Urteil des OLG Hamm vom 27.04.2006

OLG Hamm: eigentümer, treppenhaus, wohnung, miteigentumsanteil, unterhaltung, dachgeschoss, bestandteil, verwaltung, grundstück, sanierung

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 92/05
Datum:
27.04.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 92/05
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 9 T 117/04
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde werden
den Beteiligten zu 1) auferlegt, eine Erstattung außergerichtlicher
Auslagen findet nicht statt.
Der Geschäftswert wird auf 5.200 € festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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Die zu 1) beteiligten Antragsteller und die Beteiligten zu 2) bilden die aus zwei
Wohnungseigentumseinheiten bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft C in F.
Die Antragsteller sind Eigentümer der Wohnung im Dachgeschoss und Spitzboden mit
einem Miteigentumsanteil von 377/1.000 und die Beteiligten zu 2) sind Eigentümer der
Wohnung im Erd- und Obergeschoss mit einem Miteigentumsanteil von 623/1.000.
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Die Beteiligten zu 3) und 4) bilden die ebenfalls aus zwei Wohnungseigentumseinheiten
bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft C in F. Die Beteiligte zu 3) ist
Eigentümerin der Wohnung im Dachgeschoss und Spitzboden mit einem
Miteigentumsanteil von 377/1.000 und die Beteiligten zu 4) sind Eigentümer der
Wohnung im Erd- und Obergeschoss mit einem Miteigentumsanteil von 623/1.000.
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Die Beteiligten zu 2) und 4) gelangen von ihren Räumen im Erdgeschoss ins
Obergeschoss und die Beteiligten zu 1) und 3) von ihrem Dachgeschoss zum
Spitzboden jeweils über eine innerhalb ihrer Wohnung liegende Treppe.
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Die beiden Häuser, die zu einer noch weitere Häuser umfassenden Reihenhausanlage
gehören und auf getrennten Flurstücken (Nr. 147 und 148) errichtet worden sind, sind
durch ein gemeinsames Treppenhaus verbunden, von dem aus die Antragsteller und
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die Beteiligte zu 3) Zugang zu ihren Dachgeschosswohnungen haben. Die Holztreppe
in dem Treppenhaus ist jeweils zur Hälfte auf den zu den beiden Häusern C 24 und 26
gehörenden Flurstücken gelegen. In den Wohnungsgrundbüchern sind wechselseitig
Dienstbarkeiten zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer der beiden Grundstücke C 24
und 26 eingetragen, nach deren Inhalt der jeweilige Eigentümer des begünstigten
Grundstücks berechtigt ist, "den gemeinsamen Hausflur vom Keller bis zum
Dachgeschoß zu benutzen und zu unterhalten."
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Frage der Kostentragung
einer Treppensanierung.
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In einem zwischen den Antragstellern und der Beteiligten zu 3) und ihrem Ehemann S
geführten Beweissicherungsverfahren (AG Essen 97 II 68/02 WEG) wurde Beweis
erhoben über die Fragen,
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ob es zutrifft, dass die Treppenanlage auf sämtlichen Holzstufen Kratzspuren
aufweist, die teilweise nicht nur in die Decklackschicht, sondern darüber hinaus
auch unmittelbar die Holzbeschichtung angegriffen haben,
ob die Kratzspuren auf die Benutzung der Treppe durch den von der Beteiligten zu
3) gehaltenen Labrador zurückzuführen sind,
welche Maßnahmen erforderlich sind, um die festgestellten Mängel zu beseitigen
und welche Kosten für die fachgerechte Mängelbeseitigung erforderlich sind.
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Der vom Amtsgericht beauftragte Dipl.-Des. X erstattete unter dem 15.05.2002 ein
Sachverständigengutachten, in dem er die Beschädigungen als normale
Gebrauchsspuren einordnete und die Kosten der Beseitigung mit 5214,20 € bezifferte.
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Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die Kosten für die Sanierung entsprechend
den Miteigentumsanteilen der beiden Wohnungseigentümergemeinschaften getragen
werden müssten.
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Sie haben mit Schriftsatz vom 12.02.2003 beim Landgericht Essen Klage erhoben mit
dem Antrag,
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festzustellen, dass die Kosten für die Sanierung der im gemeinschaftlichen
Eigentum der Parteien stehenden Treppenlage von den Beteiligten zu 2) zu
31/100, von der Beteiligten zu 3) zu 19/100, von den Beteiligten zu 4) zu 31/100
und von den Antragstellern zu 19/100 getragen werden.
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Die Antragsgegner haben beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie haben die Auffassung vertreten, nicht verpflichtet zu sein, einer Treppensanierung
zuzustimmen. Es sei nicht erkennbar, dass die Treppe saniert werden müsse. Zudem
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seien die Antragsteller in der Lage, eine Zahlungsklage einzureichen.
Das angerufene Landgericht – Prozessgericht – hat sich mit nicht angefochtenem
Beschluss vom 02.09.2003 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das für
Wohnungseigentumssachen zuständige Amtsgericht verwiesen.
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Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 24.08.2004 den Antrag mit der Begründung
als unzulässig zurückgewiesen, es fehle an dem für den Antrag erforderlichen
Feststellungsinteresse. Hiergegen haben die Antragsteller rechtzeitig sofortige
Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgt haben.
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Das Landgericht hat mit den Beteiligten am 14. Januar 2005 vor der vollbesetzten
Kammer verhandelt und mit dem am Schluss der Sitzung verkündeten Beschluss die
sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
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Gegen diese ihren Verfahrenbevollmächtigten am 23. Februar 2005 zugestellte
Entscheidung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte sofortige weitere
Beschwerde der Beteiligten zu 1), die am 1. März 2005 bei dem Landgericht
eingegangen ist. Die Beteiligten zu 2) bis 4) beantragen die Zurückweisung des
Rechtsmittels
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II.
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Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG, 45 Abs. 1 WEG statthaft
sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten
zu 1) ergibt sich daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
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In der Sache führt die weitere Beschwerde zur Zurückweisung der weiteren
Beschwerde.
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Das Landgericht war mit einer zulässigen Erstbeschwerde der Antragsteller befasst. Sie
waren zur Einlegung ihres Rechtsmittels befugt, da ihr Antrag in erster Instanz keinen
Erfolg hatte (§ 20 Abs. 2 FGG). Zwar hatten die Antragsteller zu Recht das
Prozessgericht angerufen und nicht das Wohnungseigentumsgericht, weil, wie unten
noch ausgeführt wird, im Verhältnis der Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und der
Beteiligten zu 3) und 4) andererseits keine Wohnungseigentümergemeinschaft besteht,
sodass das Wohnungseigentumsgesetz nicht anwendbar ist. Da der
Verweisungsbeschluss aber bestandskräftig ist, waren die Vorinstanzen hieran
gebunden (§ 46 Abs. 1 Satz 3 WEG).
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Die ausschließlich auf verfahrensrechtliche Gründe gestützte Antragszurückweisung
durch die Entscheidung des Amtsgerichts hat das Landgericht im Ergebnis mit der
Begründung aufrecht erhalten, dem Beteiligten zu 1) stehe aus Gründen des sachlichen
Rechts der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Der Senat, der die
verfahrensrechtlichen Sachentscheidungsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen
hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27, Rdnr. 15), stellt die Verwerfung des
gestellten Antrags als unzulässig durch die Entscheidung des Amtsgerichts wieder her,
wenngleich unter einem anderen, nachfolgend dargestellten verfahrensrechtlichen
Gesichtspunkt:
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Den Antragstellern fehlt die Befugnis, den ihnen und den Beteiligten zu 2)
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gemeinschaftlich zustehenden Anspruch ohne einen dahingehenden Beschluss der
Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen.
Dies ist eine Frage schon der Zulässigkeit des Antrags. Nach den allgemein für die
Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Grundsätzen darf in
Angelegenheiten, die - wie es bei den Verfahren in Wohnungseigentumssachen nach
§ 43 WEG der Fall ist - einen Antrag voraussetzen, eine Sachentscheidung nur ergehen,
wenn der Antragsteller berechtigt ist, die begehrte Entscheidung zu beantragen. Fehlt es
an dieser Berechtigung, so ist der Antrag wegen Fehlens einer
Verfahrensvoraussetzung als unzulässig abzuweisen (BGHZ 106, 222 = NJW 1989,
1091 = LM Nr. 10 zu § 43 WEG).
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Für den hier geltend gemachten Anspruch steht den Antragstellern eine
Antragsbefugnis nicht zu.
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a) Das gemeinsame Treppenhaus der Häuser C 24 und C 26 steht nicht im
gemeinschaftlichen Eigentum aller vier am vorliegenden Verfahren Beteiligten, vielmehr
fällt dieser Raum in das Eigentum zweier rechtlich gesonderter
Bruchteilsgemeinschaften: Soweit sich das Treppenhaus auf dem Grundstück C 24
(Flurstück Nr. 147) befindet, gehört es den Beteiligten zu 1) und 2) als Bestandteil der
zwischen ihnen bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft, soweit es sich auf
dem Grundstück C 26 (Flurstück Nr. 148) befindet, der den Beteiligten zu 3) und 4) als
Bestandteil der zwischen diesen bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Die
Trennlinie zwischen den beiden Wohnungseigentümergemeinschaften ist die
gemeinsame, durch das Treppenhaus verlaufene Grundstücksgrenze.
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b) Im Innenverhältnis der Gemeinschaften, also im Verhältnis zwischen den Beteiligten
zu 1) und 2) einerseits und den Beteiligten zu 3) und 4) andererseits gelten in Bezug auf
die Instandhaltung und Instandsetzung sowie die hierfür anfallenden Kosten und
Kostenquoten die Vorschriften des WEG, also die §§ 21, 16, 28 WEG.
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c) Im Außenverhältnis hingegen, d.h. im Verhältnis der
Wohnungseigentümergemeinschaft C 24 zu der Wohnungseigentümergemeinschaft C
26 bestehen keine wechselseitigen Ansprüche auf Instandhaltung und Instandsetzung
nach dem Wohnungseigentumsgesetz, weil es sich um getrennte
Wohnungseigentümergemeinschaften handelt (eine Wohnungseigentümergemeinschaft
auf zwei Grundstücken ist rechtlich auch nicht möglich). Es bestehen aber auch keine
schuldrechtlichen Ansprüche, weil kein Vertrag zwischen den Beteiligten besteht, der
eine gegenseitige Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung zum Gegenstand hat.
Ein Anspruch auf Instandhaltung und Instandsetzung besteht aber im Außenverhältnis
nach sachenrechtlichen Grundsätzen aufgrund der gegenseitig eingeräumten und in
den Wohnungsgrundbüchern eingetragenen Dienstbarkeiten. Nach der Entscheidung
des BGH vom 12. November 2004 (-V ZR 42/04-; BGHZ 161, 115 = NJW 2005, 894) ist
gemäß § 1020 Satz 2 BGB neben dem Eigentümer auch der Dienstbarkeitsberechtigte
zur Unterhaltung und Instandsetzung einer der Ausübung der Dienstbarkeit
unterliegenden Anlage (hier: die gemeinsame Treppenanlage) verpflichtet.
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Vorliegend kommt man darüber hinaus über die Vorschriften über die
gemeinschaftlichen Grenzanlagen nach §§ 921, 922 BGB zum selben Ergebnis. Denn
bei dem Treppenhaus handelt es sich um eine Einrichtung, die von der Grenzlinie der
beiden Grundstücke der Beteiligten (Flurstücke Nr. 147 und 148) geschnitten wird, dem
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objektiven Vorteil beider Grundstücke dient und mit Zustimmung der Beteiligten bzw.
ihres Rechtsvorgängers geschaffen wurde (vgl. BGH NJW-RR 2001, 817 = NZM 2000,
106; BGHZ 154, 139 = NJW 2003, 1731; Palandt/Bassenge, 65. Aufl., § 921 Rn. 1). Die
Beteiligten sind daher auch nach § 922 Satz 2 BGB zur Unterhaltung des
gemeinschaftlichen Treppenhauses verpflichtet.
Die Höhe der anteiligen Erhaltungslast richtet sich nach den Maßstäben der auf
Dienstbarkeiten entsprechend anwendbaren §§ 748, 742 BGB (BGHZ 161, 115 = NJW
2005, 894) bzw. § 922 Satz 2 BGB. Kostenschuldner sind insoweit die Eigentümer der
Wohnungseigentümergemeinschaft C 24 einerseits und die Eigentümer der
Wohnungseigentümergemeinschaft C 26 andererseits, da die hälftigen Treppenhäuser
jeweils im Gemeinschaftseigentum dieser Eigentümer stehen.
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d) Die zugunsten der Beteiligten wechselseitig eingeräumten Dienstbarkeiten an dem
gemeinschaftlichen Treppenhaus sind wesentliche Bestandteile der beiden
Grundstücke C 24 und 26 gemäß §§ 93, 94 Abs. 1, 96 BGB (vgl. BayObLGZ 2002, 372 =
NJW-RR 2002, 451). Sie gehören daher zum gemeinschaftlichen Eigentum der
Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und der Beteiligten zu 3) und 4) andererseits. Damit
ist der geltend gemachte Anspruch gegen die Beteiligten zu 3) und 4) zur Verwaltung
des gemeinschaftlichen Eigentums der aus den Beteiligten zu 1) und 2) gebildeten
Wohnungseigentümergemeinschaft zu rechnen, die nach § 21 Abs. 1 WEG den
Wohnungseigentümern gemeinschaftlich (einstimmig oder mit Stimmenmehrheit, § 21
Abs. 3 WEG) zusteht. Einen zur gemeinschaftlichen Verwaltung gehörenden Anspruch
können nicht einzelne Wohnungseigentümer geltend machen, sondern nach der neuen
Rechtsprechung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der
Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061) nur der
teilrechtsfähige Verband, hier also die Wohnungseigentümergemeinschaft der Anlage C
24.
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Die Antragsteller konnten auch nicht die Beteiligten zu 2) mit den gestellten Anträgen
gerichtlich in Anspruch nehmen. Vielmehr waren sie gehalten, zunächst innerhalb ihrer
Wohnungseigentümergemeinschaft einen Beschluss über die Reparatur der Treppe und
die Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft C 26 herbeizuführen, den
sie gegebenenfalls gerichtlich im Verfahren nach §§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 4 WEG
anfechten können. Erst wenn bestandskräftig durch Mehrheitsbeschluss oder
Gerichtsbeschluss feststeht, dass die Treppe zu sanieren ist und die Gemeinschaft C 24
die Wohnungseigentümergemeinschaft C 26 gerichtlich in Anspruch nehmen soll, kann
diese Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich vor dem Prozessgericht verklagt
werden.
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Da der Antrag unzulässig ist, entspricht es der Billigkeit, die Gerichtskosten des
Verfahrens der weiteren Beschwerde den Beteiligten zu 1) aufzuerlegen, § 47 Satz 1
WEG. Hingegen besteht vor dem Hintergrund, dass die Frage der rechtlichen
Beziehungen der Beteiligten untereinander und insbesondere ihre gegenseitigen
Verpflichtung zur Unterhaltung des Treppenhauses unter den Beteiligten unklar war,
kein Anlass, von dem Grundsatz abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine
außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, § 47 Satz 2 WEG. Aus diesen Gründen
sind die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen nicht zu beanstanden.
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Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
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