Urteil des OLG Hamm vom 26.03.2010

OLG Hamm (kläger, treu und glauben, konto, agb, anlage, genehmigung, verhalten, höhe, bezug, grund)

Oberlandesgericht Hamm, 34 U 7/09
Datum:
26.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
34. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
34 U 7/09
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 14 O 441/08
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 10.12.2008 verkündete Urteil
der Einzel¬richterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird
zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung sowie die Kosten der Streithelfer der Beklagten
zu 9) (Z1 GmbH) und 12) (E2 E GmbH) werden dem Kläger aufer¬legt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden,
sofern nicht die Beklagte oder ihre Streithelferinnen vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu voll-
streckenden Be¬trages leisten.
Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000,-- Euro.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung von Lastschriften in Anspruch. Die
Parteien streiten darüber, ob der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter Lastschriften,
mit denen das Konto der Insolvenzschuldnerin vor Stellung des Insolvenzantrages
belastet wurde, widerrufen konnte und durfte.
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Die Beklagte führte bei ihrer Filiale in N3 das Geschäftskonto (Konto-Nr.: #########)
der N4 N GmbH & Co. KG, der Insolvenzschuldnerin. Diese hatte das Konto Ende 2006
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eröffnet. Wegen der Einzelheiten der Geschäftsbeziehung wird auf das als Anlage B 1
zur Klageerwiderung vom 05.06.2008 in Kopie zu den Akten gereichte Schreiben der
Beklagten vom 08.11.2006 zur Kontoeröffnung sowie die als Anlage B 2 zur
Klageerwiderung vom 05.06.2008 in Kopie zu den Akten gereichten
Geschäftsbedingungen der Beklagten (im weiteren: AGB-Banken) Bezug genommen.
Die Insolvenzschuldnerin stellte am 04.09.2007 den Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des Amtsgerichts Münster vom selben Tag (Az.: 78
IN 76/07) wurden Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21, 22 InsO angeordnet und der
Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt.
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Mit Schreiben vom 05.09.2007 unterrichtete der Kläger die Beklagte über die Anordnung
des vorläufigen Insolvenzverfahrens und widersprach ihr gegenüber allen seit dem
01.06.2007 ausgeführten Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren auf dem
Konto der Insolvenzschuldnerin.
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Das Geschäftskonto war in dem vorangegangenen Zeitraum aufgrund zahlreicher
Lastschriften zugunsten diverser Gläubiger belastet worden. Hierzu gehörten auch
17 Einzelbuchungen, und zwar auch zugunsten der Streithelferinnen, in der Zeit
zwischen dem 29.06. und dem 24.07.2007 über insgesamt 23.109,40 Euro. Wegen der
Einzelheiten dieser Einzelbuchungen wird auf deren Auflistung auf Seite 2/3 der
Klageschrift vom 08.02.2008 sowie auf Seite 5 der Berufungserwiderung vom
07.04.2009 Bezug genommen. Den Lastschriften lagen jeweils fällige Verbindlichkeiten
der Schuldnerin zugrunde. Diese hatte die jeweiligen Gläubiger ermächtigt, ihre
Forderungen mittels Lastschrift einzuziehen.
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Die Schuldnerin nahm auch nach diesen einzelnen Lastschriften eine Reihe von
Verfügungen zu Lasten des Geschäftskontos mittels Überweisung und Scheck vor, und
zwar zuletzt am 03.09.2007 i.H.v. von insgesamt knapp 90.000,00 Euro. Wegen der
Einzelheiten dieser Verfügungen wird auf die Auflistung auf Seite 55 des
erstinstanzlichen Schriftsatzes der Beklagten vom 02.12.2008 sowie die als Anlage B6
zum vorgenannten Schriftsatz auszugsweise zu den Akten gereichten Kontoauszüge für
die Zeit vom 05.07. bis zum 03.09.2007 Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie der erstinstanzlich gestellten
Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Münster
vom 10.12.2008 verwiesen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:
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Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auszahlung der streitigen
Lastschriften, da der erfolgte Widerruf unwirksam sei.
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Die Beklagte habe gegen den Kläger wegen rechtsmissbräuchlichen Widerrufs einen
Anspruch aus § 826 BGB in gleicher Höhe. Den Lastschriftabbuchungen hätten fällige
Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin zugrunde gelegen. Den Gläubigern habe
die Insolvenzschuldnerin wirksame Einzugsermächtigungen erteilt.
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Etwas anderes ergäbe sich nicht daraus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die
Lastschriftabbuchungen widerrufen habe. Die Regelung des § 826 BGB gelte
uneingeschränkt auch für diesen. Es sei kein Grund ersichtlich, warum dem vorläufigen
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Insolvenzverwalter mehr oder andere Rechte als dem Insolvenzschuldner zustehen
sollten. Vielmehr trete er nach der Insolvenz in die "Fußstapfen" des Schuldners, der
seinerseits nicht berechtigt sei, einer im Einzugsverfahren erfolgten Lastschrift zu
widersprechen, wenn eine sachlich-rechtliche Einwendung gegen die
Gläubigerforderung nicht vorliege.
Aus diesem Grunde könne dahinstehen, ob die Lastschriftabbuchungen nicht auch
bereits konkludent genehmigt worden seien.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung unter Wiederholung und
Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:
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Es werde die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Das Landgericht Münster habe sich
der Auffassung des XI. Zivilsenates des BGH angeschlossen, wonach der pauschale
Lastschriftwiderruf des Insolvenzverwalters unzulässig sei, wenn eine sachlich-
rechtliche Einwendung gegen die Gläubigerforderung nicht vorliege. Er (der Kläger)
habe jedoch die streitgegenständlichen Abbuchungen vom Konto der
Insolvenzschuldnerin wirksam widerrufen. Denn nach der die Genehmigungstheorie des
Bankensenates konsequent fortsetzenden Ansicht des IX. Zivilsenates des BGH habe
der vorläufige Insolvenzverwalter das Recht, nicht genehmigte Lastschriften zu
widerrufen. Dies entspreche dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz.
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Im Übrigen habe die Insolvenzschuldnerin die streitgegenständlichen
Lastschriftabbuchungen nicht (konkludent) genehmigt. Das "Weiterbenutzen" des
Kontos stelle keine konkludente Genehmigung der zuvor getätigten Lastschriften dar.
Insbesondere aufgrund von Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken seien an die Annahme einer
konkludenten Genehmigung von Lastschriften im Einziehungsermächtigungsverfahren
erhöhte Anforderungen zu stellen.
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Der Kläger beantragt deshalb,
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unter Abänderung des am 10.12.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts
Münster zum Az.: 14 O 441/08 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.109,40 € nebst
Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2007 zu
zahlen.
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Die Beklagte sowie die Streithelfer beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte führt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens folgendes aus:
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Das Landgericht Münster habe sein Urteil zutreffend entsprechend der Auffassung des
XI. Zivilsenates des BGH damit begründet, dass dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter
nicht das Recht zustehe, Handlungen vorzunehmen, die – würden sie vom Schuldner
selbst vorgenommen – eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB
darstellen würden. Dementsprechend sei der vom Kläger erklärte pauschale
Lastschriftwiderruf unzulässig und vermöge die Klage nicht zu begründen.
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Der Lastschriftwiderruf sei zudem deshalb unwirksam, weil die Schuldnerin sämtliche
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Lastschriftabbuchungen bereits konkludent genehmigt habe. Denn die Schuldnerin
habe nach den streitgegenständlichen Lastschriftabbuchungen zahlreiche
Kontobelastungen vorgenommen, und zwar zuletzt am 03.09.2007 i.H.v. 90.000,0 0 €.
Ein solches Verhalten könne und dürfe das kontoführende Kreditinstitut dahingehend
verstehen, dass der Schuldner die zuvor erfolgten Lastschriftabbuchungen zur Kenntnis
genommen und stillschweigend genehmigt habe.
Die Streithelfer sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten mit Schriftsatz vom
17.04.2009 (Streithelferin zu 12.) und 29.04.2009 (Streithelferin zu 9.) beigetreten,
nachdem diese (auch) ihnen mit der Berufungserwiderung vom 07.04.2009 den Streit
verkündet hatte.
25
II.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der
streitgegenständlichen Belastungsbuchungen zu.
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Hierbei kann dahinstehen, ob ein solcher Anspruch nicht ohnehin lediglich auf
Berichtigung der Buchungen gerichtet sein könnte. Allerdings würde nach – der hier
gem. §§ 115, 116 InsO nahe liegenden - Auflösung des Giroverhältnisses der
ursprüngliche Berichtigungsanspruch tatsächlich als Zahlungsanspruch weiterbestehen
(BGH, Urt. v. 06.06.2000 – XI ZR 258/99, Z 144, 349; OLG Brandenburg, Urt. v.
02.09.2008 – 6 U 123/07, WM 2009, 1792).
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Denn die Beklagte hat zu Recht im Wege des Aufwendungsersatzes das Konto der
Insolvenzschuldnerin mit den streitgegenständlichen Lastschriftbeträgen belastet.
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Diesen Lastschriften konnte der zuvor mit Beschluss des Amtsgerichts Münster vom
04.09.2007 zum vorläufigen ("schwachen") Insolvenzverwalter bestellte Kläger mit dem
an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 05.09.2007 (Anlage B3 zur
Klageerwiderung vom 05.06.2008) nicht (mehr) wirksam widersprechen.
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I. Diese waren nämlich bereits zuvor durch die Schuldnerin genehmigt worden.
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1. Zwar ist eine solche Genehmigung nicht dadurch erfolgt, dass nicht innerhalb von
sechs Wochen nach Rechnungsabschluss Einwendungen gegen die in Rede
stehenden Lastschriften erhoben worden sind, Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken.
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Zum Zeitpunkt des Widerspruchs des Klägers am 05.09.2007 war der für die zwischen
dem 29.06. und dem 24.07.2007 vorgenommenen streitgegenständlichen
Einzelbuchungen maßgebliche Rechnungsabschluss zum Ende des 3. Quartals
(Nr. 7 Abs. 1 AGB-Banken) noch nicht einmal erfolgt. Der laut des von der Beklagten
vorgelegten Schreibens vom 08.11.2006 anlässlich der Kontoeröffnung (Anlage B1 zum
Schriftsatz der Beklagten vom 05.06.2008) vereinbarte monatliche Sammelauszug stellt
insoweit nicht ohne weiteres einen Rechnungsabschluss i.S.d. § 355 Abs. 2 HGB und
damit auch keine – und dies behauptet selbst die Beklagte nicht - von Nr. 7 Abs. 1 AGB-
Banken abweichende Vereinbarung dar.
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Demzufolge kommt es vorliegend auf die Frage, ob die Genehmigungsfiktion des Nr. 7
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Abs. 3 AGB-Banken auch für derart "schwache" vorläufige Insolvenzverwalter wie den
Kläger gilt (so der XI. Zivilsenat wie zuletzt BGH, Urt. v. 10.06.2008 – XI ZR 283/07, ZIP
2008, 1977; Nobbe/Ellenberger, Unberechtigte Widersprüche des Schuldners, WM
2006, 1885ff.; a.A. auch insoweit hingegen der IX. Zivilsenat wie schon BGH, Urt. v.
29.05.2008 – IX ZR 42/07, ZIP 2008, 1241), im vorliegenden Fall nicht
streitentscheidend an.
2. Jedoch hat die Schuldnerin die Buchungen schon vor Ablauf dieser Frist des Nr. 7
Abs. 3 AGB-Banken konkludent genehmigt.
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Zwar kann während des Laufs der sechswöchigen Frist zur Erhebung von
Einwendungen gegen den Quartalsabschluss nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken, mithin
erst recht - wie im vorliegenden Fall - noch vor Erteilung des Quartalsabschlusses allein
aus dem bloßen Schweigen eines Bankkunden keine rechtsgeschäftliche Erklärung im
Sinne einer konkludenten Genehmigung gefolgert werden; andernfalls würde die hiermit
eingeräumte Überlegungsfrist praktisch erheblich verkürzt (BGH, Urt. v. 06.06.2000 – XI
ZR 258/99, Z 144, 349; OLG Köln, Urt. v. 05.11.2008
-
Düsseldorf, Urt. v 23.04.2009 – 6 U 66/08, WM ZIP 2009, 980; Nobbe, WM 2009, 1537,
1541).
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Dennoch konnte die Beklagte dem Verhalten der Schuldnerin den Erklärungswert einer
Genehmigung der streitgegenständlichen Buchungen beimessen.
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Denn das Verhalten der Schuldnerin ging im vorliegenden Fall für die Beklagte
erkennbar über ein bloßes Schweigen hinaus. Die Schuldnerin nutzte das Konto
fortgesetzt nicht nur während des Zeitraums vom 29.06. bis zum 24.07.2007, in dem die
in Rede stehenden Lastschriften erfolgten, sondern auch noch danach in erheblichem
Umfang für weitere Verfügungen. So tätigte sie während dessen unter anderem
Überweisungen und zog Schecks auf das Konto am 05.07.2007 (Überweisung über
81.098,35 Euro, Scheck über 10.445,39 Euro), am 09.07.2007 (Überweisung über
369.136,41 Euro) sowie am 11.07.2007 (Überweisungen über 15.874,60 Euro,
43.387,75 Euro und 46.927,96 Euro). Ferner verfügte sie derart auch noch am
07.08.2007 (Schecks über 58.451,58 Euro und 80.522,58 Euro) und 09.08.2007
(Überweisung über 324.081,91 Euro) sowie zuletzt am 03.09.2009 (Überweisungen
über 8.119,88 Euro und 79.614,70 Euro) über ihr Konto. Dabei beliefen sich die
vorgenannten fortgesetzten Dispositionen fast ausnahmslos im fünfstelligen und sogar
im sechsstelligen Bereich. Hierbei war sie ausweislich des von der Beklagten
vorgelegten Schreibens vom 08.11.2006 (Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom
05.06.2008) zumindest einmal im Monat "per Ultimo" durch einen Sammelauszug und
tatsächlich ausweislich der von der Beklagten auszugsweise vorgelegten
Kontoauszüge für die in Rede stehenden Monate (Anlage B6 zum Schriftsatz vom
02.12.2008 – Bl. 61ff d.A.) mehrmals monatlich durch Kontoauszüge über ihre Umsätze
und ihren aktuellen Kontostand informiert.
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Angesichts dessen konnte und durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die
Insolvenzschuldnerin, zumal als gewerbliche Kundin, bei fortgesetzter Veranlassung
von wiederholten Kontobelastungen in derart erheblicher Höhe über einen Zeitraum von
insgesamt rund 8 Wochen die jeweils vorangegangenen Kontobewegungen
berücksichtigt, mithin auch die in Rede stehenden Lastschriften zur Kenntnis genommen
und stillschweigend genehmigt hatte (vgl. hierzu KG, Urt. v. 02.12.2008 – 13 U 8/08, WM
2009, 545; Nobbe, WM 2009, 1537, 1541 m.w.N.; Nobbe/Ellenberger, WM 2006, 1885,
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1887 m.w.N.; a.A. wohl OLG Düsseldorf, Urt. v 23.04.2009 – 6 U 66/08, WM ZIP 2009,
980; Jungmann, ZIP 2008, 295, 298).
II. Aber selbst wenn die Insolvenzschuldnerin die Lastschriften mit ihrem
vorbeschriebenen Verhalten nicht konkludent genehmigt hätte, war es dem Kläger als
(vorläufigem) Insolvenzverwalter dennoch gemäß § 242 BGB verwehrt, den
streitgegenständlichen Lastschriften die Genehmigung zu versagen. Denn ein solcher
Widerspruch ist rechtsmissbräuchlich.
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1. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter ist an die rechtliche Verpflichtung des Schuldners
gebunden, Lastschriftwidersprüche im Deckungsverhältnis zu unterlassen, für die im
Valutaverhältnis kein anerkennenswerter Grund besteht; andernfalls ist er wegen
positiver Verletzung der Lastschriftabrede schadensersatzpflichtig.
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Innerhalb von Vertragsverhältnissen – wie dem hiesigen zur Beklagten – stehen dem
vorläufigen Insolvenzverwalter, der mit der Übernahme des Amtes in die Rechte und
Pflichten des Insolvenzschuldners eintritt, nicht mehr und keine anderen Rechte zu als
dem Insolvenzschuldner. Er hat demzufolge die sich aus dem verwalteten Vermögen
ergebenden Lasten und Beschränkungen zu beachten. Dies gilt auch und vor allem im
Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dementsprechend
muss er gleichermaßen wie der Schuldner auch den Zweck des Widerspruchs, (nur) vor
unberechtigten Belastungen zu schützen, beachten. Widerspricht er einer berechtigten
Lastschrift, so nutzt er damit rechtsmissbräuchlich lediglich eine formale Rechtsstellung
zum Nachteil des Zahlungsempfängers aus. Das Insolvenzrecht rechtfertigt es insoweit
nicht, das Grundinstrumentarium des BGB "für Zwecke des Insolvenzverfahrens”
umzuinterpretieren und die Widerspruchsmöglichkeit im
Einzugsermächtigungsverfahren in der Insolvenz des Schuldners zum Instrument der
Massemehrung umzufunktionieren. Allein durch die Beantragung eines
Insolvenzverfahrens, das möglicherweise abgelehnt wird, wird missbräuchliches nicht
zu anständigem Verhalten. (vgl. zuletzt der XI. Zivilsenat des BGH, Urt. v. 10.06.2008 –
283/07, BKR 2009, 250; OLG Hamm, WM 1985, 1139; AG München, ZIP 2008, 592;
Nobbe/Ellenberger, Unberechtigte Widersprüche des Schuldners, WM 2006, 1885ff;
Nobbe Probleme des Lastschriftverfahrens, WM 2009, 1537ff; a.A. hingegen der IX.
Zivilsenat des BGH, Urt. v. 25.10.2007 – IX ZR 217/08, ZIP 2008, 1241, wonach der
(vorläufige) Insolvenzverwalter insoweit nicht in die "Fußstapfen" des Schuldners tritt;
OLG Düsseldorf, Urt. v 23.04.2009 – 6 U 66/08, WM ZIP 2009, 980).
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2. An einem anerkennenswerten Grund im Valutaverhältnis für den Ausspruch der
streitgegenständlichen Widersprüche im Deckungsverhältnis fehlte es vorliegend.
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Es sind keine Gründe aus den Valutaverhältnissen zu den jeweiligen
Zahlungsempfängern, denen die Insolvenzschuldnerin zuvor eine Einzugsermächtigung
erteilt hatte, dargetan oder ersichtlich, die den Kläger respektive die
Insolvenzschuldnerin zu einem Widerspruch gegen die Lastschriften berechtigt hätten
(vgl. hierzu BGH, Urt. v. 28.05.1979 – II ZR 85/78, NJW 1979, 1652; Nobbe, WM 2009,
1537, 1543).
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III.
46
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs.1, 101
Abs. 1 1.HS, 708 Nr.10, 711 ZPO.
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IV.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.
Die Rechtssache ist weder von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts. Vielmehr handelt es sich im Hinblick auf die hier
entscheidungserhebliche tatrichterliche Auslegung des Verhaltens der Schuldnerin um
eine Einzelfallentscheidung. Die durch den IX. und den XI Zivilsenat des BGH
unterschiedlich beurteilte Frage der Widerspruchsmöglichkeit des vorläufigen
Insolvenzverwalters dient lediglich der nicht streitentscheidenden Hilfsbegründung.
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