Urteil des OLG Hamm vom 18.05.2000

OLG Hamm: identifizierung, fahrverbot, akte, foto, fahrzeugführer, firma, rechtskraft, verjährungsfrist, erlass, kopie

Oberlandesgericht Hamm, 5 Ss OWi 1106/99
Datum:
18.05.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
5. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 Ss OWi 1106/99
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 95 OWi 26 Js 793/98 95 - 285 - 98
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen mit der
Maßgabe als unbegründet verworfen, dass das Fahrverbot erst wirksam
wird, wenn der Führerschein des Betroffenen in amtliche Verwahrung
gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der
Rechtskraft.
G r ü n d e :
1
I.
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Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen
fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer
geschlossenen Ortschaft um 54 km/h, begangen am 7. Februar 1998 in E2 auf der C T-
Straße, zu einer Geldbuße von 350,- DM verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem
Monat gegen den Betroffenen verhängt.
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Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 2. August
1999, am gleichen Tage beim Amtsgericht Dortmund eingegangen, Rechtsbeschwerde
eingelegt. Diese Rechtsbeschwerde hat der Verteidiger des Betroffenen mit Schriftsatz
vom 22. September 1999, form- und fristgerecht begründet. Die Rechtsbeschwerde wird
darauf gestützt, dass der Verurteilung das Verfolgungshindernis der Verjährung
entgegen stehe, die Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer in den
Urteilsgründen nicht ausreichend dargelegt sei und im Übrigen das verhängte
Fahrverbot weder gerechtfertigt, noch hinreichend begründet worden sei.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet
zu verwerfen.
5
II.
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Die Rechtsbeschwerde war mit der Maßgabe der Einräumung der
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4-Monats-Frist des § 25 Abs. 2 a StVG als unbegründet zu verwerfen, da die
Überprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung im Übrigen keinen
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Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 349
Abs. 2 StPO).
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Anlass zu näheren Erörterungen gibt nur Folgendes:
10
1.
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Entgegen der vom Betroffenen weiterhin vertretenen Auffassung ist eine
Verfolgungsverjährung nicht eingetreten. Die gemäß § 26 Abs. 3 StVG bis zum Erlass
des Bußgeldbescheids am 23. Juni 1998 geltende Verjährungsfrist von drei Monaten ab
Tatbegehung wurde nicht bereits am 5. März 1998 durch die Versendung eines
Anhörungsbogens unterbrochen, da dieser Anhörungsbogen, wie sich aus dem
Schreiben des Polizeipräsidiums E2 vom 30. März 1998 an die Polizeiinspektion O
ergibt, an die Firma C GmbH als Fahrzeughalterin gerichtet war und weder die
Fahrereigenschaft noch die Personalien des Betroffenen zu diesem Zeitpunkt bekannt
waren. Erst durch die Vorladung des Betroffenen zur Vernehmung durch Schreiben des
Polizeipräsidiums E2 vom 21. April 1998 wurde die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1
OWiG unterbrochen, so dass die dreimonatige Verjährungsfrist bis zum Erlass des
Bußgeldbescheides am 23. Juni 1998 noch nicht abgelaufen war. Auch in der Folgezeit
ist keine Verjährung eingetreten. Der Senat sieht auch Berücksichtigung der
Beschwerderechtfertigung des Betroffenen, welche insoweit keine neuen Tatsachen
enthält, keine Veranlassung, von der bereits in dem Senatsbeschluss vom 16. März
1999 näher ausgeführten Rechtsauffassung zur Verjährungsfrage abzuweichen.
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2.
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Auch die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil zur Identifizierung des Betroffenen
als Fahrzeugführer anhand des in der Akte befindlichen (Front-)Radarfotos weisen
keine Rechtsfehler auf. Sie entsprechen vielmehr den Anforderungen, die von der
obergerichtlichen Rechtsprechung insoweit an die Darlegung der Identifizierung des
Betroffenen in den Urteilsgründen gestellt werden. Danach müssen die Urteilsgründe so
gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto
überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Diese
Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf das in
der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug
nimmt. Aufgrund einer solchen Bezugnahme wird das Lichtbild zum Bestandteil der
Urteilsgründe, so dass das Rechtsmittelgericht die Abbildung aus eigener Anschauung
würdigen kann und daher auch in der Lage ist, zu beurteilen, ob sie als Grundlage einer
Identifizierung tauglich ist. Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 S.
3 StPO Gebrauch, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des
abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto zur Identifizierung
uneingeschränkt geeignet ist, weil es die einzelnen Gesichtszüge erkennen lässt (vgl.
BGHSt 41, 374 = NZV 1996, 157). Von der Möglichkeit der Bezugnahme auf ein in der
Akte befindliches Foto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG hat der
Tatrichter hier in rechtsfehlerfreier Weise Gebrauch gemacht. Das (Front-)Radarfoto, auf
das in den Urteilsgründen Bezug genommen worden ist, lässt die einzelnen
Gesichtszüge des Fahrzeugführers deutlich erkennen und ist zur Identifizierung
uneingeschränkt geeignet. Die Ausführungen in den Urteilsgründen, dass die
Gesichtszüge der auf dem Messfoto abgebildeten Person mit den Gesichtszügen des
Betroffenen übereinstimmen, sind daher nachvollziehbar. Der Vergleich des Messfotos
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mit dem in Kopie vorliegenden Personalausweisfoto des Betroffenen, auf das in den
Urteilsgründen ebenfalls Bezug genommen worden ist, stützt das Beweisergebnis des
Amtsgerichts, dass es sich bei dem Fahrzeugführer um den Betroffenen handelt,
aufgrund der äußerlichen Übereinstimmungen der jeweils abgebildeten Person
zusätzlich.
3.
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Schließlich weist auch die Verhängung eines Fahrverbotes gegen den Betroffenen
gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 StVG neben der Regelbuße von 350,- DM gemäß § 2 Abs. 1 Nr.
1 Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) i.V.m. lfd. Nr. 3 a. 3 und Tabelle 1 a c) lfd. Nr.
5.3.5 BKatV keinen Rechtsfehler auf. Ist, wie im vorliegenden Fall, einer der in § 2 Abs.
1 S. 1 BKatV aufgeführten Tatbestände erfüllt, so ist das Vorliegen einer groben
Pflichtverletzung i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG indiziert, so dass es regelmäßig im
Rahmen einer Besinnungsmaßnahme der Anordnung eines Fahrverbotes als
"Denkzettel" bedarf (vgl. BGHSt 38, 125, 129 ff.; OLG Hamm, NZV 1995, 366; DAR
1995, 374; OLG Celle,
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VRS 86, 209; OLG Hamburg, VRS 88, 386; OLG Düsseldorf,
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NZV 1993, 320; BayObLG NZV 1994, 370). Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht in
den Urteilsgründen ausgeführt, dass der Umstand, dass die Radarmessung im
vorliegenden Fall in einer Entfernung von nur 71 m vom Ortsausgangsschild
vorgenommen worden ist, ein Absehen vom Fahrverbot nicht rechtfertigt. Zwar kann in
Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichts-
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hofs zum sogenannten Augenblicksversagen (vgl. BGHSt 43, 241 = NZV 1997, 525) die
grobe Pflichtwidrigkeit einer Geschwindig-
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keitsüberschreitung in subjektiver Hinsicht entfallen, wenn die
Geschwindigkeitsmessung unter Missachtung der Mindestab-
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stände zum Ortseingangsschild, wie sie in den Richtlinien der Länder zur Durchführung
solcher Geschwindigkeitsüberwachungs-
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maßnahmen vorgesehen sind, durchgeführt worden ist (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 1999,
374, 375; OLG Köln VRS 96, 62, 63; BayObLG VRS 95, 130; NZV 1995, 496; OLG
Oldenburg NZV 1994, 286). Im vorliegenden Fall bestand jedoch, wie sich aus den
Urteils-
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gründen ergibt, ein sachlicher Grund, die in dem Runderlass des Innenministeriums des
Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. Mai 1996 (MinBl. 1996, 956) bei
Geschwindigkeitsmessungen grund-
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sätzlich einzuhaltende Mindestentfernung von 200 m zu dem Beginn und dem Ende
einer Geschwindigkeitsbeschränkung zu unterschreiten, da sich die Zu- und Abfahrt zu
bzw. vom Parkplatz der Firma N kurz vor dem Ortsausgangsschild befindet und es in der
Vergangenheit zur Gefährdung des Zu- und Abfahrtsverkehrs durch die sich auf der C T-
Straße dem Ortsausgangsschild mit überhöhter Geschwindigkeit nähernden
Kraftfahrzeuge gekommen ist. Diese besondere Gefahrensituation war für den
Betroffenen auch erkennbar.
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Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht schließlich auch die Frage aufgeworfen und
verneint, ob ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot unter gleichzeitiger
Erhöhung der Geldbuße gemäß § 2 Abs. 4 BKatV gerechtfertigt ist. Das Vorliegen
besonderer Umstände, die einen solchen Ausnahmefall begründen könnten, hat das
Amtsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Auch der Umstand, dass die der Verurteilung
zugrunde liegende Tat bereits im März 1998 begangen wurde und daher inzwischen
fast zwei Jahre und drei Monate zurückliegt, vermag nach Auffassung des Senats ein
Absehen vom Fahrverbot nicht zu rechtfertigen. Zwar kann ein erheblicher Zeitablauf
seit der Tat, wenn dieser dem Betroffenen nicht anzulasten ist, dazu führen, dass es
ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines (Regel-)Fahrverbotes nicht
mehr bedarf (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.1996
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- 2 Ss OWi 282/96 -; VRS 97, 449, 454; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35.
Aufl., § 25 StVG Rdnr. 15 b). Von Bedeutung kann in diesem Zusammenhang allerdings
nach Auf-
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fassung des Senats nur der Zeitraum zwischen Tatbegehung und der letzten
tatrichterlichen Verhandlung sein, da der Tat-
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richter den sich anschließenden Zeitraum zwischen seiner Entscheidung und deren
Rechtskraft nicht berücksichtigen kann und das Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu
prüfen hat, ob das Urteil des Tatrichters, auch was den Rechtsfolgenausspruch,
insbesondere die Verhängung und Begründung eines Fahrverbotes betrifft, Rechtsfehler
aufweist. Im Übrigen kann das Rechtsbeschwerdegericht auf der Grundlage der für das
Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen in dem angefochtenen Urteil auch
nur für den Zeitraum bis zur letzten tatrichterlichen Verhandlung prüfen, ob der
Betroffene vor oder nach der abgeurteilten Tat noch in anderer Weise
straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist.
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Der Umstand allein, dass im vorliegenden Fall zwischen dem Geschwindigkeitsverstoß
des Betroffenen und der amtsgerichtlichen Verurteilung ein Zeitraum von ca. einem Jahr
und fünf Monaten vergangen ist, lässt die tatrichterliche Wertung, es bedürfe noch der
Besinnungs- und Denkzettelfunktion des Fahrverbotes, nach Auffassung des Senats
nicht als rechtsfehlerhaft erscheinen.
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Da auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 a
StVG erfüllt sind, war die im Übrigen unbegründete Rechtsbeschwerde mit der aus dem
Beschlusstenor ersichtlichen Maßgabe zu verwerfen. Hinsichtlich des Zeitpunkts der
Wirksamkeit des Fahrverbots wird auf die diesem Beschluss beigefügte Belehrung
gemäß § 25 Abs. 8 StVG verwiesen.
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Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1
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