Urteil des OLG Hamm vom 10.08.2005

OLG Hamm: beweiswürdigung, rüge, strafzumessung, glaubwürdigkeit, anstiftung, prostitution, beweismittel, betrug, unterrichtung, bewährung

Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss 224/04
Datum:
10.08.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ss 224/04
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 57 (9/03)
Tenor:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Essen vom 29.12.2003 im Strafausspruch dahingehend abändert, dass
der Angeklagte Y zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf
Monaten und die Angeklagte T zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem
Jahr und zehn Monaten verurteilt werden.
Die Gesamtfreiheitsstrafen bleiben zur Bewährung ausgesetzt.
Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten gegen das
vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Die Angeklagten haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
1
I.
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Durch Urteil des Amtsgerichts Essen - erw. Schöffengericht - vom 3. Mai 2000 wurden
die Angeklagten wegen Betruges in 5 Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb
und wegen Erpressung, der Angeklagte Y darüber hinaus tateinheitlich hierzu wegen
versuchter Anstiftung zur Falschaussage schuldig gesprochen und der Angeklagte Y zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, die Angeklagte T zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
3
Auf die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht
Essen durch Urteil vom 15.9.2000 den Angeklagten Y wegen Betruges und versuchten
Betruges sowie der Erpressung in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zur
Falschaussage unter Freispruch im übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren und neun Monaten verurteilt.
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Die Angeklagte T wurde wegen Betruges in sechs Fällen, wobei es in einem Fall beim
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Versuch blieb, in einem Fall tateinheitlich mit versuchter Anstiftung zur Falschaussage
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten führte durch Beschluss des
Oberlandesgerichts Hamm vom 22.3.2001 zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im
Schuld- und Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten Y mit Ausnahme
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des ausgesprochenen Teilfreispruches.
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Hinsichtlich der Angeklagten T führte die Revision zur Aufhebung des landgerichtlichen
Urteils hinsichtlich der Taten von März 1998 ( Betrug zu Lasten des Zeugen C) und vom
29.9.1998 ( versuchter Betrug zu Lasten des Zeugen L) sowie wegen versuchter
Anstiftung zur Falschaussage hinsichtlich der Tat vom 19,.12.1999. Darüber hinaus
wurde das Urteil hinsichtlich der Angeklagten T im Strafausspruch bezüglich aller
verhängten Einzelstrafen und der gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Im
übrigen wurde die Revision der Angeklagten T gemäß § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
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Nach Zurückverweisung hat die XIX. erw. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen
den Angeklagten Y mit Urteil vom 6.5.2002 unter Freisprechung im übrigen wegen
Betruges in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs
Monaten, die Angeklagte T unter Freisprechung im übrigen wegen Betruges in fünf
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
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Auf die von den Angeklagten eingelegte Revision hatte das Oberlandesgericht Hamm
durch Beschluss vom 8.2.2003 das Urteil des Landgerichts Essen vom 6.5.2002 mit den
zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und an eine andere kleine erweitere
Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen, da das landgerichtliche Urteil
gemäß § 275 Abs. 1 S. 2 StPO nicht fristgerecht von den Berufsrichtern unterschrieben
bei der Geschäftsstelle des Landgerichts eingegangen war und daher der absolute
Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO vorgelegen hat.
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Durch das nunmehr angegriffene Urteil des
Landgerichts Essen vom 29. Dezember
2003
zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die
Angeklagte T wegen Betruges in 5 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren - jeweils unter Straussetzung zur Bewährung- verurteilt.
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Aufgrund verzögerter Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls - die Unterschrift
des Vorsitzenden Richters fehlte zunächst und wurde formwirksam am 27.9.2004
nachgeholt ( Bl. 403 d.GA) - begann die Revisionsbegründungsfrist erst am 30.9.2004.
Die Akten gingen am 28. April 2005 beim Oberlandesgericht ein.
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Gegen dieses Urteil richten sich die form- und fristgerecht eingelegten und im Einzelnen
begründete Revisionen der Angeklagten mit der die Verletzung formellen und
materiellen Rechts gerügt und mit der die Aufhebung des angefochtenen Urteils erstrebt
wird.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, unter Verwerfung der Revisionen im
übrigen gemäß § 349 Abs. 2 StPO das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch
aufzuheben und die Strafen angemessen herabzusetzen.
14
II.
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Das Rechtsmittel der Angeklagten hatte nur teilweise im tenorierten Umfang Erfolg, im
übrigen war die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
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A) formelle Rügen:
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1. Die Revisionen rügen mit ihrer ersten, den Zulässigkeitsanforderungen des § 344
Abs. 2 S. 2 StPO entsprechenden Rüge, die Verletzung der § 261, 267 StPO. Hierzu
führen sie - verkürzt- aus, auf Beweisanträge der Verteidigung seien die Zeugen VRLG
G und RLG C, VRLG T2, StA W und KHK K von der erkennenden Strafkammer
vernommen worden. Obwohl der Inhalt ihrer Aussagen gegen die Glaubwürdigkeit des
Hauptbelastungszeugen L sprächen - seien sie vom Gericht aber weder in der
Beweiswürdigung des Urteils inhaltlich wiedergegeben worden noch habe eine
Auseinandersetzung hiermit stattgefunden, obwohl die Verurteilung im wesentlichen
aufgrund der Aussage des Hauptbelastungszeugen L erfolgt sei. Aufgrund dessen sei
das Gericht aber verpflichtet gewesen, sich in der Beweiswürdigung mit allen für die
Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen L wesentlichen Umstände, die die
Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten hätten beeinflussen
können in seine Überlegungen einzubeziehen und nachvollziehbar in den
Urteilsgründen darzulegen.
18
Die von beiden Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung der §§ 261 i.V.m. 267 StPO
greift nicht durch.
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Der Beschwerdeführer kann in der Revision grundsätzlich nicht mit der Behauptung
gehört werden, das Tatgericht habe sich mit einer bestimmten Aussage einer
Beweisperson nicht auseinandergesetzt, wenn diese Aussage sich nicht aus dem Urteil
selbst ergibt. Denn die Ergebnisse der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen,
ist allein Sache des Tatrichters; der dafür bestimmte Ort ist das Urteil. Was in ihm über
das Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet das
Revisionsgericht ( BGHSt 17, 351 (352) = NJW 1962, 1832; BGHSt 21, 149 (151) = NJW
1967, 213; BGHSt 29, 18 (20) = NJW 1979, 2318; BGHSt 31, 139 (140) = NJW 1983,
816, BGH NStZ-RR 1998, 17 s. ferner - jew. mwN - LR-Hanack 24. Aufl., § 337 Rn 77;
KK-Herdegen 3. Aufl., § 244 Rn 40; Pikart ebda., § 337 Rn 3).
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Das gilt selbst dann, wenn der wesentliche Inhalt einer Aussage, deren Würdigung der
Beschwerdeführer im Urteil vermisst, nach § 273 Abs. 2 StPO in das Protokoll der
Hauptverhandlung aufgenommen worden ist. Das Tatgericht entscheidet gemäß § 261
StPO nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung,
nicht aufgrund des Protokolls, für dessen Inhalt allein der Vorsitzende und der
Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Verantwortung tragen (§ 271 I StPO), das
regelmäßig nicht vorgelesen und erst nach der Verkündung des Urteils abgeschlossen
wird (RGSt 49, 315, 316; BGH NJW 1966, 63; OLG Koblenz VRS 46, 435, 436; s. ferner
LR-Hanack aaO, Rn 82 mwN).
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Etwas anderes würde sich nur ergeben, wenn aufgrund einer Anordnung des
Vorsitzenden gemäß § 273 Abs. 3 S.1 StPO eine Aussage wörtlich niedergeschrieben,
verlesen und gemäß Satz 3 dieser Vorschrift genehmigt worden ist. Zwar verbleibt es
auch hier bei der alleinigen Verantwortung des Vorsitzenden und des Urkundsbeamten
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der Geschäftsstelle für den Inhalt des Protokolls. Aber die wörtlich protokollierte
Aussage wird in der Hauptverhandlung in ihrer urkundlichen Fixierung zur Kenntnis des
erkennenden Gerichts und der Verfahrensbeteiligten gebracht, die das Wie der
Protokollierung beanstanden können, und ihre Beurkundung hat hohen Beweiswert (vgl.
LR-Gollwitzer 24. Aufl., § 274 Rn 11).
Eine wörtliche Protokollierung der Aussagen der Zeugen VRLG G und RLG C, VRLG
T2, StA W und KHK K ist aber ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung weder
von der Verteidigung beantragt noch vom Vorsitzenden angeordnet und tatsächlich
erfolgt.
23
Für eine
inhaltliche Rekonstruktion
bietet das Revisionsverfahren bei Sachverhalten der vorliegenden Art keinen Raum.
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2. Beide Revisionen machen des weiteren geltend, § 265 Abs. 4 StPO sei verletzt, weil
das Landgericht vor Erlass des angefochtenen Urteils auf Änderungen des
Anklagevorwurfs in tatsächlicher Hinsicht nicht hingewiesen habe. Die Rüge greift nicht
durch.
25
Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
26
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legte der Angeklagten T
u.a. zur Last, sich dadurch eines Betruges schuldig gemacht zu haben, dass sie vor dem
20.3.1998 gegenüber dem Zeugen L wahrheitswidrig behauptet habe, der Angeklagte Y
verlange das Geld von ihr. Der Angeklagte Y nahm das Geld (am 20.3.1998) persönlich
in Empfang und bestätigte, dass die Angeschuldigte T ihm gegenüber Schulden gehabt
habe, nunmehr aber keine weiteren Verbindlichkeiten mehr bestünden.
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Demgegenüber hält die Strafkammer es für erwiesen, dass die Angeklagte T im März
1998 weiterhin die Absicht verfolgte , die Zuneigung des L auszunutzen.
28
" Der Zeuge L, der immer noch von dem Wunsch auf eine gemeinsame Zukunft mit der
Angeklagten T erfüllt war, wollte
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sie vor der Prostitution bewahren und bat die Angeklagte T darum, eine
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Verbindung zwischen ihm und dem Angeklagten Y herzustellen. Sie entsprach
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dieser Bitte. Nach diversen Telefonaten zwischen dem Zeugen L und dem Angeklagten
Y schlug Y dem Zeugen vor, sich in der Gaststätte L2 im D in P zu treffen. Er forderte L
zudem auf, er solle zu diesem Treffen einen Geldbetrag in Höhe von 30.000,00 DM
mitbringen. Im Falle der Nichtzahlung müsse die Angeklagte T weiterhin der Prostitution
nachgehen. Für den Fall der Zahlung versprach Y dem Zeugen hingegen, dass er die
Angeklagte T freigebe und einer Beziehung zu dem Zeugen L nichts mehr im Wege
stehe.
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Am 20.03.1998 kam es sodann zu einem Treffen zwischen dem Zeugen L
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und dem Angeklagten Y im D in P. Der Angeklagte Y
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verstärkte durch sein Auftreten bei dem Zeugen den Eindruck, die Angeklagte
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.T müsse machen, was er, der Angeklagte Y, wolle. Dies umso mehr, da
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die Angeklagte T dem Zeugen L zuvor erklärt hatte, der Zeuge
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L möge den geforderten Betrag von 30.000,00 DM zahlen, da sie
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ansonsten wieder der Prostitution nachzugehen habe.
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Wie es dem gemeinsamen Plan der Angeklagten entsprach, erklärte sich der Zeuge
40
L zur Zahlung des geforderten Geldes bereit. Dem Zeugen ging es dabei
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allein darum, dass der Angeklagte Y auf die Angeklagte T keinen Druck
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mehr ausübte und einer Beziehung zwischen ihm, dem Zeugen, und der Angeklag-
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ten T nun nichts mehr im Wege stand. Der Zeuge L übergab dem
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Angeklagten Y den geforderten Betrag von 30.000,00 DM. Y überreichte im
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Gegenzug auf Verlangen des Zeugen L einen Schuldschein datierend auf
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den 27.02.1998 über den Betrag von 30.000,00 DM. Er bestätigte dem Zeugen, dass
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somit weitere Verpflichtungen seitens Frau T ihm gegenüber somit nicht mehr
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bestehen. Der Angeklagte Y erklärte des Weiteren, er werde zukünftig seine
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Hände von Frau T lassen und nach Spanien gehen, um dort ins Filmgeschäft
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einzusteigen .
51
In der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer ausgeführt:
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Die Angeklagten arbeiteten arbeitsteilig im Fall der Zahlung von 30.000,- DM am
20.3.1998 zusammen.
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Während die Angeklagte T vorgab, im Falle der Nichtzahlung von Y "auf den Strich
geschickt zu werden", erklärte der Angeklagte Y gegenüber dem Zeugen, er gebe die
Angeklagte T im Falle der Zahlung frei und ziehe sich selbst nach Spanien zurück.
54
....
55
Beide Angeklagten hatten ein Eigeninteresse an der Zahlung der 30.000,- ....Tatsächlich
floss das Geld in die Kasse des Angeklagten Y. Doch auch die Angeklagte T hatte auch
ein eigenes Interesse daran, dass die Zahlungen an Y durch L geleistet wurden. Sie
partizipierte an dem erlangtem Geld im Wege der gemeinsamen Haushaltsführung oder
aber indem sie - im Falle der Zahlung der 30.000,- DM im März 1998 von der gegenüber
Y bestehenden Verbindlichkeiten befreit wurde...
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Die Rüge ist bereits nicht in zulässiger Form ausgeführt. Aus § 265 IV StPO i. V. mit Art.
103 I GG und § 244 II StPO folgt zwar, dass der Tatrichter den Angeklagten nicht im
unklaren lassen darf, wenn er die Verurteilung auf tatsächliche Umstände stützen will,
die der Sachverhaltsschilderung in der zugelassenen Anklage nicht zu entnehmen sind.
Allerdings handelt es sich bei der die tatsächliche Grundlage des Schuldspruchs
betreffenden Hinweispflicht nicht um einen protokollpflichtigen Verfahrensvorgang i.S.d.
§ 273 StPO.
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Zur Unterrichtung des Angeklagten bedarf es daher keines förmlichen Hinweises, wie
ihn § 265 Abs. 1 StPO für die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes vorschreibt
und wie ihn Absatz 2 der Vorschrift verlangt, wenn z.B. erst in der Hauptverhandlung
vom Strafgesetz besonders vorgesehene rechtsfolgen-verschärfende Umstände sich
ergeben.
Es genügt, dass der Angeklagte aus dem Gang der Hauptverhandlung
erfährt
betreffenden Überlegungen einbezogen hat und dass der Angeklagte Gelegenheit
erhält, sich dazu zu äußern und Beweisanträge zu stellen oder Beweiserhebung
anzuregen (RG, JW 1926, 1216 Nr. 6; BGHSt 19, 141 [142/143]; 28, 196 [197/198];
BGH, Beschl. v. 28. 10. 1976 - 4 StR 476/76 - bei Holtz, MDR 1977, 108; BGH, Beschl.
v. 11. 5. 1979 - 5 StR 524/79 - bei Holtz, MDR 1980, 107).
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Demzufolge muss der Revisionsführer aber auch vortragen, dass eben diese
Veränderung aus dem Gang der Hauptverhandlung nicht hervorgegangen ist (
BayObLG VRS 84, 454, 456, SK-Schlüchter § 265 Rn.60).
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Das ist aber nicht erfolgt. Die Revisionsbegründungen schweigen zu diesem Punkt.
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Darüber hinaus wäre die erhobene Rüge aber auch unbegründet.
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Nach § 265 Abs. 4 StPO hat das Gericht, wenn es bei einer zwar noch zulässigen, aber
ungenauen Fassung der Anklage anders als diese von nach Ort, Zeit und Tatbegehung
konkret bestimmten Taten ausgehen will, den Angeklagten entsprechend § 265 StPO
darauf hinzuweisen. Ob diese Wendung wörtlich verstanden werden will, die
Hinweispflicht also eine Konkretisierung in bezug auf Ort, Zeit und Tatbegehung
voraussetzt oder schon dann entsteht, wenn die Hauptverhandlung konkretere Angaben
zu einem dieser Umstände ermöglicht, sich insbesondere etwa der in der Anklage noch
unbestimmte Tattag präzise festlegen lässt, kann dahingestellt bleiben.
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Außer Zweifel steht nämlich, dass das Gericht keine Hinweise zu erteilen braucht, wenn
sich die Konkretisierung auf Umstände beschränkt, die nicht unmittelbar die Tat
betreffen, sondern Feststellungen in bezug auf die Tatplanung oder vorbereitung (so für
den Fall der Veränderung der Sachlage gegenüber der Anklage BGH NStZ 2000, 48;
BGH, Beschl. v. 5.4.2000 3 StR 95/00) oder wenn die neuen Einzelheiten "
lediglich
den Tatablauf
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So verhält es sich aber vorliegend.
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Nach dem Inhalt der Anklage hat die Angeklagte T dem Zeugen L wahrheitswidrig
vorgetäuscht, der Angeklagte Y verlange Geld von ihr.
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Darüber hinaus heißt es zuvor in der Anklage: " Im März 1997 erzählte die Angeklagte
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T.... dem geschädigten Zeugen L, den sie im August 1996 in einem Privatclub O auf der
I-Straße in F kennengelernt hatte...wahrheitswidrig, dass sie mit ihm zusammenziehen
wolle. Der Zeuge L hatte sich in die Angeschuldigte verliebt, ...... Tatsächlich ging es
den Angeschuldigten nur darum, den Betrag von dem Geschädigten zu erhalten. Die
Angeschuldigte hatte von vornherein nicht vor, mit dem Zeugen L ein engeres Verhältnis
einzugehen."
Im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen heißt es weiter:
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"Die Angeschuldigte T lernte den geschädigten L im August 1996 in F in dem Privatclub
O kennen, wo sie als Prostituierte tätig war. Sei knüpfte in der Folgezeit nähere Kontakte
zu dem Geschädigten und verabredete sich auch außerhalb des Clubs mit ihm. Sie
erzählte dem Geschädigten, Y sei ihr Zuhälter. In der Folgezeit schaffte es die
Angeschuldigte, dem Geschädigten regelmäßig Zahlungen in nicht unerheblicher
Summe zu entlocken, indem sie ihn täuschte, dass Y ihr Zuhälter sei und dieser sie
unter Druck setze"
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Nach den Urteilsgründen bestand zwar die Geldforderung des Angeklagten Y
tatsächlich, die Angeklagte T täuschte den Zeugen L aber darüber im Falle der Zahlung
eine partnerschaftliche Beziehung zu ihm eingehen zu wollen und im Falle der
Nichtzahlung von Y weiterhin auf den Strich geschickt zu werden.
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Diese neuen Einzelheiten kennzeichnen aber lediglich den Tatverlauf näher und sind
bereits Gegenstand der Anklage. Sowohl Tatzeit, Tatort als auch der wesentliche
Umstand der Tatbegehung, nämlich die Vortäuschung eines aus Sicht der Angeklagten
T nicht bestehenden Interesses am Zeugen L, welches in der Anklageschrift bereits
angesprochen wird, sind identisch.
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Schließlich ist auch auszuschließen, dass das Urteil auf dem gerügten
Verfahrensverstoß beruht (§ 337 StPO).
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Eine Verletzung des § 265 StPO ist kein unbedingter Revisionsgrund. Sie führt nicht zur
Aufhebung des Urteils, wenn zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass die
Angeklagten auch bei gehöriger Unterrichtung sich nicht anders und erfolgreicher als
geschehen hätte verteidigen können (BGHSt 2, 250; BGH, Urt. v. 17. 1. 1974 – 4 StR
601/73 – bei Dallinger MDR 1974, 548; KK-Hürxthal § 265 StPO Rn. 33). Der Senat hat
keinerlei Anhaltspunkte wie die Angeklagte T sich bei gehöriger Unterrichtung anders
und erfolgreicher hätte verteidigen können. Die Revision hat hierzu nichts vorgetragen
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3. Soweit die Beschwerdeführer übereinstimmend eine Verletzung der §§ 244, 261
StPO insoweit rügen, als die Urteilsfeststellungen hinsichtlich der zeitlichen Einordnung
einer gemeinsamen Reise der Angeklagten T und des Zeugen L vom Akteninhalt
abweichen, ist die Rüge nicht zulässig.
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Die Aktenwidrigkeit der Urteilsgründe kann nicht mit einer Verfahrensbeschwerde
angefochten werden (Meyer-Goßner § 337, Rn. 15 a ).
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Der Tatrichter muss nur die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung wesentlichen
beweiserheblichen Umstände in den Urteilsgründen erörtern (BGH StV 1989, 423;
NSTZ 1991, 548) So kann zum Beispiel sich ein Widerspruch zwischen den
Bekundungen eines Zeugen im Rrmittlungsverfahren und den Feststellungen in der
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Hauptverhandlung durch eine einfache Erklärung des Zeugen oder durch sonstige
Beweismittel für alle Verfahrensbeteiligte so zweifelsfrei gelöst haben, dass kein Anlass
mehr für eine Darlegung in den Urteilsgründen bestand (BGH NJW 1992, 2838, 2840).
Wie der Bundesgerichtshof demzufolge wiederholt entschieden hat, ist ein solcher
Widerspruch, wenn er sich nicht aus den Urteilsgründen selbst ergibt, für sich allein
regelmäßig
revisionsrechtlich unerheblich
nicht aus dem Urteil selbst zu entnehmen, läuft die Rüge der Tatrichter habe es
unterlassen, den Widerspruch aufzuklären ( § 244 Abs. 2 StPO) oder in den
Urteilsgründen zu erörtern ( § 261 StPO) auf die
unzulässige Rüge der
Aktenwidrigkeit
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B) Sachrüge
77
Die auf die Sachrüge im übrigen vorzunehmende Überprüfung des angefochtenen
Urteils lässt ebenfalls keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen.
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1) Soweit es um die Vorfälle von März 1997, April 1997 und Juni 1997 und Dezember
1999 geht, steht der Schuldspruch hinsichtlich der Angeklagten T bereits aufgrund der
Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 22.3.2001 bindend fest.
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2) Soweit das Landgericht darüber hinaus nunmehr den Angeklagten Y wegen
gemeinschaftlichen Betruges in 2 Fällen hinsichtlich der Vorfälle von März 1998 und
Dezember 1999 und die Angeklagte T wegen gemeinschaftlichen Betruges hinsichtlich
des Vorfalles von März 1998 verurteilt hat, tragen die in sich widerspruchsfreien, nicht
gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßenden und vollständigen
Feststellungen die Verurteilung der Angeklagten.
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Dabei ist es allein Sache des Tatrichters, sich aufgrund der Hauptverhandlung
insbesondere aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ein Bild von der Schuld
oder Unschuld des Angeklagten zu machen. Jedes Beweismittel darf und muss er dabei
frei würdigen, ohne an bestimmte Beweisregeln oder sonstige Richtlinien gebunden zu
sein, die ihm vorschreiben, unter welchen Voraussetzungen er eine Tatsache für
bewiesen oder nicht bewiesen zu halten oder welchen Wert er einem Beweismittel
zuzumessen hat (vgl. BGHSt 29, 18, 20). Seine Schlüsse aus den festgestellten
Umständen brauchen zudem nicht zwingend zu sein; es genügt grundsätzlich,
dass sie
möglich sind und er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist
eingeräumte Freiheit bedeutet allerdings nicht, dass er seine Befugnis willkürlich
ausüben darf. Seine Überzeugung muss vielmehr eine Grundlage in den von ihm
getroffenen Feststellungen haben. Seine Schlussfolgerungen müssen auch dann
ausreichend mit Tatsachen abgesichert sein, wenn sie aus äußeren Umständen des
Geschehensablaufs abgeleitet werden und dürfen sich nicht so sehr von einer festen
Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind, die nicht
mehr als einen, wenn auch schwerwiegenden, Verdacht begründen und das
Revisionsgericht deshalb nicht binden können (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., §
261 Rn. 38 m.w.N.).
81
Die Urteilsgründe müssen daher erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer
tragfähigen verstandesmäßig einsichtigen Tatsache beruht (vgl. KKEngelhardt, StPO, 4.
Aufl., § 261 Rn. 45 m.w.N.). Dabei dürfen die Anforderungen an eine Verurteilung aber
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auch nicht überspannt werden ( BGH NStZ 1999, 153, 205; NStZ-RR 2000, 171).
Diesen vorgenannten Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Die
Strafkammer hat in der Beweiswürdigung dargelegt, dass sie insbesondere aus dem
festgestellten äußeren Sachverhalt auf die Absicht der Angeklagten T und Y schließt,
sich im März 1998 und Dezember 1999 betrügerisch einen Vermögensvorteil auf Kosten
des Zeugen L verschaffen zu haben. Wenn die Kammer zudem aufgrund des
Umstandes des gemeinsamen Zusammenlebens zur Tatzeit als auch heute noch, eines
gemeinsamen Kindes und dem Umstand des gemeinsamen Betreibens eines
Sonnenstudios als auch der aktiven Teilnahme des Angeklagten Y sowohl an der Tat
vom 20.3.1998 als auch seiner Beteiligung an der Tat vom 20.12.1999 und der
anschließenden Verwendung des Geldbetrages zur Schuldentilgung zur
mittäterschaftlichen Begehungsweise der Angeklagten kommt, ist dieses nicht nur ein
mögliche, sondern sich geradezu aufdrängende Schlussfolgerung.
83
c) Dabei hat das Landgericht auch noch im ausreichenden Maße berücksichtigt, dass
aufgrund der Beweissituation "Aussage gegen Aussage" erhöhte Anforderungen an die
Beweiswürdigung zu stellen sind.
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Bei einem Widerspruch zwischen mehreren Erkenntnisquellen hat das Gericht ohne
Rücksicht auf deren Art und Zahl darüber zu befinden, in welchen von ihnen die
Wahrheit ihren Ausdruck gefunden hat. Stehen sich Bekundungen eines
85
- insbesondere einzigen - Zeugen und des Angeklagten unvereinbar gegenüber
("Aussage gegen Aussage"), müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der
Tatrichter
alle für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit wesentlichen Umstände
die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten beeinflussen geeignet
sind (BGH NStZ 1999, 139),
erkannt und in seine Überlegungen einbezogen
BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1, Mitangeklagte 2; BGH StV 1990, 99; Beschl. v.
23. 10. 1991 - 5 StR 455/91 - und v. 15. 11. 1991 - 2 StR 499/91, BGH NStZ 1992, 347).
In einem solchen Fall ist zudem in besonderem Maße eine "Gesamtwürdigung" aller
Indizien geboten (BGHR StPO § 261 Indizien 1, 2, Beweiswürdigung 14 m.Nachw.,
BGH NStZ 1999, 139).
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In einem Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht, kommt bei der Bewertung der
Glaubwürdigkeit des einzigen Belastungszeugen regelmäßig nicht nur der
Entwicklungsgeschichte der Beschuldigung besondere Bedeutung zu (vgl. BGH, StB
1995, 6, 7). Der Tatrichter ist vielmehr angesichts der eingeschränkten
Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten in einem solchen Fall auch gehalten,
sämtliche für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen in Betracht
kommenden Indizien, die die Entscheidung beeinflussen können, zu bewerten (vgl.
BGH, StV 1996, 582 = NStZ 1996, 98 und StV 2002, 470; BGH, NStZ 2001, 161; BGHR
StPO § 261 Überzeugungsbildung 7). Dies gilt besonders, wenn der einzige
Belastungszeuge in der Hauptverhandlung seine Vorwürfe ganz (BGH, Beschl. vom 17.
Dezember 1997 2 StR 591/97) oder teilweise nicht mehr aufrechterhält, der
anfänglichen Schilderung weiterer Taten nicht gefolgt wird (vgl. BGH NStZ 1996, 294;
NJW 1996, 206; Beschl. vom 1. April 1998 3 StR 22/98) oder sich sogar die Unwahrheit
eines Aussageteils herausstellt.
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Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung der Strafkammer noch gerecht.
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Die Kammer hat in ihrer ausführlichen Beweiswürdigung ausgeführt, warum keine
durchgreifenden Bedenken an den Bekundungen des Zeugen L bestehen würden und
seine Aussage glaubhaft sei. Dabei ist die Strafkammer sowohl auf " die Unwilligkeit
des Zeugen L zu Beginn seiner Vernehmung nachvollziehbar eingegangen als auch mit
den von der Verteidigung angeführten Widersprüchen bzw. Lücken in seiner
Vernehmung ( "vermeintliche neue Freundin"). Auch hat sich die Strafkammer mit der
vom Zeugen L erstatteten Strafanzeige vom 13.3.2003 und seiner objektiven
Falschbelastung der Angeklagten T hinsichtlich ihrer vermeintlichen Unterschrift
auseinandergesetzt.
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Schließlich ist die Strafkammer auch auf die zwischenzeitlich vom Zeugen L
aufgestellten Behauptung, er habe die von ihm in der Vernehmung vor der XVIII.
Strafkammer vorgelegten Kontoauszüge nicht zurückerhalten, eingegangen.
90
Soweit die Revision fordert, dass die Beweiswürdigung auch den Inhalt aller
Zeugenaussagen mitteilt und würdigt, ist dieses nicht erforderlich. Die Urteilsgründe
müssen eine Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung
festgestellten
Tatsachen enthalten
in den Urteilsgründen stets in allen Einzelheiten darzulegen hat, auf welche Weise er zu
bestimmten Feststellungen gekommen ist (Meyer-Goßner § 267 Rn.12). Etwas anderes
ergibt sich auch nicht aus der von der Revision zitierten Entscheidung des BGH, StV
1994, S.6. In jenem Fall war es so, dass sich das Urteil nicht mit der sich aufdrängenden
Frage auseinandergesetzt hat ob eine ebenfalls tatverdächtige Zeugin, die Tat nicht
allein begangen hat, stattdessen ihre Aussage durch das Tatgericht vollständig
eliminiert wurde. Vorliegend fand aber gerade eine Auseinandersetzung mit den
Beweisergebnissen statt; zudem hat der Zeuge L diese gegen seine Glaubwürdigkeit
sprechenden Umstände eingeräumt.
91
Die Strafkammer hat sich nach alledem bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der
Zeugenaussage mit scheinbaren Widersprüchen im Aussageverhalten des Zeugen L
auseinandergesetzt. Wenn die Strafkammer gleichwohl mit nachvollziehbaren
Erwägungen zur grundsätzlichen Glaubhaftigkeit der Aussage und zur Glaubwürdigkeit
des Zeugen L gekommen ist, ist hieran nichts zu erinnern.
92
3) Schließlich lassen auch die Strafzumessungserwägungen in dem angefochtenen
Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Sie zeigen, dass
die Strafkammer Wesen und Sinn der Grundsätze der Strafzumessung nach § 46 StGB
erkannt und beachtet hat. Die Kammer hat die Schuld als Zumessungsgrundlage
genommen und im Rahmen der nach § 46 Abs. 2 StGB anzustellenden Erwägungen in
einer ausführlichen Würdigung, die für und gegen die Angeklagten sprechenden
Umstände geprüft. Dabei ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters.
Dessen Wertung ist im Zweifelsfall zu respektieren (vgl. BGH, NStZ 1982, 114; BGH,
NStZ 1984, 360). Das Revisionsgericht darf nur dann eingreifen, wenn die
Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils in sich rechtsfehlerhaft oder
lückenhaft sind, was dann der Fall ist, wenn der Tatrichter tragende
Strafzumessungsgründe und die von der verhängten Strafe zu erwartenden Wirkungen
auf den Täter i.S. des § 46 StGB nicht bzw. nicht vollständig bedacht und erörtert hat
(vgl. BGHSt 27, 2 = NJW 1976,
93
2355; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 337 Rn. 34).
94
Davon aber kann vorliegend keine Rede sein. Die Strafe hält sich im Rahmen des
tatrichterlichen Ermessens.
95
a) Soweit die Revision der Auffassung ist, die von der Strafkammer vorgenommen
Erwägungen zur Gesamtstrafe seien nicht ausreichend, geht diese Ansicht fehl. Zwar
bedarf die Bildung der Gesamtstrafe grundsätzlich einer eigenen Strafzumessung und
Begründung im Urteil unter umfassender Würdigung der einbezogenen Straftaten und
der Person des Täters. Dabei sind jedoch Bezugnahmen auf die
Strafzumessungserwägungen in einfacheren Fällen zulässig ( BGH NStZ 1987, 183,
BGHSt 24, 268, 271; BGH Urteil v. 30.6.1998, 1 StR 251/98, Detter, NStZ 1999, 120,
123). Der Verweis auf die den jeweiligen Einzelstrafen zugrundezuliegenden
Strafzumessungserwägungen genügt dann aber nicht, wenn die Einsatzstrafe sehr stark
erhöht ( BGH Beschluss v. 2.6.2004, 2 StR 163/04) oder der unteren Grenze des
Zulässigen nahe kommt ( BGHSt 24, aaO).
96
Dieser Fall ist vorliegend aber nicht gegeben. Das Landgericht hat bei der Bildung der
jeweiligen Gesamtstrafen nicht nur sämtliche Strafzumessungserwägungen zur
Einzelstrafe berücksichtigt, sondern darüber hinaus noch besondere in der jeweiligen
Täterperson liegende Umstände. Die Taten stellen sich auch als rechtlich einfach
gelagerte Betrugsfälle dar. Ihre Anzahl hält sich in einem sehr überschaubaren Bereich
(Y 2 Fälle; T 5 Fälle)
97
b) Soweit die Revision des weiteren rügt, die Kammer habe bezüglich des Angeklagten
Y zwar gewertet, dass die Initiative für das Tatgeschehen von der Angeklagten T
ausging und es Y leicht gemacht habe , sich in ein bereits bestehendes Betrugsmuster
einzubinden, gleichwohl aber die Einzelstrafestrafe des Angeklagten Y höher sei, als
die der Angeklagten T, kann sie damit nicht gehört werden.
98
Nach den Urteilsfeststellungen war es gerade der Angeklagte Y dem die Vorteile aus
den beiden Straftaten in Höhe von insgesamt 190.000,- DM unmittelbar zu flossen,
während es sich aus Sicht der Angeklagten T um eine "Drittbereicherung" handelte und
sie nur in einem weitaus geringeren Teil hieran partizipierte. Dieser Umstand rechtfertigt
gerade die im Vergleich zu T höheren Einzelstrafen beim Angeklagten Y.
99
c) Soweit die Revision in der mündlichen Verhandlung rügt, bei der Strafzumessung sei
zugunsten der Angeklagten T nicht berücksichtigt worden, dass sie aufgrund des
vorliegenden Verfahrens für über ein Jahr von ihrer Tochter getrennt worden sei, geht
dieser Angriff in Leere. Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden
Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Daraus, dass ein
für die Strafzumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist,
kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht
gesehen oder nicht gewertet ( st. Rspr. vgl. BGHST 24,268 zuletzt BGH – Urteil vom
12.5.2005, 5 StR 86/05-). Für eine Berücksichtigung spricht bereits, dass der Tatrichter
im Rahmen der Angaben zur Person der Angeklagten T diesen Umstand explizit
angesprochen und festgestellt hat.
100
d) Soweit die Revision der Auffassung ist, das Gericht habe die Verletzung des
Beschleunigungsgebotes nach Art. 6 I 1 MRK im Rahmen der Strafzumessung nicht
hinreichend gewürdigt, ist bereits zweifelhaft, ob dieses Vorbringen im Rahmen der
allgemeinen Sachrüge Berücksichtigung findet.
101
In der obergerichtlichen Rechtssprechung ist anerkannt, dass für die Beanstandung
einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung grundsätzlich die Erhebung einer
Verfahrensrüge erforderlich ist (vgl. BGH . Beschl. vom 17. August 2001 - 2 StR 267/01 -
und 26. April 2002 - 2 StR 55/02; Urt. vom 19. Juni 2002 - 2 StR 43/03).
102
So hat zum Beispiel der 2. Strafsenat des BGH in seiner am 26. Mai 2004 - 2 ARs 33/04
- beschlossenen Antwort auf den Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 13.
November 2003 - 5 StR 376/03 - an dieser Rechtsansicht festgehalten und sie näher
begründet.
103
Auch der 1., 3. und 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes halten im übrigen
grundsätzlich eine Verfahrensrüge für erforderlich, wenn eine rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung geltend gemacht werden soll (1. Strafsenat: Beschluss vom 23.
Juni 2004 - 1 ARs 5/04; 3. Strafsenat: Beschluss vom 12. August 2004 - 3 ARs 5/04; 4.
Strafsenat: Beschluss vom 25. März 2004 - 4 ARs 6/04)
104
Nur im Ausnahmefall ist die Erhebung allein der Sachrüge als Grundlage für die Prüfung
einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ausreichend (vgl. BGH Beschluss
vom 26. Mai 2004 - 2 ARs 33/04), nämlich dann wenn sich aus den Urteilsgründen alles
zur Beurteilung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1
Satz 1 MRK entnehmen lässt und es nur um die Überprüfung der Wertung des
Tatrichters geht.
105
Ausgehend hiervon ergibt sich zwar eine erhebliche Verfahrensverzögerung aufgrund
der Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung durch die Beschlüsse des
Oberlandesgerichts Hamm vom 22.3.2001 und 8.2.2003.
106
Insoweit ist aber anerkannt, dass allein der Umstand, dass ein Urteil auf eine Revision
hin aufgehoben und die Sache neu verhandelt wird,
regelmäßig keine
rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
Verfahrensgestaltung durch die Strafprozessordnung ist, die die Nachprüfung einer
Verurteilung im Rechtsmittelverfahren vorsieht ( so zuletzt noch BGH 3 StR 77/05
Beschluss vom 22.3.2005).
107
Etwas gilt nur, wenn die Zurückweisung Folge erheblicher,
kaum verständlicher
Rechtsfehler
Handlung gleichsteht (BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 S.1 Verfahrensverzögerung 22 )
108
Vorliegend kann es dahingestellt bleiben, ob die Aufhebung des landgerichtlichen
Urteils vom 6.5.2002 durch Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 8.2.2003 die
Folge eines erheblichen, kaum verständlichen Rechtsfehlers ist - die Aufhebung erfolgte
aufgrund nicht rechtzeitigen Eingangs des landgerichtlichen Urteils auf der
Geschäftsstelle innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 S.2 StPO -.
109
Selbst wenn dies anzunehmen wäre, bedarf es einer Aufhebung des Strafausspruchs
gleichwohl aus diesem Grunde nicht, weil die verhängte Rechtsfolge - auch unter
Berücksichtigung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung - im Sinne des §
354 Abs. 1 a Satz 1 StPO angemessen ist.
110
Das Revisionsgericht ist nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO berechtigt die
111
Angemessenheit der letztlich verhängten Rechtsfolge nach Durchführung einer
fehlerhaften Kompensation zum Ausgleich einer Verfahrensverzögerung zu bejahen.
Der Umstand, dass die Herabsetzung der Strafe im Falle einer Verfahrensverzögerung
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NStZ 1997, 591) - mit dem
sonstigen System des Strafzumessungsrechts allerdings nicht übereinstimmend -
ausdrücklich und konkret zu bestimmen ist, ändert nichts daran, dass es sich um einen
Strafzumessungsvorgang handelt, der zu einer angemessenen Rechtsfolge führen soll.
Es ist mit dem Wortlaut des § 354 Abs. 1 a StPO vereinbar und entspricht dem Anliegen
des Gesetzgebers, einen Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung zu leisten (BTDrucks.
15/3482 S. 21), die Vorschrift auch auf Fälle der Kompensierung einer
Verfahrensverzögerung anzuwenden ( BGH 3 StR 39/05, Beschluss vom 17.3.2005).
Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO angesehen
werden kann - was bei einer Angeklagtenrevision im Hinblick auf § 358 Abs. 2 Satz 1
StPO auch dann der Fall ist, wenn der Tatrichter eine unverständlich milde Strafe
verhängt hat - hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des
angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte,
insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände zu
beurteilen.
112
Hier erweist sich die vom Landgericht festgesetzte Einzelstrafen hinsichtlich der
Angeklagten T
Monaten - und
einer daraus gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
die hinsichtlich des
Angeklagten Y
einem Jahr und drei Monaten und einer hieraus gebildeten
Gesamtfreiheitsstrafe von
einem Jahr und sechs Monaten
354 Abs. 1 a StPO, weil sie als Sanktion für einen Betrug mit einem Schaden von über
270.000 bzw. 190.000,- Deutsche Mark, auch unter Berücksichtigung sämtlicher zu
ihren Gunsten zu bedenkenden und vom Landgericht tatsächlich bedachten Umstände
außergewöhnlich milde erscheint. Das gilt auch angesichts einer unterstellten
rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung im Hinblick auf den Beschluss des
Oberlandesgerichts Hamm vom 8.2.2003.
113
e) Der Senat hat aber bei seiner Entscheidung von Amts wegen zu berücksichtigen,
dass das Verfahren
nach Erlass des tatrichterlichen Urteils
unter Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot verzögert worden ist (vgl. BGHR StGB
§ 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 8 = NStZ 1995, 335; BGH StV 1994, 242; 1995, 130
f.; 1996, 537 f. = BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 8; BGH Beschluss v. 5. 7.
1995 – 2 StR 219/94 und 2 StR 220/94 sowie v. 19. 3. 1997 – 2 StR 80/97, BGH NStZ
2001, 52).
114
Die angefochtene Entscheidung ist am 29.12.2003 verkündet worden.
115
Aufgrund verzögerter Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls - die Unterschrift
des Vorsitzenden Richters fehlte zunächst und wurde formwirksam am 27.9.2004
nachgeholt - begann die Revisionsbegründungsfrist erst am 30.9.2004.
116
Die Akten gingen sodann bei der Generalstaatsanwaltschaft erst am 22.11.2004 ein und
wurden dem Senat am 28.4.2005 zugeleitet.
117
Darin liegt eine allein von den Justizbehörden zu vertretende Verletzung des
Beschleunigungsgebotes bei der Zuleitung der Akten gem. § 347 Abs. 2 StPO, die bei
der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten Berücksichtigung finden muss.
118
Der Senat kann die danach gebotene Herabsetzung der verwirkten Strafen
entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft analog § 354 Abs. 1 a S. 2
StPO selbst vornehmen, denn Sinn dieser Regelung ist auch die Beschleunigung des
Verfahrens, der besonderes Gewicht zukommt, wenn es bereits zu rechtsstaatswidrigen
Verzögerungen gekommen ist.
119
Gemäß dem Antrag der Generalsstaatsanwaltschaft reduziert der Senat die bei beiden
Angeklagten festgesetzten Einzelstrafen um jeweils 1 Monat.
120
Es ergeben sich daher folgende Einzelstrafen:
121
aa) für die Angeklagte T
122
1) Betrugstat von März 1997, fünf Monate Freiheitsstrafe
123
2) Betrugstat von April 1997 drei Monate Freiheitsstrafe
124
3) Betrugstat vom 10.6.1997 fünf Monate Freiheitsstrafe
125
4) Betrugstat vom 20.3.1998 fünf Monate Freiheitsstrafe
126
5) Betrugstat vom Dezember1999 zehn Monate Freiheitsstrafe
127
bb) für den Angeklagten Y
128
1) Betrugstat vom 20.3.1998 fünf Monate Freiheitsstrafe
129
2) Betrugstat vom Dezember 1999 ein Jahr zwei Monate Freiheitsstrafe
130
Hieraus hat der Senat unter nochmaliger Berücksichtigung der vom Landgericht
festgestellten für und gegen die Angeklagten sprechende Umstände und unter
Berücksichtigung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hinsichtlich der
Angeklagten T eine Gesamtfreiheitsstrafe
von einem Jahr und zehn Monaten
hinsichtlich des Angeklagten Y eine Freiheitsstrafe
von einem Jahr und fünf Monaten
gebildet.
131
Der Ausspruch über die Strafaussetzung zur Bewährung erfolgt lediglich aus
Klarstellungsgründen. Im übrigen hat auch der Bewährungsauflagenbeschluss des
Landgerichts Essen vom 29.12.2003 weiterhin Bestand.
132
Der geringfügige Erfolg der Revisionen der Angeklagten gibt keinen Anlass bei der
Kostenentscheidung von § 473 Abs. 4 StPO Gebrauch zu machen
133