Urteil des OLG Hamm vom 01.07.2004

OLG Hamm: vertrag zugunsten dritter, gemälde, werk, künstler, eigentümer, echtheit, inhaber, veröffentlichung, eigentum, erstellung

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 54/04
Datum:
01.07.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 54/04
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 8 O 607/03
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Januar 2004 verkündete
Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Beklagten
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 EUR abzuwenden, falls
nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Beklagte hat ein noch nicht publiziertes, aber in Kreisen des Kunsthandels bekannt
gewordenes Werkverzeichnis über die Gemälde des Malers Karl Hofer erstellt. Die
Klägerin verlangt von ihm, dass er das Gemälde "Stilleben mit Gemüsen und Früchten"
(Bl. 12 d.A.) in sein Werkverzeichnis aufnimmt.
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Zur Anspruchsbegründung hat die Klägerin vorgetragen:
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Das Gemälde, das ihr Eigentum sei, sei ein wiederentdecktes Stilleben von Karl Hofer
aus den Jahren 1909 oder 1910. Es sei nach seiner Auffindung von einer
Teilübermalung frei gemacht und restauriert worden. Dabei habe sich durch eine
Röntgenaufnahme eine Untermalung feststellen lassen. Dabei handele es sich um ein
weiteres Bild des Künstlers, das das Thema des Gastmahls in Emmaus zum
Gegenstand habe. Nach Vorlage einer Dokumentation durch Herrn I habe Herr L, der
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testamentarisch und nachlassgerichtlich bestellte Testamentsvollstrecker und Verwalter
des Nachlasses der Witwe von Karl Hofer, die Urheberschaft des Künstlers anerkannt.
Das ergebe sich auch aus einer Urkunde vom 28. Juni 2002 (Bl. 17 d.A.). Herr I habe
dann im Oktober 2001 in der Zeitschrift "L1" eine Abhandlung über das wiederentdeckte
Stilleben unter dem Titel: "Licht und Vanitas" geschrieben. Eine naturwissenschaftliche
Untersuchung zum Malmaterial und zum maltechnischen Aufbau im Labor von K vom 9.
April 2003 (Bl.12 ff. d.A.) habe ergeben, dass sich daraus keine Argumente gegen eine
Zuordnung des Gemäldes zu Karl Hofer herleiten ließen.
Die Klägerin hat die Meinung vertreten, der Beklagte sei dadurch, dass er das
Werkverzeichnis über die von Karl Hofer gefertigten Gemälde erarbeitet und
veröffentlicht habe, verpflichtet, auch das dem Künstler urheberrechtlich einwandfrei
zugeschriebene Stilleben, um das es hier gehe, in das Werkverzeichnis aufzunehmen.
Das folge zum einen aus dem Charakter eines Werkverzeichnisses als Sammlung und
Zusammenstellung sämtlicher Werke eines Künstlers und zum anderen aus der sich
aus seiner Führung de facto ergebenden Monopolstellung des Herausgebers. Der
Anspruch stehe neben dem Inhaber der Urheberpersönlichkeitsrechte auch dem
Eigentümer zu, weil dieser durch die Nichtaufnahme erhebliche wirtschaftliche
Nachteile erleiden könne.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen,
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das von Herrn L als Testamentsvollstrecker dem Maler
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Karl Hofer zugeschriebene Werk "Stilleben mit Gemüse und Früchten",
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Oel/Leinwand, 85 x 111 cm, 1909 / 1910, in das von ihm geführte Werk-
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verzeichnis von Karl Hofer aufzunehmen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin in Frage gestellt, weil es ein
veröffentlichtes Werkverzeichnis über die Gemälde Karl Hofers von ihm nicht gebe. Die
Veröffentlichung scheitere am Widerstand des Testamentsvollstreckers L. Ferner hat der
Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin und deren Eigentum an dem Bild bestritten.
Selbst wenn sie Eigentümerin sei, könne sie deshalb noch nicht das
Anerkennungsrecht des § 13 UrhG geltend machen, weil das
Urheberpersönlichkeitsrecht nicht auf sie übertragen worden sei. Er, der Beklagte, sei
auch nicht verpflichtet, ein Werk, dessen Echtheit er in einem Gutachten vom 27. Januar
2003 (Bl.55 f. d.A.) als äußerst fragwürdig eingestuft habe, wider sein fachliches Wissen
in sein unveröffentlichtes Werkverzeichnis aufzunehmen. Es handele sich insoweit um
ein wissenschaftliches Werk, für das er unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 3 GG die
freie Gestaltung für sich in Anspruch nehme.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Klägerin habe keinen Beweis dafür angetreten, dass sie Eigentümerin sei und das Bild
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von Karl Hofer stamme. Zudem sei nicht einmal im Ansatz erkennbar, wie sie durch eine
Veräußerung des Gemäldes Inhaberin des Urheberpersönlichkeitsrechts geworden sein
könnte, aus dem allenfalls ein Anspruch auf Aufnahme in das Werkverzeichnis
hergeleitet werden könnte. Sonstige Anspruchsgrundlagen seien nicht ersichtlich.
Die Klägerin greift das Urteil mit der Berufung an. Sie weist erneut darauf hin, dass sie
sich keines Urheberpersönlichkeitsrechtes berühme und keinen Anspruch aus § 13
UrhG geltend mache. Der Anspruch auf Aufnahme in das Werkverzeichnis stehe auch
nicht ausschließlich dem Inhaber des Urheberpersönlichkeitsrechts zu, sondern auch
dem Eigentümer eines Kunstwerks. Dass sie Eigentümerin des Bildes sei, werde schon
nach § 1006 BGB vermutet, weil sie es in Besitz habe. Der hier geltend gemachte
Anspruch ergebe sich zum einen aus dem Wesen und der Funktion des
Werkverzeichnisses mit seinem Vollständigkeitsanspruch. Dieser lasse dem Führer des
Verzeichnisses keinen Ermessensspielraum, was er aufnehme und was nicht. Zum
anderen begründe die Führung eines solchen Verzeichnisses auch noch eine de-facto-
Monopolstellung für seinen Herausgeber. Dieser übe eine konkurrenzlose und
marktbeherrschende Stellung in Form eines Anerkennungsmonopols aus. Er allein
könne das begonnene Werkverzeichnis vervollständigen und müsse deshalb wie ein
Archivar die vom Inhaber des Urheberpersönlichkeitsrechts verbindlich bestätigten
Werke aufnehmen. Hier sei die Urheberschaft des Malers Hofer an dem Gemälde durch
den Testamentsvollstrecker anerkannt worden. Das habe dieselbe Wirkung, als wenn
der Künstler selbst sein Anerkennungsrecht ausgeübt hätte. Wenn aber einem
Eigentümer eines vom Künstler oder seinem Testamentsvollstrecker anerkannten Bildes
die Aufnahme in das Werkverzeichnis verweigert werde, obwohl der Führer des
Verzeichnisses zur Vervollständigung verpflichtet sei, handele dieser
rechtsmissbräuchlich. Das treffe auf den Beklagten zu. Er sei auch ihr gegenüber
verpflichtet, in Erfüllung seines Auftrages, sämtliche Werke Hofers zu katalogisieren,
das vom Inhaber des Urheberpersönlichkeitsrechts autorisierte Werk in sein Verzeichnis
aufzunehmen. Der Beklagte könne sich nicht in einem Fall auf die Freiheit der
Wissenschaft berufen, in dem es in Wahrheit um eine reine Katalogisierung gehe. Die
Entscheidung über die Echtheit des Werkes sei ihm hier vom urheberrechtlich
Berechtigten abgenommen worden.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und nach dem erstinstanzlich
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gestellten Klageantrag zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er beruft sich im Hinblick auf eine etwa
zu vermutende Eigentümerstellung der Klägerin darauf, dass diese bislang noch nicht
einmal vorgetragen habe, wie sie in den Besitz des Bildes gelangt sei. Mit näheren
Ausführungen verfolgt der Beklagte auch seine Meinung weiter, dass die Klägerin selbst
als Eigentümerin des Werkes keinen Anspruch darauf hätte, dass ein Dritter das Werk
einem bestimmten Maler zuordnet und dessen Urheberschaft ihr gegenüber anerkenne.
Bezeichnend sei, dass die Klägerin insoweit selbst keine Anspruchsgrundlage
benennen könne. Auf das Werkverzeichnis der Gemälde von Karl Hofer, das der
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Beklagte als weltweit anerkannter Spezialist gerne herausgeben würde, komme es in
diesem Zusammenhang nicht entscheidend an. Im Übrigen verkenne die Klägerin auch
das Wesen eines solchen Werkverzeichnisses. Die Aufnahme eines dem Künstler
zugeschriebenen Werkes als Original in ein solches Verzeichnis nach Prüfung der
Echtheit sei ein Akt wissenschaftlicher Erkenntnis, zu dem niemand verurteilt werden
könne.
Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der
Beklagte das streitbefangene Stilleben in das von ihm geführte Werkverzeichnis der
Gemälde von Karl Hofer aufnimmt. Es fehlt insoweit an einer Anspruchsgrundlage.
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1) Die Klägerin hat keinen vertraglichen Anspruch gegen den Beklagten. Unmittelbar
hat sie keinen Vertrag mit ihm geschlossen. Ein Vertrag zugunsten Dritter und hier
zugunsten der Klägerin, scheidet ebenfalls aus. Selbst wenn der Künstler zu Lebzeiten
den Beklagten mit der Erstellung eines Werkverzeichnisses beauftragt hätte, wäre ein
solcher Vertrag nicht als Vertrag zugunsten der Klägerin als Eigentümerin eines Bildes
des Künstlers zu werten. Wäre es zu einer Eintragung gekommen, hätte der Beklagte
lediglich eine gegenüber dem Künstler bestehende vertragliche Pflicht erfüllt. Eine damit
in Zusammenhang stehende Wertsteigerung des Bildes, die dem Eigentümer zugute
gekommen wäre, wäre nur ein tatsächlicher Reflex gewesen.
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2) Ansprüche aus dem Urheberrecht scheiden gleichfalls aus. Denn die Klägerin ist
weder Urheberin des Bildes noch sind Rechte des Urhebers auf sie übertragen worden.
Den vom Landgericht geprüften Anspruch aus § 13 UrhG in Zusammenhang mit der
Abwehr fremder Angriffe auf die Urheberschaft des Werkes hat die Klägerin nicht
geltend gemacht und auch nicht geltend machen wollen. Auch das Offenbarungsrecht
nach § 66 Abs. 2 UrhG steht der Klägerin nicht zu, denn es ist als
Urheberpersönlichkeitsrecht gleichfalls nur dem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger
im Sinne des § 30 UrhG zugewiesen.
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3) Auch aus der Rechtsposition des Eigentums an dem Bild kann die Klägerin den
geltend gemachten Anspruch nicht herleiten. Zwar kann der Eigentümer nach § 903
BGB mit der Sache nicht nur grundsätzlich nach Belieben verfahren, sondern es ergibt
sich als quasi negativer Reflex daraus, dass er die Einwirkung Fremder auf die Sache
ausschließen kann.
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Das Ausschließlichkeitsrecht betrifft aber aktive Einwirkungen auf die Sache wie
beispielsweise Wegnahme, Zerstörung, Beschädigung, Benutzung oder Bemalen, um
die es hier nicht geht. Der Beklagte hat keinerlei störende Handlung im Hinblick auf das
Bild der Klägerin vorgenommen. Er hat lediglich eine von der Klägerin gewünschte
Handlung unterlassen, indem er das Bild nicht in das Werkverzeichnis aufgenommen
hat. Damit hat er aber keine Gefahrenquelle in Bezug auf eine Beeinträchtigung des
Eigentums im sachenrechtlichen Sinne eröffnet, die ihn zum Handeln verpflichten
könnte, wie etwa in den gesetzlich normierten Fällen des § 908 BGB (drohender
Gebäudeeinsturz) oder des § 909 BGB (Vertiefung). Selbst wenn man eine
Rechtsanalogie in Erwägung ziehen wollte, nach der man auch mit der Erstellung eines
Werkverzeichnisses Handlungspflichten aus voraufgegangenem Tun begründen
könnte, fehlte es hier an einer Gefährdung des Eigentums der Klägerin in seiner
Substanz oder in sonstiger Weise.
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4) Der Beklagte ist auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des
sogenannten Kontrahierungszwanges verpflichtet, die von ihm verlangte Handlung
vorzunehmen. Zwar kann ein solcher Abschlusszwang in gewissen Fällen die
grundsätzlich bestehende Abschlussfreiheit und vielleicht sogar die Handlungsfreiheit
beschränken. Ein unmittelbarer Abschlusszwang besteht aus sozialen Gesichtspunkten
etwa in vielen Teilbereichen der täglichen Daseinsvorsorge, um die es hier nicht geht.
Ein mittelbarer Abschlusszwang ist insbesondere in Kartellrechtsfällen und darüber
hinaus nach §§ 826, 249 BGB denkbar. Er setzt aber im Rahmen eines
Schadensersatzes zwingend voraus, dass der Nichtabschluss oder das Nichthandeln
verboten ist. Es ist hier in keiner Weise erkennbar, wieso die Nichtaufnahme des Bildes
der Klägerin nach der Rechtsordnung verboten sein sollte.
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Außerdem hat der Beklagte auch keinen Schädigungsvorsatz. Das Unterlassen der
Aufnahme des Bildes in das Verzeichnis des Beklagten ist nicht gegen die Klägerin als
Eigentümerin des Gemäldes gerichtet, sondern dient der Bewahrung des
Gesamtwerkes des Künstlers Karl Hofer.
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5) Die Klägerin leitet ihren Anspruch auf Aufnahme des Gemäldes in das
Werkverzeichnis des Beklagten daraus her, dass dieser ähnlich wie im Falle eines
mittelbaren Abschlusszwangs zu der gewünschten Handlung verpflichtet sein soll. Eine
solche Verpflichtung soll sich hier daraus ergeben, dass der Beklagte
rechtsmissbräuchlich handelt, indem er ein auf Vollständigkeit angelegtes
Werkverzeichnis erstellt, das Bild der Klägerin aber nicht aufnimmt. Selbst wenn man
den sehr zweifelhaften Weg beschreiten wollte, auf solche Weise einen Anspruch der
Klägerin zu konstruieren, fehlte es an den von der Klägerin selbst dafür geforderten und
genannten Voraussetzungen.
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a) Das gilt selbst dann, wenn man den Vortrag der Klägerin zu der von ihr behaupteten
Eigentümererstellung im Hinblick auf die Vermutung des § 1006 BGB für ausreichend
ansehen wollte, um vom Eigentum der Klägerin an dem Bild auszugehen.
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b) Entscheidend ist, dass der Beklagte im Hinblick auf einen solchen Anspruch nicht
passivlegitimiert wäre. Er müsste sich dann nämlich verpflichtet haben, ein
Werkverzeichnis der Gemälde Karl Hofers zu erstellen und darin alle seine Werke
aufzunehmen. Schon an einer solchen Verpflichtung fehlt es. Darüber hinaus hat der
Beklagte aber auch keine de-facto-Monopolstellung dadurch inne, dass er ein solches
Werkverzeichnis ohne Bilder erstellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.
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aa) Der Beklagte hat unstreitig keinen Vertrag mit dem Künstler selbst geschlossen.
Auch Dr. Köhrmann hat ihn mit der Erstellung eines solchen Verzeichnisses nicht
beauftragt. Der Beklagte hat das Werkverzeichnis in seiner jetzigen Form vielmehr als
Kunstkenner und Fachmann für Karl Hofer nicht im Rahmen einer vertraglichen
Verpflichtung, sondern aus eigenem Antrieb erstellt. Die Genehmigung zur Benutzung
von Abbildungen der Gemälde von Karl Hofer hat er bis heute nicht erhalten und
deshalb das als solches schon vorhandene Werkverzeichnis nicht offiziell herausgeben
und verbreiten können.
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bb) Eine Verpflichtung, wie sie der Klägerin vorschwebt, ergibt sich auch insoweit nicht
aus vorausgegangenem Tun, nämlich der Veröffentlichung des Werkverzeichnisses
ohne Abbildung der Werke. Im Rahmen einer solchen wissenschaftlichen Arbeit gibt es
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keinen Ansatzpunkt dafür, dass jemand, der mit einer solchen Arbeit beginnt, sie dann
auch in der Weise zu Ende führen muss, dass er später aufgefundene und dem Künstler
zugeschriebene Werke zusätzlich aufnehmen muss. Die Klägerin zieht auch aus dem
Wesen des Werkverzeichnisses falsche Schlüsse. Es ist zwar richtig, dass ein solches
Werkverzeichnis auf Vollständigkeit angelegt ist und sämtliche Werke eines Künstlers
enthalten soll. Daneben ist der Beklagte als Ersteller des Werkverzeichnisses aber
ebenso der Richtigkeit verpflichtet, was dazu führen kann, dass sich die Arbeit an einem
solchen Werkverzeichnis besonders aufwändig gestalten kann, wie das OLG Frankfurt
in einer Entscheidung aus dem Jahre 1990 im Hinblick auf das Werk von Alexej
Jawlensky betont hat (vgl. GRUR 1991, 601, 602 -Werkverzeichnis). Die Tätigkeit
beschränkt sich nämlich nicht auf das reine Katalogisieren und geht über die Tätigkeit
eines Archivars weit hinaus. So kann der Beklagte als Ersteller des Werkverzeichnisses
nicht gezwungen werden, gegen seine wissenschaftliche Überzeugung ein Werk
aufzunehmen, das er aus sachlichen Erwägungen nicht für echt hält. Der Beklagte hat
insofern eine unabhängige Stellung wie ein Gutachter. Er ist wissenschaftlich tätig und
ihm steht Art. 5 Abs. 3 GG zur Seite. Die Klägerin kann die Zweifel des Beklagten an der
Echtheit und seine dafür vorgetragenen Argumente nicht mit dem Hinweis auf die
"geläuterte" Stellungnahme des L überwinden. Ein Künstler mag als Schöpfer seiner
Werke wissen, was er geschaffen hat. L verfügt über ein solches Wissen nicht,
insbesondere wenn es um angeblich wieder aufgefundene Werke geht. Allein seine
Stellung als Verwalter eines Teils des Nachlasses kann nicht dazu führen, dass der
Beklagte wegen dessen anderer Einschätzung seine Bedenken aufgeben und das Bild
als echt behandeln muss.
cc) Auch die weitere Voraussetzung, dass sich der Beklagte eine Monopolstellung
verschafft hat, mittels der nur er quasi über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der
Urheberschaft entscheiden könnte, ist hier nicht gegeben. Der Beklagte ist schon nicht
die einzige Person, die aus fachlichen und vor allem urheberrechtlichen Gründen ein
solches Verzeichnis erstellen kann. Dr. Köhrmann kann und will es nach
Beklagtenvortrag auch. Ihm wäre es völlig unbenommen, das Stilleben der Klägerin dort
mit aufzunehmen. Die Stellung, die der Beklagte offenbar erlangt hat und die für
Eigentümer von Gemälden, die Karl Hofer zwar zugeschrieben werden, deren Echtheit
aber nicht zweifelsfrei feststeht, große wirtschaftliche Bedeutung haben kann, beruht
nicht auf einer durch das begonnene Werkverzeichnis gewonnenen ausschließlichen
Position, sondern auf seiner wohl unangefochtenen Fachautorität.
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dd) Hier kommt noch hinzu, dass noch nicht einmal geklärt ist, ob der angebliche
Urheber Karl Hofer das Werk überhaupt je unter seinem Namen veröffentlich hat oder ob
er es nicht zurückhalten oder sogar übermalen wollte, wie es bei ihm gerade zur
fraglichen Zeit sehr häufig vorgekommen sein soll. Es ist jedenfalls keine vollständige
Signatur vorhanden und das Werk ist nirgendwo als ein solches von Hofer aufgetaucht.
Ihm fehlt eine entsprechende Referenz, jedenfalls hat die Klägerin dazu nichts
dargelegt. Wenn es sich aber um ein anonymes oder pseudoanonymes Werk im Sinne
des § 66 Abs. 1 UrhG gehandelt hätte, wäre die Schutzdauer zu dem Zeitpunkt, als es L
vorgelegt und von ihm als echt anerkannt worden sein soll, längst abgelaufen gewesen,
weil es erst mehr als 70 Jahre nach einer etwaigen anonymen Veröffentlichung oder
nach Schaffung im Jahre 1910 die Identität des Urhebers offenbart hätte. Dann würden
alle urheberrechtlichen Ansprüche in Bezug auf dieses anonyme Gemälde entfallen und
somit auch eine etwa daraus abgeleitete Verpflichtung, es -als vom Urheber anerkannt-
in ein privates Bestandsverzeichnis aufzunehmen.
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Die sich aus § 543 ZPO ergebenden Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision
liegen hier nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne
grundsätzliche Bedeutung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711
ZPO.
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