Urteil des OLG Hamm vom 18.05.1984

OLG Hamm (eintritt des versicherungsfalls, kläger, gebäude, umstand, haus, gaststätte, veränderung, umstände, eintritt, gastwirt)

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 378/83
Datum:
18.05.1984
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 378/83
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 1 O 114/83
Tenor:
Die Berufung und die Anschlußberufung gegen das am 30. August 1983
verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum werden
zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger 1/10 und
der Beklagten 9/10 auferlegt.
Entscheidungsgründe:
1
I.
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Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
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Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Feuerschaden vom 17./18. April 1982 in
Höhe von unstreitig 10.000,- DM zu ersetzen. Sie ist nicht gemäß §§6 Abs. 1 Satz. 2
AFB, 23, 25, 27 VVG wegen Gefahrerhöhung leistungsfrei. Die Beklagte hat nicht
bewiesen, daß seit der Übernahme des Risikos ... in ... eine Gefahrerhöhung eingetreten
ist.
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Gefahrerhöhung ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsschluß tatsächlich
vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder
eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht (Prölss-Martin, VVG, 23. Aufl.
1984 §23 Anm. 2 A). Daß diese Voraussetzungen eingetreten sind, kann nicht
festgestellt werden.
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Die Verbindung der Häuser Nr. 10 und 12 über das Kellergeschoß derart, daß man vom
Flur über den Keller des Hauses Nr. 12 in den Keller und Flur des Hauses Nr. 10
(Versicherungsgrundstück) gelangen konnte, bestand unstreitig seit der Übernahme des
Risikos. Insoweit liegt eine Veränderung der maßgebenden Umstände nicht vor. Auch in
der Tatsache, daß der Gebäudekomplex, bestehend aus den Gebäuden Nr. 10 und 12,
zum Abriß bestimmt war, liegt keine Gefahrerhöhung. Diese Tatsache stand ebenfalls
seit der Veränderungsanzeige vom 12. November 1981 (Bl. 21 d.A.) fest und ist vom
Beklagten auch, wie die Vernehmung des Zeugen ... in erster Instanz ergeben hat,
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angezeigt worden.
Als Gefahrerhöhung ist es allerdings auch, in der Feuerversicherung anzusehen, wenn
ein Wohngebäude nicht mehr bewohnt wird und längere Zeit leersteht (Prölss-Martin,
a.a.O. §23 VVG, Anm. 2 C a m.w.N.). Denn ein leerstehendes Gebäude zieht
Hausbesetzer, Stadtstreicher oder spielende Kinder an und dies bringt es
erfahrungsgemäß mit sich, daß mit Feuer hantiert wird, sei es, um in dem Gebäude zu
"biwakieren", sei es um zu spielen. Dabei ist nach Ansicht des Senats hier nicht nur auf
das Haus Nr. 10, sondern, wegen der vorgeschilderten Verbindung der beiden
Gebäude, auch auf ein Leerstehen des Hauses Nr. 12 abzustellen. Jedoch hat die
Beklagte nicht bewiesen, daß diese Voraussetzungen vorliegen und dem Kläger
bekannt waren (§6 Abs. 1 Satz 2 AFB).
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Bezüglich des Hauses Nr. 10 steht nicht einmal fest, ob es bei Vertragsänderung, am
12. November 1981, überhaupt bewohnt war, d.h., ob insoweit eine Veränderung
eingetreten ist. Der Gastwirt und die alleinstehende Frau wohnten, wie der Kläger auch
angegeben hatte, in dem Haus, in dem sich die Gaststätte befand. Von anderen
Bewohnern war, wie der Zeuge ... ausgesagt hat, bei der Anzeige der Risikoänderung
oder auch später nicht die Rede. Wenn es in der Veränderungsanzeige heißt, das Haus
sei bewohnt, so beruht das ersichtlich darauf, daß der Zeuge ... und der Kläger die
Gebäude als Einheit angesehen haben. Dieser Umstand ist für die vorliegende Frage
jedoch ohne Bedeutung.
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Bezüglich des Hauses Nr. 12 steht zwar aufgrund des Berichts der Kriminalpolizei ...
vom 19. April 1982 (Beiakte 14 a UJs 447/83 StA Duisburg Bl. 5) fest, daß es zur Zeit
des Schadenfeuers unbewohnt war und daß die dort befindliche Gaststätte " ..." seit
wenigen Tagen ebenfalls nicht mehr in Betrieb war. Indessen ist bereits ungeklärt, ob
das Nachbarhaus wenigstens während eines solchen Zeitraums leerstand, in welchem
diese Veränderung sich im Sinne einer Erhöhung der Einbruchs- und Feuergefahr
auswirken konnte. Regelmäßig tritt diese Gefahr nicht sogleich nach dem Auszug des
letzten Bewohners ein. Einem Hause ist nicht immer alsbald anzusehen, daß es
vollständig von Bewohnern verlassen und unbewohnt und damit für Unbefugte leicht
zugänglich ist. Dies gilt hier umso mehr, als sich im Gebäude Nr. 10 noch zwei Lokale,
nämlich der Hundesalon und das Spielcasino des Klägers, befanden. Nach dem Inhalt
der Ermittlungsakte, der die Aussage des als Partei vernommenen Klägers entspricht,
hatte der Gastwirt die Wirtschaft erst wenige Tage zuvor aufgegeben; es spricht alles
dafür, daß er auch erst zu diesem Zeitpunkt ausgezogen ist.
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Sollte das Haus tatsächlich längere Zeit unbewohnt gewesen sein, so steht jedenfalls
nicht fest, daß der Kläger das gewußt hat. Er hat als Partei ausgesagt, daß ihm nicht
einmal bekannt gewesen sei, daß der Gastwirt endgültig ausgezogen sei. Zumindest
kann das Gegenteil nicht festgestellt werden, zumal die Lampe über dem Eingang zur
Gaststätte nach der Aussage des Klägers noch gebrannt hatte.
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Einen Umstand, der den Eintritt eines Schadensfalles wahrscheinlicher macht, würde es
nach dem Gesagten ferner darstellen, wenn sich Stadtstreicher in dem
Gebäudekomplex aufgehalten hätten. Aber auch insoweit ist bereits unklar, ob eine
Veränderung im Sinne einer Gefahrerhöhung eingetreten ist: Nach der Behauptung der
Beklagten im Senatstermin sollen sich schon bei Auszug der Zeugin ..., im Dezember
1981, Stadtstreicher in dem Hause aufgehalten haben. Dann liegt die Möglichkeit nahe,
daß dieser Zustand auch schon bei Einzug des Klägers - im November/Dezember 1981
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- bestanden hatte. Jedenfalls hat der Kläger, ohne daß das Gegenteil festgestellt werden
könnte, bei seiner Parteivernehmung in Abrede gestellt, daß ihm die Anwesenheit von
Stadtstreichern bekannt gewesen ist. Aus der Tatsache, daß der Kläger eine Tür
vernagelt hat, kann eine solche Kenntnis nicht geschlossen werden, da diese
Maßnahme dem Schutz vor Einbrechern gedient hat.
Schließlich stellt der - unstreitige - Umstand, daß in die Gaststätte eingebrochen worden
ist, keinen gefahrerhöhenden Umstand dar. Die Tatsache eines Einbruchdiebstahls
kann ein Indiz dafür sein, daß gefahrerhöhende Umstände eingetreten sind und sich
ausgewirkt haben. Im allgemeinen stellt ein Einbruchdiebstahl selbst aber keinen
Umstand dar, der den Eintritt der versicherten Gefahr in Gestalt eines weiteren
Einbruchs oder, wie hier, der Entstehung eines Brandes, wahrscheinlicher macht.
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II.
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Die Anschlußberufung ist unbegründet. Der Kläger hat einen Zinsschaden von 16,03 %
nicht bewiesen. Aus dem überreichten Mahnbescheid vom 27. Dezember 1983 (Beiheft
Prozeßkostenhilfe) geht nur hervor, daß die ... sich eines Zinsanspruchs gegen den
Kläger in dieser Höhe seit dem 18.11.1982 berühmt, nicht aber, daß dieser Anspruch
begründet ist. Ein Vollstreckungsbescheid liegt nicht vor.
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Die Kostenentscheidung beruht, auf §§97, 92 ZPO. Des Ausspruchs der vorläufigen
Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil der Rechtsstreit unzweifelhaft nicht der Revision
unterliegt.
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Die Beschwer der Beklagten beträgt 10.000,- DM.
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