Urteil des OLG Hamm vom 09.07.2010

OLG Hamm (zpo, verweigerung der leistung, verjährung, forderung, anwaltskosten, prozess, einrede, zeitpunkt, zahlung, leistung)

Oberlandesgericht Hamm, I-19 U 151/09
Datum:
09.07.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-19 U 151/09
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 016 O 300/08
Schlagworte:
Verjährung, Einrede, Erledigung, erledigendes Ereignis,Kosten,
Billigkeitserwägungen
Normen:
§ 91 a ZPO
Leitsätze:
Erforderliche Billigkeitserwägungen im Rahmen der
Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO, wenn erstmals im Prozess
gegenüber einer bereits vorprozessual verjährten Forderung die Einrede
der Verjährung erhoben wird.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6. November 2009
verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster im
Kostenpunkt abgeändert.
Die (erstinstanzlichen) Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 83 % und
die Klägerin zu 17 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
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I.
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Gemäß § 540 Abs.1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen
Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts Anderes ergibt.
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Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.
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Sie rügt, das Landgericht habe ihren Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen
Rechtsanwaltskosten verkannt. Dieser sei insbesondere nicht gem. § 217 BGB verjährt,
denn bei den hier geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten handele es sich nicht
um eine Nebenleistung i.S.v. § 217 BGB.
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Zudem habe das Landgericht der Klägerin nicht im Rahmen der Kostenentscheidung
nach § 91a ZPO die Kosten hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils
auferlegen dürfen. Das erledigende Ereignis sei hier die Erhebung der
Verjährungseinrede. Nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der
Einredeerhebung sei die Klage zulässig und begründet gewesen, so dass die Kosten
bezüglich des für erledigt erklärten Teils dem Beklagten hätten auferlegt werden
müssen.
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Die Klägerin beantragt,
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abändernd den Beklagten zur Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten i.H.v.
603,93 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
29.05.2009 zu verurteilen, sowie ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches
Vorbringen.
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II.
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Die zulässige Berufung ist zur nunmehr als Hauptsache weiterverfolgten Forderung auf
vorgerichtliche Anwaltskosten unbegründet, allerdings begründet, soweit sie sich gegen
die Kostenentscheidung richtet
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A.
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Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer
vorgerichtlichen Anwaltskosten von 603,93 € nach den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB
verneint.
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1. Die Klägerin hat einen Anspruch, der Bestand hätte, aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2,
286 BGB nicht schlüssig gemacht.
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Etwaige Zahlungsansprüche der Klägerin aus den Lieferungen vom 17.07.2003 und
24.07.2003 sind verjährt. Die Verjährungsfrist des § 195 BGB begann gemäß § 199 Abs.
1 BGB am 31.12.2003 und endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB am 31.12.2006. Dass auch
in den Jahren 2004 bis 2006 Verhandlungen über die Zahlungsansprüche stattgefunden
hätten, die eine Hemmung der Verjährung zur Folge haben könnten, hat die insoweit
darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nur pauschal behauptet, auf das Bestreiten
des Beklagten jedoch nicht weiter substantiiert. Mit bei Gericht am 24.06.2009
eingegangenem Klageerwiderungsschriftsatz hat der Beklagte die Verjährungseinrede
erhoben. Ein Zahlungsverzug des Beklagten ist auch nicht deswegen zu bejahen, weil
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er die Verjährungseinrede erst im Prozess erhoben hat, denn dies wirkte materiell-
rechtlich auf den Zeitpunkt des Verjährungseintritts zurück, wie der Bundesgerichtshof
nunmehr entschieden hat (BGH MDR 2010, 650 = juris BGH VIII ZR 58/09 Urt. v.
27.1.2010
Einen Zahlungsanspruch aus einem Kontokorrentverhältnis, der etwas anderes ergeben
könnte, hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Sie hat
lediglich behauptet, zwischen den Parteien habe ein Kontokorrentverhältnis bestanden,
dass erst im Jahr 2008 abgerechnet worden sei. Nach dem Bestreiten durch den
Beklagten hat die Klägerin nicht dargelegt, wann eine derartige Kontokorrentabrede
getroffen worden sein soll. Dass das Landgericht einen Anspruch aus einem
Kontokorrentverhältnis verneint hat, greift die Klägerin mit der Berufung auch nicht
weiter an.
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2. Zudem ist ein etwaiger Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB mit Ablauf des
31.12.2006 seinerseits verjährt und nicht mehr durchsetzbar.
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Gemäß § 217 BGB verjähren spätestens mit dem Hauptanspruch auch die Ansprüche
auf die von diesem abhängigen Nebenleistungen. § 217 BGB erfasst, anders als von
der Klägerin vertreten, gerade auch Ansprüche auf Kostenerstattung (Palandt/Heinrichs,
BGB, 69. A., § 217 Rn. 1).
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B.
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Die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist umzukehren.
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1. Soweit die Forderung auf vorgerichtliche Anwaltskosten zu Recht abgewiesen
worden ist (s.o.), fielen diese als erstinstanzliche Nebenforderung kostenmäßig nicht ins
Gewicht (§ 4 Abs. 1 2. Hs. ZPO), so dass das keine Kostenbelastung der Klägerin
rechtfertigte.
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2. Bezüglich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits
(Hauptforderung i.H.v. 6.915,26 € nebst Zinsen) hat das Landgericht die Kosten nach
§ 91 a ZPO zu Unrecht der Klägerin auferlegt, sie muss der Beklagte tragen.
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Nach § 91a ZPO hat das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Bei seiner
Entscheidung ist es an die allgemeinen Regeln des Kostenrechts gebunden, d.h. nach
billigem Ermessen hat derjenige die Kosten zu tragen, dem sie bei Fortführung des
Verfahrens nach §§ 91-97, 100, 101 ZPO hätten auferlegt werden müssen.
Grundsätzlich trifft danach die Partei die Kostenlast insgesamt oder anteilig, die ohne
Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich ganz oder teilweise unterlegen
wäre (BGH NJW 1982, 1598).
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Bei Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes ist die Erhebung der Verjährungseinrede gedanklich
auszublenden, weil sie hier ein erledigendes Ereignis darstellt.
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a) Nach bisherigem Sach- und Streitstand war die Sache nicht anderweitig
entscheidungsreif - für jenen Fall stellt sich die Streitfrage, ob die Erhebung der
Verjährungseinrede ein erledigender Umstand ist, von vornherein nicht, denn wenn die
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Klage schon aus anderen Gründen vor Erhebung der Einrede unzulässig oder
unbegründet war, konnte sie den Rechtsstreit nicht erledigen.
Die Klage war aber zulässig. In der Sache bestand unstreitig ein Kaufpreisanspruch der
Klägerin, dem gegenüber sich der Beklagte nur unsubstantiiert und somit unerheblich
auf angeblich mindere Qualität der gelieferten Sauen berufen und das auch nicht unter
Beweis gestellt hat. Die Klage war vor Erhebung der Verjährungseinrede folglich
zulässig und begründet.
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Es war auch keine Verjährungseinrede bereits vorprozessual erhoben - was
gegebenenfalls ebenso dazu geführt hätte, dass die Klage von Anfang an unbegründet
gewesen wäre. Der Beklagte hat jedoch nicht mit Schreiben an die Klägerin vom
08.08.2007 (Bl. 16 d.A.) die Einrede der Verjährung erhoben. Ausdrücklich ist das nicht
geschehen. Die Verjährungseinrede zwar nicht ausdrücklich erhoben werden. Es kann
genügen, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Leistung aufgrund Zeitablaufs
seit Entstehen der Forderung verweigert wird (Beck’scher Online-Kommentar/Henrich,
BGB, Stand: 01.02.2010, § 214 Rn. 1; Münchener Kommentar/Grothe, BGB, § 214 Rn.
4). Dies lässt allerdings die Äußerung des Beklagten – er verstehe nicht, warum die
Klägerin jetzt noch Geld von ihm verlange und das Thema sei schon lange erledigt
gewesen – nicht erkennen, denn an diese Äußerung anschließend berühmt sich der
Beklagte eigener Schadensersatzansprüche und signalisiert Gesprächsbereitschaft.
Auch die Begleitumstände sprechen dagegen, die Erklärung des Beklagten als
Verweigerung der Leistung wegen Zeitablaufs und damit als Verjährungseinrede
auszulegen. Mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 47 d.A.) wandte sich der Beklagte an
die Firma D, die von der Klägerin mit der Einziehung der streitgegenständlichen
Forderung betraut war. Dieser gegenüber berief sich der Beklagte gar nicht auf
Zeitablauf, sondern machte allein Mängelrechte geltend. Zudem bezeichnet er sein an
die Klägerin gerichtetes Schreiben als "Vergleichsvorschlag". Für einen solchen wäre
jedoch gerade kein Raum, wenn er die Zahlung wegen Zeitablaufs hätte verweigern
wollen.
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b) Vielmehr ist die Forderung der Klägerin vorprozessual verjährt (s.o.) und der Beklagte
hat die Einrede erst im Prozess erhoben. Diese Verjährungseinrede ist ein erledigendes
Ereignis, wie der Bundesgerichtshof nunmehr begründet und entschieden hat (MDR
2010, 650). Der erkennende Senat teilt diese, schon vorher von ihm vertretene,
Auffassung, wie im Termin erörtert. Auf die Gründe wird verwiesen.
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Nach dem Sach- und Streitstand bis zur Erledigung wären dem Beklagten die Kosten
der erfolgreichen Klage aufzuerlegen gewesen.
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3. Nach § 91 a ZPO anzustellende Billigkeitserwägungen ändern daran hier nichts.
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Ein Grund, alleine dem Anspruchsteller schon aus Billigkeitsgesichtspunkten die Kosten
aufzuerlegen, kann dann gegeben sein, wenn der Anspruchsteller einen bereits
verjährten Anspruch rechtshängig macht, ohne dass der Anspruchsgegner überhaupt
Gelegenheit hatte, die Verjährung zu prüfen und bereits vorprozessual geltend zu
machen (OLG Frankfurt, B. v. 08.02.2002, Az. 6 W 9/02, OLGR Frankfurt 2002, 183 f. =
MDR 2002, 778 f). So liegt der Fall jedoch nicht. Mit Schreiben vom 05.07.2007 wurde
der Beklagte von der Firma D zur Tilgung der hier streitgegenständlichen Forderung
aufgefordert. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren die Zahlungsansprüche verjährt (s.o.),
so dass der Beklagte sich fortan auf Verjährung hätte berufen können. Mit
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Anwaltsschreiben vom 22.04.2008 wurde der Beklagte erneut zur Zahlung aufgefordert.
Auch daraufhin berief er sich nicht auf Verjährung; unstreitig auch nicht im
anschließenden Telefonat mit dem Anwalt der Klägerin (Bl. 11 d.A.). Danach hatte der
Beklagte genug Gelegenheit, sich auch vorprozessual auf Verjährung zu berufen. Diese
Gelegenheit ließ er ungenutzt verstreichen. Daher ist es nicht schon deshalb unbillig,
dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, weil dieser keine Gelegenheit zur
vorprozessualen Geltendmachung der Verjährungseinrede gehabt hätte. Dass der
Beklagte bis zum Erlass des Mahnbescheids wohl noch nicht anwaltlich vertreten war,
vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Für die Erhebung der
Verjährungseinrede ist es schon ausreichend, wenn der Anspruchsgegner die Erfüllung
des Anspruchs unter Hinweis auf den Zeitablauf verweigert. Eine solche Erklärung kann
auch von einem Laien erwartet werden; zudem ist der Beklagte Geschäftsmann und
konnte sich abgesehen davon anwaltlichen Rat suchen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO, dass
derjenige, der ohne Anlass vor Gericht geht, die Kosten zu tragen hat. Hier ist die
Klägerin gerade nicht ohne Anlass vor Gericht gegangen. Da der Beklagte sich
vorprozessual nicht auf Verjährung berief, sondern sogar gesprächs- und
vergleichsbereit zeigte, durfte die Klägerin davon ausgehen, er werde dies auch im
Prozess nicht tun. Beruft der Anspruchsgegner sich vorprozessual gerade nicht auf
Verjährung, darf der Anspruchsteller dieses Verhalten auch dahin verstehen, dass auch
dem Anspruchsgegner an einer sachlichen Überprüfung der geltend gemachten
Ansprüche - auch seiner etwaigen Gegenansprüche - gelegen ist. Beruft der
Anspruchsgegner sich zunächst auf andere Gegenrechte – wie hier pauschal auf
Mängel der gelieferten Sauen – und lädt so den Anspruchsteller gleichsam zur
Klageerhebung ein, erscheint es nicht unbillig, den Anspruchsgegner mit den Kosten zu
belasten, wenn er erst im Prozess die Verjährungseinrede erfolgreich erhebt.
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III.
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Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf
den §§ 91, 91 a, 92 Abs.1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Rechtsmittelgegenstand nach der
erstinstanzlichen Abweisung sind der mit der Berufung als Hauptforderung verfolgte
Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten (Zöller/Herget, ZPO, 27. A., § 3 ZPO Rz. 16)
sowie die Kostenentscheidung des Landgerichts (Zöller, a.a.O., § 99 Rz. 7). Da das
Rechtsmittel nur zu Letzterem Erfolg hat, waren die Kosten des Berufungsverfahrens zu
quoteln.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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