Urteil des OLG Hamm vom 10.05.2005

OLG Hamm: wiedergabe, schriftzeichen, familienname, unrichtigkeit, zgb, urkunde, bindungswirkung, form, geburt, ausweispapier

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 15 W 114/04
10.05.2005
Oberlandesgericht Hamm
15. Zivilsenat
Beschluss
15 W 114/04
Landgericht Bochum, 7 T 87/04
Der angefochtene Beschluß wird mit Ausnahme der Wertfestsetzung auf-
gehoben.
Die erste Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß des
Amts-gerichts vom 10.02.2004 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren
Beschwerde wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind griechische Staatsangehörige und haben am 10.02.1971
vor dem Standesbeamten des Standesamts C die Ehe geschlossen. Die Beteiligte zu 1) ist
ihre am 14.01.1972 geborene Tochter. Ihre Geburt wurde ebenfalls von dem Standesamt C
zu Nr. 103/1972 beurkundet. In dem Geburtseintrag wird der Familienname des Beteiligten
zu 3) als Vater als Ergebnis einer Übertragung aus den griechischen Schriftzeichen in
lateinische Buchstaben mit "P", derjenige der Beteiligten zu 1) und 2) als Mutter bzw.
Tochter unter Berücksichtigung einer sprachlichen Abwandlung des Familiennamens für
weibliche Namensträger mit "P1" wiedergegeben.
Die Beteiligte zu 1) hat zur Niederschrift des Standesbeamten vom 07.11.2003 die
Berichtigung ihres und des Familiennamens der Beteiligten zu 2) in dem genannten
Geburtseintrag beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie führe sei jeher den
Familiennamen "P". Dies beruhe darauf, daß der Eintrag über die Eheschließung in dem
für die Beteiligten zu 2) und 3) geführten Familienbuch keinen Vermerk über die
Namensführung enthalte, alle Behörden deshalb davon ausgegangen seien, daß der
Familienname des Beteiligten zu 3) für sämtliche Familienmitglieder gelte. Darüber hinaus
enthalte ihr von dem griechischen Generalkonsulat Düsseldorf ausgestellter griechischer
Reisepaß sowohl eine Angabe des Familiennamens mit den griechischen Buchstaben
("?") als auch eine Übertragung in das lateinische Schriftbild ("P"). Die Berichtigung des
Geburtseintrags sei erforderlich, um Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich aus der
Abweichung zwischen ihrer Namensführung in sämtlichen behördlichen Unterlagen und
derjenigen in dem Geburtseintrag ergäben.
Die Beteiligte zu 4) hat mit Schreiben vom 13.11.1003 die Niederschrift dem Amtsgericht
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
zur Entscheidung vorgelegt, ist dem Berichtigungsantrag jedoch inhaltlich
entgegengetreten. Die im griechischen Sprachgebrauch übliche Abwandlung des Namens
für weibliche Namensträger sei in dem Geburtseintrag zutreffend berücksichtigt worden.
Dies ergebe sich auch aus der von dem Standesbeamten eingeholten Stellungnahme des
griechischen Generalkonsulats Düsseldorf vom 30.09.2003, in der es heißt:
"Die Abweichung im Reisepaß erklärt sich durch die Tatsache, daß die lateinische
Schreibweise bei der Paßausstellung auf Antrag des Inhabers abweichend von der
üblichen Norm (ELOT 743 bzw. ISO 843) eingetragen werden kann, z.B. wenn eine
abweichende Form im Vorpass oder in sämtlichen anderen öffentlichen Urkunden benutzt
wird. Dies betrifft jedoch nur die lateinische Transkription, die für den Namen maßgebliche
Schreibweise in griechischen Schriftzeichen kann nicht geändert werden."
Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 10.02.2004 den Berichtigungsantrag
zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz ihrer
Verfahrensbevollmächtigten vom 02.03.2004 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat
durch Beschluß vom 01.03.2005 in Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts den
Standesbeamten des Standesamtes C angewiesen, durch einen Randvermerk den
Familiennamen der Beteiligten zu 1) und 2) in dem genannten Geburtseintrag dahin zu
berichtigen, daß er "P" lautet.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu
4), die sie mit Schreiben vom 23.03.2005 bei dem Landgericht eingelegt hat.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 49 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 PStG, 27, 29
FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beteiligte zu 4) ist als
Standesamtsaufsichtsbehörde gem. § 49 Abs. 2 PStG unabhängig von einer eigenen
Beschwer zur Einlegung des Rechtsmittels befugt.
In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf
einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Die sofortige weitere
Beschwerde führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer gem. § 49 Abs. 1
S. 2 PStG zulässigen, nicht fristgebundenen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1)
ausgegangen. In der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts indessen rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
Gegenstand des Verfahrens ist der von der Beteiligten zu 1) gem. § 47 Abs. 2 S. 1 PStG in
zulässiger Weise gestellte Antrag auf Berichtigung ihres Geburtseintrags. Dieser Antrag
kann nur Erfolg haben, wenn festgestellt werden kann, daß die Eintragung bereits zum
Zeitpunkt ihrer Vornahme (hier am 13.01.1972) sachlich unrichtig war. Diese Feststellung
setzt gem. § 60 Abs. 2 S. 1 PStG voraus, daß das Gericht nach dem Ergebnis der
durchgeführten Ermittlungen die volle Überzeugung von der Unrichtigkeit der beurkundeten
Tatsache gewinnt.
Die Beteiligte zu 1) war zum Zeitpunkt ihrer Geburt ausschließlich griechische
15
Staatsangehörige. Die Namensführung der Beteiligten zu 1) richtet sich gem. Art. 10 Abs. 1
EGBGB nach ihrem Personalstatut, also ihrem griechischen Heimatrecht. Infolge der
Eheschließung hat die Beteiligte zu 2) gem. der damals geltenden Vorschrift des Art. 1388
griechischen ZGB a.F. den Familiennamen ihres Ehemannes "?" erhalten. Eine
Wahlmöglichkeit sah das damalige griechische Recht nicht vor. Demzufolge ist das
Vorbringen der Beteiligten zu 2) und 3), sie hätten bei ihrer Eheschließung den Namen "P"
als Ehenamen gewählt, gegenstandslos. Die Beteiligte zu 1) hat ihrerseits gem. Art. 1493
griechisches ZGB a.F. den Familiennamen ihres Vaters erworben. Im griechischen
Sprachgebrauch unterliegt die Namensführung weiblicher Namensträger einer
sprachlichen Abwandlung. Zu diesen Abwandlungsformen gehört, daß eine Endung des
Namens auf "???S" durch "????" ersetzt wird (vgl. Mitteilung des griechischen
Generalkonsulats Düsseldorf vom 14.02.1972 abgedruckt in StAZ 1973, 29). Die
Abwandlung beruht darauf, daß der Familienname der Frau entsprechend den
grammatikalischen Regeln der griechischen Sprache im Genitiv bezeichnet wird, während
der Familienname des Mannes im Nominativ steht. Eine solche sprachliche Abwandlung
ist auch bei der Führung der deutschen Personenstandbücher zu berücksichtigen, wenn
sie Eingang in die Beurkundungspraxis des Heimatstaates des Namensträgers gefunden
hat. Dies ist für die sprachliche Abwandlung von Namen weiblicher Namensträger im
griechischen Sprachgebrauch anerkannt (OLG Hamburg StAZ 1970, 52; Senat OLGZ
1970, 210; OLGZ 1982, 34, 37 f.). Dieses Ergebnis wird hier zusätzlich dadurch belegt, daß
die sprachliche Abwandlung der Namensführung in dem von der Beteiligten zu 1)
vorgelegten Reisepaß in den für die Namensführung maßgeblichen griechischen
Buchstaben ausdrücklich berücksichtigt und von der Beteiligten zu 1) persönlich durch ihre
entsprechende Unterschriftsleistung in griechischen Buchstaben nachvollzogen worden ist.
Aus der Stellungnahme des griechischen Generalkonsulats vom 30.09.2003 ergibt sich
zusätzlich mit Deutlichkeit, daß die in den griechischen Buchstaben zum Ausdruck
kommende sprachliche Abwandlung des Namens für weibliche Namensträger nach
griechischem Recht für die Beteiligten verbindlich ist.
Da die deutschen Personenstandsbücher nur in lateinischen Buchstaben geführt werden (§
49 Abs. 1 der Dienstanweisung für die Standesbeamten), müssen die griechischen
Buchstaben des Namens in lateinische Buchstaben übertragen werden (Transliteration).
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Unrichtigkeit die Wiedergabe des
Familiennamens der Beteiligten zu 1) und 2) in dem Geburtseintrag darauf gestützt, die mit
dem Berichtigungsantrag angestrebte Schreibweise "P" stelle sich als Ergebnis der
Transliteration aus den griechischen Buchstaben dar. Dieses Ergebnis folge aus der
Schreibweise des Namens in lateinischen Buchstaben in dem von dem griechischen
Generalkonsulat ausgestellten Reisepaß der Beteiligten zu 1). An die dort vorgenommene
Transliteration seien die deutschen Standesbehörden auf der Grundlage des Art. 2 Abs. 1
des Übereinkommens über die Angabe von Familiennamen und Vornamen in den
Personenstandsbüchern vom 13.09.1973 (NamÜbK) gebunden. Diese Vorschrift sieht die
Übernahme der in einer Personenstandsurkunde oder einer anderen Urkunde des
Heimatstaates des Betroffenen vorgenommenen Transliteration in die Schriftzeichen der
aufzunehmen Personenstandsurkunde des Vertragsstaates vor. Um eine andere Urkunde
in diesem Sinn handelt es sich nach gefestigter Rechtsprechung auch bei einem von den
Behörden des Heimatstaates der betroffenen Person ausgestellten Reisepaß (BGH NJW-
RR 1994, 578), dessen Wiedergabe des Namens auch dann Grundlage einer
durchzuführenden Berichtigung sein kann, wenn die zu berichtigende Eintragung bereits
vor dem Inkrafttreten des NamÜbK erfolgt ist (OLG Frankfurt StAZ 1996, 330; OLG Köln
OLGR 1999, 85; KG StAZ 2000, 216; OLG Stuttgart StAZ 2005, 77; Senat StAZ 2002, 124).
Daran anknüpfend tritt nach Auffassung des Landgerichts die in Art. 2 Abs. 1 NamÜbK
16
17
vorgesehene Bindungswirkung auch dann ein, wenn das Ergebnis der Wiedergabe des
Namens in lateinischen Buchstaben in dem Reisepaß nicht auf die Anwendung gängiger
Normen für die Transliteration (ELOT-Norm 743 oder ISO-Norm 843) gestützt sei, sondern
sich auf die Abwandlung der Namensführung für weibliche Namensträger beziehe.
In diesem letztgenannten Punkt kann der Senat der Auffassung des Landgerichts nicht
folgen. Der Senat hat vielmehr erst kürzlich in anderer Sache (Beschluß vom 10.03.2005 –
15 W 30/05 -) in Bezug auf die Wiedergabe einer sprachlichen Abwandlung für weibliche
Namensträger (dort betreffend Mazedonien) den gegenteiligen Standpunkt vertreten, an
dem er festhält. Der sachliche Anwendungsbereich des NamÜbk bezieht sich nach seinem
Art. 1 Abs. 1 auf die "Angabe" von Familiennamen und Vornamen einer Person ohne
Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit in den Personenstandsbüchern eines der
Vertragsstaaten. Wie sich aus dem inhaltlichen Zusammenhag dieser Vorschrift mit den
Einzelbestimmungen der Art. 2, 3 und 4 des NamÜbK ergibt, ist mit der "Angabe" nur die
Schreibweise der Namen gemeint, die problematisch sein kann, wenn sie aus einem
Sprachraum mit anderen Schriftzeichen als den in deutschen Personenstandsbüchern zu
verwendenden lateinischen Schriftzeichen zu übernehmen sind (vgl. Soergel/Schurig,
BGB, 12. Aufl., Art. 10 EGBGB, Rdnr. 102).
In dem vorliegenden Zusammenhang geht es sachlich indessen nicht um das Problem
einer Übertragung der Schreibweise des Familiennamens der Beteiligten zu 1) und 2) aus
dem griechischen Schriftbild in lateinische Buchstaben. Daß eine Transliteration der
Endung des Familiennamens "????" (also unter Berücksichtigung der Abwandlung für
weibliche Namensträger) in lateinische Buchstaben zu der Endung "IDIS" führen könnte,
wird weder von den Beteiligten noch in der Stellungnahme des griechischen
Generalkonsulats Düsseldorf vom 30.09.2003 geltend gemacht. Vielmehr geht es sachlich
ausschließlich um eine auf Antrag des Paßinhabers in das Ausweispapier übernommene
Namensführung, die zur Herbeiführung einer Übereinstimmung mit anderen Urkunden die
Abwandlung der weiblichen Namensform unberücksichtigt läßt. Es handelt sich deshalb
nur scheinbar um einen Vorgang der Transliteration, der in Wirklichkeit dazu dient, auf
Antrag des Paßinhabers eine unerwünschte sprachliche Abwandlung der weiblichen
Namensform für den Rechtskreis außerhalb des Heimatlandes zu beseitigen, während die
Namensführung für den griechischen Rechtskreis mit der sprachlichen Abwandlung der
weiblichen Namensform ausdrücklich aufrechterhalten bleibt. Die Annahme einer
Bindungswirkung an die Wiedergabe des Namens in dem Reisepaß würde damit im
Ergebnis zu einer hinkenden Namensführung der betreffenden Person innerhalb und
außerhalb Griechenlands führen. Ein solches Ergebnis ist mit Art. 10 Abs. 1 EGBGB nicht
in Einklang zu bringen, der eine einheitliche Namensführung des Namensträgers
gewährleisten will. Gerade in der einheitlichen Angabe von Familien- und Vornamen einer
Person in den Personenstandsregistern der einzelnen Staaten besteht ausweislich seiner
Präambel der maßgebliche Zweck des NamÜbK (BGH NJW-RR 1994, 578, 579; Senat
OLGZ 1982, 34, 40). Die Feststellung der aus dem maßgeblichen griechischen Recht mit
der Abwandlung der weiblichen Namensform durch Transliteration abgeleiteten
Namensführung "P" führt deshalb entgegen der Auffassung des Landgerichts keineswegs
zu einer Diskriminierung der Beteiligten zu 1). Die Schwierigkeiten, die der Beteiligten zu 1)
durch eine von dem inhaltlich korrekten Geburtseintrag abweichende faktische
Namensführung entstehen, können nicht dazu führen, die strengen Voraussetzungen für
die Berichtigung einer Eintragung im Geburtenbuch aufzuweichen. Im übrigen kann davon
ausgegangen werden, daß die Beteiligte zu 1) ohne weiteres die Ausstellung eines
Nationalpasses mit der Wiedergabe ihres Familiennamens in lateinischen Buchstaben
unter Berücksichtigung der Abwandlung der weiblichen Namensform erreichen kann, wenn
18
19
die anderweitige Wiedergabe ihres Familiennamens in ihrem bisherigen Ausweispapier
auf ihren Antrag als Inhaberin des Passes erfolgt ist.
Eine Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des
Verfahrens der ersten und weiteren Beschwerde gem. § 13 a FGG ist nicht veranlaßt.
Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs.
2 und 3 KostO.