Urteil des OLG Hamm vom 23.10.2008

OLG Hamm: subsidiäre zuständigkeit, verwalter, bevollmächtigung, begriff, vertretung, verwaltung, anfechtung, kontrollorgan, vermittlungsstelle, billigkeit

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 335/07
Datum:
23.10.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 335/07
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 9 T 124/07
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird teilweise aufgehoben.
Die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 3) vom 13.01.2006
werden insgesamt zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten der zweiten und dritten Instanz haben die Beteiligten
zu 1) – 3) als Gesamtschuldner zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind
nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert für das weitere Beschwerdeverfahren wird auf 3.000
€ festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Beteiligten streiten im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde noch über die
Gültigkeit des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 13.05.2005 zu TOP 12a).
Durch diesen wurde der Verwaltungsbeirat ermächtigt für den Fall, dass der Verwalter
infolge eines Interessenkonfliktes oder aus sonstigen Gründen von einer Vertretung der
Miteigentümer ausgeschlossen sein sollte, in laufenden und künftigen
Anfechtungsverfahren die Antragsgegner zu vertreten und einen Rechtsanwalt für sie zu
beauftragen.
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Das Amtsgericht hat die Anfechtungsanträge der Beteiligten zu 1) bis 3)
zurückgewiesen. Auf die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 3) hat das
Landgericht den Beschluss zu TOP 12a) für ungültig erklärt. Die weitergehenden
Rechtsmittel hinsichtlich des ebenfalls angefochtenen Beschluss zu TOP 12b) hat es
zurückgewiesen.
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II.
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Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5) ist nach §§ 62 Abs. 1 WEG n.F.,
45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG a.F., 27, 29 FGG statthaft sowie form– und fristgerecht
eingelegt. Ihre Beschwerdebefugnis folgt daraus, dass das Landgericht die
amtsgerichtliche Entscheidung im Umfang der weiteren Beschwerde zu ihrem Nachteil
abgeändert hat.
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In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts,
soweit diese die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert hat, auf einer Verletzung
des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 Satz1 FGG).
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von zulässigen
sofortigen Erstbeschwerden der Beteiligten zu 1) – 3) ausgegangen.
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Die Sachentscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Prüfung hingegen nicht
stand.
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Zu Recht ist das Landgericht, wie sich aus der Zurückweisung der sofortigen
Beschwerden hinsichtlich des Eigentümerbeschlusses zu TOP 12b) ergibt, davon
ausgegangen, dass formelle Bedenken gegen die Beschlussfassung nicht bestehen
und der Gemeinschaft für die generelle Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten in
dem hier fraglichen Zusammenhang auch nicht die notwendige Beschlusskompetenz
fehlt. Da die Beteiligten zu 1) bis 3) weitere Bedenken hiergegen nicht mehr vorgebracht
haben, nimmt der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die
rechtsfehlerfreien Ausführungen der Vorinstanzen hierzu Bezug.
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Richtig ist weiter der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach ein
Eigentümerbeschluss anfechtbar, u.U. sogar nichtig sein kann, wenn ihm die
hinreichende inhaltliche Bestimmtheit fehlt (vgl. Staudinger/Bub, WEG, 2005, § 23
Rdn.256f). Auch hat das Landgericht nicht verkannt, dass es insoweit ggf. der
Auslegung des Beschlusses bedarf. Nicht zu folgen vermag der Senat dem Landgericht
allerdings in der Annahme, dass sich durch eine Auslegung kein hinreichend
bestimmtes Ergebnis erzielen ließe, da nicht klar werde, wann die Bevollmächtigung
des Beirates greifen solle.
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Da der streitige Eigentümerbeschluss in jedem Fall auch für mögliche Rechtsnachfolger
Wirkung entfaltet (§ 10 Abs.3 WEG), ist der Senat zu einer eigenen Auslegung des
Eigentümerbeschlusses befugt (vgl. BGH NJW 1998, 3713). Dabei hat die Auslegung
objektiven Grundsätzen zu folgen, d.h. es können nur solche Umstände berücksichtigt
werden, die sich aus dem (protokollierten) Beschlussinhalt selbst oder sonst jedermann
ersichtlichen Umständen, insbesondere dem weiteren Protokollinhalt ergeben (vgl. im
Einzelnen BGH a.a.O.).
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Hier ist nach Auffassung des Senat zunächst die Bezeichnung des
Tagesordnungspunktes sowie der Zusammenhang zwischen den Beschlüssen zu TOP
12a) und 12b) zu berücksichtigen. Die Eigentümermehrheit wollte durch den Beschluss
zu TOP 12a) ersichtlich ihre Selbstorganisation für den Fall ihrer Passivrolle in einem
Beschlussanfechtungsverfahren sichern, wenn der primär bevollmächtigte Verwalter
rechtlich nicht mehr handlungsfähig sein sollte. Der insoweit verwandte Begriff des
"Ausschlusses" von der Vertretung hat neben einer gewissen gesetzlichen Vorprägung
(vgl. § 6 FGG) in der obergerichtlichen Rechtsprechung zum WEG mittlerweile eine
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durchaus differenzierte Auslegung erhalten. Danach erfasst dieser Begriff übrigens –
entgegen derAuffassung der weiteren Beschwerde- nicht die tatsächliche Verhinderung.
Unter diesen Voraussetzungen ist die Verwendung eines wertenden Begriffs in einem
Eigentümerbeschluss auch dann nicht zu beanstanden, wenn sich ex ante ein späterer
Streit darüber, ob die Voraussetzungen der Beschlussregelung vorliegen, nicht mit
letzter Sicherheit ausschließen lässt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich diese
Gefahr dadurch relativiert, dass die Frage, ob der Verwalter "ausgeschlossen" ist, stets
auch durch das jeweils mit der Anfechtung befasste Gericht geprüft werden muss, und
dieses seine Ansicht den Beteiligten naturgemäß mitteilen wird.
Wie der Senat im Übrigen bereits in seinem Beschluss vom 14.08.2008 (15 W 127/08)
näher ausgeführt hat, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine, auch
generelle Bevollmächtigung des Verwaltungsbeirates, soweit –wie hier- sichergestellt
ist, dass hierdurch nicht in die unabdingbaren Befugnisse des Verwalters eingegriffen
wird.
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Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswahl des Verwaltungsbeirats als
bevollmächtigtem Organ mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung nicht
übereinstimmt. Im Gegenteil ist der Verwaltungsbeirat Kontrollorgan gegenüber dem
Verwalter und geborene Vermittlungsstelle zwischen Eigentümern und Verwalter (Vgl.
Bärmann – Merle, WEG, 9. Aufl., § 29 Rdnr 2). Nach dem Rechtsgedanken des § 24
Abs.3 WEG ist eine subsidiäre Zuständigkeit des Verwaltungsbeirates sogar durchaus
naheliegend. Sollten die gewählten Mitglieder des Verwaltungsbeirates persönlich
ungeeignet sein, wie dies in den Vorinstanzen ansatzweise geltend gemacht worden ist,
so ist dies im Verfahren über die Bestellung der Mitglieder des Verwaltungsbeirates zu
klären.
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Weil die sofortigen Beschwerden ohne Erfolg bleiben, entspricht es der Billigkeit, dass
die Beteiligten zu 1) – 3) die Gerichtskosten der Rechtsmittelverfahrens tragen (§ 47
Satz 1 WEG a.F.). Angesichts der divergierenden Entscheidungen der Vorinstanzen
sieht der Senat hingegen keinen hinreichenden Anlass von dem Grundsatz
abzuweichen, dass im Verfahren nach dem WEG (a.F.) jeder Beteiligte seine
außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
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Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und entspricht
(anteilig) derjenigen des Landgerichts.
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