mit der Klage zunächst Gewährung von Rechtsschutz für eine
beabsichtigte Klage gegen den Kaufmann B begehrt, mit der sie hat festgestellt wissen
wollen, daß zwischen ihr und dem Kaufmann B kein wirksamer Kaufvertrag über ihren
Geschäftsanteil im Nennwert von 15.000,00 DM an der Firma B ... GmbH
zustandegekommen sei.
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Die Klägerin hatte dem Kaufmann B unter dem 30.10.1998 ein notarielles Angebot zum
Erwerb dieses Geschäftsanteils zu einem Kaufpreis von 900.000,00 DM unterbreitet,
das bis zum 31.03.1999 befristet war, und behauptet, B habe die Annahme des
Angebots am 07.12.1998 mündlich abgelehnt, sei aber anderen Sinnes geworden und
habe am 24.03.1999 erklärt, er werde das Angebot doch annehmen, und am 29.03.1999
eine entsprechende notariell beurkundete Erklärung abgegeben. Die Beklagte lehnte
unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 c und § 4 Abs. 3 a ARB 94 Rechtsschutz für die
beabsichtigte Klage ab.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die mit dem Antrag zu
1) der Berufungsbegründung die Feststellung begehrt, daß das Klagebegehren in der
Hauptsache erledigt sei, und mit dem Antrag zu 2) die Verurteilung der Beklagten zur
Zahlung von 7.030,12 DM - Erstattung der Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit der
von ihr beauftragten Rechtsanwälte - anstrebt.
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Nachdem die Klägerin zunächst behauptet hatte, sie habe sich mit B außergerichtlich
geeinigt, nimmt sie - nach Erlaß eines gegen sie im Senatstermin vom 5. April 2000
ergangenen Versäumnisurteils - von diesem Vortrag Abstand und behauptet nunmehr,
die Klage gegen B habe sich lediglich erübrigt, weil sie ihre Geschäftsanteile an der
Firma B GmbH an ein anderes Unternehmen derselben Branche, eine Firma G GmbH,
habe veräußern wollen, was auch von dem Kaufmann B begrüßt worden sei.
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II.
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Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
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Die Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin Rechtsschutz für die Klage zu
gewähren, die diese gegen den Kaufmann B erheben wollte. Der Antrag zu Ziffer 1) der
Berufungsbegründung, festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt
sei, ist deshalb nicht begründet, weil die Klage von Anfang an unbegründet war. Die
Klägerin kann daher auch nicht Erstattung der Kosten verlangen, die ihr durch die
außergerichtliche Tätigkeit der in der Streitangelegenheit B beauftragten Rechtsanwälte
entstanden sind.
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1.
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Der Streit der Klägerin mit dem Kaufmann B gehört zwar zu dem nach § 26 ARB 94
vereinbarten Versicherungsschutz, der sich gemäß Abs. 3 der genannten Bestimmung
auch auf Rechtsschutz im Vertragsrecht nach Maßgabe des § 2 b ARB 94 erstreckt und
die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen
umfaßt, zu denen die Veräußerung eines Geschäftsanteils zählt. Entgegen der
Auffassung der Beklagten ist hier Versicherungsschutz auch nicht nach § 3 Abs. 2 c
ARB 94 ausgeschlossen, denn der Streit betrifft nicht die Wahrnehmung rechtlicher
Interessen "aus dem Recht der Handelsgesellschaften". Der Gegenstand des Streits mit
B war die Veräußerung/Übertragung eines Geschäftsanteils der Klägerin an einer
GmbH. Eine GmbH ist zwar eine Handelsgesellschaft. Von der Ausschlußregelung des
§ 3 Abs. 2 c ARB 94 sollen jedoch nur solche Streitigkeiten erfaßt werden, die im Kern
in typischen gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander ihren
Ausgang genommen haben. Bei primär schuldrechtlicher Anspruchsgrundlage besteht
kein Versicherungsschutz, wenn die Interessenwahrnehmung erst durch die
Gesellschafterstellung ihr Gepräge erhalten hat. Dies gilt insbesondere für
gesellschaftsinterne Auseinandersetzungen. Streitigkeiten ohne spezifisch
gesellschaftsrechtlichen Einschlag, wie die Interessenwahrnehmung im
Zusammenhang mit der Veräußerung oder dem Erwerb von Anteilsrechten an einer
Kapitalgesellschaft, fallen aber nicht unter die Ausschlußregelung, wenn bei dem Streit
nicht gesellschaftsrechtliche Belange im Vordergrund stehen (vgl. dazu Harbauer, ARB,
6. Aufl., § 4 ARB 75 Rn. 23 und Böhme, ARB, 8. Aufl., S. 114). Der Erwerb von
Geschäftsanteilen an einer GmbH ist ein Schuldverhältnis, das sich nach allgemeinen
schuldrechtlichen Regel richtet, wobei für die Wirksamkeit des Vertrags allerdings die
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Formvorschriften des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG zu beachten sind und der
Gesellschaftsvertrag die Übertragung von Geschäftsanteilen an weitere Bedingungen
knüpfen kann. Wenn es bei einem Streit der Vertragspartner über das Zustandekommen
eines Anteilsübertragungsvertrages aber nicht um gesellschaftsrechtliche Fragen,
sondern um allgemein schuldrechtliche Problematik geht, hat die
Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers ihren Schwerpunkt nicht im
Gesellschaftsrecht, sondern im allgemeinen Vertragsrecht. Das war hier in dem Streit
der Klägerin mit dem Kaufmann B nach dem von der Klägerin vorgetragenen
Sachverhalt der Fall, denn sie hatte sich mit B lediglich darüber gestritten, ob er das bis
zum 31.03.1999 befristete Angebot am 29.03.1999 noch annehmen konnte, nachdem er
es am 07.12.1998 bereits mündlich abgelehnt hatte. Die Beurteilung der Frage, ob durch
die Ablehnung der Antrag der Klägerin gemäß § 146 BGB erloschen war, richtet sich
nach den Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB und nicht nach
Spezialbestimmungen des GmbH-Gesetzes.
2.
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Der Versicherungsschutz ist für die Klägerin jedoch hier nach § 4 Abs. 3 a ARB 94
ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung besteht dann kein Rechtsschutz, wenn eine
Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes
vorgenommen wurde, den Verstoß gegen Rechtspflichten nach § 4 Abs. 1 c, d.h. den
Versicherungsfall, ausgelöst hat.
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Zwar schließt nicht jede Willenserklärung, die letztlich im Sinne einer conditio sine qua
non zu einem Rechtsschutzfall führt, bei der gebotenen Auslegung dieser Klausel nach
ihrem Sinngehalt den Versicherungsschutz aus, denn nach dem Zweck dieser
Bestimmung soll der Ausschluß nur dann greifen, wenn eine Willenserklärung oder
Rechtshandlung ihrer Natur nach erfahrungsgemäß den "Keim nachfolgenden
Rechtsverstoßes des einen oder anderen Teils in sich trägt", und nicht schon jedes
"neutrale" Vertragsangebot erfassen, wenn es - nach Abschluß des
Versicherungsvertrages - später bei der Vertragsabwicklung zu Streitigkeiten kommt
(vgl. dazu Harbauer, a.a.O., § 14 ARB 75 Rdn. 76).
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist hier jedoch davon auszugehen, daß der
Streit, der zwischen dem Kaufmann B und der Klägerin über das Angebot der Klägerin
zum Erwerb des Geschäftsanteils bzw. dessen Annahmefähigkeit nach mündlicher
Ablehnung durch B entstanden ist, auf dem Angebot selbst beruht sowie auf
Erklärungen des Kaufmanns B , die die Klägerin zur Abgabe dieses Angebots veranlaßt
haben. Wie der Zeuge t B vor dem Senat bekundet hat, beruhte das an den Kaufmann B
gerichtete Angebot der Klägerin zum Erwerb ihrer Geschäftsanteile an der Firma B auf
einem vorangegangenen Gespräch der Klägerin mit B , der ihr zur Übertragung der
Anteile auf ihn als Mitgesellschafter geraten und die Höhe des Kaufpreises, der
angeblich dem wirtschaftlichen Wert der Geschäftsanteile entsprechen sollte,
vorgeschlagen hatte. Nach den weiteren glaubhaften Erklärungen des Zeugen t B ist
dann aber über die Angemessenheit des Kaufpreises ein Streit zwischen dem
Kaufmann B und der Klägerin bzw. ihm, dem Zeugen, entstanden, in dessen Verlauf B
vorgeworfen wurde, die Klägerin übervorteilt zu haben, weil der Kaufpreis zu niedrig sei
und sein Vorschlag die Interessen der Klägerin verletze. Wenn der Kaufmann B im
Hinblick auf diese gegen ihn gerichteten Vorwürfe zunächst erklärt hat, er wolle von dem
Angebot der Klägerin keinen Gebrauch machen, dann später aber doch in einer
notariellen Beurkundung dessen Annahme erklärt, so geht der Streit der Beteiligten über
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die Annahmefähigkeit des Angebots der Klägerin letztlich auf den Inhalt dieses
Angebots zurück. Bei dieser Sachlage kann die Willenserklärung der Klägerin nicht als
"neutrales Vertragsangebot" gewertet werden. Das Angebot und die ihm
vorausgegangenen Erklärungen des Kaufmanns B , die die Klägerin zu seiner Abgabe
veranlaßt haben, haben den späteren Verstoß des Vertragsgegners der Klägerin
ausgelöst. Der wirtschaftliche Hintergrund des Streits ist nämlich nach den
Bekundungen des Zeugen t B letztlich die Höhe des im Angebot der Klägerin
genannten Kaufpreises bzw. seine Angemessenheit. Streitauslösend ist damit der Inhalt
des Angebotes, das vor Beginn des Versicherungsschutzes abgegeben worden ist. Das
hat zur Folge, daß gemäß § 4 Abs. 3 a ARB 94 für den Streit mit B kein Rechtsschutz
besteht.
Das die Berufung der Klägerin zurückweisende Versäumnisurteil des Senats war daher
aufrechtzuerhalten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Beschwer der Klägerin liegt unter 60.000,00 DM.
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