Urteil des OLG Hamm vom 10.02.2005

OLG Hamm: wiedereinsetzung in den vorigen stand, berufungsschrift, unterzeichnung, eigenes verschulden, postulationsfähigkeit, vertreter, vertretung, anweisung, zustellung, hauptsache

Oberlandesgericht Hamm, 28 U 133/03
Datum:
10.02.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
28. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
28 U 133/03
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 5 O 167/01
Schlagworte:
Unterzeichnung der Berufungsschrift durch nicht
postulationsfähigen Urlaubsvertreter; unzureichende
Einzelzuweisung zur Unterzeichnung der Berufungsschrift; Kosten der
Anschlussberufung bei Unzulässigkeit der Berufung
Normen:
§§ 233, 522 Abs. 1 ZPO; 524, 91, 92 Abs. 1, 96 ZPO
Leitsätze:
1.
Ein Rechtsanwalt, der gemäß § 53 Abs. 1, 2 BRAO zum Urlaubsvertreter
bestellt ist, hat bei Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift nicht nur
deren Richtigkeit und Vollständigkeit, sondern auch seine eigene
Postulationsfähigkeit bei dem angerufenen Gericht zu prüfen.
2.
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt
seiner Büroangestellten vor Urlaubsantritt mündlich die Anweisung
erteilt hat, ihm die vorbereitete Berufungsschrift zur Unterzeichnung
zuzufafxen, dies jedoch unterbleibt und die Berufungsschrift stattdessen
einem nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt zur Unterzeichnung
vorgelegt wird.
3.
Die durch die Einlegung der Anschlussberufung veranlassten Kosten
fallen der Partei, die die Anschlussberufung eingelegt hat, in analoger
Anwendung der §§ 91, 92 Abs. 1, 96 ZPO zur Last, wenn sie sich einer
von vorneherein unzulässigen Berufung angeschlossen hat und/oder die
Anschlussberufung darüberhinaus auch wegen eigener Mängel
unzulässig war (vgl. BGHZ 4, 240 [241]; OLG Köln, OLGReport 2003,
128). In beiden Fällen sind die Kosten zu quoteln.
Tenor:
wird der Antrag der Beklagten und Berufungsklägerin vom 25.09.2003
auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung
der Berufungseinlegungsfrist zurückgewiesen.
Die Berufung des Beklagten und Berufungsklägerin gegen das am
11.06.2003 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Dortmund (AZ:
5 O 167/01) wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten der Berufung tragen die Beklagte zu 52% und die Klägerin
zu 48%.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 557.535,16 € (=
1.090.444,07 DM) festgesetzt.
Gründe
1
I.
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Die Beklagte hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.07.2003 zugestellte
Grundurteil des LG Dortmund, das ihre Einstandspflicht für eine anwaltliche
Pflichtverletzung nach einer Quote in Höhe von 52% feststellt, durch einen am
11.08.2003 beim OLG Hamm eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt.
Der Schriftsatz ist von dem nicht an einem OLG zugelassenen Rechtsanwalt P "i.V." für
den urlaubsbedingt abwesenden Beklagtenvertreter unterzeichnet. Der
Beklagtenvertreter, der über eine Zulassung beim OLG Hamm verfügt, und
Rechtsanwalt P sind in einer Bürogemeinschaft miteinander verbunden.
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Mit Schriftsatz vom 22.08.2003 legte die Klägerin gegen das ihren
Prozessbevollmächtigten am 15.07.2003 zugestellte Urteil Anschlussberufung ein, mit
der sie eine Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach zu 100% verfolgt. Begründet
hat sie die Anschlussberufung in der Anschlussschrift nicht. Auf den Antrag des
Beklagtenvertreters vom 08.09.2003 wurde die Frist zur Begründung der Berufung bis
zum 13.10.2003 verlängert. Gleichzeitig wurde die Beklagte aufgefordert, die Zulassung
des Rechtsanwalts P bei einem OLG nachzuweisen. Diese Auflage wurde dem
Beklagtenvertreter am 12.09.2003 zugestellt.
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Mit nunmehr vom Beklagtenvertreter unterzeichneten Schriftsatz vom 25.09.2003 legte
die Beklagte erneut Berufung ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Zur Begründung führte sie aus, der
über eine OLG-Zulassung verfügende Beklagtenvertreter habe vor Antritt seines Urlaubs
seiner Sekretärin die Anweisung erteilt, ihm im Falle einer Mandatierung zur Einlegung
durch den hinter der Beklagten stehenden Haftpflichtversicherer die vorbereitete
Berufungsschrift zur Unterzeichnung zuzufaxen. Dazu sei es nur deshalb nicht
gekommen, weil Rechtsanwalt P in der Annahme, den Beklagtenvertreter bei der
Berufungseinlegung vertreten zu können, die Sekretärin veranlasst habe, die erteilte
Anweisung nicht zu befolgen und stattdessen die Berufungsschrift von ihm,
Rechtsanwalt P, unterzeichnen zu lassen. Mit einem solchen Geschehensablauf habe
der Beklagtenvertreter nicht rechnen und einem solchen deshalb auch nicht vorbeugen
können.
5
II.
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Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.
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Sie ist unzulässig, da sie zwar fristgerecht innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist
des § 517 ZPO, aber nicht formgerecht eingelegt wurde; denn die Berufungsschrift
genügt dem Schriftformerfordernis des § 519 Abs. 1 ZPO nicht, weil sie entgegen § 78
Abs. 1 ZPO nicht von einem bei einem OLG zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet
wurde.
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Unterzeichnet hat die Berufungsschrift Rechtsanwalt P, der selbst über keine OLG-
Zulassung verfügt und zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung auch nicht amtlich
bestellter Vertreter des über eine Zulassung verfügenden Beklagtenvertreters
Rechtsanwalt U im Sinne des § 53 Abs. 3, 7 BRAO war. Der Beklagtenvertreter konnte
den mit ihm in einer Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwalt P auch nicht
wirksam selbst zu seinem Vertreter gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 BRAO in anwaltlichen
Tätigkeiten beim OLG Hamm bestellen, weil Rechtsanwalt P nicht bei einem OLG
zugelassen war (vgl. BGH, NJW 2001, 1575).
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Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der
Berufungseinlegungsfrist vom 25.09.2003 hat keinen Erfolg und war zurückzuweisen.
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Es bestehen bereits Bedenken, ob er rechtzeitig innerhalb von 2 Wochen nach
Behebung des Hindernisses gestellt wurde (§ 234 ZPO). Zwar hat die Beklagte nach
Zustellung des gerichtlichen Hinweis vom 12.09.2003 auf die nicht feststellbare OLG-
Zulassung des Rechtsanwalts P fristgerecht mit bei Gericht am 25.09.2003
eingegangenem Schriftsatz reagiert und Wiedereinsetzung unter Wiederholung der
Berufungseinlegung beantragt. Die Zweiwochenfrist ist insoweit also gewahrt. Da der
Beklagtenvertreter jedoch mit Schriftsatz vom 08.09.2003 die Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist beantragt hatte, stellt sich vor dem Hintergrund des Vortrags
zu den Umständen der Berufungseinlegung seitens des Rechtsanwalts P zumindest die
Frage, ob der Umstand der Berufungseinlegung durch einen von Rechtsanwalt P in
Vertretung unterzeichneten Schriftsatz und damit die Unzulässigkeit der
Berufungseinlegung nicht bereits spätestens bei Abfassung des Verlängerungsgesuchs
aufgefallen ist. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag im Wiedereinsetzungsgesuch, das
grundsätzlich alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit und
Begründetheit des Wiedereinsetzungsgesuchs enthalten muss (vgl. Zöller-Greger, ZPO,
23. Aufl., § 236 RN 6). Da erst mit Schriftsatz vom 24.11.2003 auf entsprechenden
gerichtlichen Hinweis eine Versicherung des Beklagtenvertreters abgegeben wurde,
erst durch den gerichtlichen Hinweis vom 12.09.2003 auf die Unzulässigkeit der
Berufungseinlegung gestoßen zu sein, bestehen bereits Bedenken, ob diese - zudem
pauschale und nicht durch einen Tatsachenvortrag zu den Umständen der Abfassung
des Fristverlängerungsgesuchs gestützte- Versicherung überhaupt bei der
Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch berücksichtigt werden darf.
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Letztlich kann dies aber dahinstehen; denn selbst bei unterstellter Zulässigkeit ist der
Antrag auf Wiedereinsetzung jedenfalls in der Sache unbegründet.
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Die Beklagte hat Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
begründen könnten, weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Es lässt sich aus ihrer
Antragsbegründung nicht entnehmen, dass sie ohne ihr zuzurechnendes Verschulden
ihrer Prozessbevollmächtigten an der Wahrung der Berufungseinlegungsfrist verhindert
war. Entweder trifft den Beklagtenvertreter oder aber Rechtsanwalt P als seinen
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Urlaubsvertreter an der Fristversäumung ein Verschulden, das sich die Beklagte gemäß
§ 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Die Unterzeichnung der Berufungsschrift durch Rechtsanwalt P "i.V." des
urlaubsbedingt abwesenden Beklagtenvertreters und das Abweichen der Sekretärin von
der vorgetragenen Einzelweisung lassen darauf schließen, dass der Beklagtenvertreter
–unter Umständen aufgrund allgemeiner Absprache im Rahmen der Bürogemeinschaft-
Rechtsanwalt P zu seinem Urlaubsvertreter gemäß § 53 Abs. 1, 2 BRAO bestellt hatte.
In diesem Fall war Rechtsanwalt P Bevollmächtigter der Beklagten im Sinne des § 85
Abs. 2 ZPO (so BGH, NJW 2001, 1575; OLG Stuttgart, OLGReport 2000, 417; Zöller-
Vollkommer, 22. Aufl., § 85 RN 18, jeweils mwN). Soweit der Beklagtenvertreter mit
Schriftsatz vom 24.11.2003 hierzu lediglich mitgeteilt hat, Rechtsanwalt P nicht selbst zu
seinem Urlaubsvertreter bestellt zu haben, vermag dies nur wenig zu überzeugen; denn
Ausführungen dazu, weshalb Rechtsanwalt P sich gleichwohl zur Vertretung berechtigt
geglaubt hat, fehlen.
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Rechtsanwalt P hat – eine Urlaubsvertretung unterstellt - bei der Unterzeichnung der
Berufungsschrift vom 11.08.2003 schuldhaft gehandelt. Ein Rechtsanwalt hat bei
Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift nicht nur deren Richtigkeit und Vollständigkeit,
sondern auch seine eigene Postulationsfähigkeit bei dem angerufenen Gericht zu
prüfen (so BGH, NJW-RR 2003, 569 = MDR 2003, 480; NJW 2001, 1575, jeweils mwN).
Die Prüfung dieser Prozesshandlungsvoraussetzung gehört zu den wesentlichen
Aufgaben eines Rechtsanwalts. Ist er nicht beim OLG zugelassen, sondern wird er dort
nur als Vertreter eines zugelassenen Anwalts tätig, so muss er selbst sicherstellen, dass
seine Postulationsfähigkeit als Vertreter gewährleistet ist (so ausdrücklich BGH, MDR
2003, 480). Rechtsanwalt P hätte somit in Kenntnis seiner fehlenden eigenen
Zulassung beim OLG Hamm prüfen und sich so vergewissern müssen, ob ihm die
Vertreterbestellung allein durch den Beklagtenvertreter gemäß § 53 Abs. 1, 2 BRAO
Postulationsfähigkeit verlieh. Darin, dass er die Prüfung, die unschwer und
unzweifelhaft zum Ergebnis einer fehlenden Postulationsfähigkeit geführt hätte (vgl. § 53
Abs. 2 BRAO), unterlassen hat, liegt sein Verschulden als Urlaubsvertreter, was
wiederum der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden
zuzurechnen ist.
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Sofern Rechtsanwalt P entgegen seinem äußeren Auftreten nicht Urlaubsvertreter des
Beklagtenvertreters gewesen sein sollte, trifft den Beklagtenvertreter jedenfalls ein
Verschulden an der Fristversäumung, das sich die Beklagte über § 85 Abs. 2 ZPO
zurechnen lassen muss.
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Grundsätzlich darf sich ein Rechtsanwalt, um seinen eigentlichen Aufgaben als Organ
der Rechtspflege gerecht werden zu können, von rein büromäßigen Aufgaben freihalten
und diese sorgfältig geschulten und allgemein überwachten Angestellten überlassen.
Auch darf sich ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf verlassen, dass eine
Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete
Einzelanweisung befolgt (vgl. BGH, MDR 2003, 709, 710 mwN). Einzelanweisungen
müssen jedoch über ihre Eignung, den gewünschten Erfolg herbeizuführen, hinaus
hinreichende Gewähr bieten, dass eine Fristversäumung zuverlässig verhindert wird
(vgl. BGH, NJW 1999, 429 = JR 2000, 201 = MDR 1999, 324).
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Die Erteilung einer diesen Anforderungen entsprechenden Einzelweisung hat die
Beklagte nicht dargetan. Zunächst fehlt bereits im Wiedereinsetzungsgesuch jeglicher
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Vortrag zur Zuverlässigkeit der Sekretärin. Infolgedessen bestehen auch insoweit
erhebliche Bedenken, ob der nachgeholte Vortrag im Schriftsatz vom 24.11.2003
überhaupt berücksichtigt werden darf (vgl. hierzu Zöller-Greger, aaO, § 236 RN 6 f.).
Zum anderen bot -wie der tatsächliche Geschehensablauf belegt- die Einzelweisung
des Beklagtenvertreters, ihm die vorbereitete Berufungsschrift zur Unterzeichnung
zuzufaxen, nicht die erforderliche hinreichende Gewähr für eine zuverlässige
Fristwahrung. Hätte die Sekretärin der Einzelweisung Folge geleistet, so wäre die Frist
zwar voraussichtlich gewahrt worden. Allerdings war -wie der tatsächliche
Geschehensablauf belegt- die konkret erteilte Einzelweisung insoweit nicht
ausreichend, als sie ein Eingreifen eines Urlaubsvertreters oder eines in
Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwalts ohne eigene OLG-Zulassung nicht
berücksichtigte. Der Beklagtenvertreter hat offensichtlich seine Sekretärin nicht klar und
unmißverständlich darauf hingewiesen, dass er zwingend persönlich die
Berufungsschrift unterzeichnen müsse, weil nur er allein über die OLG-Zulassung
verfüge (vgl. auch OLG Stuttgart, OLG-Report 2000, 417, 418). Indem er es unterließ,
seine Sekretärin -über die Ausführungsmodalitäten hinaus- anzuweisen, wegen seiner
alleinigen Zulassung beim OLG Hamm innerhalb der Bürogemeinschaft jedenfalls
entsprechend der Einzelweisung zu verfahren und diesbezüglich unter keinen
Umständen davon abzuweichen und auch keine Anweisungen der übrigen zur
Bürogemeinschaft gehörenden und nicht bei einem OLG zugelassenen Anwälte
entgegenzunehmen, hat er eine vermeidbare Fehlerquelle geschaffen. Er hat es so
versäumt, sicherzustellen, dass seine Einzelweisung unbedingt befolgt wurde und nicht
durch Eingreifen seiner Kollegen abgeändert werden konnte. Dass er mit letzterem
während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit nicht rechnen musste, ist weder
dargetan noch ersichtlich; vielmehr liegt nach der Lebenserfahrung das Gegenteil,
nämlich nicht das Eingreifen eines anderen Rechtsanwalts wie ein "außenstehender
Dritter", sondern die gegenseitige Vertretung der in einer Bürogemeinschaft
verbundenen Rechtsanwälte bei Abwesenheit eines Kollegen, wie sie hier auch konkret
erfolgte und von der Sekretärin befolgt wurde, nahe. Insoweit hat der Beklagtenvertreter
also selbst schuldhaft gehandelt; denn er hat keine ausreichende konkrete
Einzelweisung erteilt, die ihre Befolgung und die fristgerechte Einlegung einer
zulässigen Berufung sicherstellte.
III.
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Infolge der Verwerfung der Berufung als unzulässig verliert die Anschlussberufung der
Klägerin gemäß § 524 Abs. 4 ZPO von Gesetzes wegen ihre Wirkung.
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IV.
21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO sowie auf den §§ 91, 92 Abs. 1, 96
ZPO analog. Die Kosten der Berufung und der Anschlussberufung haben die Parteien
danach unter quotaler Berücksichtigung der Werte von Berufung (= 52% des Streitwerts
der Hauptsache) und Anschlussberufung (= 48% des Streitwerts der Hauptsache) zu
tragen.
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Die Kosten der unzulässigen Berufung waren der Beklagten gemäß § 97 Abs. 1 ZPO
aufzuerlegen.
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Die durch die Einlegung der Anschlussberufung veranlassten Kosten fallen der Klägerin
in analoger Anwendung der §§ 91, 92 Abs. 1, 96 ZPO zur Last, da sie sich einer von
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vorneherein -wie zuvor unter II. dargelegt- unzulässigen Berufung angeschlossen hat
(vgl. BGHZ 4, 240; Zöller-Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 524 RN 43) und die
Anschlussberufung darüberhinaus auch wegen eigener Mängel unzulässig war (vgl.
BGHZ 4, 240 [241]; OLG Köln, OLGReport 2003, 128). In beiden Fällen sind die Kosten
zu quoteln.
Nach § 524 Abs. 3 S. 1 ZPO muss die Anschlussberufung bereits in der
Anschlussschrift begründet werden, wobei gemäß § 524 Abs. 3 S. 2 die Begründung
den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entsprechen muss. Fehlt es daran, ist sie
unzulässig (OLG Köln, aaO; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 524 RN 15, 16).
Der Ansicht, zu Gunsten des Anschlussberufungsklägers laufe eine Begründungsfrist
von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO),
wenn er sich bereits vor Ablauf der Begründungsfrist angeschlossen habe
(Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 524 RN 14; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 61. Aufl., § 524 RN 17), folgt der Senat in Übereinstimmung mit dem OLG Köln
(aaO) nicht. Diese Ansicht widerspricht dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, wonach die
Begründung in der Anschlussschrift zu erfolgen hat. Zwar mag es dem
Anschlussberufungskläger unbenommen bleiben, sich innerhalb der Anschlussfrist des
§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO erneut der Berufung anzuschließen. Auch mag die später
fristgerecht nachgeholte Begründung in Verbindung mit der zuvor eingelegten
Anschlussberufung als nunmehr wirksame Anschließung behandelt werden. Eine
Rückbeziehung auf den Zeitpunkt der Einreichung der nicht ordnungsgemäßen
Anschlussschrift kommt indessen nicht in Betracht (so auch OLG Köln aaO). Hierfür
besteht kein Bedürfnis. Die Rechtsstellung und auch die Verteidigungsmöglichkeiten
des Berufungsbeklagten -insbesondere diejenigen des Berufungsbeklagten, der von der
Einlegung einer eigenen Berufung abgesehen hat- sind nicht beeinträchtigt, wenn er die
Berufungsbegründung abwartet, bevor er sich anschließt. Will er dies nicht, etwa um
durch eine Anschlussberufung "Druck" auf den Berufungskläger auszuüben, um ihn zur
Berufungsrücknahme zu bewegen, hat er entweder die Anschlussberufung sofort zu
begründen oder aber das aus der Nichtbegründung in der Anschlussschrift resultierende
(Kosten-)Risiko zu tragen.
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V.
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Der Wert des Berufungsverfahrens ergibt sich aus der Summe der Werte von Berufung
und Anschlussberufung, mit denen volle Klageabweisung bzw. volle Verurteilung dem
Grunde nach begehrt werden. Dementsprechend bestimmt sich der Streitwert des
Berufungsverfahrens nach dem vollen Hauptsachewert. Das sind entsprechend dem
klägerischen Zahlungsantrag 557.535,16 € (= 1.090.444,07 DM).
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