Urteil des OLG Hamm vom 18.04.2002

OLG Hamm: postkarte, farbe, werbung, ruf, kuh, wortmarke, parodie, eugh, abmahnung, vollstreckung

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 154/01
Datum:
18.04.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 154/01
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 14 O 98/01
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 20. September 2001
verkündete Urteil der 14. Zivilkammer -Kammer für Handelssachen- des
Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 EUR abzuwenden, wenn nicht
die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistung kann durch unbedingte, unwiderrufliche,
unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und
Steuerbürge anerkannten Kreditinstituts in der Europäischen Union
erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Klägerin geht gegen die Beklagte aus der Wortmarke "N" und der Farbmarke vor,
die den Farbton M schützt, den die Klägerin für die Verpackung der N-Schokolade
verwendet. Bei diesen Marken handelt es sich um bekannte Marken im Sinne des § 14
Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.
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Die Beklagte vertreibt unter der Geschäftsbezeichnung "S" Karten verschiedener Art. Zu
ihrem Angebot gehört auch die Postkarte N2. Auf M-farbenem Untergrund steht
folgender Text:
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"Über allen Wipfeln ist Ruh,
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irgendwo blökt eine Kuh.
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Muh!"
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In kleinerer Schrift ist am unteren Rand der Karte als fiktiver Autor angegeben:
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"Rainer Maria N".
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Wegen der Gestaltung im einzelnen wird auf die Kopie (Bl.74 d.A.) Bezug genommen.
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Die Klägerin sieht in Herstellung und Vertrieb der Karte einen Eingriff in ihre
Markenrechte und meint, die Beklagte nutze den guten Ruf der Marken ohne
rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise aus. Im Hinblick auf die Bekanntheit ihrer
Marken könne nicht ausgeschlossen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise
die Karte für eine eigene Werbung der Klägerin hielten.
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Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung der Herstellung, des Angebots, des
Vertriebs und /oder des Inverkehrbringens der Postkarte in sonstiger Weise und
Auskunft über Art, Umfang und Dauer des Vertriebs und auch des erzielten Gewinns
sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten in Anspruch genommen.
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Die Klägerin hat die sich aus dem Tenor des angefochtenen Urteils ergebenden
Klageanträge gestellt.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat einen Eingriff in die Markenrechte der Klägerin in Abrede gestellt und gemeint,
ihre Postkarte sei weder verunglimpfend noch herabwürdigend. Sie schade dem guten
Ruf der Klägerin nicht. Eine satirische Auseinandersetzung mit der allgegenwärtigen
Präsenz der Werbung der Klägerin müsse diese hinnehmen. Ihre Kartengestaltung, die
sich durch eine kreative Vermischung verschiedener Stilelemente auszeichne, mit der
die "M Scheinwelt" der Klägerin parodiert werde, werde durch die Pressefreiheit, die
Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit geschützt.
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Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang auf der Grundlage der §§ 14, 107
MarkenG und des § 242 BGB stattgegeben. Zum Unterlassungsanspruch hat das
Landgericht gemeint, die Beklage verwende die Marken der Klägerin bei der
Postkartengestaltung, weil sie die M Farbe und das Wort "N" verwendet habe. Es
handele sich um eine markenmäßige Nutzung. Indem die Beklagte die durch die
Werbung erlangte Bekanntheit der klägerischen Marken nutze, verschaffe sie sich einen
eigenen Werbeeffekt. Die Beklagte nutze mit der Markenparodie die Wertschätzung der
Marken der Klägerin aus, da sie sich verkaufsfördernd auswirke. Die Ausnutzung sei
unlauter, denn die Beklagte habe keinen Anspruch, sich an die Werbewirkung der
Marken anzuhängen. Ihr stehe auch kein rechtfertigender Grund zur Seite. Die Postkarte
stelle weder ein Presseerzeugnis dar noch eine eigene Meinung der Beklagten. Die
Karte könne auch nicht als Kunst gewertet werden, weil sie für das Gewerbe der
Beklagten erstellt worden sei. In einer Hilfsüberlegung hat sich das Landgericht dann
auf den gegenteiligen Standpunkt gestellt und gemeint, selbst wenn man der Beklagten
Rechte aus dem Bereich der Presse-, Meinungs- oder Kunstfreiheit zubilligen wolle,
ändere sich an der Entscheidung nichts. Die Abwägung dieser Rechte mit den
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Markenrechten ginge dann zu Lasten der Beklagten.
Die Beklagte greift das Urteil mit der Berufung an, mit der sie weiterhin Abweisung der
Klage begehrt. Sie bestreitet zunächst unter näheren Ausführungen, dass die Klägerin
berechtigt ist, Rechte aus den von ihr vorgetragenen Marken geltend zu machen. Es
fehle unabhängig davon aber auch an einer Verletzungshandlung. Die Farbe M werde
nicht kennzeichenmäßig benutzt, denn das Publikum entnehme der Grundfarbe einer
Postkarte keinen Zeichencharakter. Die Farbe weise nicht auf die Herkunft der Postkarte
hin und sei auch nicht als Produktdekor verwandt worden. Auch die weiteren
Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG hält die Beklagte nicht für gegeben.
Insbesondere werde die Wertschätzung der Farbmarke M nicht ausgenutzt. Es sei nicht
erkennbar, dass die Farbe geeignet sei, den Ruf der Schokolade auf Postkarten zu
übertragen. Die humorvoll ironisierende Gesamtaussage ermögliche Assoziationen zur
alltäglichen Werbewelt. Das Publikum verfalle nicht auf die Idee, bei der Karte könne es
sich um ein Werbepräsent der Klägerin oder ähnliches handeln.
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Auch die Wortmarke "N" sei nicht verletzt worden. Es fehle auch hier an einer
kennzeichenmäßigen Benutzung, da N auf der Karte als Bestandteil des Namens eines
fiktiven Dichters erscheine. Das Wort N diene nicht der Unterscheidung der Postkarte
von ähnlichen Waren anderer Herkunft. Die Wertschätzung der Marke N werde durch
die Verwendung des Wortes nicht ausgenutzt. Der verballhornte Name des Dichters
Rainer Maria Rilke sei Teil der ironisierenden Gesamtaussage zur Werbewelt.
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Die Beklagte meint, dass der Klägerin die neben dem Unterlassungsanspruch geltend
gemachten Ansprüche auch nicht zustünden. Die Klägerin habe für eine gewisse
Schadenswahrscheinlichkeit nichts vorgetragen. Der Auskunftsanspruch gehe zu weit.
Letztlich verneint die Beklagte mit näheren Ausführungen Ansprüche der Klägerin aus §
1 UWG. Sie wiederholt die Verjährungseinrede und weist darauf hin, dass sie nach der
Abmahnung den Vertrieb sogleich eingestellt habe.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie ergänzt ihren Vortrag zur Aktivlegitimation und meint, der Tatbestand des § 14 Abs.
2 Nr. 3 MarkenG sei erfüllt. Die Beklagte habe die Marken kennzeichenmäßig benutzt.
Es sei ein weiter Benutzungsbegriff zugrunde zu legen. Darunter seien grundsätzlich
auch Markenparodien zu fassen. Das gelte auch für den vorliegenden Fall. Das Zeichen
"N" werde auf der Postkarte verwandt. Dass der M-Farbton der Karte sich etwas von
dem geschützten Farbton unterscheidet, sei irrelevant. Wegen der hohen
Verkehrsgeltung der geschützten Farbmarke M sei ein starker kennzeichenrechtlicher
Schutz mit einem entsprechenden Schutzbereich anzunehmen.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten nutze diese die Wertschätzung der Marken aus.
Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung müsse insbesondere das Zusammenspiel der
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Verwendung beider Marken berücksichtigt werden, das in der Nennung des Wortes N
und der M-Farbgebung zu sehen sei. Zutreffend habe das Landgericht ausgeführt, dass
gerade diese Kombination das einzig verkaufsfördernde Element im Hinblick auf die
beanstandete Postkarte sei. Die Beklagte könne sich auch nicht auf
Rechtfertigungsgründe berufen, da die Karte zu kommerziellen Zwecken vertrieben
worden sei. Der Fall läge hier anders als ein Fall, in dem es ausschließlich um eine
Meinungsäußerung der Beklagten gegangen wäre.
Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte
markenrechtliche Anspruch auf Unterlassung nach § 14 MarkenG und darüber hinaus
auch in vollem Umfang der Auskunftsanspruch zu. Sie kann auch die Feststellung der
Schadenersatzpflicht der Beklagten verlangen.
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1) Die Klägerin hat einen Anspruch nach § 14 Abs.5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 MarkenG
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gegen die Beklagte auf Unterlassung der Benutzung der im Urteilstenor des
angefochtenen Urteils wiedergegebenen Postkarte im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbs.
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a) Die Klägerin ist Inhaberin der am 18.12.1996 registrierten IR-Marke Nr. ######## "N"
(Anlage B 2, Bl.177 d. A.). Sie ist laut Markenblatt vom 24.08.2000 ferner Inhaberin der
am 26.05.1995 für Schokoladenwaren eingetragenen Farbmarke M ############
(Anlage K 7, Bl.185 d. A.). Das wird von der Beklagten nach dem ergänzenden Vortrag
nebst Vorlage des entsprechenden Markenblattes auch nicht weiter bestritten.
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b) Die Beklagte hat mit der Herstellung und Verbreitung der beanstandeten Karte mit der
Bezeichnung "N2" die Farbmarke M und die Wortmarke "N" der Klägerin oder ein
diesen ähnliches Zeichen kennzeichenmäßig benutzt.
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aa) Für die Benutzung des Zeichens oder eines ähnlichen Zeichens reicht es nicht aus,
dass die Beklagte es auf der Karte verwendet hat. Die Anwendungsbereiche des § 14
Abs.2 MarkenG verlangen vielmehr wie bei der früheren Regelung in §§ 15, 24, 25 WZG
einen kennzeichenmäßigen Gebrauch des geschützten Zeichens. Unter der Geltung
des Markengesetzes besteht zwar Streit darüber, ob diese Begrenzung fortgilt. Mit Blick
auf das Wesen der Marke und die Entstehungsgeschichte, die Begründung und den
Zweck von Art. 5 Abs. 5 MRRL, der als Hinweis auf eine Ausrichtung des
Markenschutzes auf Zeichenverwendungen zur Unterscheidung von Waren und
Dienstleistungen entsprechend der Markendefinition in § 3 Abs.1 MarkenG verstanden
wird, wird das in Rechtsprechung und einem Teil der Literatur (so etwa KG NJW-RR
1997, 937 –Satirische Anlehnung an Marke; OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1060, 1061
–Bild Dir keine Meinung; OLG Dresden NJW 2001, 615, 616 –Johann Sebastian Bach;
Piper GRUR 1996, 434; Sack GRUR 1996, 668) bejaht. Die Gegenmeinung stellt darauf
ab, dass das neue Markenrecht nicht mehr allein dem Schutz der Herkunftsbezeichnung
diene, sondern infolge eines Paradigmenwechsels in den rechtlichen Funktionen einen
umfassenden Schutz aller ökonomischen Funktionen der Marke bezwecke (vgl. Fezer
GRUR 1996, 566; Markenrecht, 3.Auflage, § 14 Rdn.29 ff., Starck GRUR 1996, 688).
Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher offen gelassen. Der Europäische
Gerichtshof hat im Rahmen der Bestimmung des Anwendungsbereiches der Absätze 1
und 2 des Art.5 MRRL, die den Kollisionstatbeständen des § 14 Abs.2 MarkenG
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entsprechen, die Benutzung zum Zwecke der Unterscheidung von Waren und
Dienstleistungen als eine Benutzung als Marke bezeichnet und neigt damit dem
Erfordernis einer kennzeichengemäßen Benutzung zu (EuGH GRUR Int. 1999, 438, 441
–BMW / Deenik). Eine solche Benutzung verlangt zumindest eine Kennzeichnung von
Waren oder Dienstleistungen zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen
gleicher Herkunft (OLG Dresden –Johann Sebastian Bach, a.a.O.). Der Senat hat sich
im Urteil vom 6. Dezember 2001 in der Sache 4 U 118 / 01 dieser vom EuGH offenbar
gebilligten Rechtsprechung der Instanzgerichte angeschlossen und hält daran fest.
bb) Eine kennzeichenmäßige Benutzung eines Zeichens setzt voraus, dass ein
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nicht unbeträchtlicher Teil der betroffenen Verkehrskreise aufgrund der Verwendung zu
der Vorstellung gelangt, die benutzte Marke diene als Hinweis auf die Herkunft aus dem
Betrieb der Klägerin oder jedenfalls zur Unterscheidung unterschiedlicher
Vertriebsstätten. Um einen wirksamen Kennzeichenschutz zu gewährleisten, ist der
Begriff weit zu fassen. Es genügt die objektive, nicht völlig fern liegende Möglichkeit,
dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt (BGH GRUR 1995, 57, 60 –
Markenverunglimpfung II; Ingerl / Rohnke, Markengesetz, § 14 Rdn. 58 ff.). Es reicht
dabei aus, wenn der Eindruck von bestehenden Handelsbeziehungen zwischen
Markeninhaber und Benutzer erweckt wird (EuGH, BMW-Deenik, a.a.O. S.438). Das
liegt dann nahe, wenn die Marken grundsätzlich zur Lizenzvergabe geeignet sind. Bei
Verwendung eines fremdem Zeichens spricht nach der zu teilenden Rechtsprechung
des BGH im Zweifel eine Vermutung für einen kennzeichengemäßen Gebrauch (BGH
GRUR 1961, 280, 281 –Tosca).
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cc) Legt man diese großzügigen Maßstäbe an, ergibt sich im vorliegenden Fall eine
kennzeichenmäßige Benutzung. Die Beklagte hat hier das Wort N im Text der Karte und
eine M Farbe als Grundfarbe für die Postkarte verwandt. Damit spricht schon eine
Vermutung für einen kennzeichenmäßigen Gebrauch. Aber auch ohne Annahme einer
solchen Vermutung erscheint es ohne weiteres möglich, dass ein Teil des Verkehrs auf
die Idee kommt, es handele sich um eine aus dem Hause der Klägerin stammende
Werbemaßnahme. Die Karte ist nämlich durchaus humorvoll und witzig und bezieht sich
auf die drei Säulen der Werbung der Klägerin, nämlich die Farbe M, die Kuh und die
Bezeichnung N. Alle drei Säulen werden zwar verfremdet. Die Farbe M wird als
Untergrund für ein Gedicht und die Angabe des Dichters genutzt, die Kuh wird nicht, wie
in der Werbung üblich, zeichnerisch dargestellt, sondern begrifflich und N wird zum
fiktiven Hausnamen des Dichters, der eigentlich Rilke heißen müsste. Diese
Verfremdung ist aber nicht so vorgenommen worden, dass sie zu einer Verunglimpfung
der Marken führt. Angesichts der heutigen Gebräuche in der Werbung könnte sie als
Aufmerksamkeitswerbung ohne weiteres aus dem eigenen Unternehmen stammen.
Daneben liegt es auch nicht fern, dass die Klägerin einem Lizenznehmer gestattet
haben kann, die Karte herzustellen und zu vertreiben. Der Lizenznehmer könnte dann
genau das tun, was die Beklagte nach ihrem Vortrag mit der Karte bezwecken will,
nämlich eine Parodie der alltäglichen Werbepräsenz der Klägerin auf den Markt zu
bringen und sich damit kritisch mit den Marken als Symbol für eine aufwändige Werbung
befassen und sie zum Gegenstand einer freien Bearbeitung machen zu wollen. Wenn
man als Vergleichsmaßstab die Entscheidungen des BGH in den Fällen der beiden
Markenverunglimpfungen heranzieht, so ist zu folgern, dass im vorliegenden Fall erst
recht ein kennzeichenmäßiger Gebrauch anzunehmen ist, wenn der BGH einen solchen
in Fällen, wo die Annahme wegen der Verunglimpfungen viel ferner lag, bejaht hat.
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c) Die Beklagte hat ohne Zustimmung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr ein mit der
bekannten Marke identisches oder ähnliches Zeichen für Waren benutzt.
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aa) Die Beklagte handelte im geschäftlichen Verkehr, da sie die Postkarte hergestellt
hat, um sie zu verkaufen. Selbst wenn sie mit keinem großen Verkaufserfolg gerechnet
haben sollte, ändert das nichts an den entsprechenden Bemühungen.
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bb) Die Beklagte kann sich auf keine Zustimmung der Klägerin stützen.
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cc) Es liegt auch eine Zeichenähnlichkeit vor. Unter Zeichenähnlichkeit ist ein
bestimmter Grad an Übereinstimmung zwischen den von den Beteiligten verwendeten
Zeichen zu verstehen. Entscheidend ist bei der vorzunehmenden Beurteilung der
Gesamteindruck. Eine besonders große Kennzeichnungskraft der zu schützenden
Marke kann dazu führen, dass auch ein geringerer Grad von Zeichenähnlichkeit schon
als genügend anzusehen ist. Hier hat die Beklagte das Wort "N" im Künstlernamen und
damit die Wortmarke benutzt. Entsprechendes gilt auch für die Verwendung der
Farbmarke. Der farbliche Unterschied spielt ebenso keine wesentliche Rolle wie die
Benutzung des Wortes N als Namen. Denn der Zusammenhang der eingesetzten
Stilmittel deutet unmissverständlich auf die Marken der Klägerin hin. Bei der Farbe wird
durch die Verwendung der Begriffe "Kuh" und "N" im Textteil für die Verbraucher klar,
dass es um das besonders kennzeichnungskräftige "N-M" gehen sollte. Der
Dichtername N machte in gleicher Weise deutlich, dass es bei diesem Gedicht auf
einem M-farbenem Untergrund nur um die Marken der Klägerin gehen konnte. Die
Beklagte trägt im übrigen auch selbst vor, dass sie mit ihrer kritischen Parodie auf die
Klägerin, deren Marken und die Werbung dafür hinweisen wollte.
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d) Bei beiden benutzten Marken handelt es sich um im Inland bekannte Marken. Gerade
die Farbmarke hat sich auch im Verkehr nahezu vollständig durchgesetzt.
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e) Die Beklagte hat auch die Wertschätzung der bekannten Marke im Sinne des § 14
Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ausgenutzt.
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aa) Eine Rufausnutzung in diesem Sinne setzt voraus, dass der Ruf der Marke
überhaupt wirtschaftlich nutzbar ist. Das steht hier außer Frage. Die Eignung der Marken
zur Lizensierung ist schon festgestellt worden. Eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung
muss ferner auch in dem anderen Warengebiet des Verletzers in Betracht kommen, also
im Rahmen der Herstellung und des Vertriebs von Postkarten durch die Beklagte. Auch
das ist zu bejahen. Die Marken der Klägerin sind bei den Verbrauchern so präsent, dass
sie auch in einer ungewohnten Präsentation Aufmerksamkeit erregen. Gerade diese
Eigenschaft der Marken lässt sich im Rahmen des Geschäfts mit Postkarten auch mit
parodistischem Inhalt wirtschaftlich verwerten.
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bb) Die Ausnutzung ist auch in unlauterer Weise geschehen. Dafür reicht es aus, wenn
eine Beziehung zwischen der eigenen und der fremden Ware nur hergestellt wird, um
von dem fremden guten Ruf zu profitieren (BGHZ 126, 210 –Mc Laren). Das hat die
Beklagte im vorliegenden Fall getan. Der Ruf der Marken war zwingende
Voraussetzung für den zumindest erwarteten Verkaufserfolg. Wären N und die M-Farbe
nicht bekannt, fehlte der Parodie jede Grundlage und die Postkarte wäre erkennbar
unverkäuflich. Dass die Karte trotz Verwendung der Marken von Anfang an auch für die
Beklagte erkennbar als Postkarte ungeeignet gewesen sein soll und dennoch
hergestellt und zum Verkauf angeboten wurde, widerspricht so jeder Lebenserfahrung,
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dass der Senat davon nicht ausgeht.
f) Eine andere Sichtweise ist auch nicht geboten, weil die Beklagte für sich die
Ausübung von Grundrechten in Anspruch nimmt. Die Pressefreiheit kann nicht betroffen
sein, weil die Karte kein Presseerzeugnis ist. Sie hat auch nicht die notwendige
Gestaltungshöhe, um ein Werk der bildenden Kunst zu sein. Auch das Recht auf freie
und satirische Meinungsäußerung rechtfertigt eine solche Markenverletzung nicht. Die
Vorschrift des § 14 MarkenG, ist ein beschränkendes Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2
GG. Sie hat den Schutz der Marken zum Gegenstand und schützt damit dem Eigentum
vergleichbare Rechte schlechthin. Sie ist damit nicht in vergleichbarer Weise ihrerseits
im Rahmen einer Wechselwirkung mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit abzuwägen
wie etwa die Generalklausel des § 1 UWG. Schon deshalb ist die von der Beklagten
angeführte Entscheidung des KG WRP 1997, 85 –Alles wird Teuer, in der keine
Markenrechtsverletzung festgestellt werden konnte und bei der sich ein Anspruch nur
aus § 1 UWG ergeben konnte, nicht einschlägig und vergleichbar. Es kommt hinzu, dass
die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerte
Meinung, dass Werbung mit einer solchen Intensität, wie sie die Klägerin durchführe,
besorgniserregend sei und die Gesellschaft verändern könne, auch dem aufmerksamen
Verbraucher durch die Postkarte nicht übermittelt wird. Bei einer objektiven Betrachtung
der Postkarte geht es vielmehr vorrangig nicht um eine Meinungsäußerung der
Beklagten über die Werbemethoden der Klägerin, sondern um eine rein kommerzielle
Benutzung fremder angesehener Marken dazu, ein sonst nicht verkäufliches Produkt im
Rahmen der eigenen Produktpalette zumindest versuchsweise auf den Markt zu bringen
(vgl. BGH GRUR 1994, 808, 810 –Markenverunglimpfung I).
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g) Von einer Wiederholungsgefahr ist weiterhin auszugehen, auch wenn die Beklagte
die Postkarte nach der Abmahnung alsbald aus ihrem Programm genommen haben
sollte. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr konnte nur durch eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung ausgeräumt werden, die die Beklagte bislang nicht abgegeben
hat.
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3) Der Klägerin steht neben dem Unterlassungsanspruch auch ein
Schadenersatzanspruch nach § 14 Abs.6 MarkenG zu. Die Verletzungshandlung ist von
der Beklagten zumindest fahrlässig begangen worden. Einen darauf beruhenden
Schaden vermag die Klägerin zwar bislang noch nicht zu beziffern. Sie hat deshalb bei
der gegebenen bloßen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ein Interesse an der
Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten. An die erforderliche Wahrscheinlichkeit
eines Schadens sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn nach der
Lebenserfahrung ein Schadenseintritt in Zukunft mit einiger Sicherheit zu erwarten ist
(BGH WRP 2000, 1402, 1404- Falsche Herstellerpreisempfehlung). Dazu hat die
Klägerin zwar nicht im Einzelnen vorgetragen. Bei der Verletzung benutzter Zeichen ist
das aber ohnehin sehr schnell der Fall. Es kommt ein im Wege der Lizenzanalogie zu
ermittelnder Schaden in Betracht. Auch die Auskehrung eines Verletzergewinns gerade
durch die Markenrechtsverletzung kann hier in Betracht kommen.
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4) Weil der Klägerin ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zusteht, der der
Höhe nach noch nicht zu beziffern ist, hat sie auch einen Anspruch auf Auskunft als
Hilfsanspruch aus § 242 BGB. Dieser Anspruch bezieht sich hier auch auf die
Verkaufsmenge, Verkaufspreise, Gestehungskosten und den Gewinn, weil die
Herausgabe des Verletzergewinns zumindest in Betracht kommt. Deshalb geht der
Auskunftsantrag auch nicht zu weit.
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Die in § 543 Abs.2 ZPO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision
sind nicht gegeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10,
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711 ZPO.
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