Urteil des OLG Hamm vom 22.04.1998

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Oberlandesgericht Hamm, 20 U 246/97
Datum:
22.04.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 246/97
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 2 O 247/97
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. September 1997
verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz werden dem Kläger und die Kosten der
zweiten Instanz der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Rechtsschutzversicherung, die auch den
Finanzgerichtsrechtsschutz für Firmen und freie Berufe zum Gegenstand hat, auf
Gewährung von Versicherungsschutz für eine vom Kläger und gemeinsam mit ihm in
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Gemeinschaftspraxis für Laboratoriumsmedizin)
tätigen anderen Ärzten im November 1994 angestrengten Finanzgerichtsstreit vor dem
Finanzgericht Münster in Anspruch.
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Die Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Sie macht geltend, versichert sei der
Kläger als Einzelarzt und nicht als Mitglied einer Gemeinschaftspraxis. Außerdem sei
sie erst mit Anwaltsschriftsatz vom 19.12.1995 von der bereits am 22.11.1994
eingereichten Klage informiert worden, so daß sie wegen verspäteter Anzeige
leistungsfrei geworden sei.
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Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen
richtet sich die zulässige Berufung der Beklagten, die sich nunmehr auch auf Verjährung
beruft.
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Die zulässige Berufung ist begründet. Der geltend gemachte Deckungsanspruch ist
verjährt.
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Die zweijährige Verjährungsfrist des §12 Abs. 1 Satz 1 VVG begann mit dem Schluß
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des Jahres 1994. Zwar trat auf Grund der Anmeldung des Versicherungsfalls mit
Anwaltschreiben vom 19.12.1995 gemäß §12 Abs. 2 VVG eine Hemmung ein, die aber
nur wenige Tage bis zur Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 03.01.1996
andauerte. Zum Zeitpunkt des Eingangs der Deckungsklage beim Landgericht am
05.06.1997 war die Verjährung jedenfalls vollendet.
Der Senat folgt der Auffassung der Beklagten, wonach der Kläger die Gewährung von
Versicherungsschutz spätestens mit Einreichung der finanzgerichtlichen Klage vom
22.11.1994 im Sinne des §12 Abs. 1 Satz 2 VVG verlangen konnte. Bei einer
Rechtsschutzversicherung kann ein Versicherungsnehmer die versprochene Leistung
des Versicherers verlangen, wenn sich die Notwendigkeit einer
Interessenwahrnehmung für ihn so konkret abzeichnet, daß er mit der Entstehung von
Rechtskosten rechnen muß, derentwegen er den Versicherer in Anspruch nehmen will
(OLG Köln Versicherungsrecht 1986, 805; 1991, 295, 296; OLG München
Versicherungsrecht 1986, 805, 806; OLG Schleswig r + s 1998, 158, 159; Harbauer,
Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl., §18 Rn. 3 m.w.N.). Daß der Versicherungsnehmer
nach Eintritt des Versicherungsfalles beim Versicherer tatsächlich um
Versicherungsschutz nachsucht, ist nicht erforderlich.
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Die vom Kläger zitierte Meinung, wonach Verjährungsbeginn frühestens mit dem
Deckungsschutzverlangen des Versicherungsnehmers beim Versicherer eintreten soll,
findet weder im Gesetz noch in den vereinbarten AVB eine Stütze. §12 Abs. 1 VVG
nennt als den den Verjährungsbeginn auslösenden Tatbestand das "Verlangenkönnen"
der versprochenen Leistung, was begrifflich nicht zwingend das tatsächliche Verlangen
voraussetzt. §11 VVG, der für den Fall von Geldleistungen des Versicherers an die
Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung
des Versicherers nötigen Erhebungen anknüpft, ist nicht einschlägig, weil er nur auf
Zahlungsansprüche und deshalb nach allgemeiner Auffassung nicht auf Ansprüche, die
auf Sorgeleistung und Kostenbefreiung gemäß §1 Abs. 1 ARB gerichtet sind,
anwendbar ist (Römer in Römer/Langheid, VVG, §11 VVG Rn. 2 u. 27). Die ARB 75
enthalten zur Verjährung des Sorgeleistungsanspruchs keine gesonderte Regelung.
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Auch der BGH sieht die Meldung des Versicherungsfalls beim Versicherer nicht stets als
zwingendes Erfordernis für den Verjährungsbeginn an. Für die Haftpflichtversicherung
(Rechtsschutz- und Befreiungsanspruch) ist anerkannt, daß die Verjährung des
einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs bereits mit dem Schluß des Jahres
beginnt, in dem gegen den Versicherten Haftpflichtansprüche ernsthaft und
unmißverständlich geltend gemacht werden. Von diesem Zeitpunkt an kann die
Leistung des Versicherers nach §12 Abs. 1 Satz 2 VVG verlangt werden, und zwar
unabhängig davon, ob der Versicherte den Versicherungsfall dem Versicherer
angezeigt hat (BGH VersR 1971, 332).
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Da der einheitliche Deckungsanspruch der Haftplichtversicherung auch Rechtsschutz -
wenn auch nur für Passivprozesse - umfaßt, sieht der Senat keine durchgreifenden
Bedenken, auch für die Rechtschutzversicherung den Verjährungsbeginn nicht von der
Anzeige des Versicherungsfalls beim Versicherer abhängig zu machen.
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Nach der Rechtsprechung des Senats (r + s 1996, 359) hat die hier eingetretenen
Verjährung des Anspruchs auf Versicherungsschutz zur Folge, daß die Beklagte auch
die Befreiung von Kostenverbindlichkeiten verweigern kann, die nach dem Eintritt der
Verjährung des Versicherungsschutzanspruchs fällig und klagbar geworden sind.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§97 Abs. 1 und 2, 708 Nr. 10, 711 und 713
ZPO.
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Da die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zutreffend waren, konnte die
Berufung nur auf Grund der erstmals im zweiten Rechtszug erhobenen
Verjährungseinrede Erfolg haben.
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Die Beschwer des Klägers beträgt 50.000,00 DM.
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