Urteil des OLG Hamm vom 25.10.2005

OLG Hamm: fahrbahn, geschwindigkeit, unübersichtliche stelle, unfall, erkenntnis, ortschaft, fahren, breite, nebel, kollision

Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss 440/05
Datum:
25.10.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ss 440/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Herford, 3 Ds 52 Js 161/05 - 198/05
Tenor:
Das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 29.06.2005 wird mit den
Feststellun-gen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts
Herford zu-rückverwiesen.
G r ü n d e:
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I.
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Das Amtsgericht Herford hat den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil wegen
vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger
Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt. Darüber
hinaus hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und seinen Führerschein
eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von
noch acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
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Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
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"Am 18.06.2003 hat der Angeklagte erneut eine Fahrerlaubnis erworben. Er hat
sich nunmehr wegen des folgenden Vorwurfes zu verantworten:
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Am 31.12.2004 kurz nach Mitternacht befuhr der Angeklagte mit seinem Pkw
Mitsubishi, amtl. Kennzeichen #########, in Herford die I2 aus Fahrtrichtung
Herford kommend in Fahrtrichtung I-Straße. Im Fahrzeug befanden sich seine
Ehefrau und sein Sohn. Der Angeklagte wollte sich gemeinsam mit seiner Familie
von der Anhöhe oberhalb Herford das Neujahrsfeuerwerk anschauen. Er hatte
auch selbst Feuerwerkskörper dabei, die er auf der Anhöhe zünden wollte. Wie der
Angeklagte hatten auch viele andere Personen die Absicht, sich von der oberhalb
Herford gelegenen B-Straße bzw. der I-Straße das Feuerwerk anzusehen und dort
selbst zum Jahreswechsel Feuerwerkskörper zu zünden.
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Als der Angeklagte, der recht spät dran war, denn der Jahreswechsel war bereits
erfolgt, die I2 aufwärts in Richtung I-Straße befuhr, hielten sich an der Örtlichkeit
bereits viele Personen, die mit ihren Fahrzeugen dorthin gefahren waren, auf. Die
aus Fahrtrichtung des Angeklagten gesehen linke Seite der I2 war mit jedenfalls 30
- 40 Fahrzeugen zugeparkt. Diese Fahrzeuge standen teils auf der Fahrbahn und
teils auf dem neben der Fahrbahn befindlichen Grünstreifen. Dadurch verblieb von
der Fahrbahn der I2 eine Breite von nur 4 m. Die Personen befanden sich
außerhalb ihrer Fahrzeuge. Sie standen überwiegend in Gruppen zusammen. Sie
hatten sich bereits ein gutes neues Jahr gewünscht und begannen nun die
mitgebrachten Feuerwerkskörper zu zünden und abzubrennen. Teils waren
Feuerwerkskörper bereits gezündet worden, teils wurden Vorbereitungen für das
Zünden weiterer Feuerwerkskörper getroffen. Durch die schon gezündeten
Feuerwerkskörper war bei grundsätzlich guter Sicht, jedoch leicht regnerischem
Wetter eine Rauchentwicklung entstanden, die zu die Sicht beeinträchtigenden
Nebelschwaden führte. Die Personen standen teils an ihren Fahrzeugen, teilweise
auch auf der den Fahrzeugen gegenüberliegenden Straßenseite. Auf dem
gegenüberliegenden Acker und auch auf der Fahrbahn der I2 wurden bzw. sollten
Feuerwerkskörper gezündet werden. Aus diesem Grunde liefen auch regelmäßig
Personen über die Fahrbahn.
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Die Zeugen S und L2 waren mit mehreren Bekannten in einem Bulli zur I2
gefahren. Die 6 - 7 Personen standen außerhalb des Bullis, als der Zeuge S nun
nach Mitternacht begann, Vorbereitungen zum Zünden von Feuerwerkskörpern zu
treffen. Er wollte einen Feuerwerkskörper mitten auf der durch die parkenden
Fahrzeuge in der Breite eingeschränkten, verbleibenden Fahrbahn anzünden.
Bergab in Richtung Herford gesehen war auf der Fahrbahn auch bereits von
anderen Personen Feuerwerkskörper gezündet worden. Der Zeuge S hockte zu
diesem Zwecke auf der Fahrbahn, der Zeuge L2 stand links hinter ihm, als sich in
diesem Augenblick der Angeklagte mit seinem Pkw Mitsubishi die I2 bergan
fahrend näherte. Der Angeklagte hatte es, weil der Jahreswechsel bereits erfolgt
war und das Feuerwerk bereits begonnen hatte, eilig. Wenn auch die aus seiner
Fahrtrichtung gesehen linksseitig am Fahrbahnrand geparkte Fahrzeugschlange
sich überwiegend zur I-Straße hin erstreckte, so waren auch unterhalb des
Standortes der Zeugen S und L2 eine Anzahl von Fahrzeugen am linken
Fahrbahnrand geparkt. Der Angeklagte hatte die linksseitig geparkten
Fahrzeugschlange wahrgenommen, er bemerkte auch jedenfalls einen
Feuerwerkskörper auf der Fahrbahn und seine Sicht war zumindest vorübergehend
durch die von den gezündeten Feuerwerkskörpern verursachte Rauchentwicklung
eingeschränkt. Dennoch setzte der Angeklagte seine gefahrene Geschwindigkeit
nicht auf die in dieser Situation gebotene Schrittgeschwindigkeit herab. Vielmehr
fuhr er mit unverminderter Geschwindigkeit, nach seinen Angaben sogar noch
beschleunigter Geschwindigkeit, weiter. Infolge der den örtlichen und zeitlichen
Gegebenheiten nicht angepaßten Geschwindigkeit nahm er die vor ihm auf der
Fahrbahn befindlichen Zeugen S und L2 nicht wahr. Er erfaßte mit seinem Pkw
zunächst den Zeugen L2, der auf das Fahrzeug aufgeladen wurde, und sodann
noch den Zeugen S. Der Zeuge L2 erlitt eine Schädelprellung mit Kopfplatzwunde,
eine Gehirnerschütterung, eine Prellung des rechten Knies sowie Lockerungen der
unteren Schneidezähne. Der Zeuge war zwei Wochen krankgeschrieben und hat
heute noch Restbeschwerden am Knie. Der Zeuge S, der durch den Anstoß in den
rechtsseitigen Graben gestoßen wurde, erlitt eine Distorsion und Prellung des
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linken Sprunggelenkes, die heute noch gelegentlich Beschwerden verursacht. Zum
Zeitpunkt der Kollision betrug die Geschwindigkeit des von dem Angeklagten
geführten Pkw zumindest 35 km/h. Die besonderen Gegebenheiten zum
Unfallzeitpunkt - die im linken Fahrzeugrand parkenden Fahrzeuge, die durch
bereits gezündete Feuerwerkskörper verursachte Rauchentwicklung und dadurch
eingeschränkte Sicht sowie die mit dem veranstalteten Feuerwerk für den
Angeklagten jedenfalls erwartbaren Personen auf der Fahrbahn - machten die von
dem Angeklagten gefahrene Strecke auf der I2 zu einer derart unübersichtlichen
Stelle, daß der Angeklagte, wie er auch erkannt hat, seine Geschwindigkeit auf
eine Schrittgeschwindigkeit von 10 - 12 km/h hätte herabsetzen müssen. In diesem
Fall hätte er die auf der Fahrbahn sich aufhaltenden Zeugen L2 und S rechtzeitig
wahrnehmen können und hätte sein Fahrzeug rechtzeitig vor diesen Zeugen zum
Stillstand bringen können. Stattdessen fuhr der Angeklagte, allein sein eigens
schnelles Fortkommen im Sinn habend, mit der weit überhöhten Geschwindigkeit,
obwohl er Personen auf der Fahrbahn erwarten mußte und obwohl vor der
Kollision die Sicht für ihn, wie er selbst feststellte, durch eine Rauchentwicklung
eingeschränkt war. Die Möglichkeit, daß er bedingt durch eine Rauchentwicklung
auf der Fahrbahn befindliche Personen zu spät erkennen könnte, ließ der
Angeklagte dabei ganz bewußt außer acht."
Im Rahmen der Beweiswürdigung wird dann die Einlassung des Angeklagten u.a. wie
folgt wiedergegeben:
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"Während der Anfahrt habe er gesehen, daß aus seiner Sicht auf der linken Seite
der unbeleuchteten I2 Fahrzeuge parkten. Personen habe er jedoch nicht in der
Nähe der Fahrzeuge wahrgenommen. Nur weiter oben hätten Personen
gestanden. Er habe festgestellt, daß bereits Feuerwerkskörper gezündet wurden
und explodierten. Schließlich habe er auf der Fahrbahn einen Feuerwerkskörper
entdeckt, der seiner Beurteilung nach bereits gezündet war und alsbald losgehen
würde. In dieser Situation möge er sich falsch entschieden haben, indem er
nämlich nicht gebremst habe, sondern sein Fahrzeug noch beschleunigt habe, um
schnell über den Feuerwerkskörper hinweg zu fahren. Er habe befürchtet, durch
diesen Feuerwerkskörper könne sein Pkw beschädigt werden. Es sei sodann bei
der beschleunigten Fahrt auf einmal ein Nebel entstanden, der im die Sicht
genommen habe. Erst als er aus der Nebelschwade herausgefahren sei, habe er
mehrere Personen gesehen und habe die zwei Personen auf der Fahrbahnmitte
mit seinem Pkw erfaßt."
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Diese Einlassung hat das Amtsgericht nicht als widerlegt angesehen, allerdings
ausgeführt, dass sie den Angeklagten nicht entlasten könne. Das Amtsgericht hat
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hierzu ausgeführt, dass durch das Abbrennen mehrerer Feuerwerkskörper auf der I2
eine Rauchentwicklung entstanden sei, die eine Sichtbeeinträchtigung zur Folge hatte.
Nach den Bekundungen des Zeugen T2 sei der Angeklagte über mehrere auf der
Fahrbahn stehende Feuerwerkskörper hinweggefahren, der Angeklagte selbst habe
eingeräumt, jedenfalls einen bereits gezündeten und alsbald explodierenden
Feuerwerkskörper auf der Fahrbahn gesehen zu haben, den er bewusst überfahren
habe. Diese Gegebenheiten hätten den ansonsten geraden Streckenverlauf der I2 durch
ein Zusammenwirken mehrerer Umstände zu einer unübersichtlichen Stelle gemacht,
und zwar aufgrund der parkenden Fahrzeuge, der gezündeten und abbrennenden
Feuerwerkskörper und der sich daraus ergebenden Rauchentwicklung. An dieser
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unübersichtlichen Stelle sei der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von zumindest 35
km/h, die sachverständigenseits ermittelt worden sei, zu schnell gefahren. Aufgrund der
besonderen Umstände der Örtlichkeit, der parkenden Fahrzeuge, der gezündeten
Feuerwerkskörper und der Rauchentwicklung, die der Angeklagte sämtlich erkannt
habe, sei eine Schrittgeschwindigkeit von 10 bis 12 km/h geboten gewesen, um sich auf
die besondere Verkehrssituation einzustellen. In diesem Falle hätte der Angeklagte
rechtzeitig anhund den Unfall vermeiden können. Tatsächlich habe der Angeklagte die
gebotene Schrittgeschwindigkeit um mehr als das Doppelte überschritten. Eine solch
erhebliche Überschreitung der gebotenen Geschwindigkeit müsse jedenfalls bei der
hier gegebenen Situation als grob verkehrswidrig angesehen werden. Der Angeklagte
habe auch rücksichtslos gehandelt. Das Ziel, seinen Standort anzufahren, an dem er
Feuerwerkskörper zünden konnte und sich das Feuerwerk ansehen konnte, habe er
rücksichtslos verfolgt und sich dabei über die Wahrnehmung der parkenden Fahrzeuge,
der gezündeten Feuerwerkskörper, die die Sicht beeinträchtigen konnten und der nach
den eigenen Bekundungen auf der Fahrbahn stehenden Feuerwerkskörper
hinweggesetzt. Dies stelle keine irrtümlich falsche Beurteilung der Situation durch den
Angeklagten dar, sondern eine unverständliche Nachlässigkeit und Bedenkenlosigkeit
gegenüber den Belangen anderer Verkehrsteilnehmer.
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am
02.07.2005 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Verteidiger
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Revision eingelegt und diese nach der Urteilszustellung am 25.07.2005 mit am
25.08.2005 bei dem Amtsgericht eingegangenem weiteren Schriftsatz mit dem Antrag
auf Aufhebung und Freispruch, hilfsweise Zurückverweisung der Sache sowie der Rüge
der Verletzung sachlichen Rechts begründet.
14
II.
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Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache einen zumindest vorläufigen
Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mitsamt den Feststellungen
unter Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herford.
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1.
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Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen bereits nicht die Annahme einer
unübersichtlichen Stelle i.S.v. § 315 c Abs. 1 Nr. 2 d StGB.
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Eine unübersichtliche Stelle ist dann gegeben, wenn der Fahrzeugführer den
Verkehrsablauf wegen ungenügenden Überblicks über die Fahrbahn oder die sie
umgebende Örtlichkeit nicht vollständig übersehen, deshalb Hindernisse und Gefahren
nicht rechtzeitig bemerken und ihnen nicht sicher begegnen kann. Dabei muss die
Unübersichtlichkeit nicht durch die Örtlichkeit (unübersichtliche Kurve, Bergkuppe, die
Sicht verdeckende Bebauung) bedingt sein, sie kann auch durch parkende Fahrzeuge,
durch dichten Nebel, durch Bewuchs oder durch eine Blendung von gewisser Dauer
und Intensität begründet sein (BayObLG, NZV 1988, 110, 111 m.w.N.; vgl. auch
Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 315 c StGB Rdnr. 37).
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Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass die Unübersichtlichkeit der Stelle bereits zu dem
Zeitpunkt des vorwerfbaren Verhaltens gegeben war. Das Amtsgericht hat dem
Angeklagten hier vorgeworfen, mit einer Geschwindigkeit von zumindest 35 km/h
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gefahren zu sein, was nach seiner Wertung den Vorwurf des "Zu-Schnell-Fahrens" an
einer unübersichtlichen Stelle ausfüllen soll. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen
ist es aber möglich, dass die Unübersichtlichkeit erst durch den von den von dem
Angeklagten geschilderten Feuerwerkskörper hervorgerufen wurde, der bereits
gezündet auf der Fahrbahn lag und dann von dem Angeklagten überfahren wurde,
wobei es - möglicherweise aufgrund der Explosion dieses Feuerwerks-
körpers - zu einer Rauchentwicklung kam, die dem Angeklagten dann unmittelbar vor
dem Unfall die Sicht auf die beiden geschädigten Zeugen nahm. Wäre die
Sichtbehinderung aber erst zu diesem späten Zeitpunkt eingetreten, so könnte dem
Angeklagten nicht zur Last gelegt werden, den Unfall dadurch verursacht zu haben,
dass er an einer unübersichtlichen Stelle zu schnell fuhr.
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Das angefochtene Urteil ist weiterhin auch insoweit fehlerhaft, als die Darstellung der
Beweisgrundlage der nach dem Urteilsinhalt sachverständig ermittelten, an der
Unfallstelle von dem Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit von mindestens
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35 km/h lückenhaft ist.
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Das angefochtene Urteil teilt insoweit lediglich mit, dass diese Geschwindigkeit
"sachverständigenseits" ermittelt worden sei. Weitere Angaben zu dem
Sachverständigengutachten fehlen vollständig. Dies ist rechtsfehlerhaft. Stützt der
Tatrichter den Schuldspruch nämlich auf ein Sachverständigengutachten, so kann er
sich nicht damit begnügen, lediglich das Ergebnis des Gutachtens mitzuteilen. Vielmehr
ist er bereits aus auf die Sachrüge hin zu beachtenden sachlich-rechtlichen Gründen
gehalten, in den Urteilsgründen eine verständliche, in sich geschlossene Darstellung
der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen
Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung zu geben
(OLG Hamm, NZV 2000, 428 m.w.N.).
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Endlich hat das Amtsgericht hier auch das Tatbestandsmerkmal der Rücksichtslosigkeit
i.S.d. § 315 c Abs. 1 StGB nicht fehlerfrei festgestellt. Rücksichtslos handelt, wer sich im
Straßenverkehr aus eigensichtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen
Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder wer aus Gleichgültigkeit von vornherein
Bedenken gegen sein Verhnicht aufkommen lässt und unbekümmert über die Folgen
seines Verhaltens drauflosfährt (OLG Koblenz, NZV 1989, 241 m.w.N.; OLG Koblenz,
NStZ 2003, 617 m.w.N.).
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Dagegen hatte der Angeklagte hier seine Geschwindigkeit aufgrund der örtlichen
Verhältnisse bereits deutlich reduziert – zulässig waren an der Unfallstelle außerhalb
geschlossener Ortschaft 100 km/h, gefahren ist er mit 35 km/h – und hatte nach seiner
nicht widerlegten Einlassung unmittelbar vor dem Unfallgeschehen allein aufgrund des
unmittelbar vor ihm auf der Fahrbahn liegenden, brennenden Feuerwerkskörpers kurz
beschleunigt, war mithin vorher möglicherweise sogar noch langsamer als mit 35 km/h
gefahren.
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2.
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Zu beanstanden ist schließlich auch die Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung
des Straßenverkehrs gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2 d, Abs. 3 Nr. 1 StGB. Die Vorsatz-
Fahrlässigkeits-Kombination des § 315 Abs. 3 Nr. 1 StGB setzt das Vorliegen von
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zumindest bedingtem Vorsatz hinsichtlich des Verkehrsverstoßes sowie der Umstände
voraus, die den Verstoß zu einem grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen machen,
wobei der Täter eine dahingehende Bewertung nicht selbst zu vollziehen braucht. Der
Täter muss also in Kenntnis seiner Pflichten als Kraftfahrer den
qualifizierten Verkehrsverstoß, hier des zu schnellen Fahrens, nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2
d StGB begangen haben (OLG Jena, NZV 1995, 237, 238). Der Vorsatz des
Angeklagten müsste sich daher gerade auch auf das Fahren mit nicht angepasster,
aufgrund der Unübersichtlichkeit der Stelle überhöhter Geschwindigkeit bezogen haben.
Eine erst unmittelbar vor dem Unfall auftretende, vereinzelte Sichtbehinderung durch
den von dem Angeklagten geschilderten, auf der Fahrbahn liegenden Feuerwerkskörper
kann dem Angeklagten aber die Erkenntnis einer unangepassten Geschwindigkeit nicht
vermitteln. Das Amtsgericht hätte daher feststellen müssen, dass die Sicht des
Angeklagten bereits vor dem Zünden des letzten, von ihm überfahrenen
Feuerwerkskörpers, der sich unmittelbar vor den geschädigten Zeugen befand, bereits
durch weitere Feuerwerkskörper so stark behindert war, dass der Angeklagte erkennen
musste, dass er mit nicht angepasster, zu hoher Geschwindigkeit fuhr. Allein die am
Fahrbahnrand parkenden Fahrzeuge und die sich weiter entfernt auf einer Anhöhe
befindlichen Personen konnten ihm bei einer verbleibenden Fahrzeugbreite von 4
Metern bei ansonsten völlig gerader Straßenführung diese Erkenntnis jedenfalls bei der
von ihm gefahrenen Geschwindigkeit von 35 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft
nicht vermitteln.
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