Urteil des OLG Hamm vom 14.03.2017

OLG Hamm (wiedereinsetzung in den vorigen stand, gewinn, schweizerisches bundesgericht, spiel, stand, geld, schuldspruch, wiedereinsetzung, rechtsmittelbelehrung, gerät)

Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws OWi 90/69
Datum:
28.07.1969
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ws OWi 90/69
Vorinstanz:
Amtsgericht Herford, 3 GS (B) 577/68
Tenor:
1.) Dem Betroffenen wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des
Zulassungsantrags und zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gewährt.
2.) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
3.) Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, daß der
Schuldspruch wegen der tateinheitlich begangenen Zuwiderhandlung
gegen § 7 Abs. 1 JschÖG entfällt und die Geldbuße auf 20,- DM
herabgesetzt wird.
Die in dem Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten und
notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse
auferlegt.
Gründe:
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Der Oberkreisdirektor in xxx hat gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom
26.6.1968 wegen Zuwiderhandlung gegen §§ 2 Abs. 1, 7 Abs. 1 JSchÖG eine
Geldbuße von 50,— DM festgesetzt. Dagegen hat der Betroffene gerichtliche
Entscheidung beantragt. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht den
Bußgeldbescheid aufrechterhalten.
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Nach den Feststellungen des Amtsgerichts haben sich die Minderjährigen xxx geb. am
20.4.1953 und xxx qeb. am 9.5.1951 am 16.5.1968 gegen 20.00 Uhr ohne Begleitung
eines Erziehungsberechtigten in der Gastwirtschaft des Betroffenen aufgehalten. Beide
spielten an einem sogenannten "Flipper"-Spielautomaten. Diese "Flipper"-
Spielautomaten sind Spielgeräte mit mechanischer Vorrichtung die zwar keinen Geld-
oder Warengewinn erbringen können, wohl aber ein Freispiel, das sofort im Anschluß
an das erste Spiel durchgeführt werden muß. Bei diesem Gerät werden nach Einwurf
einer Geldmünze 5 Kugeln freigegeben, die einzeln mittels einer Zugfeder in das
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Spielfeld geschleudert werden, das ein gewisses Gefälle aufweist, so daß die Kugeln
wieder nach unten gelangen und schließlich durch ein Loch verschwinden. Beim
Rücklauf auf dem Spielfeld können die Kugeln elektrische Kontakte berühren, die mit
verschiedenen hohen Zahlen (Punkten) bezeichnet sind. Der Spieler kann den Rücklauf
der Kugeln durch Betätigung von zwei Rückschleudern beeinflussen. Bei Erreichen
einer bestimmten Anzahl von Punkten werden die 5 Kugeln kostenlos für ein neues
Spiel freigegeben.
Den Tatbestand des § 2 Abs. 1 JSchÖG sieht das Amtsgericht darin verwirklicht, daß
der Betroffene fahrlässig den noch nicht 16 Jahre alten xxx ohne Begleitung
Erziehungsberechtigter in seiner Gastwirtschaft geduldet bat.
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Das Amtsgericht ist ferner der Ansicht, der "Flipper"-Spielautomat sei ein öffentlich
aufgestelltes mechanisches Spielgerät mit Gewinnmöglichkeit im Sinne des § 7 Abs. 1
Nr. 2, 2. Alternative JSchÖG das Jugendliche nicht benutzen dürfen. Den möglichen
Gewinn bei diesem Gerät sieht das Amtsgericht darin, daß der Spieler ein Freispiel
erlangen kann. Das habe der Betroffene zumindest fahrlässig verkannt.
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Dieser Beschluß ist dem Betroffenen am 31.12.1968 mit einer für das frühere
Ordnungswidrigkeitengesetz zutreffenden Rechtsmittelbelehrung, wonach die
Rechtsbeschwerde binnen 2 Wochen einzulegen war, zugestellt worden. Auf die am
14.1.1969 eingegangene Rechtsbeschwerde hat der Senat den Betroffenen dahin
belehrt, daß nach § 79 Abs. 3 OWiG in der seit dem 1.10.1968 geltenden Fassung die
Rechtsbeschwerde binnen 1 Woche nach Zustellung des Beschlusses des
Amtsgerichts einzulegen ist. Dieser Hinweis ist dem Betroffenen am 15.4.1969
zugegangen. Darauf hat er am 22.4.1969 durch einen Rechtsanwalt um
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen
nachgesucht und zugleich mit näherer Begründung Rechtsbeschwerde eingelegt und
deren Zulassung beantragt. Nach seiner Auffassung sei die Erlangung eines Freispiels
kein Gewinn.
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Dem Betroffenen mußte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung
der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde und zur Stellung des Zulassungsantrags
gewährt werden, da die Versäumung dieser Fristen auf einer unrichtigen
Rechtsmittelbelehrung beruhte.
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Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen. Die Entscheidung, ob ein Freispiel bei den
sogenannten "Flipper"-Spielautomaten einen Gewinn im Sinne des § 7 Abs. 1 Ziff. 2, 2."
Alternative JSchÖG darstellt, dient der Fortbildung des Rechts (§ 80 Abs. 1 OWiG).
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Die Rechtsbeschwerde ist auch, soweit dem Betroffenen eine tateinheitliche
Zuwiderhandlung nach § 7 Abs. 1 Ziff. 2,2. Alternative JSchÖG zur Last gelegt wird,
begründet. Ein Freispiel bei "Flipper"-Spielautomaten, das wie im vorliegenden Fall, nur
in unmittelbarem Anschluß an das erste Spiel durchgeführt werden kann, ist kein
Gewinn im Sinne dieser Bestimmung. Ein Gewinn ist nach dem natürlichen Wortsinn
etwas, das dem Vermögen des Spielers zufließt, und mit dem er nach seinem Belieben
verfahren kann. In erster Linie trifft das für Geldgewinne bei den Geldautomaten zu.
Auch andere Vermögenswerte, z.B. in Form von Waren, Reisen und dergleichen sowie
Freilose bei Lotterien, die eine neue Gewinnchance eröffnen, sind Gewinne (Vgl. für
Geld- und Warengewinne: Potrykus, Jugendschutzgesetz, § 7, Anm. 9) Landmann-
Rohmer, Gewerbeordnung § 33 d, Rz. 3 und. §§ 1 und 2 der VO über Spielgeräte und
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andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit vom 6.2.1962 - BGBl. I, S. 153). Unter Umständen
kann auch ein Freispiel bei Spielautomaten, die kein Geld oder sonstige Werte
ausfolgen, ein Gewinn sein. Das setzt aber voraus, daß für dieses Freispiel eine
Wertmarke oder ähnliches ausgegeben wird, über die der Spieler dann verfügen kann,
sei es, daß er sie veräußert oder verschenkt oder selbst zu einem späteren Zeitpunkt
verwendet. Diese Marke ist dann der Vermögenswert. Wenn der Spieler aber, wie hier,
bei Erreichen einer bestimmten Punktzahl lediglich sofort ohne Unterbrechung
weiterspielen kann, ohne noch einmal zu bezahlen, ist das kein Gewinn. Dadurch fließt
nichts seinem Vermögen zu (Vgl. auch Schweizerisches Bundesgericht, Entscheidung
vom 16.12.1964 - P 124/64 -betreffend "Flipper" - Spielautomaten, Nachweis in
"Münzautomatenrecht" 1965, S. 95). Das ist auch die Ansicht des Bundesministers für
Wirtschaft, der sich am 14.8.1968 - II B 1- 12 03 02/2 - dem Zentralverband der
Organisationen des Automatenaufstellergewerbes gegenüber wie folgt geäußert hat:
"Die Frage der Beurteilung von Spielgeräten, bei denen Freispiele gewährt werden, ist
in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand von Erörterungen mit den Vertretern der
Wirtschaftsministerien der Länder (Gewerberechtsreferenten) gewesen ........... Nach
eingehender Beratung des gesamten Fragenkomplexes haben die
Gewerberechtsreferenten der Länder in der Frage der Gewinneigenschaft von
Freispielen mit Mehrheit den Standpunkt vertreten, daß bei einem
Unterhaltungsspielgerät ein Freispiel nur dann kein Gewinn im Sinne des § 33 d
Gewerbeordnung ist, wenn es nur in unmittelbarem Anschluß an das Spiel und ohne
neuen Einsatz möglich ist.
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Diese Auffassung wird auch von mir geteilt."
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Der Schuldspruch wegen Zuwiderhandlung gegen § 7 Abs. 1 Ziff. 2, 2. Alternative
JSchÖG konnte daher keinen Bestand haben. Das hat zur Folge, daß auch der
Ausspruch über die Geldbuße aufzuheben war.
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Der tateinheitliche Schuldspruch wegen Zuwiderhandlung gegen § 2 Abs. 1 JSchÖG ist
rechtlich in Ordnung; er wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen.
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Der Senat konnte gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst abschließend
entscheiden und auch die Geldbuße für die Zuwiderhandlung gegen § 2 JSchÖG
festsetzen, ohne daß es insoweit einer Zurückverweisung an das Amtsgericht bedurfte.
Bei den auch vom Amtsgericht angenommenen sicherlich normalenwirtschaftlichen
Verhältnissen des Betroffenen als Gastwirt erschien eine Geldbuße in Höhe von 20,—
DM ausreichend und angemessen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 3 StPO.
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Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die Rechtsbeschwerde ersichtlich nur auf den
Wegfall des tateinheitlichen Schuldspruchs wegen Zuwiderhandlung gegen § 7 Abs. 1
JSchÖG und eine entsprechende Ermäßigung der Geldbuße gerichtet war und insoweit
vollen Erfolg hatte.
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