Urteil des OLG Hamm vom 18.11.2008

OLG Hamm: auflage, anweisung, verfügung, verein, mitgliederversammlung, gebühr, handbuch, anmeldepflicht, präsident, zusammensetzung

Oberlandesgericht Hamm, 15 Wx 46/09
Datum:
18.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 Wx 46/09
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 7c T 76/06
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Auf die erste Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird die angefochtene
Kostenberechnung abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Geschäftswert gemäß §§ 30 Abs. 2, 44 Abs. 2a KostO: 27.000,00 €
Gebühr für den Entwurf einer Anmeldung zum Vereinsregister nebst
Unterschriftsbeglaubigung§§ 145 Abs. 1 S. 1, 38 Abs. 2 Nr. 7 KostO (1/2)
45,00 Euro
Entgelte für Postdienstleistungen § 152 Abs. 2 Nr. 1a KostO 1,55 Euro
Mehrwertsteuer 16 % § 151a KostO 7,45 Euro Summe 54,00 Euro
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Beteiligte zu 2) ist ein im Vereinsregister des Amtsgerichts Bochum unter VR ####
eingetragener Verein. Im Jahr 2003 bestand dessen Vorstand aus neun Personen. In
der Mitgliederversammlung vom 4.7.2004 beschlossen die Mitglieder eine Änderung der
Satzung in § 2 und in § 7, nach der der Vorstand nur noch aus sieben Personen besteht.
Bei der in der Mitgliederversammlung durchgeführten Vorstandswahl wurden vier
bisherige Mitglieder des Vorstands bestätigt und drei neue Mitglieder in den Vorstand
gewählt. Fünf bisherige Mitglieder des Vorstands schieden aus.
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Der Beteiligte zu 1) fertigte am 27.7.2004 unter der UR-Nr. ##/#### den Entwurf einer
Anmeldung zum Vereinsregister, die die erfolgte Satzungsänderung und die veränderte
Zusammensetzung des Vorstandes zum Gegenstand hatte. Ferner beglaubigte er die
Unterschriften der die Anmeldung unterzeichnenden drei Mitglieder des Vorstandes des
Beteiligten zu 2).
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Unter dem 28.7.2004 erstellte der Beteiligte zu 1) die folgende Kostenberechnung:
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Wert gemäß § 30 II KostO: 3.000,00 €
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Beglaubigungsgebühr mit Entwurf
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§§ 145 I 1, 38 II 7 KostO (1/2) 13,00 Euro
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Portokosten § 137 KostO 1,55 Euro
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Mehrwertsteuer 16 % § 151a KostO 2,33 Euro
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Gesamt: 16,87 Euro
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Nach durchgeführter Geschäftsprüfung beanstandete der Bezirksrevisor des Land-
gerichts Bochum mit Prüfungsbericht vom 20.12.2005, dass als Wert nur 3.000,00 €
angesetzt worden seien. Er vertrat die Ansicht, dass es sich bei dem Ausscheiden und
Eintreten von mehreren Vorstandsmitgliedern um verschiedene Angelegenheiten im
Sinne des § 44 Abs. 2a KostO handele und daher der nach § 30 Abs. 2 KostO zu
bestimmende Wert mehrfach zu addieren sei. Der Beteiligte zu 1) vertrat demgegenüber
die Auffassung, dass der Wert des § 30 Abs. 2 KostO nur einmal anzusetzen sei, da die
Anmeldung betreffend die Zusammensetzung des Vorstands denselben Gegenstand
betreffe.
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Die Präsidentin des Landgerichts hat den Beteiligten zu 1) daraufhin mit Schreiben vom
12.6.2006 angewiesen, eine Entscheidung des Landgerichts zu der nachfolgenden
Frage herbeizuführen: Gilt § 44 II KostO für eine Mehrheit von Anmeldungen in
derselben Urkunde, z.B. für das Ausscheiden und/oder den Eintritt mehrerer
Vorstandsmitglieder eines Vereins?
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Der Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz vom 23.6.2006 Anweisungsbeschwerde erhoben,
der er in der Sache entgegen getreten ist.
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Das Landgericht hat den Beteiligten zu 2) als Kostenschuldner nicht am Verfahren
beteiligt. Mit Beschluss vom 18.11.2008 hat das Landgericht unter Zulassung der
weiteren Beschwerde die Beschwerde zurückgewiesen.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1),
die er am 5.12.2008 auf Anweisung des Präsidenten des Landgerichts erhoben hat.
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Auf Hinweis des Senats hat der Präsident des Landgerichts mit Verfügung vom
23.3.2009 die dem Verfahren zugrunde liegende Anweisungsverfügung dahingehend
berichtigt, dass eine Heraufsetzung des Gegenstandswertes von bisher 3.000,00 € auf
27.000,00 € herbeigeführt werden soll. Der Anmeldung lägen neun verschiedene
Gegenstände zugrunde, deren jeweils nach § 30 Abs. 2 KostO mit 3.000,00 €
anzusetzende Werte nach § 44 Abs. 2a KostO zu addieren seien. Die Anmeldung
beinhalte den Eintritt von drei neuen Personen in den Vorstand, das Ausscheiden von
fünf Personen aus dem Vorstand und eine Satzungsänderung.
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Der Senat hat den Beteiligten zu 2) am Verfahren beteiligt und ihm Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben. Der Beteiligte zu 2) hat sich nicht geäußert.
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II.
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Die weitere Beschwerde ist infolge der Zulassung durch das Landgericht nach
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§ 156 Abs. 2, Abs. 6 Satz 1 KostO statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Die
Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, dass seine
Erstbeschwerde keinen Erfolg gehabt hat.
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In der Sache ist die weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des
Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO). Das
Rechtsmittel führt zur Abänderung der Kostenberechnung des Beteiligten zu 1) im Sinne
der Anweisung des Präsidenten des Landgerichts in ihrer Fassung vom 23.03.2009.
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In verfahrensrechtlicher bedenklicher Weise ist das Landgericht von einer zulässigen
Anweisungsbeschwerde gemäß § 156 Abs. 6 KostO ausgegangen. Verfahrensfehler
der landgerichtlichen Entscheidung stehen einer abschließenden Sachentscheidung
durch den Senat indessen nicht entgegen, weil diese im Verfahren der weiteren
Beschwerde geheilt worden sind.
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Das Landgericht ist in eine Sachprüfung der vom Beteiligten zu 1) eingelegten
Beschwerde eingetreten, obwohl die der Beschwerde zugrunde liegende
Anweisungsverfügung der Präsidentin des Landgerichts vom 12.6.2006 nur aus der
abstrakten Rechtsfrage bestand, ob § 44 Abs. 2 KostO für eine Mehrheit von
Anmeldungen in derselben Urkunde, z.B. für das Ausscheiden und/oder den Eintritt
mehrerer Vorstandsmitglieder eines Vereins gilt. Eine Anweisungsverfügung, mit der
gerade der sachliche Prüfungsgegenstand des gerichtlichen Verfahrens bestimmt wird,
muss erkennen lassen, in welcher Hinsicht die Kostenrechnung des Notars für unrichtig
angesehen wird und mit welchem Ziel die gerichtliche Entscheidung herbeigeführt
werden soll (BayObLG FGPrax 1997, 197; Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, § 156
KostO Rn. 71). Der Präsident des Landgerichts hat auf den Hinweis des Senats mit der
oben angeführten Verfügung vom 23.3.2009 der Anweisung die gebotene Präzisierung
gegeben und klar gestellt, dass er vom Vorliegen von neun verschiedenen
Gegenständen im Sinne des § 44 Abs. 2a KostO ausgeht und dementsprechend eine
Heraufsetzung des Gegenstandswertes auf 27.000,00 € anstrebt.
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Das Landgericht hat zudem entgegen § 156 Abs. 1 Satz 2 KostO den Beteiligten zu 2)
nicht am Verfahren beteiligt. Der Kostenschuldner der zu überprüfenden
Notarkostenrechnung ist selbst dann zu hören, wenn das Landgericht in einem
Verfahren über die Weisungsbeschwerde die Weisung der Dienstaufsichtsbehörde für
unbegründet hält (OLG Oldenburg JurBüro 1997, 376; Korintenberg / Lappe / Bengel /
Tiedtke, Kostenordnung, 17. Auflage, § 156 Rn. 51). Eine unterbliebene förmliche
Beteiligung im Beschwerdeverfahren kann auch noch im Verfahren der weiteren
Beschwerde nachgeholt werden, wenn nach dem Sach- und Streitstand eine weitere
Sachaufklärung nicht notwendig ist und die förmliche Beteiligung nur der Gewährung
rechtlichen Gehörs dient (BGH FGPrax 1998, 15; BayObLG NZM 2000, 47; Senat OLG-
Report 2002, 101). Zwar ist erst durch die Präzisierung der Anweisung mit Verfügung
vom 23.3.2009 in das Verfahren eingeführt worden, dass der Anmeldung vom 27.7.2004
die Anmeldung die Neubestellung von drei Mitgliedern des Vorstands und das
Ausscheiden von fünf bisherigen Mitgliedern des Vorstands zugrunde liegt. Diese
Tatsache ergibt sich aber auch aus den Eintragungen im Vereinsregister und bedarf
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daher keiner weiteren Aufklärung. Im übrigen geht es um die Klärung einer Rechtsfrage.
Die Kostenrechnung genügt in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 154 Abs. 2
KostO und kann damit Gegenstand einer sachlichen Überprüfung im
Beschwerdeverfahren nach § 156 KostO sein.
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In der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung
nicht stand (§ 156 Abs. 2 S. 3 KostO).
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Die Anmeldung vom 27.7.2004 enthält die Erklärung der Bestellung der neu berufenen
Mitglieder des Vorstands und des Ausscheidens bisheriger Mitglieder des Vorstands.
Diese Rechtsvorgänge haben jeweils einen "verschiedenen" Gegenstand im Sinne des
§ 44 Abs. 2 KostO.
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Bei der Prüfung, ob mehrere gleichzeitig beurkundete Rechtsverhältnisse denselben
Gegenstand haben, steht die Frage ihres inneren Zusammenhangs im Vordergrund. Je
mehr das mitbeurkundete weitere Rechtsverhältnis von dem Hauptgeschäft abhängt,
desto eher ist eine Gegenstandsgleichheit anzunehmen (BGHZ 153, 22 = NJW-RR
2003, 1149). Der Bundesgerichtshof hat in der angeführten Entscheidung die in der
Rechtsprechung bis dahin kontrovers behandelte Frage, ob die Anmeldung der
Neubestellung und des Ausscheidens von Geschäftsführern einer GmbH "denselben"
Gegenstand im Sinne des § 44 Abs. 1 KostO oder verschiedene Gegenstände im Sinne
des § 44 Abs. 2 KostO hat, dahingehend entschieden, dass vom Vorliegen
verschiedener Gegenstände auszugehen ist. Zur Begründung hat der
Bundesgerichtshof angeführt, dass der von § 44 Abs. 1 KostO vorausgesetzte "innere"
Zusammenhang zwischen den einzelnen Erklärungen nicht bestehe. So könne die
Anmeldung eines neuen Geschäftsführers unabhängig von der Anmeldung eines
weiteren neuen Geschäftsführers und der Abberufung eines bisherigen
Geschäftsführers vollzogen werden. Zudem beziehe sich die Anmeldepflicht des § 39
Abs. 1 GmbHG auf die konkrete Person des Geschäftsführers und nicht auf ein
abstraktes Vertretungsorgan (BGH a.a.O.)
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts müssen die zur GmbH und ihren
Geschäftsführern angestellten Erwägungen auf den Verein und die Mitglieder seines
Vorstands übertragen werden (so auch: Rohs / Wedewer, Kostenordnung, § 29 Rn. 8;
Stöber, Handbuch des Vereinsrechts, 12. Auflage, Rn. 1215; Kersten / Bühling,
Formularhandbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 22. Auflage, Rn. 84 M zu
Kapitel § 121; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 10. Auflage, Rn.
4576). Denn auch die Anmeldung von neuen Mitgliedern des Vorstands und des
Ausscheidens bisheriger Mitgliede des Vorstands können unabhängig voneinander
vollzogen werden. Mit jedem der neu bestellten Vorstandsmitglieder wird ein neues
Organschaftsverhältnis begründet. Jedes bestellte Vorstandsmitglied tritt in eine
Organstellung im Verhältnis nach innen und nach außen (Reichert, a.a.O. Rn. 1964).
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Dass sich – wie das Landgericht herausstellt – die Vertretungsbefugnis des einzelnen
Vorstandsmitglieds nicht unmittelbar aus der Anmeldung / Eintragung ergibt, ist kein
geeignetes Differenzierungskriterium, da das Rechtsverhältnis in dem neu begründeten
Organschaftsverhältnis besteht und nicht in dessen materiell-rechtlicher Ausgestaltung,
die sich im Einzelnen aus den Satzungsregelungen ergibt. Nicht für überzeugend hält
der Senat den weiteren Hinweis des Landgerichts darauf, dass sich § 67 BGB anders
als § 39 Abs. 1 GmbHG hinsichtlich der Anmeldung auf die Änderung des "Vorstands"
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bezieht. Gleichwohl wird dadurch nicht der Vorstand in seiner Gesamtheit zum
Gegenstand der Anmeldung. Vielmehr ist auch beim Verein Gegenstand der
Anmeldung und der anschließenden Eintragung im Vereinsregister das Ausscheiden
bzw. die Neubestellung der jeweils einzelnen Person als Vorstandsmitglied.
Dementsprechend müssen in einer korrekt ausformulierten Anmeldung die neu
eintretenden und die ausscheidenden Mitglieder des Vorstands namentlich bezeichnet
werden (Reichert, a.a.O., Rn. 2199). Die Anmeldepflicht betrifft somit jedes einzelne
Mitglied des Vorstands, für das sich eine Änderung ergibt.
Im vorliegenden Fall beinhaltet die entworfene Erklärung die Anmeldung die
Neubestellung von drei Mitgliedern des Vorstands und das Ausscheiden von fünf
bisherigen Mitgliedern, so dass insgesamt acht verschiedene Gegenständen im Sinne
des § 44 Abs. 2 KostO vorliegen. Die in der Erklärung zudem enthaltene
Satzungsänderung stellt einen weiteren, von der Anmeldung der Neubestellung bzw.
des Ausscheidens von Vorstandsmitgliedern verschiedenen Gegenstand dar, so dass
es sich im Ergebnis um neun verschiedene Gegenstände im Sinne des § 44 Abs. 2
KostO handelt. Für jeden dieser Gegenstände ist nach § 30 Abs. 2 KostO jeweils ein
Geschäftswert von 3.000,00 € anzusetzen so dass sich bei der gebotenen
Zusammenrechnung nach § 44 Abs. 2a KostO ein Gegenstandswert von 27.000,00 €
ergibt.
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Ausgehend von diesem Geschäftswert war die in der Sache nicht beanstandete Gebühr
zuzüglich der Auslagen zu berechnen. Dies führt zu der im Tenor vorgenommenen
Neufassung der angefochtenen Kostenberechnung.
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Die Festsetzung eines Geschäftswertes für das Verfahren der weiteren Beschwerde ist
nach § 156 Abs. 6 S. 3 KostO nicht veranlasst.
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