Urteil des OLG Hamm vom 28.10.2003

OLG Hamm: verwaltung, miteigentümer, unverletzlichkeit der wohnung, versammlung, verwalter, form, anfechtung, zustellung, herausgabe, stimmenmehrheit

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 203/02
Datum:
28.10.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 203/02
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 6 T 51/02
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird teilweise aufgehoben.
Auf die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) und zu 2) wird der
Beschluß des Amtsgerichts Brilon vom 07.01.2002 teilweise
aufgehoben. Der Beschluß der Eigentümerversammlung vom
06.10.2001 zu TOP 3 wird für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1)
mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sein Feststellungsantrag in der
Fassung des landgerichtlichen Protokolls vom 17.04.2002 als
unzulässig zurückgewiesen wird.
Von den Gerichtskosten der Verfahren 1., 2. und 3 Instanz tragen der
Betei-ligte zu 1) sowie die Beteiligten zu 3) jeweils die Hälfte.
Außergerichtliche Kosten werden in allen drei Instanzen nicht erstattet.
Der Gegenstandswert wird für alle drei Instanzen auf jeweils 6.000 Euro
festgesetzt.
Gründe
1
I.)
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Die Beteiligten zu 1) bis 3) bilden die o.a. Eigentümergemeinschaft. Die Beteiligte zu 4)
ist bis zum 31.12.2003 zur Verwalterin der Gemeinschaft bestellt. In der Gemeinschaft
bestehen Streitigkeiten. Beschlüsse der Gemeinschaft werden seit Jahren nahezu
ausnahmslos gerichtlich angefochten.
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Auf der Eigentümerversammlung vom 06.10.2001 beantragte die Beteiligte zu 4), die
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Gemeinschaft möge für die Zukunft die Beiziehung eines Rechtsanwalts zu den
Eigentümerversammlungen beschließen. An der Versammlung nahm Rechtsanwalt C
teil, der bereits in verschiedenen Verfahren für die Eigentümergemeinschaft aufgetreten
war. Die Beschlußfassung wurde wie folgt protokolliert:
Für die Rechtsberatung der Eigentümergemeinschaft in einer Eigentümerversammlung
(incl. 06.10.01) ist der Verwalter in Absprache mit dem Beiratsvorsitzenden ermächtigt,
einen Rechtsanwalt zu Lasten der Gemeinschaft zu beauftragen. Zur Zeit 150,00 DM
zzgl. MWSt je Stunde, max. Fahrzeit 1,5 h, in der Fahrzeit 50% von 150,00 DM.
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Ausweislich des Protokolls der Eigentümerversammlung wurden -nachdem
Beschlußunfähigkeit eingetreten war- verschiedene Themen erörtert. Gegen Ende der
Versammlung stellte sich die Gärtnermeisterin Q der Versammlung als Anwärterin für
die Übernahme verschiedener Hausmeistergewerke vor. Weiter heißt es in dem
Protokoll, daß kein Versammlungsteilnehmer Bedenken bekundet habe, ihr den
Generalschlüssel zu überlassen.
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Mit Schreiben, die binnen Monatsfrist bei Gericht eingegangen sind, haben die
Beteiligten zu 1) und 2) -sinngemäß- beantragt, den Beschluß zu TOP 3 für ungültig zu
erklären. Der Beteiligte zu 1) hat weiter beantragt, festzustellen, daß der
Generalschlüssel der Wohnungsanlage nicht an fremde Personen ausgehändigt
werden darf.
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Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die hiergegen gerichteten sofortigen
Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) hat das Landgericht zurückgewiesen. Zuvor
hat es unter Ladung der Beteiligten mit der vollbesetzten Kammer mündlich verhandelt,
wobei der Beteiligte zu 1) seinen Feststellungsantrag dahingehend erweitert hat, daß
auch die Unzulässigkeit der Schlüsselherausgabe an Miteigentümer festgestellt werden
soll. Sowohl das Amts-, wie das Landgericht haben die Beteiligten zu 3) durch
Zustellung der Schriftsätze an die Beteiligte zu 4) als Zustellungsvertreterin am
Verfahren beteiligt.
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Gegen die landgerichtliche Entscheidung haben die Beteiligten zu 1) und 2) binnen
Monatsfrist ab Zustellung der Entscheidung zu Protokoll des Rechtspflegers sofortige
weitere Beschwerde erhoben. Während die Beteiligte zu 2) allein ihren bisherigen
Rechtsstandpunkt weiter vertritt, hat der Beteiligte zu 1) weiter zur Sache vorgetragen.
Er meint, daß die Beteiligten zu 3) nicht ordnungsgemäß vertreten seien. Zum einen
richte sich der Feststellungsantrag gegen die Beteiligte zu 4), so daß sie nicht als
Zustellungsvertreterin tätig werden könne. Zum anderen sei ihre erneute
Verwalterbestellung nichtig. In der Eigentümerversammlung habe er vor der
Beschlußfassung die Anwesenheit des Rechtsanwalts C, der sich auch aktiv an der
Aussprache der Eigentümer beteiligt habe, gerügt.
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II.)
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Die sofortigen weiteren Beschwerden sind nach den §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 WEG, 27,
29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
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Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist begründet, die des Beteiligten
zu 1) ist teilweise begründet, da die landgerichtliche Entscheidung, soweit sie die
Zurückweisung der Beschlußanfechtsanträge bestätigt hat, auf einer Verletzung des
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Rechts beruht, § 27 Abs.1 FGG.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von zulässigen
Erstbeschwerden ausgegangen.
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Ein Verfahrensmangel ist nicht darin zu sehen, daß die Vorinstanzen die Beteiligten zu
3) unter Einschaltung der Beteiligten zu 4) als Zustellungsvertreterin (§ 27 Abs.2 Nr.3
WEG) zum Verfahren hinzugezogen haben. Dabei bedarf die Frage, unter welchen
Voraussetzungen der Verwalter als Zustellungsvertreter ausscheidet, wenn sich ein
Antrag nach § 43 Abs.1 Nr.2 WEG allein gegen ihn richtet, keiner Entscheidung. Der
Beteiligte zu 1) hat erstmals mit der sofortigen weiteren Beschwerde geltend gemacht,
daß sein Feststellungsantrag so zu verstehen sei. Demgegenüber sind die Vorinstanzen
offenkundig entsprechend dem allgemein gehaltenen Wortlaut des Antrags davon
ausgegangen, daß sich der Feststellungsantrag des Beteiligten zu 1) ebenso wie der
Beschlußanfechtungsantrag, gegen die weiteren Miteigentümer richte (§ 43 Abs.1 Nr.1
WEG). Auch der Senat legt die Verfahrenserklärungen des Beteiligten zu 1) in den
Vorinstanzen dahingehend aus, da der Feststellungsantrag allein dann einen Sinn
macht. Wenn er sich nämlich allein gegen die Beteiligte zu 4) richten würde, wäre das
Rechtsschutzbegehren des Beteiligten zu 1) direkter und effektiver mit einem auf
Unterlassung gerichteten Leistungsantrag zu erreichen gewesen. Die Zulässigkeit des
Feststellungsantrages würde dann am Mangel des analog § 256 ZPO erforderlichen
Feststellungsinteresses scheitern (zum sog. Vorrang des Leistungsverfahrens auch im
Verfahren nach dem WEG vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9.Aufl. § 44 Rdn.31).
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Die Beteiligung der weiteren Miteigentümer durch Zustellung an die Beteiligte zu 4)
erweist sich auch nicht wegen der von dem Beteiligten zu 1) gerügten Nichtigkeit der
Verwalterbestellung als rechtsfehlerhaft. Für das vorliegende Verfahren ist allein die
Verwalterbestellung bis zum 31.12.2003 maßgebend, die die Eigenschaft der
Beteiligten zu 4) als gesetzliche Zustellungsbevollmächtigte der Miteigentümer
begründet. Die Wirksamkeit dieser Bestellung steht aufgrund der Entscheidung des
Senats vom 09.09.2002 (15 W 420/01) rechtskräftig fest. Durch den Beschluß der
Versammlung vom 18.05.2002 zu TOP 2 ist die Wirksamkeit dieser Bestellung nicht
berührt worden.
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In der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung nur
teilweise stand. Begründet ist die sofortige weitere Beschwerde, soweit das Landgericht
die Zurückweisung des Beschlußanfechtungsantrages bestätigt hat.
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Der Senat vermag sich der Auffassung der Vorinstanzen nicht anzuschließen, daß der
Beschluß über die künftige Anwesenheit eines Rechtsanwalts als entgeltlichem Berater
der Versammlung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Was sich als Maßnahme
ordnungsgemäßer Verwaltung darstellt, die die Miteigentümer gemäß § 21 Abs.3 WEG
mit Stimmenmehrheit beschließen können, ist im Rahmen der durch das Gesetz und die
Vereinbarungen der Gemeinschaft gezogenen Grenzen eine Frage des Einzelfalls.
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Der entgeltlichen Beiziehung eines (rechtlichen) Beraters zu den
Eigentümerversammlungen auf Kosten der Gemeinschaft der Eigentümer stehen
gesetzliche Bestimmungen nicht grundsätzlich entgegen. Vereinbarungen, die entgegen
stehen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere enthält § 14 der
Teilungserklärung hinsichlich der Frage der Beiziehung von Dritten zur Versammlung
keine eigenständige, vom Gesetz abweichende Regelung. Entgegen der seitens der
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Antragsteller vertretenen Auffassung unterliegt die Einholung fachlichen Rats auch nicht
dem Vereinbarungsvorbehalt, da sie sich im Ansatz als eine Verwaltungsmaßnahme (§
21 WEG) darstellt (zur Unterscheidung vgl. BGH NJW 2000, 3500, 3503). Von daher
geht auch das Argument, die Einführung einer neuen "Kostenart" bedürfe hier einer
Vereinbarung der Miteigentümer, fehl. Nach § 16 Abs.2 WEG tragen die Miteigentümer
u.a. die Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Maßgebend für die
Frage, ob kostenträchtige Maßnahmen mit Stimmenmehrheit beschlossen werden
können, ist danach nicht, ob derartige Kosten in der Vergangenheit schon aufgetreten
oder durch eine Vereinbarung der Miteigentümer abgedeckt sind. Vielmehr kommt es
allein darauf an, ob sich die kostenträchtigte Maßnahme als eine solche der
ordnungsgemäßen Verwaltung darstellt.
Auch aus der gesetzlichen Stellung des Verwalters ergeben sich noch keine
grundsätzlichen Bedenken, die Einholung anwaltlichen Rats als eine Maßnahme der
ordnungsgemäßen Verwaltung zu bewerten. Die Aufgaben des Verwalters nach § 27
WEG sind nicht primär die eines rechtlichen Beraters. Der Senat verkennt dabei nicht,
daß der Aufgabenkatalog des § 27 WEG bei dem Verwalter rechtliche Grundkenntnisse
insbesondere hinsichtlich seiner Kernaufgaben (Vorbereitung und Durchführung der
Eigentümerversammlung, Erstellung und Realisierung von Wirtschaftsplan und
Jahresabrechnung) voraussetzt. In diesem Rahmen ist der Verwalter zur Beratung der
Gemeinschaft nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Hierbei kann es sich
jedoch nur um die Behandlung einfacher, quasi berufsspezifischer Fragen handeln,
mögen diese auch auf rechtlichem Gebiet liegen. Derartige Fragen wird man
dahingehend umschreiben können, daß sie Probleme betreffen, die in jeder
Gemeinschaft häufiger auftreten (vgl. für den Fall des "Einzelberaters" BayObLG ZMR
1997, 478ff). Hieraus ergibt sich aber im Umkehrschluß, daß die Zulässigkeit der
Einholung von Rechtsrat durch die gesetzliche Aufgabenstellung der Verwaltung nicht
schlechthin ausgeschlossen wird.
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Die vorliegende Entscheidung hängt damit allein davon ab, ob der konkrete Beschluß
ordnungsgemäßer Verwaltung (§§ 21 Abs.1, 23 Abs.1 WEG) entspricht. Dies ist nicht
der Fall.
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Das Landgericht hat seine Entscheidung wesentlich auf den Umstand gestützt, daß die
Gemeinschaft zerstritten ist und seit einiger Zeit praktisch sämtliche Beschlüsse der
Gemeinschaft gerichtlich angefochten werden. Eine ausufernde Inanspruchnahme der
anwaltlichen Beratung allein aufgrund der Einschätzung durch die Verwaltung sei im
Hinblick auf die beschlossene Notwendigkeit einer Abstimmung mit dem Beirat
ausgeschlossen. Dies entspricht der Argumentation der Antragsgegner, trägt nach
Auffassung des Senats die Annahme einer Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung
jedoch nicht. Die Entscheidung des Landgerichts kann, da sie sich auch nicht aus
anderen Gründen als richtig erweist, keinen Bestand haben. Einer Zurückverweisung
der Sache bedarf es jedoch nicht, da die Sache entscheidungsreif ist.
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Ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen diejenigen Maßnahmen der Gemeinschaft,
die dem geordneten Zusammenleben innerhalb der Gemeinschaft dienen und dem
Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen
entsprechen, wobei den Wohnungseigentümern ein begrenzter Beurteilungs- und
Ermessensspielraum zusteht (OLG Köln OLGR 1997, 155). Hiervon ausgehend ist es im
Ansatz nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinschaft rechtlichen Rat auch im Rahmen
der Eigentümerversammlung sucht, um die Anfechtbarkeit der dort gefaßten Beschlüsse
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zu beschränken bzw. auszuschließen. Im Hinblick auf die alle Miteigentümer treffende
nicht unerhebliche Kostenlast ist hierfür jedoch ein sachlich hinreichender Grund
erforderlich.
Allein der Umstand, daß die Gemeinschaft zerstritten ist, stellt für sich keinen solchen
Grund dar (vgl. für den "Einzelberater" BayObLG aaO). Auch einen Dauerkonflikt in
einer Gemeinschaft muß ein gewerblich tätiger Verwalter handhaben können. Der
diesem Konflikt folgende Umstand, daß praktisch sämtliche Beschlüsse der
Gemeinschaft über drei Instanzen einem Verfahren nach § 43 WEG unterzogen werden,
rechtfertigt die Inanspruchnahme rechtlicher Beratung in dem hier beschlossenen
Umfang ebenfalls nicht. Die rechtliche Überprüfung und Absicherung der
Beschlußfassung kann die Anfechtung (über drei Instanzen) nämlich nicht verhindern
und verhindert diese in einer zerstrittenen Gemeinschaft erfahrungsgemäß auch
tatsächlich nicht. Dies zeigt nicht zuletzt das vorliegende Verfahren.
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Auch die von der Antragsgegnerseite angeführte Möglichkeit einer Heilung evtl. Mängel
durch eine erneute Beschlußfassung in späterer Versammlung vermag keine
hinreichende Notwendigkeit für die Beiziehung eines anwaltlichen Beraters zu der
Eigentümerversammlung selbst zu begründen. Wenn im Einzelfall aufgrund der
Bedeutung des Beschlußgegenstandes für die Eigentümergemeinschaft Anlaß besteht,
das Ergebnis eines Anfechtungsverfahrens nicht abzuwarten, sondern die Unsicherheit
ggf. vorab durch einen Zweitbeschluß zu beseitigen, soweit ein solcher zulässig ist, so
bietet sich hier die Einholung eines Rechtsgutachtens an (zur grundsätzlichen
Zulässigkeit eines solchen vgl. OLG Köln aaO). Ein solches hat gegenüber der
Anwesenheit eines Anwalts in der Versammlung, soweit es um die rechtliche Beratung
geht, verschiedene Vorteile. Für ein Gutachten können umfassend juristische
Erkenntnisquellen und Hilfsmittel herangezogen und die so gewonnenen Erkenntnisse
abgewogen werden, was in der Versammlung schon aus praktischen Gründen
ausscheidet. Zudem wird das Beratungsergebnis in Form des Gutachtens eindeutig
dokumentiert, so daß die Gemeinschaft im Falle eines schuldhaften Beratungsfehlers
evtl. Regreßansprüche besser durchsetzen kann. Schließlich kann der Inhalt der
rechtlichen Überlegungen, die für eine erneute Beschlußfassung sprechen, allen
Miteigentümern uneingeschränkt zur Verfügung gestellt werden, was bei einer
notwendigerweise verkürzten Protokollierung des Inhalts der Eigentümerversammlung
nicht gewährleistet werden kann.
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Um die Beiziehung rechtlicher Beratung bereits in der Eigentümerversammlung zwecks
Absicherung der zu fassenden Beschlüsse zu rechtfertigen, müßten demnach weitere
Umstände hinzutreten. Zunächst muß die Bedeutung des Beschlußgegenstandes in
einem angemessenen Verhältnis zu den zu erwartenden Kosten stehen. Weiter muß der
Beratungsbedarf gerade in der Versammlung bestehen und nur hier sachgerecht zu
erfüllen sein. Praktisch wäre dies nur denkbar, wenn die Möglichkeit außergewöhnlicher
Probleme erkennbar ist, die eine flexible und zeitnahe Reaktion der versammelten
Miteigentümer erfordern. Soll die Entscheidung über die Beiziehung eines juristischen
Beraters zu einer konkreten Versammlung durch Mehrheitsbeschluß generell dem
Verwalter (ggf. in Absprache mit dem Beirat) übertragen werden, so erfordern die
Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung zudem, daß die Kriterien für die Beiziehung
in jedenfalls allgemeiner Form durch den Mehrheitsbeschluß festgelegt werden. Bei der
Entscheidung handelt es sich nämlich um keine Maßnahme der laufenden Verwaltung,
weshalb sich die Eigentümergemeinschaft ihrer Regelungskompetenz nach § 21 Abs1
WEG nicht durch bloßen Mehrheitsbeschluß begeben kann.
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Diesen Anforderungen wird der angefochtene Eigentümerbeschluß auch mit dem
seitens der Antragsgegner behaupteten Inhalt nicht gerecht. Insbesondere sind der
Verwalterin keine Vorgaben gemacht worden, wann diese von einem gerade auf die
Eigentümerversammlung bezogenen Beratungsbedarf ausgehen kann und soll. Die
bloß formale Einschränkung einer Absprache mit dem Verwaltungsbeirat ist jedenfalls
dann unzureichend, wenn jegliche inhaltlichen Vorgaben fehlen.
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Im Übrigen bleibt die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ohne Erfolg, da
die Entscheidung des Landgerichts im Übrigen nicht auf einer Verletzung des Rechts
beruht, § 27 Abs.1 FGG.
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Allerdings ist der Feststellungsantrag des Beteiligten zu 1) schon unzulässig, was der
Senat mit Rücksicht auf die Rechtskraftwirkung der Entscheidung (§ 45 WEG) im Tenor
klargestellt hat. Der Beteiligte zu 1) macht in der Sache einen Anspruch auf Einhaltung
der Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs.4 WEG) geltend. Für die
gerichtliche Geltendmachung eines solchen Anspruchs ist anerkannt, daß das
Rechtsschutzbedürfnis für einen entsprechenden Antrag mit Rücksicht auf die
Regelungskompetenz der Eigentümergemeinschaft nur zu bejahen ist, wenn der
Antragsteller zuvor erfolglos versucht hat, eine seinem Ansinnen entsprechende
Beschlußfassung der Eigentümer herbeizuführen oder ein derartiges Vorgehen
ausnahmsweise unzumutbar ist, etwa weil bereits sicher feststeht, daß es zu keiner
Beschlußfassung in seinem Sinne kommen wird (KG KGR 1999, 266 = NZM 2000, 286;
Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9.Aufl. § 21 Rdn.89ff).
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Beteiligte zu 1) weist selber darauf
hin, daß die Schlüsselherausgabe in der hier streitigen Eigentümerversammlung
lediglich mitgeteilt worden sei, und Widerspruch auch nur unterblieben sei, weil es zu
keiner entsprechenden Abstimmung gekommen sei. Danach läßt es sich aber gerade
nicht ausschließen, daß die Eigentümergemeinschaft -mit der Argumentation des
Beteiligten zu 1) konfrontiert- bei einem Beschlußantrag die Herausgabe des
Generalschlüssels entweder ganz untersagen oder aber, was in der Sache
näherliegend ist, von klaren vertraglichen Grundlagen und einer Dokumentation des
jeweiligen Verbleibs abhängig machen wird.
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Der Senat hat davon abgesehen, die Beteiligten auf diesen prozessualen Gesichtspunkt
gesondert hinzuweisen, da der Feststellungsantrag in der vorliegenden Form auch in
der Sache unbegründet wäre. Der Beteiligte zu 1) begehrt die Feststellung, daß die
Überlassung eines Generalschlüssels durch den Verwalter an Dritte oder einen
bestimmten Miteigentümer -ohne eine entsprechende Vereinbarung aller Miteigentümer-
schlechthin unzulässig ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.
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Bei einem Generalschlüssel der vorliegenden Art, der sowohl Türen zu Räumen des
gemeinschaftlichen Eigentums als auch zu solchen des Sondereigentums schließt,
handelt es sich um einen Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums, da die
Schließanlage in ihrer Gesamtheit dem gemeinschaftlichen Gebrauch der
Miteigentümer dient (§ 5 Abs.2 WEG).
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Der Umgang mit einem derartigen Schlüssel hat danach den Regeln eines
ordnungsgemäßen Gebrauchs im Sinne des § 15 Abs.2 WEG bzw. einer
ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne des § 21 Abs.3 WEG zu entsprechen. In
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diesem Rahmen kann die Eigentümergemeinschaft es dem Verwalter durch
Mehrheitsbeschluß durchaus gestatten, den Schlüssel an bestimmte Funktionsträger zu
übergeben, soweit dies zum Zwecke einer möglichen Gefahrenabwehr bzw. der
Bewältigung evtl. technischer Probleme sachdienlich ist. Hierin liegt weder ein
unzulässiger Eingriff in das Sondereigentum noch in die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Der Beteiligte zu 1) verkennt insoweit, daß der Besitz des Schlüssels kein Recht zum
Betreten des Sondereigentums begründet. Ein entsprechender Mißbrauch der durch
den Schlüsselbesitz begründeten Möglichkeiten wäre über § 123 StGB strafrechtlich
sanktioniert. Ein Betreten des Sondereigentums ist danach nur zur Gefahrenabwehr,
strafrechtlich ausgedrückt unter den Voraussetzungen des Notstands (§ 34 StGB)
gerechtfertigt.
Die rein tatsächliche Möglichkeit eines Mißbrauchs macht die Herausgabe des
Schlüssels an Dritte oder einzelne Miteigentümer nicht schlechthin unzulässig. Hieraus
ergibt sich vielmehr lediglich die Notwendigkeit, die Mißbrauchsgefahr durch geeignete
Maßnahmen einzuschränken. Zu diesen Maßnahmen gehört insbesondere eine klare
vertragliche Grundlage, die dem einzelnen Schlüsselbesitzer eine Weitergabe des
Schlüssels untersagt oder eine etwa sachlich notwendige Weitergabe im Einzelfall von
einer geeigneten Dokumentation, etwa der vorherigen Information der Verwaltung
abhängig macht. Wesentlich ist dabei, daß die persönliche Verantwortlichkeit des
Besitzers für den Verbleib des Schlüssels keinem Zweifel unterliegen darf. Werden
derartige Maßnahme ergriffen, so werden die Nachteile des dann verbleibenden
Mißbrauchsrisikos von den Vorteilen für die Gemeinschaft in Form einer erleichterten
Problembewältigung und Gefahrenabwehr überwogen.
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Da die Beteiligten zu 1) und 2) mit der Beschlußanfechtung Erfolg haben, die sofortige
weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) hinsichtlich des Feststellungsantrages
hingegen erfolglos bleibt, entspricht es der Billigkeit, entsprechend den Wertanteilen der
Anträge, den Beteiligten zu 1) und die Beteiligten zu 3) mit jeweils der Hälfte der
Gerichtskosten zu belasten (§ 47 S.1 WEG). Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten
hat es hingegen bei dem Grundsatz zu verbleiben, daß jeder Beteiligte seine
außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Hinsichtlich der Beschlußanfechtung sind
insoweit die abweichenden Entscheidungen der Vorinstanzen zu berücksichtigen.
Soweit der Beteiligte zu 1) mit der sofortigen weiteren Beschwerde ohne Erfolg bleibt, ist
zu berücksichtigen, daß die Herausgabe des Schlüssels ohne förmliche
Beschlußfassung der Gemeinschaft jedenfalls geeignet war, Unklarheiten
hervorzurufen.
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Den Gegenstandswert hat der Senat für beide Anträge auf jeweils 3.000 Euro
festgesetzt. Insoweit hat es hinsichtlich des amtsgerichtlichen Beschlusses auch von der
Möglichkeit einer Abänderung gemäß § 31 Abs.1 S.2 KostO Gebrauch gemacht.
Hinsichtlich des Beschlußanfechtungsantrages war das Interesse aller Miteigentümer zu
berücksichtigen, das in dem Ansatz des Wirtschaftsplans von 15.000 DM ein gewisses
Äquivalent findet. Berücksichtigt man einerseits, daß das Interesse der Beteiligten zu 1)
und 2) nur einen Bruchteil ausmacht, der angefochtene Beschluß andererseits aber in
seiner Wirkung über ein Wirtschaftsjahr hinausreicht, so erscheint der Ansatz von 3.000
Euro als angemessen. Hinsichtlich des Feststellungsantrages war einerseits das
Interesse der Gemeinschaft an einer Erleichterung der Verwaltung vor Ort sowie
andererseits das von dem Beteiligten reklamierte Eigentumsschutzinteresse zu
berücksichtigen.
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