Urteil des OLG Hamm vom 07.11.1984

OLG Hamm (zpo, ehefrau, höhe, pfändung, einkommen, forderung, billigkeit, nettoeinkommen, einziehung, tochter)

Oberlandesgericht Hamm, 6 UF 442/84
Datum:
07.11.1984
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 UF 442/84
Vorinstanz:
Amtsgericht Detmold, 8 C 1103/83
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. Januar 1984 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Detmold abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800,-- DM (achthundert
Deutsche Mark) zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist seit 1970 Inhaberin einer rechtskräftig festgestellten Forderung in Höhe
von 1.772,02 DM nebst Zinsen und Kosten gegen Frau xxx, die jetzige Ehefrau des
Beklagten. Frau xxx hat früher als Frau xxx selbständig einen Baustoffhandel betrieben.
Beträge auf die Schuld sind bisher nicht gezahlt worden, auch die Zwangsvollstreckung
gegen Frau xxx ist ergebnislos verlaufen. Frau xxx ist nicht berufstätig. Ihr Ehemann, der
Beklagte, ist Prokurist einer Maschinenfabrik und hat nach eigenen Angaben ein
monatliches Nettoeinkommen von rund 4.000,-- DM. Nach dem überreichten
Steuerbescheid für 1982 liegt es höher.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten als Drittschuldner den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluß vom 20. Juli 1983 erwirkt, dem Beklagten zugestellt am 25. Juli
1983. Gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurde "der Unterhaltsanspruch
einschließlich Taschengeldanspruch gemäß §§ 1360 a ff BGB unter Bezugnahme auf
die Tabelle zu § 850 c ZPO...".
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Mit Mahnbescheid vom 1. Oktober 1983 hat die Klägerin den Anspruch auf das
gepfändete Taschengeld der Ehefrau für August/September 1983 in Höhe von je 200,--
DM geltend gemacht.
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Sie hat vorgetragen, die Pfändung entspreche der Billigkeit. Der Anspruch auf
Taschengeld der Ehefrau betrage mindestens 5 % des Nettoeinkommens des
Beklagten. Der Beklagte lebe mit seiner Frau in gehobenen wirtschaftlichen
Verhältnissen, der Unterhaltsanspruch der Ehefrau dürfte allein bei etwa 1.700,-- DM
liegen. Eine etwaige Gütertrennung berühre den Taschengeldanspruch in keiner Weise.
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Die Klägerin hat - unter Erweiterung ihres ursprünglichen Antrags - beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 800,-- DM zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat vorgetragen, der Anspruch sei gemäß § 851 ZPO unpfändbar. Im übrigen sei zu
berücksichtigen, daß er für sein Haus monatlich 1.000,-- DM abzahle und an eine
Tochter aus erster Ehe monatlich 350,-- DM leiste. Außerdem habe seine Frau den
Anspruch an ihn abgetreten, weil er für sie Schulden aus früherer Zeit getilgt habe. Sie
habe auch noch vor Erlaß des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf ihren
Taschengeldanspruch verzichtet.
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Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen und zur
Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Pfändung entspreche nicht der Billigkeit,
weil es sich um eine voreheliche Verbindlichkeit der Ehefrau des Beklagten handelt.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag,
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den Beklagten zu Zahlung von 800,-- DM zu verurteilen.
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Sie wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz und hält die Ausführungen des Amtsgerichts
zur Frage der Billigkeit für verfehlt. Es sei vielmehr unbillig, daß sie, die Klägerin, seit
1970 auf die Befriedigung ihrer Forderung warte. Bei einer Pfändung der in Rede
stehenden Beträge könne nicht von einer unbilligen Schmälerung des
Familieneinkommens die Rede sein.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
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Entscheidungsgründe:
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Der Familiensenat des Oberlandesgerichts ist zuständig, weil das Amtsgericht in einer
Familiensache entschieden hat. Eine Familiensache liegt vor, weil der Rechtsstreit die
durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht (§ 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 GVG)
betrifft. Der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts steht auch nicht
entgegen, daß anstelle des Familiengerichts die Zivilabteilung des Amtsgerichts in
erster Instanz entschieden hat. Denn das Oberlandesgericht ist zweite Instanz in allen
Familiensachen, unabhängig davon, ob das erste Urteil vom Familiengericht oder vom
Zivilgericht stammt. Schließlich ist der Senat auch durch die Verweisung der
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Zivilkammer des Landgerichts gemäß § 281 ZPO zuständig geworden.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist erfolgreich und führt zur antragsgemäßen
Verurteilung des Beklagten.
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Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist im vorliegenden Verfahren die Frage, ob
der Taschengeldanspruch eines Ehegatten als solcher gemäß § 850b Abs. I Nr. 2 Abs. II
ZPO bedingt pfändbar oder nach § 851 ZPO unpfändbar ist, nicht zu prüfen.
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Nach Auffassung des erkennenden Senats hat vielmehr das Gericht im
Drittschuldnerprozeß die Frage der Pfändbarkeit überhaupt nicht zu entscheiden,
sondern ist verpflichtet, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß als verbindlich zu
betrachten, bis er in dem dafür vorgesehenen Verfahren aufgehoben ist (so auch der 5.
Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm in FamRZ 1978, Seite 602,
Oberlandesgericht München in FamRZ 1981, Seite 449, Palandt-Diederichsen, 43.
Aufl., § 1360 a Anm. 1 a.E.). Denn ob die Ansprüche eines Schuldners pfändbar sind, ist
im Zwangsvollstreckungsverfahren zu entscheiden, das der Gläubiger aufgrund des von
ihm erwirkten Titels gegen den Schuldner (hier die Ehefrau) betreibt. Insoweit sind auch
besondere vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe vorgesehen. Die Prüfung der
Rechtmäßigkeit der Vollstreckung ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens. Im gegebenen Fall steht lediglich die Feststellung der von der Gläubigerin
des gepfändeten vermeintlichen Forderung der Schuldnerin - und zwar ihr
Taschengeldanspruch - gegen ihren Ehemann in Rede.
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Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß
nichtig wäre. Gründe hierfür sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
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Der Senat hat folglich davon auszugehen, daß aufgrund des Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses vom 20. Juli 1983 die Klägerin Inhaberin des der Ehefrau
des Beklagten gegen diesen zustehenden angeblichen Taschengeldanspruchs in Höhe
des eingeklagten Betrages geworden ist (§§ 1360, 1360 a BGB, §§ 829 Abs. III, 835
Abs. I, III Satz 1 ZPO). Denn gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden ist "der
Unterhaltsanspruch einschließlich Taschengeldanspruch gemäß § 1360 a ff BGB unter
Bezugnahme auf die Tabelle zu § 850 c ZPO...".
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Ein Anspruch zumindest in dieser Höhe steht der Ehefrau des Beklagten gegen diesen
zu. Dem Grunde nach folgt er aus § 1360, § 1360 a BGB und ist nicht abhängig von den
im Haushalt erbrachten Arbeitsleistungen. Er soll als Barbetrag für den
Anspruchsberechtigten frei verfügbar sein und zur Befriedigung höchstpersönlicher
Bedürfnisse dienen (vgl. RGZ 97, Seite 289).
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Die Höhe des Taschengeldes bestimmt sich nach den Einkommens- und
Lebensverhältnissen sowie die dem allgemeinen Lebenszuschnitt der Ehegatten. Im
allgemeinen gehen Literatur und Rechtsprechung von einem Regelsatz in Höhe von 5 -
7% des Nettoeinkommens des Zahlungspflichtigen aus (vgl. Palandt a.a.O. m.w.N. so
wie die Anmerkung von Ackermann in FamRZ 1983, Seite 520).
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Im vorliegenden Verfahren ist zwischen den Parteien in erster Instanz ein monatliches
Nettoeinkommen des Drittschuldners in Höhe von 4.000,-- DM unstreitig geworden.
Soweit der Beklagte in zweiter Instanz nunmehr ein niedrigeres Einkommen geltend
macht, ist sein Vortrag nicht schlüssig. In dem von ihm überreichten Steuerbescheid von
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1982 ist das Einkommen im Ergebnis nur deshalb niedriger, weil das versteuerte
Einkommen nach Abzug von Steuern und abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen durch
die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beeinflußt wird.
Unterhaltsrechtlich kann indessen auf solch eine Berechnungsmethode nicht abgestellt
werden. Bleiben demnach diese Positionen unberücksichtigt, liegt das
Jahreseinkommen des Beklagten um 20.886,-- DM oder monatlich 1.740,50 DM höher.
Das hat zur Folge, daß sein monatliches Nettoeinkommen über 5.000,-- DM anzusetzen
wäre.
Ebensowenig kann sich der beklagte darauf berufen, daß er für sein Hausgrundstück
monatlich 1.000,-- DM aufzuwenden hat. Diese Belastungen ersetzen sie sonst üblichen
Mietaufwendungen, die zur Lebenshaltung gehören. Auch der für eine Tochter aus
erster Ehe gezahlte Unterhalt ist im vorliegenden Verfahren rechtlich unerheblich.
Schließlich kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg einwenden, seine Ehefrau habe den
Taschengeldanspruch abgetreten bzw. auf einen solchen verzichtet, weil hierfür
annähernd substantiierter Sachvortrag fehlt.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 ZPO, § 708 Ziff. 10 ZPO.
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