Urteil des OLG Hamm vom 27.05.2010

OLG Hamm (private krankenversicherung, höhe, abänderung, anrechenbares einkommen, eltern, auskunft, vergleich, zpo, einkommen, anpassung)

Oberlandesgericht Hamm, II-3 UF 234/09
Datum:
27.05.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
II-3 UF 234/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 106 F 3222/09
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 8. Oktober 2009 verkündete
Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund wie folgt
abgeändert:
Die Urkunde des Jugendamts der Stadt E vom 06.08.2004 – Beurkun-
dungsregister-Nr. #####/####– sowie der Unterhaltsvergleich vom 19.
Mai 2005 – 173 a F 731/04 AG Dortmund – werden dahingehend
abgeändert, dass der Beklagte für die Zeit ab dem 01. Juni 2010 an die
Klägerin monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 1.150,00 Euro zu
zahlen hat.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ¾ und der
Beklagte ¼.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
1
(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
2
I.
3
Die am 16.03.1994 geborene Klägerin stammt aus der nichehelichen Beziehung des
Beklagten und der Kindesmutter, die kurz nach der Geburt der Klägerin im Jahre 1994
endete. Die Klägerin lebt bei der Kindesmutter und wird von dieser betreut und versorgt.
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Unter dem 06.08.2004 errichtete der Beklagte eine Jugendamtsurkunde der Stadt E, mit
der er sich verpflichtete, ab dem 01.07.2004 Kindesunterhalt in Höhe von 200 % des
jeweiligen Regelbetrages an die Klägerin zu zahlen.
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In dem Verfahren 173 a F 731/04 AG Dortmund begehrte die Klägerin die Zahlung
höheren Unterhalts, zuletzt in Höhe von 1.000 % des jeweiligen Regelbetrages.
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Mit gerichtlichem Vergleich vom 19.05.2005 in dem vorgenannten Verfahren
vereinbarten die Parteien zum Kindesunterhalt, dass der Beklagte unter Abänderung der
Urkunde des Jugendamtes der Stadt E vom 06.08.2004 für die Klägerin ab Mai 2005
monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 850,00 Euro zahlt, wobei sich die Parteien
darüber einig waren, dass in dem Kindesunterhaltsbetrag in Höhe von 850,00 Euro der
monatliche Beitrag für die private Krankenversicherung der Klägerin einschließlich
Selbstbeteiligung (zum damaligen Zeitpunkt pauschal 150,00 Euro) enthalten war.
7
Unter Ziffer V des Vergleichs vereinbarten die Parteien, "dass die Vereinbarung
betreffend den Kindesunterhalt nicht bis zum 18. Lebensjahr der Klägerin zu 1)
abänderbar ist". Für den Fall einer Abänderung nach Eintritt der Volljährigkeit waren
sich die Parteien darüber einig, "dass dieser Vergleich keine Präjudizwirkung haben
soll".
8
Mit außergerichtlichen Anwaltsschreiben vom 02.03.2009 und 30.04.2009 begehrte die
Klägerin die Neuberechnung des Unterhalts und machte dazu Auskunftsansprüche
geltend.
9
Mit der erstinstanzlich erhobenen Abänderungsstufenklage hat die Klägerin Auskunft
über das Einkommen und das Vermögen des Beklagten sowie Belegvorlage und
Zahlung des nach Auskunftserteilung sich ergebenden erhöhten Kindesunterhalts ab
März 2009 unter Abänderung des Vergleichs vom 19.05.2005 verlangt.
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Die Klägerin hat dazu die Ansicht vertreten, es läge eine wesentliche Änderung der
Verhältnisse vor, da sie sich nunmehr in der dritten Altersstufe befinde und weiterer
Unterhaltsbedarf in Form der Aufnahme bzw. Intensivierung der musikalischen
Erziehung bestehe. Die Regelung unter Ziffer V des Vergleichs vom 19.05.2005 sei
unwirksam, da der Verzicht auf Abänderbarkeit bis zur Volljährigkeit einen teilweisen
Unterhaltsverzicht darstelle.
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Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat die Ansicht vertreten, aufgrund
des Vergleichs stehe der Klägerin kein Auskunftsanspruch gegen ihn zu. Er hat darauf
hingewiesen, dass er freiwillig regelmäßig einen wesentlich höheren Unterhalt als
tituliert zahle, was unstreitig ist. Ein höherer Unterhaltsanspruch stehe der Klägerin nicht
zu. Überdies müsse der Kindesunterhalt im vernünftigen Verhältnis zum Einkommen der
Kindesmutter stehen.
12
Im Termin vom 08.10.2009 haben die Parteien lediglich zu den Anträgen gemäß Ziffer 2
und 3 (Auskunft, Belegvorlage) der Klageschrift verhandelt.
13
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Familiengericht
die Abänderungsstufenklage insgesamt abgewiesen.
14
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe kein Auskunftsanspruch gemäß
§ 1605 Abs. 1 BGB zu, da eine Auskunft den Unterhaltsanspruch vorliegend unter
keinem Gesichtspunkt beeinflussen könne und ein Anspruch auf Abänderung des
titulierten Unterhalts nach dem bisherigen Vortrag der Klägerin nicht bestehe.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches
Begehren teilweise weiterverfolgt.
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Sie begehrt nunmehr Auskunft und Belegvorlage gemäß Ziffer I und II des
Berufungsantrages, hilfsweise – unter Abänderung des Vergleichs vom 19.05.2005 –
die Zahlung höheren Unterhalts ab März 2009 bis Dezember 2009 in Höhe von
1.959,00 Euro sowie ab Januar 2010 in Höhe von 1.949,00 Euro nebst Zinsen.
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Zur Begründung führt sie aus, die begehrte Auskunft sei erforderlich, um das
Einkommen und die Leistungsfähigkeit des Beklagten zu ermitteln. Entgegen dem
angefochtenen Urteil habe dieser gerade nicht seine uneingeschränkte
Leistungsfähigkeit erklärt. Grundlage des Vergleichs vom 19.05.2005 sei gerade nicht
eine konkrete Bedarfsberechnung gewesen; vielmehr sei der Zahlbetrag – mit
Ausnahme der Kosten für die Krankenversicherung – pauschal mit 850,00 Euro
monatlich festgesetzt worden. Weitere Grundlagen enthalte der Vergleich nicht, so dass
im Falle einer Abänderung neu zu rechnen sei.
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Lediglich für den Fall, dass eine Auskunftsverpflichtung des Beklagten aufgrund seiner
Leistungsfähigkeit nicht bestehe, begehrt die Klägerin in Abänderung des
Vergleichsbetrages vom 19.05.2005 hilfsweise die Zahlung des Unterhalts
entsprechend dem derzeitigen konkreten Bedarf, den sie mit gerundet 2.041,00 Euro
monatlich beziffert und auf den sie das hälftige Kindergeld anrechnet.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung mit näheren
Ausführungen entgegen.
20
Er wiederholt seine Auffassung, für die Anträge der Klägerin gebe es keine
Rechtsgrundlage. Er weist auf seine freiwilligen zusätzlichen Zahlungen seit dem Jahre
2008 hin und bestreitet die geltend gemachten konkreten Bedarfspositionen der
Klägerin mit Nichtwissen.
21
Im Senatstermin vom 22.04.2010 haben die Parteien die Berufungsanträge zu Ziffer I
und II (Auskunft, Belegvorlage) übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt
und haben sodann zum Abänderungszahlungsantrag verhandelt.
22
II.
23
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat jedoch nur in dem zugesprochenen Umfang
Erfolg.
24
1.
25
Die Berufung ist zulässig, da mit der in der Berufungsinstanz ursprünglich verfolgten
isolierten Auskunftsklage (Anträge zu Ziffer I und II) das erstinstanzliche Begehren –
Abänderungsstufenklage, die mit dem angefochtenen Urteil insgesamt abgewiesen
worden ist – zumindest teilweise weiterverfolgt worden, die erforderliche Beschwer
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somit gegeben ist.
Der nach übereinstimmender Erledigung der Auskunftsanträge (Ziffer I und II) nunmehr
als Hauptantrag gestellte bezifferte Abänderungsantrag ist als qualitative Änderung des
ursprünglich unbezifferten Abänderungsantrages der Abänderungsstufenklage (Ziffer 4
der Klageanträge erster Instanz) – und damit nicht als Klageänderung im Sinne von §
263 ZPO – zu werten, der das ursprüngliche Abänderungsbegehren auch in der
Berufungsinstanz modifiziert weiterverfolgt.
27
2.
28
Das nunmehr verfolgte bezifferte Abänderungsbegehren ist gemäß § 323 ZPO zulässig,
da die Klägerin eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Verhältnisse seit
Vergleichsschluss (Wechsel in die dritte Altersstufe, höherer konkreter Bedarf)
behauptet.
29
3.
30
Die Abänderungsklage ist in dem zugesprochenen Umfang auch begründet, da die
Klägerin nach den Grundsätzen des Wegfalls bzw. der Änderung der
Geschäftsgrundlage gemäß §§ 242, 313 BGB die Anpassung des Vergleichs an die
geänderten Verhältnisse verlangen kann.
31
a)
32
Der Anpassung des Vergleichs vom 19.05.2005 an die geänderten Verhältnisse steht
nicht die Klausel zu Ziffer V des Vergleichs entgegen. Zwar heißt es darin, dass die
Vereinbarung bis zum 18. Lebensjahr der Klägerin nicht abänderbar ist. Diese Klausel
ist jedoch gemäß §§ 134, 139 BGB nichtig und steht damit einer Anpassung des
Vergleichs nicht entgegen. Gemäß § 1614 Abs. 1 BGB kann auf Kindesunterhalt für die
Zukunft nicht verzichtet werden. Dieses Verbot betrifft auch einen teilweisen
Unterhaltsverzicht. Deshalb darf eine Vereinbarung über den Kindesunterhalt sich nicht
so weit vom gesetzlichen Unterhaltsanspruch entfernen, dass sie auf einen
vollständigen oder teilweise Verzicht hinausläuft. Dies gilt auch für eine Beschränkung
der Möglichkeit, eine Erhöhung des Kindesunterhalts im Wege der Abänderungsklage
gemäß § 323 ZPO zu verlangen. Die Nichtigkeit gilt unabhängig von der Verzichtsform,
also auch wenn sie von den Beteiligten im Wege des Vergleichs, wie vorliegend,
vereinbart worden ist (vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, § 1614 Rdnr. 1; Wendl/Scholz,
Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 2 Rdnr. 521, jeweils
mit weiteren Nachweisen). Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist durch Vergleich vom
19.05.2005 bestimmt worden, als sich diese noch in der zweiten Altersstufe befand.
Auch wenn seinerzeit ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 700,00 Euro – ohne den
gesondert ausgewiesenen Krankenversicherungsbeitrag - und damit weit über dem
damaligen höchsten Tabellensatz (seinerzeit 13. Einkommensstufe mit einem
Tabellenunterhalt von 482,00 Euro) vereinbart worden ist, spricht bereits einiges dafür,
dass sich der Unterhaltsbedarf der Klägerin bis zur Volljährigkeit allein aufgrund des
Wechsels in die dritte Altersstufe auch unter Berücksichtigung der besonders guten
Einkommensverhältnisse des Beklagten erhöhen könnnte. Diese
Anpassungsmöglichkeit würde vorliegend durch die Vergleichsklausel gemäß Ziffer V
verhindert, ein etwaiger höherer Unterhaltsanspruch im Falle des Bestandes der Klausel
zumindest teilweise verkürzt. Dies verstößt gegen das Verbot des § 1614 Abs. 1 BGB
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und führt zur Nichtigkeit der Klausel gemäß § 134 BGB. Von einer Gesamtnichtigkeit
des Vergleichs ist indes vorliegend nicht auszugehen, § 139 BGB.
b)
34
Der Vergleich vom 19.05.2005 enthält – mit Ausnahme des gesondert aufgeführten
Krankenversicherungsbetrages von seinerzeit 150,00 Euro – keinerlei Grundlagen.
Damit ist pauschal ein Unterhaltsbetrag von 700,00 Euro + 150,00 Euro = 850,00 Euro
tituliert. Der Unterhaltsbestimmung ist lediglich zu entnehmen, dass der Zahlbetrag weit
oberhalb der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle angesiedelt und
der Krankenversicherungsbetrag hinzugerechnet werden sollte. Eine derartig pauschale
Bestimmung der Unterhaltsverpflichtung entfaltet im Falle der Abänderung keine
Wirkung; vielmehr ist der geschuldete Unterhalt sodann nach Recht und Gesetz zu
bestimmen (vgl. BGH FamRZ 2001, 1140, 1142; BGH; Urteil vom 25.11.2009 – XII ZR
8/08).
35
c)
36
Die Anpassung des durch den Unterhaltsvergleich vom 19.05.2005 titulierten
Unterhaltsbetrages bestimmt sich daher nach folgenden Gesichtspunkten:
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Die Klägerin befindet sich in der dritten Altersstufe. Der höchste Tabellenunterhalt der
Düsseldorfer Tabelle – Stand Januar 2010 – beläuft sich in der zehnten
Einkommensgruppe (anrechenbares Einkommen des Unterhaltspflichtigen bis 5.100,00
Euro) auf 682,00 Euro und der monatliche Zahlbetrag, nach Abzug des hälftigen
Kindergeldes, auf 590,00 Euro. Bei den Unterhaltssätzen der Düsseldorfer Tabelle
handelt es sich um richterliche Erfahrenswerte, die – mit zunehmenden Einkünften des
Pflichtigen – auch einen gehobenen Unterhaltsbedarf des berechtigten Kindes
widerspiegeln. Mit diesen auf allgemeinen richterlichen Erfahrungswerten beruhenden
Unterhaltssätzen, die regelmäßig aktuell der Einkommens- und Preisentwicklung
angepasst werden, sind jedenfalls die Grundbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten wie
Nahrung, Kleidung, Wohnbedarf, Schulbedarf sowie Aufwendungen für Freizeit, Urlaub
etc. grundsätzlich gedeckt. Darüber hinausgehende eventuelle Bedürfnisse sind –
sowohl was einen konkreten Mehrbedarf betrifft als auch dem höheren Lebensstandard
geschuldet ist – von dem Unterhaltsberechtigten im Einzelnen darzulegen und ggf. zu
beweisen. Die Anforderungen an diese Darlegungslast dürfen allerdings nicht dazu
führen, dass der Kindesunterhalt auch bei einem die höchste Einkommensgruppe
übersteigenden Elterneinkommen faktisch auf den für diese höchste
Einkommensgruppe geltenden Tabellensatz festgeschrieben wird. Auch bei höherem
Elterneinkommen muss sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter
entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen
wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht, an die sie sich vielfach im
Zusammenleben mit ihren Eltern gewöhnt haben werden und die ihnen auch nach einer
Trennung der Eltern grundsätzlich erhalten bleiben soll. Wie dieser Lebensstil im
Einzelnen beschaffen ist, welche Bedürfnisse des Kindes auf seiner Grundlage zu
befriedigen sind und welche Wünsche des Kindes als bloße Teilhabe am Luxus nicht
erfüllt werden müssen, kann nicht allgemein gesagt, sondern nur im Einzelfall unter
Würdigung der besonderen Verhältnisse der Betroffenen festgestellt werden. Diese
Gesamtumstände und Bedürfnisse müssen deshalb vom Unterhaltsberechtigten näher
dargelegt werden. Dabei dürfen an die Darlegungslast keine übertriebenen
Anforderungen gestellt werden. Insbesondere wird dem Unterhaltsberechtigten im
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Regelfall nicht angesonnen werden können, seine gesamten – auch elementaren –
Aufwendungen in allen Einzelheiten spezifiziert darzulegen. Er wird sich vielmehr
regelmäßig darauf beschränken dürfen, besondere oder besonders kostenintensive
Bedürfnisse zu belegen und darzutun, welche Mittel zu deren Deckung notwendig sind.
Im Übrigen ist das Gericht, das einen derartigen erhöhten Bedarf zu beurteilen hat, nicht
gehindert, den zur Deckung erforderlichen Betrag unter Heranziehung des
Mehrbetrages zu berechnen, der sich aus der Gegenüberstellung solcher besonderer
Bedürfnisse mit bereits von den Richtwerten der Düsseldorfer Tabelle erfassten
Grundbedürfnissen ergibt und unter Zuhilfenahme allgemeiner Erfahrungswissens nach
Maßgabe des § 287 ZPO zu bestimmen ist (vgl. BGH FamRZ 2000, 358, 359).
Andererseits ist unabhängig von den geltend gemachten einzelnen Bedarfspositionen
zu berücksichtigen, dass die Lebensstellung der Kinder in erster Linie durch ihr
Kindsein geprägt wird. Anders als Ehegatten, für die jedenfalls in dem noch nicht der
Vermögensbildung zuzurechnenden Einkommensbereich der Grundsatz der
gleichmäßigen Teilhabe gilt, können Kinder nicht einen bestimmten Anteil an dem
Einkommen des Unterhaltspflichtigen verlangen. Unterhaltsgewährung von Kindern
bedeutet stets Befriedigung ihres gesamten, auch eines gehobenen Lebensbedarfs,
nicht aber Teilhabe am Luxus (§ 1610 Abs. 2 BGB). Auch in besten Verhältnissen
lebende Eltern schulden dem Kind nicht, was es wünscht, sondern was es nach seinem
Lebensstandard, an den es sich vielfach gewöhnt haben wird, braucht. Dieser
Lebensstandard soll dem Kind auch nach der Trennung der Eltern grundsätzlich
erhalten bleiben. Jedoch darf die Unterhaltsbemessung weder einem gedeihlichen
Eltern-Kind-Verhältnis entgegenwirken noch dazu führen, die Lebensstellung des
Elternteils anzuheben, bei dem das Kind lebt. Dementsprechend ist bei einer Erhöhung
des Unterhalts minderjähriger Kinder über die Höchstsätze der Düsseldorfer Tabelle
hinaus vorsichtig vorzugehen und der Unterhaltsbedarf auch bei Einkünften deutlich
über dem Einkommensbereich der Düsseldorfer Tabelle nur maßvoll anzuheben (vgl.
Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 2
Rdnr. 128, 129; 229, 230, jeweils mit weiteren Nachweisen).
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich die
Eltern nur wenige Monate nach der Geburt der Klägerin getrennt haben.
Dementsprechend hat die Klägerin gerade nicht Anteil an den gehobenen
wirtschaftlichen Verhältnissen des Kindesvaters und Beklagten gehabt mit der Folge,
dass ihre Lebensstellung gerade nicht durch einen außerordentlich hohen
Lebensstandard ihrer Eltern geprägt worden ist.
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Dies spricht dafür, den titulierten Unterhalt vorliegend maßvoll im Wesentlichen
aufgrund des Alters der Klägerin und des Zeitablaufs – fünf Jahre nach erfolgter
Titulierung – und der damit verbundenen Geldentwertung anzupassen.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zahlbetrag der höchsten Einkommensgruppe der
aktuellen Düsseldorfer Tabelle mit 590,00 Euro monatlich (dritte Altersstufe) bereits die
Grundbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten erfasst. Dieser Betrag ist um die
genannten Positionen wie Musikunterricht für zwei Instrumente und die damit
verbundenen Aufwendungen sowie für die geltend gemachten erhöhten Aufwendungen
für Freizeitbedarf wie Reiten pp. maßvoll zu erhöhen. Hinzu kommt – wie bereits in dem
abzuändernden Vergleich gesondert aufgeführt – ein pauschaler Betrag für die private
Krankenversicherung der Klägerin, den der Senat mit nunmehr 200,00 Euro monatlich
ansetzt.
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Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände hält der Senat die Anpassung des durch
Unterhaltsvergleich vom 19.05.2005 titulierten Kindesunterhalts auf nunmehr
1.150,00 Euro monatlich für angemessen, aber auch für ausreichend. Im Falle der
Zusprechung des geltend gemachten konkreten Bedarfs von 2.041,00 Euro monatlich
würde die Klägerin insoweit am Luxus des Beklagten teilhaben; außerdem würde die
Lebensstellung der Kindesmutter verbessert. Dies ist vom Gesetz nicht gewollt.
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Zwar hat der Beklagte selbst freiwillig – unter Berücksichtigung sämtlicher
Zuwendungen und Sachgeschenke – in den letzten Jahren erheblich mehr gezahlt als
bislang tituliert. So hat er nach eigenen Angaben, die von der Klägerin unbestritten
geblieben sind, im Jahre 2008 zusätzlich umgerechnet monatlich 1.253,64 Euro und im
Jahre 2009 zusätzlich monatlich 1.244,65 Euro gezahlt und diese Form der freiwilligen
Zuwendungen auch im Jahre 2010 fortgeführt. Der Beklagte hat jedoch nachvollziehbar
dazu vorgetragen, dass er diese Leistungen freiwillig und ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht erbracht hat und er sich gegen eine rechtlich bindende Verpflichtung zur
Weiterleistung des Unterhalts in dieser Höhe wendet. Dazu besteht nach Auffassung
des Senats auch kein Anspruch.
44
4.
45
Der Anspruch auf Zahlung erhöhten Unterhalts von 1.150,00 € in Abänderung des
Vergleichs vom 19.05.2005 besteht grundsätzlich ab Geltendmachung im März 2009, §
1613 Abs. 1 BGB.
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Unstreitig hat der Beklagte aber seitdem höheren Unterhalt gezahlt als bislang tituluiert,
nämlich ab März 2009 (einschließlich Taschengeld) monatlich 971,00 €, ab Januar
2010 monatlich 990,00 € (vgl. Bl. 17, 88, 91, 92 GA). Hinzu kommen die von dem
Beklagten so bezeichneten "freiwilligen Zuwendungen", die sich umgerechnet in
vorbeschriebener Höhe von ca. 1.250,00 € monatlich belaufen.
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Diese muss sich die Klägerin - aus Gründen der Billigkeit - auf ihren geltend gemachten
erhöhten Bedarf bis zum heutigen Zeitpunkt (Mai 2010) in Höhe des ausgeurteilten
Unterhalts-Mehrbetrages anrechnen lassen, denn die freiwilligen Leistungen sind
konkret bezogen auf die Bedürfnisse/den Bedarf der Klägerin erbracht worden.
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Hätte der Beklagte im Übrigen im Zeitpunkt der jeweiligen Leistungserbringung
gewusst, dass er zu höheren Unterhaltsleistungen rechtlich verpflichtet war, hätte er
zumindest teilweise eine diesbezügliche Leistungsbestimmung getroffen, so dass auch
der erhöhte Bedarf der Klägerin bis zum heutigen Tage durch die Leistungen des
Beklagten, die die Klägerin jeweils entgegengenommen hat, insgesamt gedeckt ist.
49
Eine abweichende Bewertung würde jedenfalls der einvernehmlichen Verfahrensweise
der Parteien in der Vergangenheit widersprechen.
50
5.
51
Der Zinsanspruch ist nicht begründet.
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Die Fälligkeit des Unterhaltsanspruches monatlich im Voraus gem. § 1612 Abs. 3 BGB
begründet keine Kalenderfälligkeit im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. Palandt-
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Heinrichs, BGB, § 286 Rdn. 22 m.w.N.).
III.
54
Auf die Berufung der Klägerin ist der Unterhaltsvergleich vom 19.05.2005 wie tituliert
anzupassen. Die weitergehende Abänderungsklage der Klägerin ist abzuweisen. Im
Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.
55
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
56
Die übereinstimmende Erledigung der Auskunftsklage fällt bei der Bemessung der
Kostenquote angesichts des höheren Streitwertes des nunmehr als Hauptantrag
gestellten bezifferten Abänderungsantrages nicht ins Gewicht.
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