Urteil des OLG Hamm vom 05.04.2004

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Oberlandesgericht Hamm, 11 WF 62/04
Datum:
05.04.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 WF 62/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Hamm, 3 F 243/2003
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin vom 26.02.2004 wird der Beschluss
des Amtsgerichts Hamm vom 04.02.2004 zu Ziffer IV abgeändert.
Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für den Antrag bewilligt, den
Beklagten zu verurteilen, als Sonderbedarf für B 100,- € in monatlichen
Raten von 20,- €, beginnend mit April 2004 zu bezahlen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erheben.
Gründe
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I.
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Die Klägerin will den Beklagten auf Zahlung der Hälfte der Kosten für eine Klassenfahrt
in Höhe von 110,- € in Anspruch nehmen, die die Tochter B im Herbst 2004 mitmachen
soll. Dafür begehrt sie (ergänzend) Prozesskostenhilfe.
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Das Amtsgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, angesichts der
der Klägerin zuzurechnenden Erbschaft von 9.049,84 € sei zweifelhaft, ob die Kosten
der Klassenfahrt Sonderbedarf seien. Darüber hinaus sei der Anspruch noch gar nicht
entstanden und der Höhe nach noch nicht konkret bestimmt.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde und legt eine
Aufforderung der Klassenlehrerin vor, 30,- € bis Ende März und den Rest von vorläufig
170,- € in Raten oder in einem Betrag bis spätestens zum 1. September 2004
einzuzahlen.
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II.
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Die Beschwerde ist zulässig und ganz überwiegend begründet. Die Tochter B hat einen
Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 100,- € für die im Herbst 2004
anstehende Klassenfahrt als Sonderbedarf gemäß § 1613 Abs. 2 BGB. Dieser Anspruch
ist fällig und von der Klägerin gemäß § 1629 Abs. 3 BGB geltend zu machen.
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1.
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Unregelmäßig im Sinne von § 1613 Abs. 2 BGB ist ein Bedarf, der nicht mit
Wahrscheinlichkeit vorauszusehen ist und deshalb auch bei vorausschauender
Bedarfsplanung nicht durch Bildung von Rücklagen aus dem laufenden Unterhalt
gedeckt werden kann (BGH FamRZ 84, S. 470).
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Die Klassenfahrt war hier zwar längerfristig angekündigt und insoweit voraussehbar,
Sonderbedarf kann aber nicht allein nach den Kriterien der Voraussehbarkeit und
Planbarkeit abgegrenzt werden. Vielmehr ist zusätzlich zu prüfen, ob aus dem
verfügbaren Einkommen überhaupt Rücklagen für den fraglichen Zweck zu bilden
gewesen wären oder vorausschauend gebildet werden können (OLG Hamm, FamRZ
93, S. 996; OLG Bremen, FamRB 2003, S. 74; Senat, OLG Report 2004, 9).
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Eine solche Rücklagenbildung aus den laufenden Unterhaltszahlungen war und ist hier
nicht möglich. Für die Kinder ist nach dem Beschluss des Amtsgerichts vom 04.02.2004
Unterhalt nach Einkommensgruppe 4 zu zahlen. Einschließlich des Kindergelds
verbleibt daher für den Unterhalt der Kinder nicht mehr als das Existenzminimum von
135 % des Regelbetrages. Daraus können zwar die normalen Bedürfnisse (Wohnen,
Nahrung, Kleidung, Freizeit, Bildung) befriedigt, nicht aber zusätzliche Kosten für
Klassenfahrten angespart werden. So hat es das Amtsgericht zutreffend schon wegen
der hälftigen Kosten einer Klassenfahrt entschieden, die die ältere Tochter S Anfang des
Jahres 2004 gemacht hat (Beschluss vom 23.12.2003, Bl. 55 GA).
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2.
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Die Kosten für die Klassenfahrt sind inzwischen, wie das mit der Beschwerde
vorgelegte Schreiben der Klassenlehrerin zeigt, konkret beziffert und fällig. Der
Annahme der Fälligkeit steht die Einräumung einer Zahlungsfrist bis zum 01.09.2004
nicht entgegen.
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Da der Beklagte monatlich nur 135,- € über dem eigenen Existenzminimum zur
Verfügung hat (Seite 9 des Beschlusses vom 04.02.2004), ist ihm Gelegenheit zu
geben, die Kosten in Raten einzuzahlen.
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3.
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Entgegen den vom Amtsgericht geäußerten Zweifeln spielt für die Beurteilung als
Sonderbedarf keine Rolle, dass die Klägerin eine Erbschaft von 9.049,84 € gemacht hat.
Zwar ist sie verpflichtet, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten an auftretendem
Sonderbedarf zu beteiligen, da sie durch die Pflege und Erziehung der Tochter nur ihre
laufende Unterhaltsverpflichtung erfüllt. Der Vermögenserwerb setzt sie in die Lage, den
Sonderbedarf hälftig aufzubringen, führt aber nicht dazu, dass sie dafür alleine haftet.
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