Urteil des OLG Hamm vom 06.02.1980

OLG Hamm (wiedereinsetzung in den vorigen stand, örtliche zuständigkeit, beschwerde, elterliche gewalt, zpo, zwangsgeld, festsetzung, zuständigkeit, wohnsitz, sache)

Oberlandesgericht Hamm, 5 WF 78/79
Datum:
06.02.1980
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
5. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 WF 78/79
Vorinstanz:
Amtsgericht Münster, 40 F 157/78
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das
zuständige Amtsgericht Recklinghausen verwiesen, das auch über die
Kosten der Beschwerdeinstanz zu befinden hat.
Gerichtskosten der Beschwerdeinstanz werden jedoch nicht erhoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 400,- DM festgesetzt.
Gründe
1
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind seit dem 06.08.1975 rechtskräftig geschiedene
Eheleute. Die elterliche Gewalt über das gemeinsame Kind ... ist mit Beschluß des
Amtsgerichts Münster vom 05.01.1976 (27 X 801/75) der Beteiligten zu 1) übertragen
worden. Mit Beschluß vom 03.05.1976 hatte das Amtsgericht Münster das Besuchsrecht
des Beteiligten zu 2) (jeden 2. Samstag v. 13.00-19.00) geregelt, dem Beteiligten zu 2)
jedoch aufgegeben, keinen weiteren Kontakt mit Mutter und Sohn aufzunehmen, und für
jede Zuwiderhandlung ihm ein Ordnungsgeld angedroht. Auf die Beschwerde der Mutter
ist dieser Beschluß vom Amtsgericht Münster in der Besuchsregelung am 08.06.1976
teilweise abgeändert worden. Gegen den Beteiligten zu 2) hat es ein Ordnungsgeld
wegen eines Verstoßes vom 18.05.1976 festgesetzt und gleichzeitig der Beteiligten zu
1) ein Ordnungsgeld angedroht. Sodann hat das Landgericht Münster (5 T 548/76) mit
Beschluß vom 15.11.1977 die Beschwerde der Mutter gegen die Besuchsregelung des
Amtsgerichts vom 08.06.1976 zurückgewiesen, auf die Beschwerde des Beteiligten zu
2) das Besuchsrecht auf jeden 1. Sonntag im Monat von 10-19 Uhr abgeändert und die
Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen die Zwangsgeldfestsetzung zurückgewiesen.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das OLG Hamm am 24. November
1978 (15 W 423/77) als unzulässig verworfen.
2
In der Zwischenzeit hatte die Beteiligte zu 1) - erstmals am 06.11.1976 - (Bl. 231 in 27 X
801/75 AG Münster) weitere Anträge auf Festsetzung von Zwangsgeld gegen den
Beteiligten zu 2) gestellt, während dieser seinerseits am 03.10. 1978 (Bl. 7) ein
Zwangsgeld gegen die Beteiligte zu 1) beantragte. Schon bei Eingang des ersten
3
Antrags wohnte ... bei seiner Mutter in .... Weitere Anträge auf Zwangsgeld und
Begründungen dazu befinden sich u.a. in den Akten 27 X 801/75 AG Münster auf Bl.
267, 280, 288, 359, 395 u. 420 und in den vorliegenden Akten auf Bl. 1. Ein Antrag der
Beteiligten zu 1) auf Ausschluß des Besuchsrechts ist vom Amtsgericht Recklinghausen
mit Beschluß vom 11.09.1978 (41 P 74/78) als unzulässig zurückgewiesen worden.
In dem vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht Münster in dem angefochtenen
Beschluß gegen die Beteiligte zu 1) ein Zwangsgeld von 200,- DM verhängt, weil sie die
Besuchsregelung am 03.12.1978 verhindert habe, und hat den Antrag auf
Zwangsgeldfestsetzung gegen den Beteiligten zu 2) zurückgewiesen, weil es nach dem
Sachvortrag nicht "klar" sei, für welche Verstöße ein Zwangsgeld festgesetzt werden
solle, und weil etwaige Verstöße des Beteiligten zu 2) nicht schwerwiegend seien.
4
Dieser Beschluß ist der Beteiligten zu 1) am 04.01.1979 zugestellt worden. Ihre
Beschwerde ist am 18.01.1979 beim Amtsgericht Münster eingegangen, beim OLG
Hamm allerdings erst am 08.02.1979. Mit Beschluß des Senats vom 16.01.1980 ist der
Beteiligten zu 1) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Beschwerdefrist gewährt worden.
5
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig.
6
Die das Zwangsgeldverfahren nach § 33 FGG abschließende Festsetzung des
Zwangsgeldes oder seine Ablehnung stellt allerdings eine Endentscheidung im Sinne
des § 621 e Abs. 1 ZPO dar und ist nur mit der dort vorgesehenen befristeten
Beschwerde, einzureichen beim OLG, innerhalb eines Monats seit Zustellung
anfechtbar (§§ 621 e Abs. 3, 516 ZPO).
7
Sie muß - ebenfalls beim OLG - innerhalb der Monatsfrist des § 519 Abs. 2 ZPO
begründet werden. Die Einordnung dieser Zwangsgeldentscheidungen in die Regelung
des § 621 e ZPO gebietet der Umstand, daß die Festsetzung des Zwangsgeldes oder
die Ablehnung der Festsetzung das gesonderte Zwangsvollzugsverfahren des § 33
FGG abschließt (vgl. KG FamRZ 1978, S. 440 i.d.A. OLG München FamRZ 1977, S.
824). Daß im vorliegenden Verfahren Beschwerde und Beschwerdebegründung erst
nach Ablauf der Monatsfrist beim OLG eingingen, gereicht der Beteiligten zu 1) indessen
nicht zum Nachteil, weil sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Deshalb ist ihr auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.
8
Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das zuständige Amtsgericht -
Familiengericht - Recklinghausen. Denn das Amtsgericht Münster war für die getroffene
Entscheidung örtlich nicht zuständig, nachdem der Minderjährige ... schon im Zeitpunkt
des ersten Antrags auf Zwangsgeldfestsetzung im Amtsgerichtsbezirk Recklinghausen
seinen Wohnsitz hatte. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit ist im Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit jederzeit von Amts wegen zu prüfen. Ihre Entscheidung
hängt allerdings davon ab, ob die Prüfung und Entscheidung über die Festsetzung von
Zwangsgeld zur Durchführung einer Verkehrsregelung (§ 1634 BGB) eine selbständige
Verrichtung im Sinne von § 43 FGG darstellt oder ob sie ein unselbständiger Bestandteil
des gerichtlichen - hier vom Amtsgericht Münster durchgeführten -
Besuchsregelungsverfahrens ist.
9
In der Rechtsprechung und Literatur werden dazu kontroverse Standpunkte vertreten.
10
Der Senat folgt insoweit der Meinung des hiesigen 15. Senats (Beschluß vom 05.03.75,
JR 1976, 69, mit abl. Anm. v. Bassenge), des OLG Frankfurt (OLGZ 74, 76) und des
Kammergerichts (FamRZ 1978, 440) und nicht der des OLG Köln (FamRZ 1972, 518;
zustimmend i.u. Keidel-Kuntze-Winkler EGG, 11. Aufl. § 43 Anm. 2 a Fußnote 3,
Bumiller-Winkler, FGG, 2. Aufl., § 33 Anm. 10 a).
11
Auch das Zwangsgeldverfahren zur Durchsetzung einer Besuchsregelung ist eine
Familiensache im Sinne von § 621 Abs. 1 Z. 2 ZPO. Wenn - wie hier - keine Ehesache
anhängig ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften,
gemäß § 621 a Abs. 1 ZPO also nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit und dort nach § 36 (maßgebend ist der Wohnsitz des
Mündels, den dieser gemäß § 11 BGB mit seinem gesetzlichen Vertreter teilt). Der
Minderjährige wohnte jedoch schon nicht mehr im Amtsgerichtsbezirk Münster, als das
Zwangsgeldverfahren anhängig wurde. Eine örtliche Zuständigkeit des AG Münster
könnte also nur dann begründet sein, wenn man das Zwangsgeldverfahren als bloße
unselbständige Fortsetzung der Gerichtlichen Besuchsregelung ansehen würde (so das
OLG Köln, a.a.O.). Dem kann indessen nicht zugestimmt werden. Das
Zwangsgeldverfahren betrifft vielmehr eine selbständige Verrichtung des
Familiengerichts im Sinne des § 43 Abs. 1 FGG (daß die Fassung dieser Vorschrift nur
das Vormundschaftsgericht erwähnt, dürfte im Hinblick auf § 621 a Abs. 1 ZPO, der auf
die Vorschriften des FGG verweist, soweit sie nicht ausdrücklich durch Bestimmungen
der ZPO ersetzt werden, nur ein redaktionelles Versehen sein). Denn gerade die
vorliegende Sache macht deutlich, daß es im Regelfall besonderer gerichtlicher
Ermittlungen über die behaupteten Verstöße gegen die Besuchsregelung bedarf und
diese Ermittlungen sachgerecht - unter Einschaltung des zuständigen Jugendamtes -
am besten am Wohnsitz des Minderjährigen, wo das Besuchsrecht ausgeübt wird,
getroffen werden. Dem Gesichtspunkt der Ortsnähe des zuständigen Gerichts kommt
deshalb eine entscheidende Bedeutung zu.
12
Stellt das Zwangsgeldverfahren aber eine selbständige Verrichtung dar, dann muß dafür
auch die örtliche Zuständigkeit selbständig geprüft werden, unabhängig davon, welches
Gericht die Besuchsregelung angeordnet hat. Zuständig ist in diesem Fall das
Amtsgericht Recklinghausen, weil ... in diesem Bezirk seinen Wohnsitz hat.
13
Der angefochtene Beschluß war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten
Prüfung, auch der Bedenken aus dem Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom
17.07.79 (Bl. 114 ff), an das Amtsgericht Recklinghausen zu verweisen, das schließlich
auch über die Kosten der Beschwerdeinstanz zu befinden haben wird. Gerichtskosten
des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 8 GKG allerdings nicht zu erheben.
14