Urteil des OLG Hamm vom 21.10.1998

OLG Hamm (culpa in contrahendo, fund, 1995, haftung, stille reserven, eidesstattliche erklärung, firma, umwandlung, aktiengesellschaft, prospekthaftung)

Oberlandesgericht Hamm, 25 U 95/97
Datum:
21.10.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 U 95/97
Vorinstanz:
Landgericht Paderborn, 4 O 281/96
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 02. April 1997 ver-kündete
Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten abwenden
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,00 DM, falls nicht der
Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet, die er auch
durch eine unbe-dingte, unbefristete und selbstschuldnerische
Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder
öffent-lich-rechtlichen Sparkasse erbringen kann.
Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM.
Tatbestand:
1
Die Klägerin entstand im Frühjahr 1995 durch Umwandlung der 1991 gegründeten U-
GmbH in eine Aktiengesellschaft.
2
Der Beklagte ist Steuerberater und vereidigter Buchprüfer und war in dieser Eigenschaft
für die Klägerin seit ihrer Gründung als GmbH tätig. Er erstellte die Jahresabschlüsse für
die U-GmbH für die Jahre 1991 bis 1994. Durch Beschluß des Amtsgerichts Paderborn
vom 15.03.1995 wurde der Beklagte zum Gründungsprüfer der später durch
Umwandlung entstandenen Klägerin bestellt. Er führte die Prüfung in der Zeit vom 10.
bis 26.04.1995 durch und schloß diese mit dem Gründungsprüfungsbericht vom
03.05.1995 ab. Der Gründungsprüfungsbericht endete mit einem Bestätigungsvermerk,
in dem der Beklagte unter anderem bestätigte, daß die Angaben der Gründer im
beigefügten Gründungsbericht richtig und vollständig seien, was sich insbesondere auf
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die Angaben über die Übernahme der Aktien, die Einlagen auf das Grundkapital und
über die Festsetzungen nach § 26 und 27 Aktiengesetz erstrecke. Zudem bestätigte er,
daß der Wert der Sachübernahmen den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen
erreiche.
Dem Gründungsprüfungsbericht waren als Anlagen unter anderem die Bilanz zum
31.12.1994 nebst Gewinn- und Verlustrechnung der U-GmbH beigefügt, deren Zahlen
der Beklagte auf den Seiten 19 und 20 des Gründungsprüfungsberichtes
zugrundegelegt hat.
4
Alleinaktionär wurde nach Umwandlung der U-GmbH in eine Aktiengesellschaft
zunächst der ehemalige Geschäftsführer und Alleingesellschafter der U-GmbH und
spätere Vorstand der Klägerin H. Dieser erstellte den Geschäftsbericht 1994 der U-
GmbH, der eine Abschrift der Bilanz vom 31.12.1994 enthielt. Der Geschäftsbericht war
dem Verkaufsangebot der Klägerin für ihre Aktien beigefügt, in dem es unter anderem
heißt:
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"Um das zukünftige Wachstum zu sichern, hat sich Alleinvorstand und
Großaktionär H bereit erklärt, Aktien aus dem Familienbesitz freibleibend zum
Verkauf anzubieten.
6
Insgesamt werden bis zu 70.000 Inhaberstammaktien zu jeweils nominal 5,00 DM
mit voller Gewinnanteilberechtigung für das Geschäftsjahr 1995 einer breiten
Öffentlichkeit zum Verkauf angeboten (dies entspricht 30 % der insgesamt 240.000
Aktien bzw. des Grundkapitals in Höhe von 1,2 Mio.). ... Der Abgabepreis der TG-
Aktien liegt bei 31,00 DM und ist befristet bis zum 31.08.1995."
7
Außerdem enthielt das Verkaufsangebot auf Seite 4 verschiedene Risikohinweise.
8
Die Aktien wurden im I Telefonhandel bei der Firma L2 notiert mit der Folge der
Veröffentlichung der Kurse im Handelsblatt.
9
Im Bundesanzeiger vom 30.08.1995 veröffentlichte die L GmbH (im folgenden L GmbH
genannt) ein Aktienumtauschangebot für Aktionäre der B-Aktiengesellschaft für Anlagen
und Beteiligungen mit folgendem Wortlaut:
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"Hiermit unterbreiten wir den Aktionären der obengenannten Gesellschaft im
Kundenauftrag folgendes Angebot:
11
Gegen Einreichung von je Stück-1-Aktie im Nennwert von je 50,00 DM der B nebst
laufendem Dividendenschein bietet die L GmbH-4-Aktien (Nennwert 5,00 DM) der
U-AG."
12
Die Klägerin hat behauptet, ihr ehemaliger Vorstand H habe die U-GmbH 1991 mit dem
Ziel gegründet, später nach einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wertlose
Aktien zu einem hohen Preis an gutgläubige Investoren zu veräußern. Daher habe er
über Jahre hinweg Gewinne der U-GmbH vorgespiegelt, um sie als ertragreich
darstellen zu können, wobei er sich der Mithilfe des Beklagten bedient habe. So habe
der Beklagte seit 1991 in den Jahresabschlüssen der U-GmbH fiktive Gewinne
ausgewiesen, obwohl bei Beachtung der allgemein anerkannten Grundsätze der
Buchführung und Bilanzierung für die Jahre 1991 bis 1994 stets Verluste hätten
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ausgewiesen werden müssen. Ein Verlust sei aber nur für das Jahr 1991 ausgewiesen
worden, während für die Jahre 1992 bis 1994 Jahresüberschüsse von ca. 100.000,00
DM, ca. 221.000,00 DM und ca. 632.000,00 DM ausgewiesen worden seien. Diese
Bilanzfälschungen hätten sich auf sämtliche
Konzerngesellschaften/Tochtergesellschaften der GmbH bezogen, wie der
Jahresabschluß für 1994 der Q GmbH, einer 50 %igen Tochtergesellschaft der GmbH
belege. Deren Bilanz weise einen Jahresüberschuß von 1.186.205,38 DM aus, obwohl
dem Finanzamt Paderborn ein Jahresfehlbetrag von 1.122.072,86 DM gemeldet worden
sei.
Dem Beklagten habe auffallen müssen, daß die von ihm erstellten Jahresabschlüsse
der Jahre 1991 bis 1994 nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und
Bilanzierung entsprochen hätten.
14
Zudem sei der Bestätigungsvermerk unter dem Gründungsprüfungsbericht des
Beklagten vom 03.05.1995 falsch. Es sei unzutreffend, daß die Angaben der Gründer in
diesem Bericht richtig und vollständig seien. Entgegen der Bestätigung auf Seite 19 und
20 des Gründungsprüfungsberichts sei der Jahresabschluß, der gemäß Anlage IV 6
Bestandteil des Berichts sei, nicht nach den gesetzlichen Regeln erstellt worden.
Unzutreffend habe der Beklagte zudem auf Seite 25 des Gründungsprüfungsberichts
testiert, daß in dem aktivierten Anlagevermögen sowie auch im Umlaufvermögen stille
Reserven enthalten seien, die nicht in Ansatz gebracht worden seien. Mit diesen
Angaben des Gründungsprüfungsberichts sei eine Werthaltigkeit der Aktien fingiert
worden. H und seine Helfer hätten bei dem I Freimakler, der die Aktien der Klägerin
betreut habe, nachdem ihm der Jahresabschluß 1994 mit Testat des Beklagten
vorgelegt worden sei, angerufen und Kurse fingiert. Diese Kurse seien im Finanzteil des
Handelsblatts in der Rubrik "Telefonhandel" als Schätzkurse veröffentlicht worden und
hätten durchschnittlich 38,00 DM betragen. Bei 240.000 Aktien im Nennwert von 5,00
DM sei auf diese Weise ein Unternehmenswert von etwa 9 Mio. DM vorgespiegelt
worden. Die Aktien der Klägerin seien jedoch nicht oder nur in ganz geringem Maße
gehandelt worden. Um die Aktien beim interessierten Publikum unterzubringen, habe H
sich der Herren C und N bedient, die über die Firma L GmbH im Bundesanzeiger vom
30.08.1995 ein Umtauschangebot lanciert hätten. Als Eigentümerin der B AG-Aktien
habe der Growth Stock Fund von seiner Depotbank D Mitteilung von diesem
Umtauschangebot erhalten. Der Mitarbeiter I von der D-Bank habe Unterlagen von der L
GmbH angefordert, die daraufhin das Verkaufsangebot, den Geschäftsbericht 1994, den
Gründungsprüfungsbericht und den Aktionärsbrief Nr. 1 übersandt habe. Der H2 Fund
bzw. ein für diesen tätiger sog. Advisor habe sich aufgrund der günstigen Bilanzzahlen
der Klägerin entschlossen, 55.466 B-Aktien gegen 221.864 Aktien der Klägerin zu
tauschen. Dieser Aktientausch sei entweder als Kommissionsgeschäft oder als Geschäft
zwischen H und dem H2 Fund, jeweils vertreten durch die L GmbH und die D-Bank,
abgewickelt worden. Die B-Aktien seien sofort über die amtliche Börse für 8.319.000,00
DM versilbert worden. Von diesem Betrag habe H 5.900.000,00 DM erhalten und die L-
GmbH (die Herren C und N) 2.500.000,00 DM. Der Beklagte habe seinen Teil erst
später bekommen sollen, er sei für seine Bilanzfälschungen bezahlt worden.
15
Vergeblich habe der Advisor des H2 Fund eine Rückgängigmachung der
Umtauschaktion zu erzielen versucht. Die F-Versicherung habe nach Abzug eines
Selbstbehalts von 1 Mio. US-Dollar und gegen Abtretung seiner Ansprüche gegen die
Klägerin 4.952.282,00 US-Dollar an den Advisor bezahlt. Die F habe von der Klägerin
Ersatz dieser Zahlung verlangt. Deshalb habe die Klägerin am 10.12.1996 zugunsten
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der Versicherung ein notarielles Schuldanerkenntnis unterzeichnet. Die Klägerin hafte
den geschädigten Investoren nämlich nach den Grundsätzen der Prospekthaftung. Ihr
stehe ein Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB zu. Der Beklagte hafte ihr zudem aus §
323 HGB, aufgrund der Verletzung des Geschäftsbesorgungsvertrags infolge
fehlerhafter Buchführung und Bilanzerstellung sowie aus § 823 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit § 264 a, 263, 266 StGB, § 400, 403 Aktiengesetz, sowie § 826 BGB.
Die Klägerin beziffert ihren Schaden mit 8 Mio. DM, von denen sie mit der Klage 2,5 Mio.
DM geltend macht.
17
Der Beklagte tritt dem entgegen unter Hinweis, daß der Klägerin kein Schaden
entstanden sei. Sie sei der F-Versicherung nicht schadensersatzpflichtig und deshalb
zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses vom 10.12.1996 nicht verpflichtet gewesen. Der
Verkaufsprospekt Bl. 42 ff. sei kein Prospekt im Sinne des Gesetzes, weil er nicht
gemäß § 8 Verkaufsprospektgesetz hinterlegt worden sei, so daß eine Haftung nach §
13 Verkaufsprospektgesetz ausscheide. Eine börsenrechtliche Prospekthaftung gemäß
§ 45, 46 Abs. 1 Börsengesetz gelte nur für Schriftstücke, die als
Börsenzulassungsprospekte anzusehen seien. Eine Börsenzulassung der Aktien der
Klägerin sei unstreitig nicht erfolgt. Der H2 Fund habe zudem die Aktien nicht
unmittelbar von H gekauft. Die Aktien seien vielmehr von H an die Firma T verkauft
worden (Bl. 46). Die Firma T habe die Aktien an die Firma L GmbH, ihre
Muttergesellschaft, verkauft und die Firma L GmbH dann an den H2 Fund. Eine Haftung
aus culpa in contrahendo sei zu verneinen, weil der Erwerb der Aktien nicht aufgrund
des Verkaufsangebots der Klägerin von dem Growth Stock Fund erfolgt sei. Im übrigen
beruft der Beklagte sich analog § 20 Abs. 5 Kapitalanlagengesellschaftsgesetz bzw. §
12 Abs. 5 Auslandsinvestitionsgesetz auf Verjährung, da die Verjährungsfrist sechs
Monate betrage. Kenntnis von der Unrichtigkeit des Prospekts habe die Klägerin
spätestens im Januar 1996 gehabt, weil der H2 Fund die Wertlosigkeit der Aktien bereits
bei einer Gesellschafterversammlung zu dieser Zeit beanstandet habe. Der Beklagte
hafte der Klägerin auch nicht wegen Inanspruchnahme persönlichen
Verhandlungsvertrauens. Kontakte zwischen der Klägerin und dem H2 Fund hätten vor
Kauf der Aktien nicht bestanden. Der Gründungsprüfungsbericht sei kein
Verkaufsprospekt. Aus § 323 HGB hafte der Beklagte nicht, weil aus dieser Vorschrift
nur eine Haftung aus der erstellten Gründungsprüfung gegenüber der Klägerin
hergeleitet werden könne, nicht aber gegenüber Dritten. Die Behauptung der Klägerin,
die Buchführung und die Bilanzen der vom Beklagten für die U-GmbH erstellten
Jahresabschlüsse sei falsch, sei unsubstantiiert und werde bestritten.
18
Zudem macht der Beklagte sich den Vortrag der Klägerin hilfsweise zu eigen, daß H von
vornherein es darauf angelegt habe, spätere Anleger zu täuschen. Dieses Verhalten des
H müsse der Beklagte sich nicht zurechnen lassen. Eine deliktische Haftung des
Beklagten komme nicht in Betracht. Der Vortrag der Klägerin sei unsubstantiiert. Zudem
hat der Beklagte bestritten, daß H ihn als Komplizen für die geplante Übervorteilung
späterer Anleger gewonnen, eingeweiht oder und als Werkzeug benutzt habe. Er hat
weiter behauptet, daß er an der Erstellung des Geschäftsberichts nicht beteiligt
gewesen sei, ihn nicht gekannt und auch nicht gewußt habe, daß er interessierten
Investoren sowie Banken habe zugeleitet werden sollen. Zudem hat der Beklagte
bestritten, daß der Gründungsprüfungsbericht an Investoren und Dritte übersandt
worden sei. Falls die Klägerin sich geschädigt fühle, so meint der Beklagte, solle sie
sich an die Herren H, C und N wenden.
19
Nachdem die Klägerin sich im Termin vor dem Landgericht vom 11.12.1996 hat
versäumen lassen, hat das Landgericht die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen
und dieses Urteil später aufrechterhalten.
20
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung ihres
bisherigen Sach- und Rechtsvortrags ihren Anspruch weiterverfolgt.
21
Die Klägerin beantragt,
22
abändernd das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 11.12.1996 aufzuheben
und den Beklagten zu verurteilen, an sie 2,5 Mio. DM nebst 5 % Zinsen ab
Klagezustellung zu zahlen.
23
Der Beklagte beantragt,
24
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise Vollstreckungsnachlaß.
25
Unter Wiederholung seines bisherigen Sach- und Rechtsvortrags weist der Beklagte
darauf hin, die Klägerin sei wirtschaftlich nicht mehr existent. Ein Antrag auf Eröffnung
des Konkursverfahrens sei vom Amtsgericht Paderborn mangels Masse abgelehnt
worden, die Klägerin sei damit aufgelöst.
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Wegen des Sachvortrags der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt
ihrer Schriftsätze nebst vorgelegter Urkunden Bezug genommen.
27
Entscheidungsgründe:
28
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
29
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
30
I.
31
Auf § 426 BGB läßt sich das Klagebegehren entgegen der Meinung der Klägerin schon
deswegen nicht stützen, weil diese unstreitig bisher an Dritte keinen Schadensersatz
geleistet hat. Darüberhinaus lassen sich auch die Voraussetzungen einer
gesamtschuldnerischen Haftung im Außenverhältnis nicht feststellen, weil es für eine
Haftung des Beklagten gegenüber den geschädigten Anlegern an hinreichenden
Anhaltspunkten fehlt.
32
a)
33
Eine derartige Haftung des Beklagten ist nicht aus § 49 Aktiengesetz herzuleiten. Zwar
findet diese Vorschrift gemäß § 378 Abs. 1 Aktiengesetz sinngemäß auch auf
Aktiengesellschaften Anwendung, die im Wege der Umwandlung gemäß § 376
Aktiengesetz entstanden sind. Auch wird der Gründungsprüfer hinsichtlich seiner
Verantwortlichkeit der des Abschlußprüfers gleichgestellt, die aus § 323 Abs. 1 bis 4
HGB herzuleiten ist. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Gründungsprüfers bei der
Gründungsprüfung begründet aber nur einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch der
Aktiengesellschaft gegen den Gründungsprüfer, nicht dagegen Ansprüche auch der
Aktionäre oder Gesellschaftsgläubiger (BGH BB 61, 652).
34
b)
35
Der Beklagte haftet auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung.
36
Eine börsenrechtliche Prospekthaftung aus §§ 45, 46 Abs. 1 Börsengesetz ist zu
verneinen. Diese gilt nur für Schriftstücke, die als Börsenprospekte im Sinne von § 36
Abs. 3 S. 2, § 38 Abs. 1 S. 2 Börsengesetz in Verbindung mit § 13 ff.
Börsenzulassungsverordnung anzusehen sind und auf deren Grundlage Wertpapiere
zum Börsenhandel zugelassen werden. Unstreitig ist eine Börsenzulassung der Aktien
der Klägerin nicht erfolgt. Daher unterliegen die im Telefonhandel von der L GmbH zum
Tausch angebotenen Aktien der Klägerin, deren Anteilseigner H war, nicht dem
Börsenrecht. Es handelt sich vielmehr um Geschäfte des privaten Rechts, die dem
Recht der Effektengeschäfte und dem allgemeinen Vertragsrecht unterliegen.
37
Deshalb könnte nur eine Prospekthaftung gemäß § 13 Verkaufsprospektgesetz zu
Lasten des Beklagten gegeben sein. Der vom Beklagten erstellte
Gründungsprüfungsbericht ist jedoch kein Verkaufsprospekt und unterfällt daher nicht
der Haftung.
38
Soweit von der L GmbH der Verkaufsprospekt (Bl. 42 bis 45) nebst Geschäftsbericht
1994 an die Depotbank der B-Aktien, der D-Bank, übersandt worden ist, hat der
Beklagte an der Erstellung dieser Schriftstücke unstreitig nicht mitgewirkt. Er haftet
daher nicht für die darin enthaltenen Angaben.
39
c)
40
Der Beklagte könnte den Anlegern daher allenfalls aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 403
Aktiengesetz bzw. strafrechtlichen Vorschriften bzw. aus § 826 BGB haften, falls er in
kollusivem Zusammenwirken mit H die Sachübernahmen im Gründungsprüfungsbericht
überbewertet hätte, um Anleger zu täuschen und H hierdurch die Möglichkeit zu
verschaffen, wertlose Aktien der Klägerin an gutgläubige Investoren veräußern zu
können.
41
Der Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe im Zusammenwirken mit H bereits die
Buchführung und die Bilanzen der U GmbH zu diesem Zwecke seit 1991 geschönt und
anstelle von Verlusten erkennbar fehlerhaft Gewinne in den Jahren 1992 bis 1994
ausgewiesen, ist nicht geeignet, die subjektiven Anspruchsvoraussetzungen der
unerlaubten Handlung darzutun.
42
Die Klägerin legt keine Umstände dar, noch sind diese erkennbar, aus denen das
behauptete kollusive Zusammenwirken des Beklagten mit H nachvollziehbar hergeleitet
werden kann. Auch fehlt es an jedem Beweisantritt der Klägerin hierzu ebenso wie zu
der Behauptung der Klägerin, der Beklagte sei für sein Tun bezahlt worden.
43
Es fehlt auch jede nachvollziehbare Darlegung zur Schadenshaftung des Beklagten aus
§ 826 BGB oder aus betrügerischem Verhalten gegenüber den Anlegern. Eine
Schadensersatzpflicht des Beklagten könnte nur dann bejaht werden, wenn feststehen
würde, daß der Beklagte bei seiner Prüfung es wenigstens als möglich angesehen hätte
und für diesen Fall gebilligt hätte, daß die Anleger infolge seiner - des Beklagten -
Handlungsweise geschädigt werden würden. Hierzu fehlen substantiierte Darlegungen
44
der Klägerin und entsprechende Beweisantritte. Auch liefert der Sachverhalt keinerlei
Anhaltspunkte für ein derartiges Verhalten des Beklagten.
II.
45
Ebensowenig kann die Klägerin ihr Klagebegehren auf das notarielle
Schuldanerkenntnis stützen, das sie am 10.12.1996 gegenüber der amerikanischen
Versicherungsgesellschaft F-Company abgegeben haben will.
46
Da die Klägerin mit diesem Schuldanerkenntnis nur eine Verpflichtung eingegangen ist
und Zahlungen aufgrund dieses Anerkenntnisses unstreitig nicht geleistet hat, ist für
einen Zahlungsanspuch gegen den Beklagten von vornherein kein Raum. Der Klägerin
könnte insoweit - wie im Senatstermin erörtert - allenfalls ein Freistellungsanspruch
zustehen. Auch die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs sind indes nicht
feststellbar.
47
a)
48
Zunächst ist schon nicht hinreichend dargetan, daß und aus welchem Rechtsgrund die
Klägerin zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses verpflichtet gewesen sein sollte.
49
Wie sich aus der eidesstattlichen Erklärung des Vizepräsidenten D2 vom 30.12.1996
(Bl. 176 - 178 d.A.) ergibt, hat F eine Entschädigungsleistung in Höhe von 4.925.282,00
US-Dollar an einen namentlich nicht genannten "Kunden" erbracht, der 221.864 Aktien
der Klägerin als sog. Advisor für den amerikanischen Investmentfonds H2 Fund
erworben, sich wegen der Wertlosigkeit dieser Aktien dem H2 Fund
schadensersatzpflichtig gemacht haben will und ersichtlich meint, deswegen seinerseits
Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu haben, die er der F-Company
abgetreten haben soll. Eine rechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe des
Schuldanerkenntnisses gegenüber F würde danach eine Schadensersatzpflicht der
Klägerin gegenüber dem Advisor voraussetzen, der die Aktien indes nicht von der
Klägerin erworben hat, sondern aufgrund des von der Firma L GmbH im
Bundesanzeiger vom 30.08.1995 veröffentlichten Tauschangebots. Dieses "im
Kundenauftrag" unterbreitete Tauschangebot war indes kein Angebot der Klägerin,
sondern ein solches des H, der als Alleingesellschafter der U-GmbH mit deren
Umwandlung auch Ersterwerber der Aktien der Klägerin war. Ein Tauschvertrag ist
deshalb nicht mit der Klägerin, sondern mit H zustandegekommen, so daß auch
Schadensersatzansprüche wegen Wertlosigkeit der Aktien zunächst gegen diesen
bestehen. Inwieweit daneben auch Ansprüche gegen die Klägerin in Betracht kommen
könnten, ist - wie im Senatstermin im einzelnen erörtert - mangels hinreichenden
Sachvortrags der Klägerin zu den tatsächlichen Ablaufen im einzelnen, die sich
halbwegs nachvollziehbar allenfalls über die eidesstattliche Erklärung, nicht aber über
die teils lückenhaften, teils widersprüchlichen Darstellungen der Klägerin erschließen,
die mangels Entsendung eines Parteivertreters zum Senatstermin auch nicht weiter
aufklärbar waren, nicht feststellbar und deshalb vom Landgericht im Ergebnis zu Recht
verneint worden.
50
b)
51
Darüberhinaus würde ein auf Freistellung gerichteter Anspruch der Klägerin
voraussetzen, daß dieser ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zustehen
52
würde, der gerade auf Befreiung von der durch das notarielle Schuldanerkenntnis
eingegangenen Verbindlichkeit gerichtet wäre, was sich ebenfalls nicht feststellen läßt.
Selbst wenn der Beklagte bei der Gründungsprüfung gegen die ihm obliegenden
Pflichten aus § 49 AktG in Verbindung mit § 323 Abs. 1 bis 4 HGB verstoßen haben
sollte, was keiner Entscheidung bedarf, würde er der Klägerin insoweit nur dafür haften,
daß diese infolge fehlerhafter Bewertung von Sacheinlagen oder Sachübernahmen mit
unzureichendem Kapital ins Leben getreten ist und deswegen eingegangene
Verbindlichkeiten wegen Unterkapitalisierung nicht begleichen kann. Nur in dieser
Beziehung soll der Rechtsverkehr vor schuldhaftem Fehlverhalten des
Gründungsprüfers und dessen Folgen geschützt werden (BGH NJW 75, 954). Ein
derartiger Haftungsfall ist vorliegend nicht gegeben. Ob und inwieweit darüberhinaus
ein erstattungsfähiger Schaden der Klägerin angenommen werden könnte, weil sie als
Emittentin für die Erstausgabe der Aktien und ihre Wertbeständigkeit (jedenfalls peri)
haftet, kann dahinstehen, weil Ersterwerber der Aktien H war und dieser nicht
geschädigt worden ist.
53
Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten aus unerlaubter Handlung scheitern aus
den gleichen Gründen wie unter I. c) dargelegt.
54
Die Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO
zurückzuweisen.
55
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 708 Ziff. 10, § 711, 546 Abs. 2 ZPO.
56