Urteil des OLG Hamm vom 11.08.1999

OLG Hamm: pflegepersonal, schmerzensgeld, eltern, ausführung, kontrolle, verfall, behandlungsvertrag, zustand, anhörung, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 3 U 155/98
11.08.1999
Oberlandesgericht Hamm
3. Zivilsenat
Urteil
3 U 155/98
Landgericht Arnsberg, 1 O 121/97
Die Anschlußberufung des Beklagten zu 2) gegen das am 03. Juni 1998
verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird
zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Kläger zu 2) und 3) wird das genannte Urteil
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Kläger zu 2)
und 3) als Gesamtgläubiger ein Schmerzensgeld von 10.000,00 DM und
ferner an die Klägerin zu 2) 1.770,00 DM und an den Kläger zu 3)
1.329,70 DM, alle Beträge nebst 4 % Zinsen seit dem 11. April 1997, zu
zahlen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden den Beklagten auferlegt.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte zu 1) seine
eigenen außergerichtlichen Kosten und zwei Fünftel der übrigen Kosten,
der Beklagte zu 2) seine eigenen außergerichtlichen Kosten und drei
Fünftel der übrigen Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
(Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß
§ 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)
Die Berufung der Kläger führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zum vollen
Erfolg der Klage, während die Anschlußberufung des Beklagten zu 2) erfolglos bleibt. Die
Kläger haben jedenfalls als Erben ihres verstorbenen Sohnes O gemäß § 1922 BGB die
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mit der Klage verfolgten Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Ersatz
materiellen Schadens aus den §§ 847, 823 Abs. 1 und aus schuldhafter Verletzung von
Sorgfaltspflichten aus dem Betreuungs- bzw. Behandlungsvertrag.
Die für die Betreuung von O zuständigen Mitarbeiter des Beklagten zu 1), der für seine
Angestellten nach den §§ 278, 831 BGB einzustehen hat, haben ihre Betreuungspflichten
schon vor der Einschaltung des Beklagten zu 2) dadurch verletzt, daß sie die tägliche
Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme nicht sorgfältig genug kontrolliert und auf eine
ausreichende Aufnahme hingewirkt haben. Dazu hätte im Hinblick auf die schweren
Behinderungen und den reduzierten körperlichen Zustand des Betreuten besonderer Anlaß
bestanden. Der Senat macht sich in dieser Hinsicht die überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen Dr. F in seinem schriftlichen Gutachten und bei seiner mündlichen
Anhörung vor dem Senat uneingeschränkt zu eigen.
Das Pflegepersonal hat seinen Pflichten zur Betreuung aber auch nach der Einschaltung
des Beklagten zu 2) nicht genügt, und zwar auch dann nicht, wenn man den Vortrag des
Beklagten zu 1) zur Intensität der Einschaltung des Beklagten zu 2) zugrundelegt. Folgt
man diesem Vortrag, mußte das Pflegepersonal erkennen, daß der Beklagte zu 2) untätig
blieb, obwohl die Behandlung des Betreuten dann ganz offensichtlich nicht zum Erfolg
geführt hatte und er weiter körperlich zusehends verfiel. Auch das wäre mit den Pflichten
aus dem Pflegevertrag unvereinbar; ggfls. hätte ein anderer Arzt eingeschaltet, hätte die
Aufnahme in das Krankenhaus unmittelbar veranlaßt werden müssen.
Im Hinblick auf den erheblichen körperlichen Verfall und vor allem die lebensbedrohliche
Lage, die bei O eingetreten sind, hält der Senat ein Schmerzensgeld von 10.000,00 DM für
angemessen.
Die mit der Klage verfolgten materiellen Schäden hält der Senat für erwiesen. Aus den
Krankenunterlagen des Krankenhauses L geht hervor, daß für die Genesung von O eine
intensive Pflege durch die Eltern über einen längeren Zeitraum wesentlich war. Die Höhe
des jeweiligen Verdienstausfalls schätzt der Senat aufgrund der Angaben der Kläger im
Senatstermin gemäß § 287 ZPO als zutreffend.
Auch der Beklagte zu 2) haftet den Klägern aus den nämlichen rechtlichen
Gesichtspunkten. Seine Pflichtverletzung besteht, wenn man seinen eigenen bestrittenen
Vortrag zugrundelegt, nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen darin, daß er die Ausführung der von ihm getroffenen Anordnungen zur
medizinischem Betreuung des schwer Erkrankten dem Pflegepersonal des Beklagten zu 1)
überließ. Zwar hätte geschultes Pflegepersonal diese Anordnungen grundsätzlich
ausführen können und müssen; bei der schon angesichts der Behinderungen des
Erkrankten gebotenen, besonders sorgfältigen Prüfung des bisherigen Pflegeverlaufes
hätte ihm aber auffallen müssen, daß die Pflegekräfte mit der Betreuung von O
offensichtlich überfordert waren. Unter diesen Umständen hätte der Beklagte zu 2) die von
ihm für notwendig erachteten medizinischen Maßnahmen entweder selbst treffen oder sich
durch engmaschige Kontrolle von sich aus davon überzeugen müssen, daß sie befolgt
wurden.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.
Das Urteil beschwert keinen der Beklagten mit mehr als 60.000,00 DM.