Urteil des OLG Hamm vom 11.07.2007

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Oberlandesgericht Hamm, 3 W 35/07
Datum:
11.07.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 W 35/07
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 4 O 72/07
Tenor:
wird die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des
Landgerichts Dortmund vom 24.04.2007 aus den zutreffenden Gründen
der angefochtenen Entscheidung und der Nichtabhilfeentscheidung vom
19.06.2007 zurückgewiesen.
Gründe
1
I.
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Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Schmerzensgeld und
Feststellung bezüglich weiterer materieller und immaterieller Schäden sowie
Rückzahlung der Behandlungskosten nach einer vermeintlich ohne Einwilligung
fehlerhaft durchgeführten Brustoperation.
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Der Klägerin wurden am 30.07.2004 im Haus der Beklagten zu 1. seitens des Beklagten
zu 2. Silikonimplantate von jeweils 350 ccm in die Brüste gesetzt. Zuvor hatte es
zumindest am 29.07.2004 ein Aufklärungsgespräch gegeben, dessen Inhalt streitig ist.
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Die Klägerin hat behauptet, es sei nur eine Straffung und ein Ausgleich der
unterschiedlichen Brustgrößen sowie "als optisches Ergebnis eine leichte
Vergrößerung" besprochen worden. Hierzu hätte man unterschiedlich große Implantate
(links größer als rechts) verwenden müssen. Sie sei nicht über die Risiken aufgeklärt
worden. Ohnehin habe sie, da sie als Rumänin die deutsche Sprache kaum beherrsche,
vom Inhalt des im Wesentlichen mit ihrem Mann geführten Gesprächs kaum etwas
verstanden.
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Die Implantate von 350 ccm seien ihr ohne ihre Einwilligung eingesetzt worden. Die
rechte Brust sei nach wie vor größer als links. Sie leide unter wiederkehrenden
Schmerzen sowie psychischen Beeinträchtigungen und könne nicht mehr auf dem
Bauch schlafen.
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Die Beklagten haben behauptet, die Klägerin habe sich bereits am 25.06.2004 erstmals
vorgestellt und ausdrücklich eine Brustvergrößerung gewünscht. Die Größe der
Implantate sei mit ihr erörtert worden, wobei eine Verständigung problemlos möglich
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gewesen sei, zumal der Ehemann der Klägerin schwierige Ausdrücke übersetzt habe.
Die Klägerin sei umfassend beraten und aufgeklärt worden. Eine reine Straffung der
Brüste habe sie abgelehnt, da hierbei Narben im Bereich der Brustwarzenvorhöfe
entstanden wären. Die gewünschte Vergrößerung mit Straffung sei jedoch erst ab der
gewählten Implantatgröße möglich gewesen.
Das Landgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe nur teilweise bewilligt und
hinsichtlich des Antrags auf Rückerstattung der Behandlungskosten eine
Erfolgsaussicht verneint. Es hat hierzu ausgeführt, dass ein Verlust des
Honoraranspruchs nur bei besonders groben, in der Regel vorsätzlichen und strafbaren
Pflichtverletzungen in Betracht komme.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde, zu deren
Begründung sie nun vorträgt, es stelle einen groben Behandlungsfehler dar, dass
Implantate mit einer Größe von 350 ccm statt 250 ccm eingesetzt worden seien.
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II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat zutreffend für
den beabsichtigten Antrag auf Rückzahlung der Operationskosten keine
Prozesskostenhilfe bewilligt.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ein gezahltes Arzthonorar nicht schon dann
gemäß § 280 Abs. 1 BGB bzw. in entsprechender Anwendung von § 628 Abs. 1 Satz 2
BGB zurück gefordert werden, wenn ein – ggfs. grober – Behandlungsfehler vorliegt.
Vielmehr wird aufgrund des dienstvertraglichen Charakters des Arztvertrages die
Vergütung grundsätzlich auch geschuldet, wenn die erbrachte Leistung fehlerhaft war
(vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 66. Aufl. 2007, § 611 Rn. 16 f.). Daher bedarf es für
einen Rückforderungsanspruch einer Pflichtverletzung bzw. eines vertragswidrigen
Verhaltens, dass einer Nichterfüllung gleichkommt. Dies ist erst anzunehmen, wenn die
Dienstleistung aufgrund des Behandlungsfehlers für den Patienten völlig unbrauchbar
und damit wertlos, die Erfüllung des Vertrages ohne jedes Interesse ist (vgl.
Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. 2002, § 82 Rn. 15; Martis/Winkhart,
Arzthaftungsrecht, 2. Aufl. 2007, S. 682; OLG Hamburg MDR 2001, 799). Diese
Grundsätze sind auch auf den Verlust eines Honoraranspruchs anwendbar, der auf eine
unzureichende Aufklärung gestützt werden soll (Laufs/Uhlenbruck, a.a.O., S. 684). Ob
darüber hinaus, wie teilweise verlangt wird, der Vergütungsanspruch des Arztes nur
entfällt, wenn eine besonders grobe, in der Regel vorsätzliche und strafbare
Pflichtverletzung vorliegt (so OLG Nürnberg VersR 1996, 233; BGH NJW 1981, 1211,
1212), braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da nach dem Vortrag der
Klägerin schon nicht anzunehmen ist, dass die Behandlung für sie dergestalt
unbrauchbar und wertlos ist, dass sie einer Nichterfüllung gleichkommt.
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Dabei ist nach dem etwas unklaren Vortrag der Klägerin davon auszugehen, dass es
auch Gegenstand des Vertrages war, Implantate einzusetzen. Dies folgt aus dem
Vortrag in der Antragsschrift vom 20.03.2006, durch Verwendung unterschiedlich großer
Implantate ( ca. 150 ccm) hätten die Größenunterschiede der Mammae mit Hilfe eines
größeren Implantats auf der linken Seite ausgeglichen werden können.
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Damit kann selbst auf Grundlage des klägerischen Vortrags nur davon ausgegangen
werden, dass die eingesetzten Implantate größer waren als vereinbart. Eine derart grobe
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Pflichtverletzung des Arztvertrages, die nach o.g. Grundsätzen den Vergütungsanspruch
entfallen ließe, ist folglich nicht ersichtlich. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für
den insoweit beabsichtigten Klageantrag kommt daher nicht in Betracht.
Eine Kostenentscheidung ist nach § 127 Abs.4 ZPO nicht veranlasst.
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