Urteil des OLG Hamm vom 16.04.1999

OLG Hamm (kläger, laube, höhe, kündigung, vvg, garten, abbruchkosten, mehrwertsteuer, berechtigung, zeuge)

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 222/98
Datum:
16.04.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 222/98
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 15 O 359/97
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. September 1998
verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landge-richts Münster
abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.237,00 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 24.04.1997 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung
zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 3/4 der Beklagte und zu 1/4 der
Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
1
Der Kläger nimmt den Beklagten aus einer Feuerversicherung
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- vereinbart sind die AFB 87 - auf Entschädigungsleistung
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seiner versicherten Gartenlaube in Anspruch, die am 06.09.1996 total abgebrannt ist.
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Der Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Mit der näher dargelegten Behauptung,
die Laube sei mit Wissen und Wollen des Klägers in Brand gesetzt worden, beruft er
sich auf Leistungsfreiheit nach § 61 VVG. Darüber hinaus wendet er sich gegen die
Anspruchshöhe von 24.000,00 DM.
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Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die
hiergegen gerichtete zulässige Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg. Der
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Beklagte ist ihm gemäß §§ 1, 49 VVG; 1 Nr. 1 a, 3 Nr. 3 a AFB 87 zur Entschädigung
des Brandschadens in Höhe von 18.237,00 DM verpflichtet. Im übrigen sind Klage und
Berufung unbegründet.
1.
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Der Beklagte ist nicht nach § 61 VVG leistungsfrei geworden. Ihm und dem Landgericht
ist zwar zuzugeben, daß ein nicht unerheblicher Verdacht dahingehend besteht, daß die
Inbrandsetzung des versicherten Gartenhauses mit Wissen und Wollen des Klägers
erfolgt ist. Dieser Verdacht reicht aber nicht aus, um den dem Beklagten obliegenden
Vollbeweis einer vorsätzlichen Eigenbrandstiftung des Klägers als geführt anzusehen.
Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen ist der Senat nicht mit
der erforderlichen Sicherheit von einer Tatbeteiligung des Klägers überzeugt.
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Ungewöhnlich ist sicherlich, daß der Kläger sich noch nach Erhalt der fristlosen
Kündigung des Kleingarten-Pachtvertrages durch die W e.V. und der sich
anschließenden Räumungsklage zum Abschluß eines Feuerversicherungsvertrages
entschlossen hat. Nicht völlig unplausibel ist jedoch seine Erklärung, er sei - beraten
durch seinen Anwalt C2, der sich ausweislich seiner Schriftsätze im Räumungsprozeß
von der Berechtigung der dortigen Rechtsverteidigung des Klägers voll überzeugt zeigte
und dies auch in seiner keineswegs zurückhaltenden Diktion deutlich zum Ausdruck
brachte - davon ausgegangen, daß die Kündigung vor Gericht keinen Bestand haben
werde; deshalb habe er das ihm überraschend gemachte günstige Angebot des
Beklagten zum Vertragsabschluß angenommen.
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Daß der Kläger sog. Brandreden gehalten hat, läßt sich nicht nachweisen. Der vom
Landgericht gehörte Zeuge U hat eine entsprechende Äußerung des Klägers nicht
bestätigt; lediglich ein Gartenpächter namens C soll sinngemäß gesagt haben: "Die
Laube werdet ihr nicht kriegen, eher fackelt er die Laube ab." Selbst wenn diese
Äußerung zutreffen sollte, besagt sie zum Nachteil des Klägers nicht. Abgesehen davon
hat der Zeuge C bereits gegenüber der Polizei bestritten, sich in dieser Art und Weise
gegenüber dem Vereinsvorsitzenden U geäußert zu haben.
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Auch ein wirtschaftliches Motiv des Klägers zum Abbrennen seiner Laube ist nicht -
jedenfalls nicht in bedeutendem Umfang - ersichtlich. Im Laufe des Rechtsstreites ist
unstreitig geworden, daß der Kläger selbst bei unterstellter Wirksamkeit der
außerordentlichen Kündigung des Pachtverhältnisses eine Entschädigung für den
Verlust seiner Laube, die gegen Meistgebot auf einen Nachfolger übergegangen wäre,
erhalten hätte. Nur für den Fall, daß der Kläger mit Ablauf des Pachtjahres zum
31.12.1996 keinen Nachfolger gefunden hätte, wären 20 % des sodann vom
geschäftsführenden Vorstand des Kleingartenvereins mit einem Nachfolger
auszuhandelnden Abstandsgeldes an die Vereinskasse geflossen (vgl. Nr. 20.2 der
Gartenordnung der W e.V.).
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Schließlich mag der Senat auch einen Racheakt eines mißgünstigen Zeitgenossen - am
ehesten aus dem Kreis der Garten-
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freunde - nicht ausschließen können. Daß der Kläger im Kleingärtnermilieu nicht gut
gelitten war, ergibt sich hinreichend deutlich aus den die Räumungsklage betreffenden
Beiakten.
13
2.
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Der Höhe ist der Entschädigungsanspruch jedoch nur im ausgeurteilten Umfang
gerechtfertigt. Der Senat hat die Neuwertentschädigung hinsichtlich der verbrannten
Laube auf 14.237,00 DM und die mitversicherten Abräum- und Abbruchkosten auf
mindestens 4.000,00 DM geschätzt (§ 287 ZPO).
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a)
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Das vom Beklagten eingeholte Gutachten des Sachverständigen N vom 11.11.1996
geht nachvollziehbar davon aus, daß für die Errichtung der versicherten Laube durch
Fachkräfte maximal 100 Arbeitsstunden erforderlich waren. Bei Zugrundelegung eines
Stundenlohns von 75,00 DM ergeben sich danach Herstellungs-/Lohnkosten von
7.500,00 DM. Soweit der Sachverständige zum Nachteil des Klägers berücksichtigt hat,
daß die Laube seinerzeit in Eigenleistung errichtet worden ist, und deshalb nur einen
Stundensatz von 20,00 DM in Ansatz gebracht hat, ist das verfehlt. Der
Versicherungswert im Sinne des § 5 AFB 87 ist objektiv danach zu bestimmen, welche
handwerklichen Leistungen zur Errichtung des Bauwerks angefallen sind. Soweit der
Versicherungsnehmer Eigenleistungen erbracht hat, die qualitativ
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denen eines Fachbetriebes entsprechen, sind die Herstellungskosten nach den objektiv
gerechtfertigten Lohnkosten eines Fachbetriebes zu bestimmen.
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Hinzu kommt der vom Kläger selbst angegebene Materialaufwand von 4.880,00 DM.
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Addiert man dazu die Mehrwertsteuer in Höhe von 15 % (= 1.857,00 DM), ergibt sich ein
Neuwertschaden von 14.237,00 DM.
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Der mit der Berufungserwiderung geltend gemachte Entschädigungsabzug von 20 % ist
unbegründet. Zum allein maßgeblichen Zeitpunkt des Brandes stand keineswegs sicher
fest, daß der Kläger den Garten räumen mußte, geschweige denn, daß er im Hinblick
auf Nr. 20.2 der Gartenordnung ein Abstandsgeld von 20 % in die Kasse seines
Kleingartenvereins zu zahlen haben würde. Abgesehen davon würde die Berechtigung
eines derartigen Abstandsgeldes seinen Entschädigungsanspruch ohnehin nicht
mindern.
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Der Kläger kann auch die Neuwertentschädigung (§ 11 Nr. 5 a
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AFB 87) verlangen, weil er die Neuerrichtung eines vergleich-
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baren Gartenhauses in der Kleingartenanlage X e.V. hinreichend substantiiert dargetan
hat.
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b)
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Aufräum- und Abbruchkosten schuldet der Beklagte in Höhe der maximal versicherten
Summe von 4.000,00 DM.
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Der Sachverständige N hat insoweit Sachkosten (Container-gestellung und
Kippgebühren) von 1.480,00 DM ermittelt. Hinzu kommen Lohnkosten für 60
Arbeitsstunden, die der Sachverständige für erforderlich gehalten hat, und die bei einem
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Stundenlohn von lediglich 40,00 DM einen Betrag von 2.400,00 DM ausmachen. Unter
weiterer Berücksichtigung von 15 % Mehrwertsteuer errechnet sich ein notwendiger
Kostenaufwand von 4.462,00 DM.
3.
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Der in Höhe von 4 % seit dem 24.04.1997 geltend gemachte Zinsanspruch ist vom
Beklagten nicht bestritten worden.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
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Die Beschwer keiner Partei übersteigt 60.000,00 DM.
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