Urteil des OLG Hamm vom 20.11.2006

OLG Hamm: sanierung, verwaltung, treu und glauben, balkon, firma, miteigentümer, berechtigung, zukunft, anfechtung, stimmenmehrheit

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 166/06
Datum:
20.11.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 166/06
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 7 T 10/06
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 23.8.2005 wird wie folgt
abgeändert:
Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 28. April 2005 zu TOP
6 wird für ungültig erklärt.
Auf den Antrag der Beteiligten zu 1) wird folgende Regelung für das
Gemeinschaftsverhältnis getroffen:
Haben Wohnungseigentümer aufgrund des Beschlusses der
Eigentümerversammlung vom 26.8.1997 zu TOP 1) und 2) in der Zeit bis
zum 11.2.2004 an dem zu ihrer Wohnung gehörenden Balkon
notwendige Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen
vornehmen lassen, die Gemeinschaftseigentum betreffen, und für diese
die Kosten übernommen, steht Ihnen ein Anspruch auf Erstattung der
Kosten gegen die Eigentümergemeinschaft zu, soweit diese Kosten
nach § 16 Abs. 2 WEG i.V.m. Teil II § 8 Abs. 1 der Teilungserklärung
vom 12.9.1989 von allen Wohnungseigentümer gemeinschaftlich zu
tragen sind. Die Feststellung der konkreten Höhe eines
Erstattungsanspruchs einschließlich der Prüfung etwaiger
Einwendungen bleibt der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten.
Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung
an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Gerichtskosten
und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens dritter Instanz zu
entscheiden hat.
Der Gegenstandswert für das Verfahren dritter Instanz wird auf 4.730,66
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Beteiligten zu 1) bis 8) sind die Miteigentümer der oben bezeichneten
Wohnungseigentumsanlage, deren derzeitiger Verwalter der Beteiligte zu 2), Herr C, ist.
3
Nach Teil I § 3 Abs. 2 der Teilungserklärung vom 12.9.1989 (UR-Nr. ###/1989 des
Notars Dr. X in H) gehören zum Sondereigentum auch
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"bei Balkonen die Innenseite der Brüstung, der Fußboden und Oberflächenanstrich
an der Unterseite der Balkonplatte des höher liegenden Geschosses, [...]"
5
Nach Teil II § 8 Abs. 1 der Teilungserklärung ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet,
6
"nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Beiträge zur Deckung der laufenden
Bewirtschaftungskosten zu leisten. Diese Kosten ("Hausgeld" genannt) bestehen
aus:
7
[...]
8
c) den Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung, soweit sie gemäß § 4 den
Wohnungseigentümern gemeinschaftlich obliegen, einschließlich des Betrages für
die Bildung einer angemessenen Instandhaltungsrücklage, [...], zahlbar nach dem
Verhältnis der Raumfläche."
9
Zu den meisten Wohnungen der Wohnungseigentumsanlage gehört ein Balkon. An
verschiedenen dieser Balkone traten im Laufe der Zeit Feuchtigkeitsschäden auf, die
Sanierungsmaßnahmen erforderlich machten. 1994 wurde der Balkon der Wohnung der
Beteiligten zu 2) auf Kosten der Gemeinschaft saniert.
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Die Frage der Kostentragung für Sanierungsmaßnahmen am Balkon der Beteiligte zu 1)
war unter Tagesordnungspunkt 1) und 2) Gegenstand der Eigentümerversammlung am
26.8.1997. Hierzu heißt es im Protokoll:
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"Die Versammlungsleiterin unterbreitete den Eigentümern verschiedene
Möglichkeiten, und zwar:
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1) Die Eigentümergemeinschaft trägt, wie nach dem Wohnungseigentumsgesetz
und der Teilungserklärung vorgesehen, die Kosten für die Sanierung des
Balkonaufbaus.
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2) Die Eigentümergemeinschaft weigert sich, diese Kosten zu übernehmen. Dann
würden sicherlich die Eheleute I2 [die Beteiligten zu 1)] diese Forderung bei
Gericht durchsetzen wollen.
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3) Die Eigentümergemeinschaft kann per Beschluss die Kostenregelung ähnlich
wie bei den Fenstern beschließen, das heißt, jeder Eigentümer zahlt die Kosten für
seine Balkonsanierung bis zur Betonplatte selbst.
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Die Eigentümerversammlung fasste sodann mit Stimmenmehrheit zu Punkt 1) und 2) der
Tagesordnung den Beschluss, dass jeder Eigentümer die Kosten für die
16
Balkonsanierung bis zur Betonplatte selbst zu tragen habe.
Die Beteiligten zu 1) ließen in der Folgezeit den zu ihrer Wohnung gehörenden Balkon
sanieren und zahlten hierfür an die ausführende Firma I aufgrund der Rechnungen vom
19.11.1997 insgesamt 4.734,02 € (9.258,94 DM).
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In der Eigentümerversammlung am 11.2.2004 wurde zu Tagesordnungspunkt 3) mit
Stimmenmehrheit der Beschluss gefasst, den Beschluss vom 26.8.1997 zu TOP 1) und
2) zurückzunehmen. Die Beteiligten zu 1) kündigten in diesem Zusammenhang an, die
ihnen seinerzeit für die Sanierung entstandenen Kosten von der Gemeinschaft
zurückzufordern. Unter Tagesordnungspunkt 4) beschlossen die Wohnungseigentümer
ferner, Angebote für eine Sanierung des Balkons der Wohnung der Beteiligten zu 8)
einzuholen.
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Da eine Einigung über die Rückzahlung der Sanierungskosten nicht erzielt werden
konnte, stellten die Beteiligten zu 1) in der Eigentümerversammlung vom 28.4.2005
unter Tagesordnungspunkt 6) den folgenden Antrag zu Abstimmung:
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"Beschluss, dass, wenn ein Wohnungseigentümer zwischen dem 26.8.1997 und
dem 11.2.2004 Aufwendungen zur Sanierung seines Balkons gemacht hat, er in
Fortführung des Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung vom
11.2.2004 (TOP 3) einen Ersatzanspruch gegen die
Wohnungseigentümergemeinschaft [hat];"
20
Dieser Antrag wurde mit Stimmenmehrheit abgelehnt.
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Die Beteiligten zu 1) haben zunächst mit Anwaltsschriftsatz vom 24.5.2005 den Antrag
gestellt, den Beschluss vom 28.4.2005 zu TOP 6 für ungültig zu erklären. Mit der
Beschwerdeschrift haben sie zusätzlich beantragt, die Beteiligte zu 9) zur Zahlung von
4.730,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 29.4.2005
zu verpflichten.
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Sie haben geltend gemacht, infolge des Beschlusses würden diejenigen Eigentümer,
die aufgrund des Beschlusses vom 26.8.1997 in der Zeit bis zum 11.2.2004 die
Sanierung ihres Balkons vorgenommen hätten, gegenüber denjenigen Eigentümer, die
zugewartet und die Sanierung erst nach dem 11.2.2004 eingeleitet hätten,
ungerechtfertigt schlechter gestellt. Diese hätten nicht nur die Kosten für die Sanierung
des eigenen Balkons zu tragen, sondern würden auch an den Kosten der Sanierung der
Balkone der anderen Wohnungseigentümer beteiligt. Der Beschluss vom 26.8.1997
biete hierfür keine Grundlage, da er durch den Beschluss vom 11.2.2004 rückwirkend
aufgehoben worden sei. Auch wenn der Beschluss vom 26.8.1997 nichtig gewesen sein
sollte, so hätten die Beteiligten zu 1) subjektiv erst infolge der Aufhebung durch den
Beschluss vom 11.2.2004 Kenntnis davon erlangt, dass sie einen
Rückforderungsanspruch gegen die Gemeinschaft hätten, so dass dieser Anspruch
noch nicht verjährt sei.
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Die Sanierungsarbeiten seien erforderlich geworden, weil bereits die Balkongrundplatte
kein Gefälle gehabt habe und sich infolgedessen Wasser in den Drainagematten
angesammelt habe. Erst durch die von der Firma I durchgeführten
Sanierungsmaßnahmen sei das notwendige 2 % Gefälle geschaffen worden. Der
Erstattungsanspruch werde allein hinsichtlich dieser Maßnahmen geltend gemacht. Die
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Erneuerung des Oberbodens sei durch eine weitere Firma kostenlos vorgenommen
worden.
Die Beteiligten zu 2) bis 9) sind dem Antrag entgegengetreten und haben geltend
gemacht: Der Beschluss vom 26.8.1997 sei bestandskräftig gewesen. Dieser sei durch
den Beschluss vom 11.2.2004 lediglich für die Zukunft abgeändert worden.
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Im Übrigen seien die Beteiligten zu 1) aber auch deswegen zur Kostentragung
verpflichtet, da Ursache der an ihrem Balkon aufgetretenen Schäden ein falsches
Gefälle des Estrichs gewesen sei. Die Betongrundplatte des Balkons habe hingegen
das notwendige 2 % Gefälle zum Abfluss hin aufgewiesen. Diese Estrichschicht sei nur
am Balkon der Beteiligten zu 1) vorhanden und auf Sonderwünsche zurückzuführen,
welche die Beteiligten zu 1) während der Errichtung der Wohnungseigentumsanlage
geäußert hätten. Für die Überwachung und Ausführung der Sonderwünsche seien nach
dem Kaufvertrag allein die Beteiligten zu 1) verantwortlich gewesen. Diese hätten nach
dem Kaufvertrag die nicht in Übereinstimmung mit der Teilungserklärung und der
Baubeschreibung durchgeführten Maßnahmen auf ihre Kosten zu unterhalten und
instand zu setzen. Die geltend gemachte Forderung werde der Höhe nach bestritten, die
abgerechneten Positionen seien nicht sämtlich zur Schadensbeseitigung erforderlich
gewesen. Schließlich werde die Einrede der Verjährung erhoben.
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Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 23. August 2005 den
Beschlussanfechtungsantrag zurückgewiesen. Auf die rechtzeitig eingelegte sofortige
Beschwerde hat das Landgericht mit den Beteiligten am 18.4.2006 mündlich verhandelt
und die Beschwerde einschließlich des ergänzend gestellten Zahlungsantrags durch
Beschluss vom 19.4.2006 zurückgewiesen. Hiergegen haben die Beteiligten zu 1) mit
Anwaltsschriftsatz vom 9.5.2006 sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie die
gestellten Anträge weiterverfolgen. Die übrigen Beteiligten sind dem Rechtsmittel
entgegengetreten.
27
II.
28
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 43 Abs. 1 Nr. 1 und 4, 45 Abs. 1 WEG, 27,
29 FGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der
Beteiligten zu 1) ergibt sich bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg
geblieben ist.
29
Das Rechtsmittel ist auch begründet, da die Entscheidung des Landgerichts der
rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten standhält.
30
Zutreffend ist das Landgericht von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu
1) ausgegangen. Soweit das Landgericht den erstmals in der Beschwerdeinstanz
gestellten Zahlungsantrag in entsprechender Anwendung des § 533 ZPO für zulässig
erachtet hat, ist diese Entscheidung für den Senat bindend (vgl. Zöller/Gummer/Heßler,
ZPO, 25. Aufl., § 533 Rn. 31).
31
1. Beschluss vom 28.4.2005
32
Soweit die Beteiligten zu 1) sich gegen den Beschluss der Eigentümerversammlung
vom 28.4.2005 wenden, hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dieser Antrag sei
mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da er lediglich auf die Anfechtung eines
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Negativbeschlusses gerichtet sei.
Zutreffend geht das Landgericht damit davon aus, dass es sich auch bei einem sog.
Negativbeschluss um einen nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG anfechtbaren
Eigentümerbeschluss handelt. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH (BGHZ
148, 335 = NJW 2001, 3339; dem folgend Senat, NZM 2004, 504 = NJW-RR 2004, 805)
kann auch dem negativen Abstimmungsergebnis Beschlussqualität nicht abgesprochen
werden. Nicht anders als ein positiver Beschluss kommt auch ein negatives
Abstimmungsergebnis in Verwirklichung der Beschlusskompetenz der
Wohnungseigentümerversammlung zu Stande und ist daher das Resultat einer
verbindlichen Willensbildung der Gemeinschaft aus mehreren Einzelwillen. Es wird der
Gemeinschaftswille festgelegt, dass die beantragte Änderung oder Ergänzung des
Gemeinschaftsverhältnisses nicht eintreten soll. Damit kommen auch einem
Negativbeschluss die vollen Wirkungen eines Eigentümerbeschlusses zu: Er erwächst
in Bestandskraft, wenn er nicht innerhalb der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG
angefochten und rechtskräftig für ungültig erklärt wird.
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Mit seiner Würdigung, der Antrag erschöpfe sich allein in der Anfechtung des
ablehnenden Beschlusses, wird das Landgericht jedoch dem Rechtsschutzbegehren
der Beteiligten zu 1) nicht in vollem Umfang gerecht. Dieses ist bei verständiger
Würdigung nicht allein auf die Beseitigung des ablehnenden Beschlusses gerichtet. Die
Beteiligten zu 1) verfolgen mit der Anfechtung der ihren Antrag ablehnenden
Abstimmung über den TOP 6 der Eigentümerversammlung vom 28.4.2005 erkennbar
das Ziel, dass die von ihnen erstrebte Regelung positiv durch eine die
Mehrheitsentscheidung ersetzende gerichtliche Entscheidung herbeigeführt wird. Ein
solcher Antrag ist zulässig (vgl. Senat FGPrax 1995, 98 = NJW-RR 1995, 465;
BayObLG NJW-RR 1994, 145 = WuM 1993, 753; KG OLGZ 1993, 308 = NJW-RR 1993,
468).
35
Im Wohnungseigentumsverfahren als einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit
sind an die Bestimmtheit der Anträge weniger strenge Anforderungen zu stellen als im
Zivilprozess; sie sind auch in weiterem Maße auslegungsfähig (BayObLG WuM 1993,
85; WE 1997, 438; NZM 2000, 515, Senat, NJW-RR 2004, 805 = NZM 2004, 504).
Deshalb kann dem erkennbaren Willen der Antragsteller auch dann Rechnung getragen
werden, wenn er zwar nicht im Wortlaut des Antrags, wohl aber in seiner Begründung
hinreichenden Ausdruck gefunden hat. Insbesondere ist anerkannt, dass ein Antrag,
einen Beschluss für ungültig zu erklären, mit dem die Wohnungseigentümer die
Durchführung einer bestimmten Maßnahme abgelehnt haben, dahin ausgelegt werden
kann, dass damit auch die Verpflichtung zur Durchführung der abgelehnten Maßnahme
begehrt wird (vgl. OLG Schleswig, FGPrax 1999, 51; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9.
Aufl., § 21 Rn. 92; Rieke/Schmid/
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Abramenko, WEG, § 43 Rn. 17). Dabei setzt die Geltendmachung eines Anspruchs aus
§ 21 Abs. 4 WEG keinen bestimmten Sachantrag i.S. von § 253 Abs. 1 ZPO und die
genaue Bezeichnung der nach Auffassung des Antragstellers allein ordnungsgemäßer
Verwaltung entsprechenden Maßnahme voraus, es genügt, wenn der Antragsteller sein
Rechtsschutzziel deutlich macht (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 21 Rn. 92;
Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 21 WEG, Rn. 10).
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Die Beteiligten zu 1) haben in ihrer Antragsschrift hinreichend deutlich zum Ausdruck
gebracht, dass sie das Beschlussergebnis zu Tagesordnungspunkt 6 der
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Eigentümerversammlung vom 28.4.2005 mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer
Verwaltung nicht für vereinbar halten und dass sie eine konkrete Regelung über den
Ausgleich solcher Kosten für die Sanierung der Balkone anstreben, die mit Rücksicht
auf den Beschluss vom 26.8.1997 von den einzelnen Wohnungseigentümern
aufgebracht worden sind, richtigerweise jedoch von der Eigentümergemeinschaft
insgesamt hätten getragen werden müssen. Zugleich haben die Beteiligten zu 1)
nunmehr auch einen konkreten Erstattungsanspruch beziffert. Daraus ergibt sich
deutlich der Wille, nicht allein den ablehnenden Beschluss zu beseitigen, sondern auch
eine Grundlage für diesen Erstattungsanspruch zu schaffen.
In dieser Verbindung sind sowohl Anfechtungs- als auch Leistungsantrag nach § 43
Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 1 WEG zulässig. Antragsgegner sind insoweit die Beteiligten zu 2)
bis 8). Die gestellten Anträge betreffen die Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft
und nicht den Rechtsverkehr des Verbandes und sind daher eine Angelegenheit der
Wohnungseigentümer als Einzelpersonen (BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061).
39
Das Gericht kann eine von der Gemeinschaft abgelehnte Mehrheitsentscheidung
ersetzen, wenn diese nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung zwingend
getroffen werden muss. Denn kommt ein Mehrheitsbeschluss über die von einem
Wohnungseigentümer beantragte ordnungsgemäße Verwaltung nicht zustande, muss
letztlich das Gericht angerufen werden können, das notfalls anstelle der
Eigentümerversammlung eine ersetzende Entscheidung für und gegen alle Mitglieder
der Gemeinschaft treffen kann. Hierbei handelt es sich nicht nur um reine
Rechtsanwendung, sondern auch um eine fürsorgliche gestalterische Tätigkeit des
Gerichts, § 43 Abs. 2 WEG, § 44 Abs. 4 WEG (vgl. KG DWE 1991, 117; Senat,
Beschluss vom 02.07.2002 – 15 W 177/01). Ein solcher Anspruch auf gerichtliche
Ersetzung kommt allerdings nur als letztes Mittel in Betracht, wenn die regulären Mittel
versagen. Der Antragsteller muss, um zulässigerweise einen solchen Gestaltungsantrag
stellen zu dürfen, zuvor erfolglos die Wohnungseigentümerversammlung als primär
zuständiges Beschlussorgans mit der Angelegenheit befasst haben (vgl. BGH NJW
2003, 3476; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 21 WEG, Rn. 10). Diese Voraussetzung ist hier
gegeben.
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Das Rechtsschutzbedürfnis für den Anfechtungsantrag ergibt sich ohne weiteres daraus,
dass eine Bestandskraft des Beschlusses vom 28.4.2005 dem Leistungsantrag
entgegen stünde (vgl. BGHZ 148, 335 = NJW 2001, 3339).
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Das Landgericht hat sich aufgrund des von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkts,
der Antrag sei unzulässig, nicht mit der Begründetheit der gestellten Anträge
auseinandergesetzt. Dies nötigt jedoch, soweit es den Anfechtungs- und
Ersetzungsantrag betrifft, nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung, da der Senat
die für eine Sachentscheidung notwendigen Feststellungen aufgrund des Akteninhalts
selbst treffen kann.
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Anfechtungs- und Ersetzungsantrag sind begründet. Den Beteiligten zu 1) steht aus § 21
Abs. 4 WEG ein Anspruch auf eine Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses zu, durch
die solche Kosten für die Sanierung von Balkonen, die Gemeinschaftseigentum
betreffen und daher nach § 16 Abs. 2 WEG i.V.m. Teil II § 8 Abs. 1 Buchst. c) der
Teilungserklärung von allen Eigentümer gemeinschaftlich zu tragen sind, die aber mit
Rücksicht auf den Beschluss vom 26.8.1997 von einzelnen Wohnungseigentümern
allein übernommen worden sind, dem Grunde nach von der Eigentümergemeinschaft
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erstattet werden. Der dies ablehnende Beschluss vom 28.4.2005 zu TOP 6 entspricht
nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Nach § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen,
die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem
Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.
Nach diesem Maßstab musste die Beschlussfassung der Eigentümerversammlung zur
Frage der Erstattung der von den Beteiligten zu 1) bereits aufgebrachten
Sanierungskosten zwingend auf die Besonderheit Rücksicht nehmen, dass durch die
vorausgegangene mehrheitliche Beschlussfassung vom 11.02.2004 eine grundsätzliche
Umkehr zur Frage der Instandhaltungslast der Balkone vorgenommen worden war:
Während diese durch den früheren Beschluss vom 26.08.1997 den einzelnen
Sondereigentümern zugeordnet worden war, hat die Gemeinschaft die
Instandhaltungslast für diesen Bereich sozusagen wieder in eigene Regie zurück
übernommen. Gegen diesen Paradigmenwechsel ist im Grundsatz nichts einzuwenden,
zumal der ursprüngliche Beschluss vom 26.08.1997 aus den nachstehenden Gründen
ohnehin rechtlich bedenklich erscheint und der Beschluss vom 11.02.2004 nicht
angefochten worden ist. In einer solchen Situation darf sich ein Eigentümerbeschluss
jedoch nicht darauf beschränken, die geänderte Regelung der Instandhaltungslast für
die Zukunft in Kraft zu setzen. Dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht
ein solcher Eigentümerbeschluss vielmehr nur dann, wenn er auch
Übergangsregelungen umfasst, deren Notwendigkeit sich daraus ergibt, dass in der
Vergangenheit die bekannte abweichende frühere Regelung praktiziert worden ist.
Insoweit unterscheidet sich die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung nicht
grundlegend von der Rechtssetzungsbefugnis des Gesetzgebers. Die
Regelungsbefugnis der Eigentümerversammlung im Rahmen des Maßstabes der
ordnungsgemäßen Verwaltung wird in diesem Zusammenhang durch tragende
Grundsätze des Gemeinschaftsverhältnisses begrenzt. Dazu gehört der Grundsatz der
notwendigen Gleichbehandlung der einzelnen Wohnungseigentümer sowie die
Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber früher getroffenen gemeinschaftlichen
Regelungen.
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Diesen Maßstäben wird die grundsätzliche Ablehnung einer Erstattung der von den
Beteiligten zu 1) in der Vergangenheit bereits getragenen Balkonsanierungskosten
keinesfalls gerecht: Die Ablehnung einer Kostenerstattung benachteiligt jene
Wohnungseigentümer unbillig, die im Vertrauen auf die zu TOP 1) und 2) des
Beschlusses vom 26.8.1997 getroffene Regelung die Kosten für die Sanierung ihres
Balkons auch insoweit selbst getragen haben, als hiervon Gemeinschaftseigentum
betroffen ist. Der Beschluss vom 26.8.1997 regelt nicht allein die Übernahme der Kosten
durch den jeweiligen Wohnungseigentümer für die Sanierung seines Balkons, sondern
stellt ihn zugleich von den Kosten der Sanierung der Balkone der übrigen
Wohnungseigentümer frei: Jeder soll nur die Kosten für seinen eigenen Balkon
aufbringen müssen. In der Konsequenz des Aufhebungsbeschlusses vom 11.2.2004
liegt es, dass die Kosten einer Sanierung, soweit Gemeinschaftseigentum betroffen ist,
wieder von allen Wohnungseigentümern solidarisch getragen werden müssen. Die von
der Eigentümergemeinschaft beschlossene Ablehnung einer Erstattungsregelung hat
daher wirtschaftlich eine doppelte Belastung derjenigen Eigentümer zur Folge, die
aufgrund des Beschlusses vom 26.8.1997 die Kosten für die Sanierung ihres Balkons
vollständig selbst getragen haben, nunmehr aber über ihre Beiträge zu den
Gemeinschaftskosten zusätzlich die Sanierung der Balkone anderer
Wohnungseigentümer mittragen müssen. Eine solche Ungleichbehandlung der
45
Miteigentümer ist nicht hinnehmbar und führt, wenn man die Gesamtheit der für die
Tragung der Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten innerhalb der Gemeinschaft
geltenden Regelungen ins Auge fasst, zu einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke.
Diesen Maßstäben ist auch dann uneingeschränkt Rechnung zu tragen, wenn der
frühere Eigentümerbeschluss vom 26.08.1997 nicht lediglich als anfechtbar, sondern
sogar als nichtig bewertet werden muss, weil er die Beschlusskompetenz der
Eigentümerversammlung überschreitet. Die Beschlusskompetenz der
Eigentümerversammlung beschränkt sich auf solche Angelegenheiten, über die nach
dem WEG oder nach einer Vereinbarung die Wohnungseigentümer durch Beschluss
entscheiden können. Ist eine Angelegenheit weder durch das WEG noch durch
Vereinbarung dem Mehrheitsprinzip unterworfen, kann eine Regelung durch
Mehrheitsbeschluss nicht erfolgen: Der Mehrheit fehlt von vornherein jede
Beschlusskompetenz, die Wohnungseigentümerversammlung ist für eine
Beschlussfassung absolut unzuständig (vgl. BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500).
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Für eine solche Nichtigkeit sprechen vorliegend folgende Erwägungen: Durch den
Beschluss zu TOP 1) und 2) sollten die einzelnen Miteigentümer verpflichtet werden, die
Kosten für die Sanierung des zu ihrer jeweiligen Wohnung gehörenden Balkons auch
für solche baulichen Bestandteile zu tragen, die nach §§ 1 Abs. 5, 5 Abs. 2 WEG i.V.m.
§ 3 Abs. 2 der Teilungserklärung nicht in ihrem Sondereigentum stehen. Nach § 3 Abs.
2 der Teilungserklärung ist bei Balkonen lediglich "der Fußboden" Sondereigentum. Mit
Rücksicht auf die in § 5 Abs. 2 WEG getroffene Regelung kann hiermit nur die oberste
begehbare Schicht des Balkonaufbaus gemeint sein. In bezug auf Balkone und
Dachterrassen ist allgemein anerkannt, dass nur diese Sondereigentum sein kann,
während die darunter liegenden Schichten zur Feuchtigkeitsisolierung und
Wärmedämmung zwingend dem gemeinschaftlichen Eigentum zugeordnet sind
(Senatsbeschlüsse vom 3. Juli 1995 - 15 W 93/95; vom 26. September 1995 - 15 W
176/95; ZMR 1997, 193 = NJWE-MietR 1997, 114; BayObLG NJW-RR 1989, 1293;
NJW-RR 1991, 976; OLG Köln OLGZ 1976, 142; OLG Frankfurt OLGZ 1987, 23). Nicht
sondereigentumsfähig ist ferner der Estrich (Senat, ZMR 1997, 193; BayObLG NJW-RR
1994, 598). Von einem solchen Verständnis des § 3 Abs. 2 der Teilungserklärung sind
offensichtlich auch die Beteiligten ausgegangen, da es ansonsten der in TOP 1) und 2)
des Beschlusses vom 26.8.1997 getroffenen Regelung nicht bedurft hätte. Mit der
getroffenen Regelung der Kostentragung weicht der Beschluss vom 26.8.1997 sowohl
von der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 WEG als auch von Teil II § 8 Abs. 1
Buchst. c) der Teilungserklärung ab. Eine Kostentragung des einzelnen
Sondereigentümers für die Instandhaltung von Gemeinschaftseigentum sieht die
Teilungserklärung nur für die Behebung von Glasschäden an Fenstern und Türen vor
(Teil II § 4 Abs. 5 der Teilungserklärung).
47
Nach dem Gesetz kann eine Änderung der Teilungserklärung nicht durch
Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer
erfolgen (BGH, a.a.O.). Eine Öffnungsklausel, die eine solche abweichende Regelung
im Wege des Mehrheitsbeschlusses gestatten würde, enthält die Teilungserklärung
lediglich für die sog. reinen Betriebskosten i.S. von Teil II § 8 Abs. 2 Buchst. a) bis i) der
Teilungserklärung, nicht jedoch für die Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung
nach Teil II § 8 Abs. 1 Buchst. c).
48
Indessen ist auch nach der genannten Entscheidung des BGH im Einzelfall zu prüfen,
ob und inwieweit im Vertrauen auf die vom BGH früher vertretene Rechtsauffassung,
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dass bestandskräftige vereinbarungsersetzende Mehrheitsbeschlüsse wirksam sind
(vgl. BGH NJW 1994, 3220), rechtlich schützenswerte Positionen entstanden sind,
deren Beseitigung zu unzumutbaren Härten führen würde, so dass die Folgen der
Entscheidung im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben
ausnahmsweise nur für die Zukunft gelten können. Diese Passage der Entscheidung
des BGH bezieht sich auf eine Einschränkung der Rückwirkung des Wechsels der
höchstrichterlichen Rechtsprechung auf abgeschlossene Sachverhalte in der
Vergangenheit. Hier geht es demgegenüber um ein Weniger, nämlich lediglich darum,
dass die Beteiligten zu 1) unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes
wirtschaftlich gerade so behandelt werden wollen, als wäre die zuletzt beschlossene
Regelung zur Instandhaltungslast bereits in der Vergangenheit praktiziert worden, die
Kosten der Balkonsanierung also aus gemeinschaftlichen Mitteln getragen und sodann
durch die gemeinschaftliche Mittelaufbringung (Jahresabrechnung) gedeckt worden
wären. Auf eine solche Regelung haben die Beteiligten zu 1) jedoch einen Anspruch,
weil nur auf diese Weise einer Ungleichbehandlung entgegengetreten werden kann, die
sich ohne eine Kostenerstattung ergäbe, wenn sie künftig im Wege der
gemeinschaftlichen Mittelaufbringung entsprechend dem Kostenverteilungsschlüssel zu
den Kosten weiterer Balkonsanierungen herangezogen werden.
Logisch nicht tragfähig ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des Landgerichts,
die Beteiligten zu 1) müssten sich so behandeln lassen, als wäre über die Kosten der
Balkonsanierung eine einzelne Verwaltungsmaßnahme (etwa Beschlussfassung der
Gemeinschaft über eine Jahresabrechnung) getroffen worden, die auch nach der
erwähnten Rechtsprechung des BGH allenfalls anfechtbar gewesen wäre. Dabei wird
übersehen, dass der Eigentümerbeschluss vom 26.08.1997 gerade darauf gerichtet ist,
die Instandhaltungslast für die Balkone auf die Sondereigentümer zu übertragen, diese
also aus der gemeinschaftlichen Verwaltung auszugliedern mit der Folge, dass
Beschlüsse der Eigentümerversammlung darüber überhaupt nicht mehr zu treffen
waren. Der Regelungsbedarf im Zusammenhang mit der Beschlussfassung vom
11.02.2004 bezieht sich gerade darauf, dass eine Übergangsregelung betreffend die
bereits in der Vergangenheit von den Beteiligten zu 1) aufgrund der bisherigen
Regelung getragenen Sanierungskosten fehlt, die ihre Ungleichbehandlung im Hinblick
auf die künftige Behandlung ausschließt.
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Die Gemeinschaft konnte sich auch nicht darauf beschränken, die Beteiligten zu 1) auf
die Geltendmachung etwa ihnen aufgrund gesetzlicher Vorschriften zustehender
Erstattungsansprüche zu verweisen. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass die
Beteiligten zu 2) bis 8) gegenüber solchen Ansprüchen, die bei Annahme der Nichtigkeit
der Beschlussfassung vom 26.08.1997 insbesondere auf bereicherungsrechtlicher
Grundlage (§ 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB) in Betracht kämen, die Verjährungseinrede
erhoben haben. Die unmittelbar auf dem Gemeinschaftsverhältnis (§ 21 Abs. 4 WEG)
beruhende Verpflichtung der Wohnungseigentümer, nach der beschlossenen
Kehrtwende zur Instandhaltungslast betreffend die Balkone selbst eine gerechte, den
Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung der
Wohnungseigentümer Rechnung tragende Übergangsregelung zu beschließen,
überlagert nämlich die gesetzlichen Vorschriften des Bereicherungsrechts. Für den
Anspruch der Beteiligten zu 1) auf Gewährung von Vertrauensschutz kann keine
entscheidende Rolle spielen, dass die am 26.08.1997 beschlossene und anschließend
praktizierte Eigentümerregelung sich erst aufgrund einer zeitlich später vorgenommenen
Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als rechtlich nicht tragfähig erweist.
Mit dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ist es in dieser Situation nicht zu
51
vereinbaren, wenn sich die Mehrheit der Miteigentümer in einer Art
Wagenburgmentalität dem Grunde nach erkennbar berechtigten Erstattungsverlangen
der Beteiligten zu 1) in der Hoffnung verschließt, einer späteren gerichtlichen
Inanspruchnahme mit Einreden entgegentreten zu können, die – wie die
Verjährungseinrede – gerade aus dem weiteren Zeitablauf abgeleitet werden können.
Einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht im vorliegenden Fall allein eine
Regelung, nach der diejenigen Eigentümern, die im Hinblick auf den Beschluss vom
26.8.1997 in der Zeit bis zum 11.2.2004 die Kosten für eine notwendige
Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an dem zu ihrer Wohnung
gehörenden Balkon selbst getragen haben, so gestellt werden, als ob die
Eigentümergemeinschaft von Anfang an die das Gemeinschaftseigentum betreffenden
Arbeiten in eigener Regie vorgenommen und finanziert hätte. Zwar könnte eine
wirtschaftliche Doppelbelastung der betroffenen Eigentümer auch dadurch vermieden
werden, dass diese nicht an den Kosten künftiger Balkonsanierungen beteiligt werden.
Hierfür wäre jedoch eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels erforderlich, die,
wie bereits oben dargelegt, nicht im Beschlusswege, sondern nur im Wege einer
Vereinbarung aller Wohnungseigentümer erreichbar wäre.
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Allerdings hätte sich die Eigentümerversammlung im Rahmen ordnungsgemäßer
Verwaltung auf eine Regelung beschränken können, durch die den Beteiligten zu 1) ein
Erstattungsanspruch dem Grunde nach zuerkannt wird. Demgegenüber kann es nicht
Aufgabe der Eigentümerversammlung sein, Details näher festzustellen, welche die
konkrete Höhe des Erstattungsanspruchs betreffen, oder sonstigen denkbaren
Einwendungen gegen den Anspruch nachzugehen. Eine solche Prüfung kann und
muss vielmehr einer gerichtlichen Entscheidung vorbehalten werden. Dementsprechend
hat der Senat die ersetzende Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses (§ 43 Abs. 2
WEG) inhaltlich beschränkt.
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2. Zahlungsanspruch
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Das Landgericht hat einen Zahlungsanspruch mit der Begründung verneint, einer
Erstattung stehe entgegen, dass die Beteiligten zu 1) sich so behandeln lassen
müssten, als ob der Beschluss vom 26.8.1997 wirksam sei. Wie oben ausgeführt, hält
diese Begründung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dem Senat ist eine
abschließende Entscheidung über die Berechtigung des Zahlungsanspruchs wegen der
Notwendigkeit weiterer Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich, so dass
die Sache insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückzuverweisen
war.
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Dem Grund nach ergibt sich der Zahlungsanspruch bereits aus der vom Senat nach §
21 Abs. 4 WEG getroffenen ersetzenden Regelung. Anspruchsgegner ist die insoweit
teilrechtsfähige Eigentümergemeinschaft, die Beteiligte zu 9). Die Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer ist rechtsfähig, soweit sie bei der Verwaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt, dies gilt insbesondere auch
hinsichtlich der Verfolgung von gemeinschaftlichen Beitragsansprüchen (§ 16 Abs. 2
WEG) gegen einzelne Wohnungseigentümer (vgl. BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061).
So verhält es sich folglich auch im Hinblick auf den hier geltend gemachten
Erstattungsanspruch, der sich lediglich als Kehrseite des Anspruchs auf Leistung
derjenigen Beiträge darstellt, die von den Wohnungseigentümern hätten erhoben
werden müssen, um die Balkonsanierung als gemeinschaftliche
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Instandhaltungsmaßnahme durchzuführen.
Es sind jedoch noch weitere Feststellungen zur Höhe des Anspruchs und zu möglichen
Einwendungen der Eigentümergemeinschaft notwendig.
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Zur Höhe der Forderung hat die Beteiligte zu 9) bestritten, dass sämtliche in den beiden
Rechnungen der Firma I vom 19.11.1997 aufgeführten Positionen zur
Schadensbeseitigung erforderlich waren. Die Beteiligten zu 1) haben sich zum
Nachweis der Berechtigung der abgerechneten Positionen auf das Zeugnis des Herrn I
berufen sowie auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten.
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Soweit die Beteiligte zu 9) sich darauf beruft, die für die Notwendigkeit der
Sanierungsmaßnahmen ursächlichen Mängel seien auf Änderungen der ursprünglich
geplanten Bauausführung aufgrund von Sonderwünschen der Beteiligten zu 1)
zurückzuführen, weist der Senat für das weitere Verfahren auf folgendes hin:
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Dass die bauliche Gestaltung des Balkons auf Änderungswünsche der Beteiligten zu 1)
zurückzuführen ist, ändert nichts an der Zuordnung der einzelnen Bauteile zum
Gemeinschafts- oder zum Sondereigentum. Dieser Einwand kann jedoch unter dem
Gesichtspunkt eines Beseitigungs- oder Schadensersatzanspruches der
Wohnungseigentümergemeinschaft Bedeutung erlagen. Ein solcher gegen die
Beteiligten zu 1) gerichteter Anspruch scheidet jedoch bereits dem Grunde nach aus,
wenn die auf die Sonderwünsche der Beteiligten zu 1) zurückzuführende mangelhafte
Bauausführung zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, in dem die
Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht, auch nicht als "werdende
Wohnungseigentümergemeinschaft" zur Entstehung gelangt war. Der Senat hat hierzu
in seiner Entscheidung vom 21.7.1997 (FGPrax 1997, 216 = NJW-RR 1998, 371)
ausgeführt:
60
"In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass bei abweichender Errichtung eines
Gebäudes von den ursprünglichen Plänen ein aus § 22 WEG abzuleitender, auf §
1004 Abs. 1 S. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG gestützter Beseitigungsanspruch gegen
den Wohnungseigentumserwerber nicht besteht, auch wenn er die geänderte
Bauausführung beim Kauf des Wohnungseigentums durch entsprechende Abreden
mit dem Bauträger veranlasst hat, wenn zur Zeit der baulichen Ausgestaltung eine
werdende Eigentümergemeinschaft im vorgenannten Sinne noch nicht besteht (vgl.
BayObLGZ 1987, 79, 83; BayObLG NJW-RR 1986, 954; 1988, 487 und 1994, 276).
Die von dem betreffenden Erwerber veranlasste Veränderung der vom Plan
abweichenden Errichtung des Gebäudes ist ihm nämlich nicht als Beeinträchtigung
des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums der übrigen
Wohnungseigentümer zuzurechnen. Als die werdende Eigentümergemeinschaft
entstand, haben die Beteiligten bzw. ihre Rechtsvorgänger das Sondereigentum
und das gemeinschaftliche Eigentum in dem Zustand [...] übernommen, den es
bereits vorher hatte. Die Rechtslage ist hier nicht anders, als wenn ein Eigentümer
die ihm gehörende Sache zunächst baulich in irgendeiner Weise ausgestaltet und
dann das Eigentum überträgt, mag der vorhandene Zustand dann auch den
möglicherweise berechtigten Erwartungen des neuen Eigentümers nicht
entsprechen.
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In diesen Fällen richtet sich nach einhelliger Rechtsprechung ein etwaiger
Anspruch auf Beseitigung unter dem Gesichtspunkt der Herstellung eines
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ordnungsmäßigen, den Plänen entsprechenden Zustandes nicht gegen einen
einzelnen Wohnungseigentümer, sondern nur gegen die Wohnungseigentümer in
ihrer Gesamtheit. Insbesondere sind auch die anfallenden Kosten der Beseitigung
von allen Wohnungseigentümern zu tragen (vgl. BayObLG NJW-RR 1986, 954,
955 und NJW-RR 1994, 276).
Für eine von einem Wohnungseigentümer veranlasste Bauausführung in
Abweichung von den ursprünglichen Plänen und dadurch verursachte Baumängel
kann nichts anderes gelten. Die Beteiligten zu 2) haben das gemeinschaftliche
Eigentum - ebenso wie alle übrigen Wohnungseigentümer - übernommen, ohne
daran etwas zu verändern. Soweit die Bauträgerin und Verkäuferin vor Abschluss
des Erwerbervertrages bei Errichtung des Gebäudes von den ursprünglichen
Bauplänen abweichende Änderungen auf Wunsch der Beteiligten zu 2)
zugelassen und möglicherweise die Verfliesung in Auftrag gegeben oder den
Beteiligten zu 2) zur Vergabe auf ihre Kosten überlassen hat, verpflichtet dies die
Beteiligten zu 2) nicht gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft."
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Eine "werdende Wohnungseigentümergemeinschaft" entsteht in dem Zeitpunkt, in dem
zwar noch der Bauträger als Eigentümer aller Wohnungseigentumsrechte im Grundbuch
eingetragen ist, sich die künftigen Wohnungseigentümer aber, ohne rechtlich schon
solche zu sein, wie Wohnungseigentümer verhalten; dazu wird verlangt, dass ein
gültiger Erwerbsvertrag vorliegt und die Wohnungseigentumsanwärter die
Eigentumswohnung nicht nur in Besitz genommen haben, sondern für sie auch eine
Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist (vgl. BayObLGZ 1987, 78, 83
und 1990, 101, 102; BayObLG NJW-RR 1994, 276, 277; Senat, a.a.O.). Wann diese
Voraussetzungen vorliegend erfüllt waren und ob die von der ursprünglichen
Bauplanung abweichende Errichtung des Balkons der Beteiligten zu 1) vor oder nach
diesem Zeitpunkt erfolgt ist, kann freilich anhand des bisherigen Akteninhalts nicht
festgestellt werden.
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Soweit die Beteiligte zu 9) sich zur Begründung einer Pflicht der Beteiligten zu 1), die
durch eine veränderte Bauausführung des Balkons entstehenden Kosten zu tragen, auf
den zwischen den Beteiligten zu 1) und dem Bauträger geschlossenen Erwerbsvertrag
beruft, fehlt es bisher ebenfalls an Feststellungen zu den getroffenen Regelungen.
Diese können grundsätzlich nur im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander
Rechte und Pflichten begründen. Die Beteiligte zu 9) könnte sich auf solche
Bestimmungen des Kaufvertrages nur dann berufen, wenn sich ein Wille der
Vertragsparteien feststellen lassen würde, eine solche Berechtigung der übrigen
Wohnungseigentümer oder der Wohnungseigentümergemeinschaft i.S. eines Vertrages
zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) zu begründen.
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Sollten die weiteren Ermittlungen zu dem Ergebnis führen, dass ein Ersatzanspruch der
Beteiligten zu 1) besteht, ist dieser nicht um die von ihnen nach der Teilungserklärung
zu tragende eigene Kostenquote zu kürzen. Denn die Beteiligten zu 1) nehmen gezielt
die Eigentümergemeinschaft als teilrechtsfähigen Verband auf Erstattung aus den
gemeinschaftlichen Mitteln in Anspruch. Daraus folgt, dass ein zugesprochener Betrag
aus den gemeinschaftlichen Mitteln an die Beteiligten zu 1) auszuzahlen,
dementsprechend in der betreffenden Jahresabrechnung als Ausgabe zu
berücksichtigen und diese den Wohnungseigentümern, also auch den Beteiligten zu 1),
in ihren Einzelabrechnungen anteilig entsprechend dem Kostenverteilungsschlüssel
zuzuweisen ist.
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3. Mit der Aufhebung und Zurückverweisung war der Kammer zugleich auch die
Entscheidung über die Auferlegung der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen
Kosten für das Verfahren dritter Instanz insgesamt zu übertragen.
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfahren dritter Instanz beruht auf § 48
Abs. 3 WEG.
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