Urteil des OLG Hamm vom 29.04.2004

OLG Hamm: vorname, im bewusstsein, geschlecht, eltern, anerkennung, bevölkerung, universität, gewohnheitsrecht, gefährdung, herkunft

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 102/03
Datum:
29.04.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 102/03
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 7 T 394/02
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die sofortige Beschwerde
des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Amtsgerichts Essen vom
13.06.2002 wird zurückgewiesen.
Der Geschäftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Standesamtsaufsicht sofortige Beschwerde erhoben. Mit dieser hat sie u.a. unter Die zu
1) beteiligten Eheleute wollen ihrem am 25.04.2002 geborenen Sohn den alleinigen
Vornamen "K." geben. Der Standesbeamte hat unter Hinweis auf den Inhalt
verschiedener Namensbücher die Eintragung abgelehnt, weil es sich nicht um einen
eindeutig männlichen, sondern um einen geschlechtsneutralen Namen handele, der
auch Mädchen gegeben werde. Da die Beteiligten zu 1) ihrem Sohn keinen weiteren
Vornamen geben wollen, haben sie beim Amtsgericht beantragt, das Standesamt
anzuweisen, für ihren Sohn den Namen "K." zu beurkunden. Diesem Antrag hat das
Amtsgericht mit Beschluß vom 13.06.2002 stattgegeben. Hiergegen hat die Hinweis auf
eine Stellungnahme der Namensberatungsstelle der Universität L weiter die Auffassung
vertreten, daß der Name K. auch als weiblicher Vorname Verwendung finde. Das
Landgericht hat den amtsgerichtlichen Beschluß aufgehoben und den Antrag der
Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere
Beschwerde der Beteiligten zu 1).
1
II.
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Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 49 Abs. 1 S. 1 PStG, 29 FGG statthaft
und in der rechten Form eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis Beteiligten zu 1)
folgt aus dem Umstand, dass das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung zu
ihrem Nachteil abgeändert hat.
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In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die angefochtene Entscheidung auf
einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG iVm § 546 ZPO.
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Das Landgericht hat ausgeführt: Nach den vorgelegten Namensbüchern werde K. als
männlicher Vorname verwandt und sei insoweit wohl keltischen Ursprungs. Er sei
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jedoch auch als weiblicher Vorname gebräuchlich und zwar wohl aus dem
skandinavischen kommend als Kurzform für K1. Die seitens des Beteiligten zu 2)
vorgelegte -wenn auch unvollständige- Auflistung der Universität L lasse erkennen, daß
der Vorname K. durchaus auch für Mädchen gebräuchlich sei. Trotz des überwiegenden
Gebrauchs als Vorname für Knaben sei der Name zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr
geschlechtseindeutig, so dass er entsprechend dem gewohnheitsrechtlichen Gebot der
Geschlechtseindeutigkeit des Namens als alleiniger Vorname eines Knaben nicht
eintragungsfähig sei.
Dies hält der rechtlichen Prüfung letztlich nicht stand.
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Das Recht, einem Kinde Vornamen zu geben, steht den Sorgeberechtigten zu (Art.6
Abs.2 S.1 GG, § 1626 BGB; vgl. hierzu Diederichsen, NJW 1981, 705). Allgemein
verbindliche Vorschriften über die Wahl und die Führung von Vornamen gibt es zur Zeit
nicht. Die freie Wahl der Vornamen ist zuvörderst Aufgabe der Eltern, die sie allerdings
im Sinne des Kindeswohls auszuüben haben (BVerfG 1BvR 994/98 vom 28.01.2004;
StAZ 2004, 109 = FamRZ 2004, 522). Nur wenn letzteres bedroht erscheint, sind die
staatlichen Stellen in Ausübung ihrer Aufgaben nach Art.6 Abs.2 S.2 GG befugt und
verpflichtet, der elterlichen Entscheidung die Anerkennung zu verweigern. Die durch
das Kindeswohl gezogenen Grenzen werden unter anderem dann nicht eingehalten,
wenn bei der Namensgebung der natürlichen Ordnung der Geschlechter nicht
Rechnung getragen wird, wenn also Jungen oder Mädchen Vornamen beigelegt
werden, die im allgemeinen Bewusstsein als Vornamen des jeweils anderen
Geschlechts lebendig sind (vgl. BGHZ 73, 239, 241 = NJW 1979, 2469 = FamRZ 1979,
466 = StAZ 1979, 238). Das wird allgemein als selbstverständlich empfunden und bildet
auch den Ausgangspunkt für die Regelung des Personenstandsgesetzes, dem die
Auffassung zugrunde liegt, dass die einem Kind gegebenen Vornamen geeignet sein
sollen, ohne weiteres dessen Geschlecht erkennen zu lassen. Ist der Vorname nicht
eindeutig männlich oder weiblich, steht dies der Eintragung dann nicht entgegen, wenn
dem Kind ein weiterer, den Zweifel über das Geschlecht ausräumender Vorname
beigelegt wird (vgl. Senat, StAZ 1998, 322; 1996, 208; NJW-RR 1994, 580). Bei
Beachtung dieser Grundsätze können selbst Phantasienamen zulässig sein (vgl.
BayObLG, StAZ 1984, 127, 128). Soweit die Auffassung vertreten wird, es gelte nicht
das Prinzip der Geschlechtsoffenkundigkeit von Vornamen (vgl. etwa AG Duisburg,
StAZ 1997, 74, 75; AG Tübingen, StAZ 1981, 242ff.), wird insbesondere der o.a.
Grundsatz nicht hinreichend gewürdigt, dass nicht nur das Recht der Eltern auf
Namensbestimmung, sondern auch das wohlverstandene Interesse des Kindes zu
berücksichtigen ist, welches gerade in einer das Geschlecht eindeutig
kennzeichnenden Namensgebung bestehen kann.
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Das Landgericht hat die vorgenannten Grundsätze herangezogen, seine Entscheidung
trägt ihnen jedoch nicht hinreichend Rechnung. Nach den Feststellungen des
Landgerichts wird der Name K. jedenfalls ganz überwiegend als Vorname für Knaben
benutzt. Aus den bereits in den Vorinstanzen erörterten Entscheidungen der
Oberlandesgerichte Düsseldorf (StAZ 1979, 169) und Celle (StAZ 1988, 106) ergibt sich
zudem, dass -bezogen auf die Entscheidungszeitpunkte der dortigen
Tatsacheninstanzen- der Name praktisch nur als männlicher Vorname existent war.
Demgegenüber stammt der weibliche Gebrauch des Vornamens K. bzw. K2 nach den
landgerichtlichen Feststellungen aus dem skandinavischen Bereich und hat in
Deutschland etwa ab den 70er Jahren eine gewisse Verbreitung erfahren. Dabei lässt
sich den landgerichtlichen Feststellungen jedoch weder entnehmen, ob der Name
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jeweils als alleiniger Vorname eines Mädchens eingetragen wurde, noch mit welcher
tatsächlichen Häufigkeit und in welcher Schreibweise die Eintragungen erfolgten. Ob
der Name "K." in dieser Schreibweise und als Einzelname für Mädchen überhaupt in
das Bewusstsein der Bevölkerung gelangt ist, steht somit nicht fest, kann jedoch letztlich
auf sich beruhen.
Schon aufgrund der vergleichsweise seltenen Benutzung als Mädchenname sowie der
Herkunft der weiblichen Namensführung aus einem fremden Sprachkreis (vgl. hierzu
Senat StAZ 2004, 75) ist die mit dem Namen "K." einhergehende Problematik, worauf
die sofortige weitere Beschwerde zu Recht hinweist, vergleichbar mit der, die sich bei
dem Namen "A." stellt. Auch dieser in Deutschland als Mädchenname gebräuchliche
Name darf weiterhin als Mädchenname ohne Hinzufügen eines weiteren weiblichen
Namens verwandt werden, obwohl der Name im Italienischen als Jungenname
gebräuchlich ist und aus diesem Grund auch in Deutschland zugelassen wurde (vgl.
hierzu OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 774). Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung
auch hinsichtlich der sog. Geschlechtsoffenkundigkeit ist nämlich, entgegen der Ansicht
des Landgerichts, nicht ein vermeintliches Gewohnheitsrecht, sondern allein der Aspekt
des Kindeswohls, da allein unter diesem Aspekt (Art.6 Abs.2 S.2 GG) der Staat befugt
ist, dem auf Art.6 Abs.2 S.1 GG beruhenden Namensbestimmungsrecht der Eltern die
Anerkennung zu verweigern. Eine Gefährdung des Kindeswohls kann jedoch nur
angenommen werden, wenn der gewählte Name, etwa weil er im Bewusstsein der
Bevölkerung dem anderen Geschlecht zugeordnet wird, nicht geeignet ist, die
Selbstidentifikation des Kindes zu fördern, sondern im Gegenteil Anlass zu
Belästigungen und Behinderungen sein kann. Hiervon kann jedoch nicht schon deshalb
ausgegangen werden, weil ein bestimmter Name, der im allgemeinen Bewußtsein mit
hinreichender Klarheit einem Geschlecht zugeordnet wird, im Hinblick auf eine
abweichende Verwendung in einem fremden Sprachkreis oder aus anderen Gründen
zur Eintragung auch für das andere Geschlecht zugelassen wird. Derartige
Eintragungen nehmen dem Namen im allgemeinen Bewusstsein noch nicht die
eindeutige Geschlechtszuordnung.
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Eine Kostenerstattungsanordnung nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG war nicht veranlasst.
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO.
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