Urteil des OLG Hamm vom 07.07.2005

OLG Hamm: vergleich, verrechnung, mietzins, minderung, vorsteuer, steuerberater, verzicht, widerklage, mwst, sicherheitsleistung

Oberlandesgericht Hamm, 18 U 166/03
Datum:
07.07.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 166/03
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 14 O 23/03
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. September 2003
verkündete Teilurteil der Va Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,
die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine schriftliche, unbedingte,
unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft eines dem
Anlagensicherungsfonds des Bankenverbandes angehörenden
Bankinstituts erbracht werden.
Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 €.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
1
A.
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Die Klägerin mietete von der Beklagten mit Vertrag vom 29.07./04.08.1998 Flächen und
Räume in H zum Betrieb eines Multiplexkinos. Wegen verschiedener streitiger Punkte,
insbesondere wegen behaupteter Mängel der Mietsache, führten die Parteien mehrere
Prozesse gegeneinander. Zur Beendigung ihrer Streitigkeiten schlossen sie
außergerichtlich am 29.11.2002 eine schriftliche Vergleichsvereinbarung. Darin einigten
sich die Parteien unter anderem auf eine Mietminderung von "300.000 €/Netto". Der
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Vergleichstext lautet auszugsweise wie folgt:
"1. Die Parteien vereinbaren einvernehmlich, dass von Beginn bis Ende des
Mietverhältnisses 1.315 Sitzplätze als Grundlage der Mietzinsberechnung
heranzuziehen sind. Die Miete berechnet sich demnach, entgegen den
Regelungen aus § 5 des Mietvertrages wie folgt:
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Betrag in DM Betrag in €
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Miete 1.315 x 84,20 DM 110.723,00 56.611,77
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NK Vorauszahlung 8.500,00 4.345,98
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MwST 19.075,68 9.753,24
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Gesamt 138.298,68 70.710,99
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2. Dem Mieter wird für den Zeitraum seit Beginn des Mietverhältnisses bis
einschließlich November 2002 wegen der angemeldeten und im Streit
befindlichen Mängel der Mietsache eine Mietreduktion von 300.000,00 €/Netto
gewährt.
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3. Zum Zeitpunkt dieses Vergleiches und auf der Basis des in Punkt 1
definierten Mietzinses, sind noch Zahlungen des Mieters in Höhe von
63.000,00 € brutto für den Zeitraum seit Beginn des Mietverhältnisses bis
einschließlich November 2002 offen. Der Differenzbetrag von 237.000,00 €
zwischen der in Punkt 2 definierten Mietreduktion und der offenen Zahlung,
wird in 72 gleichen Monatsraten ausgeglichen. Dies dergestalt, dass ab
Februar 2003 eine Verrechnung in Höhe von jeweils 3.291,67 € monatlich mit
der gem. Punkt 1 zu zahlenden Gesamtmiete erfolgt, somit seitens des
Mieters für den Zeitraum Februar 2003 bis einschließlich Januar 2009 jeweils
monatlich ein Betrag von 67.419,32 € gezahlt wird."
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Vergleichsvereinbarung wird auf Blatt 30 bis 32
der Akten Bezug genommen.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, den Vergleichsparteien seien bei der
Umsetzung der in Ziffer 2 vereinbarten Mietminderung um 300.000 € netto die Brutto-
und Nettobeträge durcheinandergeraten, wie Ziffer 3 des Vergleichs zeige. Dort hätte
nicht mit dem Nettomietminderungsbetrag von 300.000 €, sondern - da auf die
Mietminderung die Mehrwertsteuer aufzuschlagen sei - mit dem entsprechenden
Bruttobetrag von 348.000 € gerechnet werden müssen, von dem nach Abzug der
Zahlungsrückstände also noch 285.000 € verblieben. Wenn dieses Guthaben auf 72
gleiche Monatsraten verteilt werde, könne die Klägerin monatlich 3.958,33 € von ihren
Mietzahlungen absetzen, so dass sie entgegen der Rechnung in Ziffer 3 des
Vergleiches monatlich nur 66.752,66 € zu zahlen habe. Nur diesen Betrag will die
Klägerin ab Februar 2003 zahlen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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festzustellen, dass sie berechtigt ist, im Rahmen des zwischen den
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Prozessparteien bestehenden Mietvertrages über den CineStar in H für die
Zeit ab Februar 2003 für 72 Monate die Bruttomiete um monatlich 3.958,34 € -
auch rückwirkend - zu mindern, wobei die seit Februar monatlich
vorgenommene und seitens der Beklagten akzeptierte Minderung um
monatlich 3.291,67 € zu berücksichtigen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Klägerin nur der im Vergleich
genannten monatlichen Abzug von 3.291,67 € zuzubilligen ist. Sie hat geltend gemacht,
dass die Rückgewähr eines Entgeltes keine umsatzsteuerbare Leistung sei. Die
Beklagte habe zwar vor Abschluss des Vergleiches einen - eigentlich zu mindernden -
Mietzins in Höhe von 237.000 € als Miete vereinnahmt und versteuert. Da dieser Betrag
aber laut Vergleich nicht geschuldet gewesen sei, sei er als Darlehen zu behandeln und
zurück zu gewähren. Mehrwertsteuer entfalle darauf nicht und sei deshalb auch von der
Beklagten nicht zurück zu erstatten. Auch nach dem von ihr, der Beklagten, gefertigten
Kontoauszug (Blatt 50 d.A.) ergebe sich zu Gunsten der Klägerin kein anderer Betrag
als 237.000 €.
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Die Beklagte hat weiter Ausführungen dazu gemacht, dass sie vor dem Vergleich als
sogenannter Sollversteuerer Umsatzsteuer nach den vereinbarten Mieten abzuführen
gehabt habe, obwohl die Klägerin diese Miete nicht vollständig gezahlt habe. Nach dem
Vergleich auf eine Mietminderung habe sie die Umsatzsteuern berichtigt, die aber nun
nach dem Vergleich ratierlich mit den zukünftigen Mieten verrechnet würden. Nach
Ablauf der 72 Monate habe sie aus der Regelung des Vergleiches keinen Vorteil und
die Klägerin keinen Nachteil mehr.
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Die Beklagte hat ferner Widerklage erhoben, mit der sie eine Auffüllung der
Mietbürgschaft verlangt hat. Nachdem die Klägerin diesem Antrag nicht mehr entgegen
getreten ist, hat die Beklagte insoweit beantragt,
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die Klägerin durch Versäumnisurteil zu verurteilen, die Mietbürgschaft laut
Ziffer 4 des Vergleichs vom 29.11.2002 um 250.257,97 € auf 679.341,24 €
aufzustocken.
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Das Landgericht hat zunächst durch Teilurteil vom 09.09.2003 festgestellt, dass die
Klägerin berechtigt ist, im Rahmen des zwischen den Prozessparteien bestehenden
Mietvertrages über den CineStar in H für die Zeit ab Februar 2003 für 72 Monate die
Bruttomiete um monatlich 3.958,33 € – auch rückwirkend – zu mindern, wobei die seit
Februar monatlich vorgenommene und seitens der Beklagten akzeptierte Minderung um
monatlich 3.291,67 € zu berücksichtigen sei. Nach Auffassung des Landgerichts ist der
Vergleich dahin auszulegen, dass monatlich 3.958,33 € abgezogen werden dürften. Die
Parteien hätten sich auf eine Mietminderung von 300.000 € netto geeinigt. Diese
Mietminderung müsse der Klägerin ungeschmälert zukommen. Soweit die Parteien in
dem Vergleich einen monatlichen Verrechnungsbetrag berechnet hätten, seien sie von
einem falschen Ausgangsbetrag ausgegangen. Sie hätten diesen nämlich, ohne nähere
Berechnung oder Begründung, auf 237.000 € bemessen, als Differenz zwischen der
Mietminderung von 300.000 € netto und einem Mietrückstand der Klägerin von 63.000 €
brutto. Grundsätzlich dürften Netto- und Bruttobeträge nicht miteinander verrechnet
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werden. Anders sei es nur, wenn nicht mehrwertsteuerpflichtige Zahlungen in eine
Rechnung einfließen würden. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Die Klägerin habe,
soweit im Vergleich nachträglich eine Minderung vereinbart worden sei, die Miete zuvor
einschließlich der Mehrwertsteuer gezahlt. Somit habe sie nicht nur 300.000 € zuviel an
die Beklagte geleistet, sondern auch den darauf entfallenden Mehrwertsteuerbetrag von
insgesamt 48.000 €. Insoweit stehe ihr ein Rückgewähranspruch aus ungerechtfertigter
Bereicherung zu. Der rechtliche Hinweis der Beklagten, die Rückabwicklung eines
Entgeltes sei keine umsatzsteuerbare Leistung, sei richtig, aber unerheblich.
Selbstverständlich könne das Finanzamt auf einen zurück zu zahlenden Betrag keine
Mehrwertsteuer berechnen. Darum gehe es hier aber nicht. Es gehe vielmehr um die
Frage, ob eine Geldschuld, die einen Mehrwertsteueranteil enthalte, einschließlich der
Mehrwertsteuer zurückabzuwickeln sei. Die Frage sei jedenfalls im Bereicherungsrecht
dahin zu beantworten, dass alles Geleistete zurück gegeben werden müsse. Die
Beklagte könne sich auch nicht auf Entreicherung berufen. Selbst wenn sie die
Mehrwertsteuer auf den von der Klägerin geleisteten Betrag bereits an das Finanzamt
abgeführt habe, sei sie nicht entreichert, weil sie die Mehrwertsteuer vom Finanzamt
zurückverlangen könne. Die steuerrechtlichen Fragen würden für die vorliegende
Entscheidung keine Rolle spielen. Jede der Parteien müsse sich über die steuerlichen
Folgen mit ihrem Finanzamt auseinandersetzen. Insgesamt sei danach der Vergleich
wie folgt zu berichtigen:
Rückerstattungsbetrag aufgrund Minderung: netto 300.000 €
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zzgl. 16 % MWSt. 48.000 €
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brutto 348.000 €
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abzüglich Mietrückstand brutto 63.000 €
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brutto 285.000 €
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verteilt auf 72 Monat brutto 3.958,33 €
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Monatliche Mietzahlung brutto 70.710,99 €
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abzüglich monatlicher Verrechnungsbetrag brutto 3.958,33 €
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brutto 66.752,66 €.
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Des Weiteren hat das Landgericht durch Schlussversäumnisurteil vom 14.10.2003 die
Klägerin verurteilt, die Mietbürgschaft laut Ziffer 4 des Vergleichs um 250.257,97 € auf
679.341,24 € aufzustocken. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht zu 5/6 der
Klägerin und zu 1/6 der Beklagten auferlegt.
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Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung allein gegen das Teilurteil vom 09.09.2003.
Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beruft sich insbesondere darauf, dass
der Hinweis "300.000,00 €/Netto" habe dokumentieren sollen, dass dieser Betrag der
Klägerin ungeschmälert als Mietgutschrift zugute kommen solle, ohne durch
Umsatzsteuereinflüsse gemindert zu werden. Außerdem macht sie steuerrechtliche
Ausführungen und legt zur Untermauerung ihrer Auffassung detaillierte
Beispielsberechnungen vor. Sie meint, dass die Auffassung der Gegenseite zu einer
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nicht gerechtfertigten Begünstigung der Klägerin führen würde. Zum einen würde die
Klägerin den Betrag von 48.000 € zusätzlich erhalten. Zum anderen würde sie – da die
laufende und zukünftige ratierliche Verrechnung des Betrages von 237.000 € mit der
Bruttomiete erfolge – sich die auf diese Weise bezahlte Umsatzsteuer (= 32.689,65 €)
als Vorsteuer erstatten lassen können.
Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des am 09.09.2003 verkündeten Teilurteils der Va Kammer
für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie insbesondere auch aus
steuerrechtlicher Sicht für zutreffend hält.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen
Verhandlung Bezug genommen, insbesondere auf die in der Berufungsinstanz
gewechselten Schriftsätze der Beklagten vom 11.11.2003 (Bl. 124 bis 131 d.A.),
12.11.2003 (Bl. 134 bis 138 d.A.), 08.12.2003 (Bl. 150 bis 153 d.A.), 22.01.2004 (Bl. 157,
158 d.A.), 04.03.2004 (Bl. 167 bis 169 d.A.), 18.06.2004 (Bl. 185 bis 187 d.A.),
21.06.2004 (Bl. 188 bis 191 d.A.), 15.01.2005 (Bl. 241 bis 243 d.A.) und der Klägerin
vom 25.11.2003 (Bl. 144 bis 148 d.A.), 15.06.2004 (Bl. 181 bis 184 d.A.), 29.06.2004 (Bl.
192, 193 d.A.), 03.12.2004 (Bl. 236, 237 d.A.).
39
Der Senat hat ein steuerrechtliches Gutachten zu der Frage eingeholt, ob der Klägerin
ein wirtschaftlicher Vorteil von 300.000,00 € verbleibt, wenn die Realisierung des
Minderungsbetrages nach den Vorgaben der Vergleichsvereinbarung vom 29.11.2002
erfolgt und die Klägerin die mit dieser Durchführung eventuell verbundenen steuerlichen
Möglichkeiten ausschöpft. Dieses Gutachten ist von dem Sachverständigen
Rechtsanwalt und Steuerberater T unter dem 19.11.2004 schriftlich erstattet (Bl. 219 bis
231 d.A.) und von ihm in der Verhandlung vor dem Senat am 16.06.2005 mündlich
erläutert worden; insoweit wird Bezug genommen auf das Protokoll und den
Berichterstattervermerk der Verhandlung vom 16.06.2005 (Bl. 250 bis 253 d.A.). Der
nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 17.06.2005 lag bei der Entscheidung
vor.
40
B.
41
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts vom 09.09.2003 ist
unbegründet. Die Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig und begründet.
42
I.
Minderungsbetrages ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO). Insbesondere besteht angesichts
der widerstreitenden Auffassungen der Parteien zum diesbezüglichen Inhalt des
Vergleichs ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Auf die Frage der
Teilurteilsfähigkeit (§ 301 ZPO) des Klagebegehrens kommt es nicht mehr an, nachdem
über die in erster Instanz verbliebene Widerklage eine in der Sache rechtskräftige
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Entscheidung ergangen ist, die nicht im Widerspruch zur angefochtenen
Teilentscheidung steht.
II.
geschlossene Vergleich in Korrektur der von den Parteien in Ziffer 3 vorgenommenen
Berechnung dahin auszulegen ist, dass monatlich nicht nur 3.291,67 €, sondern
3.958,33 € vom Mietzins abgezogen werden dürfen.
44
Der monatliche Minderungsbetrag in Höhe von 3.958,33 € ergibt sich im Wege einer
klarstellenden Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen
Vergleichsvereinbarung vom 29.11.2002.
45
1.
rechtlich auch dann allein maßgebend, wenn er mit der Bezeichnung des Gewollten
nicht übereinstimmt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 133 Rdnr. 8 m.w.N.). Eine
solche Fallgestaltung liegt hier vor.
46
Wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, haben die Parteien die
Formulierung in Ziffer 2 des Vergleichs "Mietreduktion von 300.000,00 €/Netto"
übereinstimmend dahin verstanden, dass der Klägerin aufgrund der ihr
vereinbarungsgemäß zugestandenen Minderung ein wirtschaftlicher Vorteil von
300.000,00 € verbleiben sollte. Dieser unstreitige Umstand ist der maßgebliche
Ausgangspunkt der Auslegung, weil er den vereinbarten Gesamtminderungsbetrag und
damit den wesentlichen Kern der Minderungsregelung enthält. Der in Ziffer 3 genannte
monatliche Verrechnungsbetrag von 3.291,67 €, durch den zuzüglich des Verzichts auf
rückständigen Mietzins in Höhe von 63.000,00 € dieser Gesamtminderungsbetrag
wirtschaftlich erzielt werden sollte, ist lediglich eine Hilfsgröße. Diese ist zur
Überzeugung des Senats falsch gewählt worden. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme steht fest, dass der wirtschaftliche Ausgangspunkt der
Vergleichsregelung, ein wirtschaftlicher Vorteil für die Klägerin in Höhe von 300.000,00
€, nur dann erzielt werden kann, wenn der monatliche Minderungsbetrag anstatt
3.291,67 € 3.958,33 € beträgt. Insoweit ist der Vergleich durch Auslegung zu korrigieren.
47
2.
monatlichen Verrechnung mit überzahltem Mietzins erfolgt, folgt der Senat den
Ausführungen des Sachverständigen Steuerberater T in seinem schriftlichen Gutachten
vom 19.11.2004 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16.06.2005. Die
Ausführungen des Sachverständigen ergeben, dass den Parteien bei Abschluss des
außergerichtlichen Vergleichs zwei Fehler unterlaufen sind. Sie haben zunächst den
Mietminderungsbetrag von 300.000,00 € netto nicht in Höhe der offenen Nettomiete
(54.310,34 €) gemindert, sondern in Höhe der Bruttomiete von 63.000,00 €. Aus diesem
Grund ist der Differenzbetrag von 237.000,00 € unrichtig berechnet worden. Die
Verteilung des Differenzbetrages auf 72 Monate enthält sodann einen zweiten Fehler,
weil der auf Nettobasis ermittelte Kürzungsbetrag von monatlich 3.291,67 € mit der
Bruttomiete in Höhe von 70.710,99 € verrechnet wurde.
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a)
€ erzielen, wie folgende Rechnung ergibt:
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Mietminderung durch Verzicht auf eine Monatsmiete 63.000,00 €
50
abzgl. Umsatzsteuer - 8.689,66 €
51
verbleiben 54.310,34 €
52
Mietminderung durch Verrechnung von 237.000,00 €
53
auf künftige Miete
54
abzüglich Vorsteuerkorrektur (die Klägerin hatte für den
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bereits überzahlten Mietzins Vorsteuererstattung in Anspruch
56
genommen, die sie nun an das Finanzamt zurückführen
57
muss) - 39.310,34 €
58
197.689,66 €
59
Wirtschaftlicher Vorteil im Ergebnis 252.000,00 €.
60
b)
300.000,00 € für die Klägerin ergibt sich hingegen aufgrund folgender Berechnung:
61
Die Beklagte verzichtet auf Miete in Höhe von brutto 63.000,00 €
62
Der Wegfall dieser Verbindlichkeit kann aber nur in dem Umfang
63
einen wirtschaftlichen Vorteil darstellen, in dem bei Aufrechterhaltung
64
der Verbindlichkeit ein wirtschaftlicher Nachteil bestanden hätte. Dies
65
wäre aber nur in Höhe des Nettobetrages von 54.310,34 € der Fall
66
gewesen, weil in Höhe des Umsatzsteuerbetrages die Klägerin einen
67
Vorsteuererstattungsanspruch gegen das Finanzamt gehabt hätte. - 8.689,66 €
68
Soweit die Klägerin diese Vorsteuer schon in Anspruch genommen
69
haben sollte, wäre sie zurückzuzahlen, so dass der wirtschaftliche
70
Vorteil durch den Verzicht nur in Höhe des Nettobetrages zu
71
berücksichtigen ist.
72
Die Beklagte lässt sich eine Verrechnung gegen die zukünftige Miete
73
in Höhe von insgesamt brutto 285.000,00 €
74
gefallen. Aus der "Zahlung" dieses Betrages mittels Verrechnung
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hat die Klägerin nur einen Vorteil in Höhe von 245.689,66 €. Denn
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die Klägerin "zahlt" im Wege der Verrechnung mit ihrem Anspruch
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auf Rückforderung überzahlter Miete. Die insoweit vom Finanzamt
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der Klägerin bereits erstattete Umsatzsteuer hat die Klägerin
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jedoch an das Finanzamt zurückzuzahlen. - 39.310,34 €.
80
Wirtschaftlicher Vorteil insgesamt: 300.000,00 €.
81
Verteilt man, wie es die Parteien beabsichtigen, den oben genannten durch
Verrechnung zu tilgenden Betrag auf 72 Monate, ergibt sich eine monatliche
Bruttokürzung von 3.958,33 € (= netto 3.412,35 €).
82
3.
Sachverständigen zu folgen. Das Gutachten ist detailliert, steuerrechtlich im Einzelnen
untermauert und in sich stimmig. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich
der Sachverständige zudem mit Einwendungen des Beklagtenvertreters
auseinandergesetzt, ohne dass dies dazu geführt hat, das Ergebnis des Gutachtens zu
erschüttern. Die Erörterungen haben insbesondere ergeben, dass durch die
vorstehende Art der Berechnung weder auf Kläger- noch auf Beklagtenseite Vor- oder
Nachteile eintreten, abgesehen von Stundungseffekten, auf die es nach dem Vergleichs
jedoch offensichtlich nicht ankommen soll. Die Rückerstattung überzahlten Mietzinses
bei einer Mietminderung ist kein mehrwertsteuerpflichtiger Vorgang. Die Beklagte, die
die vom Kläger auf die überzahlte Miete gezahlte Mehrwertsteuer an das Finanzamt
weitergereicht hat, kann sich zuviel gezahlte Mehrwertsteuer dort wiederholen. Die
Klägerin muss die auf die Überzahlung entfallene, in Anspruch genommene Vorsteuer
an das Finanzamt zurückerstatten. Zwar besteht ein Vorsteuererstattungsanspruch der
Klägerin, soweit es darum geht, dass sie mit ihrem Anspruch auf Rückerstattung
überzahlten Mietzinses den zukünftigen Mietzins "bezahlt". Dadurch erhält die Klägerin
jedoch nicht insgesamt mehr; diese Vorsteuer steht der Klägerin aufgrund der neuen
Mietzahlungsverpflichtung sowieso zu.
83
III.
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
84
Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO geprüft und
hiervon abgesehen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine
Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
Rechtsfortbildung oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung angezeigt
erscheint.
85