Urteil des OLG Hamm vom 01.07.2009

OLG Hamm: tod, scheidung, verfügung, hausrat, rücknahme, zustellung, rechtskraft, rechtsnachfolger, zukunft, aussetzung

Oberlandesgericht Hamm, 8 UF 171/08
Datum:
01.07.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 UF 171/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Lüdinghausen, 14 F 315/04
Tenor:
1. Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
2. Das Hausratsteilungsverfahren ist erledigt.
3. Das Verfahren über den Zugewinnausgleich wird gemäß § 246 ZPO
auf Antrag der Antragstellerin ausgesetzt.
4. Der Antrag der Antragstellerin, die Ehesache durch Beschluss für
erledigt zu erklären, wird zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird
insoweit zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Lüdinghausen vom 10.07.2008 wurde
die am 10.10.1980 geschlossene Ehe der Parteien geschieden. Ferner wurde der
Versorgungsausgleich dergestalt durchgeführt, dass zu Lasten der für die Antragstellerin
beim Landesamt für Besoldung Nordrhein-Westfalen bestehenden
Versorgungsanwartschaften auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der
Deutsche Rentenversicherung Bund monatlich 463,38 € bezogen auf den 30.09.2004
begründet wurden. Darüber hinaus wurde die Antragstellerin verurteilt, an den
Antragsgegner einen Zugewinnausgleich in Höhe von 15.973,71 € zu zahlen.
Schließlich wurden den Parteien wechselseitig jeweils im einzelnen näher bezeichnete
Hausratsgegenstände zugewiesen. Wegen der Einzelheiten der amtsgerichtlichen
Entscheidung wird insoweit auf Bl. 753 ff GA Bezug genommen.
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Gegen die ihr am 14.07.2008 zugestellte Entscheidung hat die Antragstellerin am
12.08.2008 Berufung eingelegt. Antrage und Begründung behielt sie einem gesonderten
Schriftsatz vor.
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Auf ihren Antrag wurde sodann die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 15.10.2008
verlängert.
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Mit Schriftsatz vom 14.10.2008, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tage,
begründete die Antragstellerin nunmehr ihre Berufung und stellte "in dem
Berufungsverfahren gegen das Verbundurteil des Amtsgerichts Lüdinghausen" den
Antrag, das Endurteil aufzuheben. Ferner beantragte sie, die Anträge des
Antragsgegners auf Durchführung des Versorgungsausgleichs und auf Zahlung eines
Zugewinnausgleichs an ihn in Höhe von 40.689,06 € zurückzuweisen sowie seinen
Antrag auf Zuteilung von Hausratsgegenständen insoweit zurückzuweisen, als er ihrem
Zuteilungsantrag nicht entsprach. Die nachfolgende Begründung, wegen deren
Einzelheiten auf Bl. 801 – 811 GA Bezug verwiesen wird, bezog sich unter I. auf das
Versorgungsausgleichsverfahren, unter II. auf den Zugewinnausgleich und unter III. auf
die Hausratsteilung.
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Die Berufungsbegründung wurde ausweislich des bei den Akten befindlichen
Empfangsbekenntnisses (Bl. 837 GA) letztmals der Deutsche Rentenversicherung Bund
am 28.10.2008 zugestellt.
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Der Antragsgegner verstarb am 12.12.2008.
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Mit Schriftsatz vom 27.01.2009, beim Oberlandesgericht eingegangen am 30.01.2009,
beantragte die Antragstellerin nunmehr, entsprechend § 269 Abs. 4 ZPO durch
Beschluss auszusprechen, dass die Ehesache und die Folgesachen sich durch den
Tod des Antragsgegners in der Hauptsache erledigt haben. Hilfsweise wurde von ihr die
Aussetzung des Verfahrens beantragt.
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Der Antragsgegner schloss sich mit Schriftsatz vom 16.04.2009 bezüglich der
Folgesache Hausratsteilung und Versorgungsausgleich der Erledigungserklärung der
Antragstellerin an. Bezüglich des Scheidungsausspruchs beantragte er die Erteilung
eines Notfristattestes, da seiner Ansicht nach eine Erledigung des
Scheidungsverfahrens als solche nicht eingetreten sei. Die Scheidung sei vielmehr
durch die Entscheidung des Amtsgerichts rechtskräftig entschieden, da eine Berufung
gegen den Scheidungsausspruch erkennbar nicht erfolgt sei. Hinsichtlich des
Zugewinnausgleichsverfahrens beantragte er, die Berufung zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin hat daraufhin ausgeführt, dass auch der Scheidungsausspruch
ordnungsgemäß angefochten worden sei. Da die Antragstellerin einen Rechtsanspruch
auf einheitliche Entscheidung habe, sei die Berufung gegen das Hauptsacheurteil "im
Verbund", wie in der Berufungsbegründung dargelegt, eingelegt worden.
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Der Senat hat den Verfahrensbeteiligten mit Verfügung vom 13.05.2009 – insoweit wird
wegen der Einzelheiten auf Bl. 930 – 932 GA verwiesen - seine Rechtsauffassung zur
Frage einer Erledigung des Verfahrens durch den Tod des Antragsgegners schriftlich
unterbreitet sowie mitgeteilt, dass er entsprechend seiner Ausführungen im
Beschlusswege zu entscheiden beabsichtige. Den Parteien wurde eine Frist zur
abschließenden Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zugang der Verfügung
eingeräumt. Die Antragstellerin ist daraufhin der vom Senat geäußerten
Rechtsauffassung bezogen auf die Ehesache nochmals unter Vortrag näherer
Einzelheiten entgegen- getreten und hat insoweit um eine rechtsmittelfähige
Entscheidung gebeten.
12
II.
13
1.
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Das Verfahren über den Versorgungsausgleich ist durch den Tod des Antragsgegners
als ausgleichsberechtigtem Ehegatten erledigt, § 1587 e Abs. 2 BGB, 4 Abs. 1 VAHRG
(vgl. auch OLG Nürnberg, FamRZ 2006, 959 ff; OLG Frankfurt, FamRZ 1990l, 296). Ein
Versorgungsausgleich ist damit nicht mehr durchzuführen, was in Abänderung der
erstinstanzlichen Entscheidung zur Klarstellung auszusprechen war.
15
2.
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Ebenfalls erledigt ist das Hausratsteilungsverfahren, da die Hausratsteilung nur mit
Wirkung für die Zukunft und nur unter Lebenden geregelt werden kann (vgl. insoweit
Zöller-Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 619 ZPO, Rn. 18). Dem haben auch die Parteien
nicht widersprochen.
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3.
18
Das Zugewinnausgleichsverfahren ist durch den Tod des Antragsgegners hingegen
nicht erledigt, sondern richtet sich nunmehr gegen dessen Erben. Es war daher gemäß
§ 246 Abs. 1 S. 2 ZPO auf Antrag der Antragstellerin bis zur Aufnahme des Rechtsstreits
durch die Rechtsnachfolger auszusetzen.
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4.
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Der Antrag der Antragstellerin, die Ehesache durch Beschluss für erledigt zu erklären,
wird zurückgewiesen. Eine Erledigung im Sinne der §§ 619, 269 Abs. 4 ZPO ist
vorliegend nicht eingetreten, da das angefochtene Urteil im Scheidungsausspruch
bereits vor Eintritt des erledigenden Ereignisses, hier vor dem Tod des Antragsgegners,
rechtskräftig war (vgl. zu dieser Konstellation Zöller-Philippi, a.a.O., § 619 ZPO, Rn. 18).
Insoweit wird zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die
Ausführungen in der hiesigen Verfügung vom 13.05.2009 (dort Ziff. 1) Bezug
genommen.
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Die Antragstellerin hat ihre Berufung ausweislich ihrer Berufungsbegründung vom
14.10.2008 nach Maßgabe ihrer Anträge sowie ihrer Ausführungen im einzelnen
ausdrücklich und allein auf die Folgesachen Versorgungsausgleich,
Zugewinnausgleich und Hausrat beschränkt. Zum Scheidungsausspruch verhält sich
die Begründung nicht; allein der Antrag, das Endurteil aufzuheben, deutet nicht darauf
hin, dass auch die Scheidung angefochten werden sollte. Dies gilt jedenfalls vor dem
Hintergrund, dass sich die Berufungsbegründung in keiner Weise mit der – von der
Antragstellerin ursprünglich selbst beantragten – Scheidung befasst. Ungeachtet der
Frage, ob dies als teilweise Rücknahme der Berufung anzusehen ist, ist dem Senat
damit jedenfalls nach Maßgabe der Berufungsbegründung lediglich noch die
Entscheidung über die vorgenannten Folgesachen angefallen. Nach Ablauf der für die
Antragstellerin geltenden Berufungsbegründungsfrist, d.h. nach dem 14.10.2008,
bestand für sie auch keine Möglichkeit mehr, ihr eingelegtes Rechtsmittel zu erweitern.
Dies wäre allenfalls dann zulässig, wenn sich die Gründe hierfür bereits aus der
Rechtsmittelbegründungsschrift ergeben (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 629 a Rn.
22 m. w. N.). Letzteres war hier aber – wie ausgeführt – nicht der Fall. Der
Antragsgegner wiederum hat von der Möglichkeit, das eingelegte Rechtsmittel gemäß §
629 a Abs. 3 S. 1 ZPO auf den Scheidungsausspruch zu erweitern, keinen Gebrauch
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gemacht (vgl. Zöller-Philippi, a.a.O. § 629 a, Rn. 21; OLG Hamm, NJW-RR 2009, 294 ff;
Schleswig, NJW-RR 88, 1479). Da die letzte Zustellung der Berufungsbegründung
nachweislich am 28.10.2008 an die Deutsche Rentenversicherung Bund erfolgte,
jedoch – wie ausgeführt - innerhalb der damit in Lauf gesetzten Monatsfrist des § 629 a
Abs. 3 S. 1 ZPO nicht auf eine Änderung von Gegenständen des Verbundurteils – hier
des Scheidungsausspruchs – angetragen wurde, ist letzterer mit Ablauf der Monatsfrist
des § 629 a Abs. 3 S. 1 ZPO, d.h. mit Ablauf des 28.11.2008, rechtskräftig geworden.
Ist aber die Ehe der Parteien im Zeitpunkt des Todes des Antragsgegners bereits
rechtskräftig geschieden, ist § 619 ZPO nicht einschlägig, sodass eine Erledigung des
Verfahrens insoweit nicht auszusprechen, vielmehr (lediglich) die Rechtskraft des
Urteils hinsichtlich des Scheidungsausspruchs zu bestätigen ist, was zwischenzeitlich
am 05.06.2009 auch erfolgt ist.
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Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil der Sache grundsätzliche
Bedeutung zukommt (§ 574 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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