Urteil des OLG Hamm vom 29.04.2005

OLG Hamm: unterhalt, leistungsfähigkeit, stadt, jugendamt, form, fürsorgepflicht, eigenhändig, erlass, unterzeichnung, akte

Oberlandesgericht Hamm, 11 UF 73/05
Datum:
29.04.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 UF 73/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Ibbenbüren, 4 FH 84/01
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der
Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts -Familiengericht-
Ibbenbüren vom 16.02.2005 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin
auferlegt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.914,37
Euro festgesetzt.
Gründe:
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I.
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Der Antragsgegner ist der Vater der am 28.02.1999 geborenen Antragstellerin und wird
von dieser -in Beistandschaft nach § 55 KJHG vertreten durch das Jugendamt der Stadt
Ibbenbüren- aufgrund eines am 25.06.2001 beim Amtsgericht eingereichten Antrags
vom 19.03.2001 im Rahmen des vereinfachten Verfahrens nach §§ 645 ff ZPO auf
Unterhalt in Anspruch genommen.
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Der Festsetzungsantrag ist dem Antragsgegner am 13.07.2001 zugestellt worden, der
Antragsgegner hat nachfolgend über seine Verfahrensbevollmächtigten zu dem Antrag
Stellung genommen und sich hierbei -letztmals mit Schriftsatz vom 14.09.2001 unter
Beifügung des -allerdings weder unterschriebenen noch im dritten Abschnitt "Erklärung
bei Einwand G oder H" ausgefüllten- Formularvordrucks "Einwendungen gegen den
Antrag auf Festsetzung von Unterhalt" unter näherer Darlegung auf fehlende
Leistungsfähigkeit berufen. Das Amtsgericht hat die Antragstellerin mit Anschreiben vom
25.10.2001 über ihren Beistand von dem erhobenen Einwand fehlender
Leistungsfähigkeit in Kenntnis gesetzt und darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um
einen in zulässiger Form erhobenen Einwand des Antragsgegners handele, den das
Gericht nicht im vereinfachten Verfahren überprüfen könne. Zugleich wurde auf die
Möglichkeit verwiesen, einen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zu
stellen. Trotz wiederholter Nachfragen erfolgte hierauf zunächst keine Reaktion. Erst mit
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Schreiben vom 21.10.2004 kam das Jugendamt der Stadt Ibbenbüren auf seinen
Festsetzungsantrag vom 19.03.2001 zurück und beantragte unter Verweis auf die
unvollständige Ausfüllung des Formularvordrucks "Einwendungen gegen den Antrag
auf Festsetzung von Unterhalt" durch den Antragsgegner nochmals die erstrebte
Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren.
Durch den angefochtenen Beschluss hat der Rechtspfleger des Amtsgericht diesem
Antrag -nach Aktenlage ohne Unterrichtung des Antragsgegners vom Schreiben des
Jugendamtes der Stadt Ibbenbüren vom 21.10.2004 oder nochmalige Anhörung-
entsprochen. Gegen diesen ihm am 23.02.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die
am 08.03.2005 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners, der das Amtsgericht nicht
abgeholfen hat.
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II.
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Die nach §§ 652, 569 I ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte
Beschwerde, mit der der Antragsgegner in erster Linie die Zulässigkeit einer bereits vor
dem Amtsgericht erhobenen Einwendung nach § 648 II ZPO -nämlich die fehlender
Leistungsfähigkeit- geltend macht (§ 652 II ZPO), ist auch in der Sache begründet.
7
1.
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Der angefochtene Beschluss ist allerdings nicht schon deshalb aufzuheben, weil es an
einem wirksamen Unterhaltsfestsetzungsantrag der Antragstellerin fehlte. Zwar hat die
Antragstellerin, nachdem das Amtsgericht sie mit Schreiben vom 25.10.2001 darüber
unterrichtet hatte, dass die von ihr beantragte Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten
Verfahren wegen des vom Antragsgegner in zulässiger Form erhobenen Einwands
fehlender Leistungsfähigkeit nicht erfolgen könne, weder einen Antrag auf Durchführung
des streitigen Verfahrens nach § 651 I ZPO gestellt noch auf sonstige Weise das
Verfahren weiter betrieben. Allein dies führte indes nicht dazu, dass der
Festsetzungsantrag als zurückgenommen gilt, da die zum 01.01.2002 in Kraft getretene
Bestimmung des § 651 VI ZPO, die eine entsprechende Regelung beinhaltet, im
Streitfall nicht anwendbar ist. Nach § 27 EGZPO finden in vereinfachten Verfahren über
den Unterhalt von Minderjährigen (§§ 645 ff ZPO), in denen der Antrag auf Festsetzung
von Unterhalt -wie hier- vor dem 01.01.2002 eingereicht wurde, weiterhin die
Vorschriften über das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger in der
am 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung, die eine dem § 651 VI ZPO
vergleichbare Regelung nicht enthalten.
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2.
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Der Festsetzungsbeschluss hätte gleichwohl nicht ergehen dürfen, da der
Antragsgegner seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch die Angaben in
seinem auf den 13.09.2001 datierten Formularvordruck "Einwendungen gegen den
Antrag auf Festsetzung von Unterhalt" sowie die dem zur Glaubhaftmachung
beigefügten Unterlagen umfassend offengelegt und zugleich -bezogen auf den
damaligen Zeitpunkt- seinen erhobenen Einwand gänzlich fehlender Leistungsfähigkeit
nachvollziehbar begründet hatte. Bei dieser Sachlage war ungeachtet der Bestimmung
des § 647 I Nr. 4 ZPO eine gesonderte -vom Amtsgericht als fehlend beanstandete-
Erklärung des Antragsgegners nach § 648 II 1 ZPO, wie sie der dritte Abschnitt
"Erklärung bei Einwand G oder H" im Formularvordruck "Einwendungen gegen den
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Antrag auf Festsetzung von Unterhalt" vorsieht, entbehrlich (vgl. hierzu auch OLG
Frankfurt, FamRZ 2002, 835; OLG Hamm -8. Fs.-, FamRZ 2000, 360, 361; OLG
Dresden, FamRZ 2000, 1031; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl. § 648 Rz. 7 a.E.).
Dass der Antragsgegner seine Formularerklärung vom 13.09.2001 nicht eigenhändig
unterzeichnet hat, rechtfertigte es allein gleichfalls nicht, die hierin erhobenen Einwände
als unzulässig und daher unbeachtlich zu behandeln. Abgesehen davon, dass der
Antragsgegner im Hinblick auf die gerichtliche Fürsorgepflicht sowie nicht zuletzt in
Ansehung der langen Untätigkeit auf Antragstellerseite berechtigten Anspruch darauf
hatte, dass das Amtsgericht ihm vor Erlass einer für ihn nachteiligen Entscheidung
Gelegenheit gab, eine ggfs. für notwendig erachtete Unterschrift nachzuholen, erscheint
eine Unterzeichnung der Formularerklärung hier auch entbehrlich, da sie als Anlage
zum Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vom 14.09.2001
zur Akte gereicht wurde und damit ihr Inhalt, zumal unter Einbeziehung der zum Beleg
beigefügten Unterlagen, zweifelsfrei dem Antragsgegner als dessen verantwortliche
Erklärung zugeordnet werden kann.
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3.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.
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