Urteil des OLG Hamm vom 21.08.2002

OLG Hamm: annahme des antrages, versicherungsschutz, rücktritt vom vertrag, ultra petita, versicherungsbeginn, persönliches interesse, datum, versicherungsnehmer, einweisung, versicherer

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 24/02
Datum:
21.08.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 24/02
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 2 O 165/01
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 8. November 2001
verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.423,56 € nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz aus 18.153,76 € seit dem 7.6.2001 sowie nebst
5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus weiteren 1.269,80 € seit dem
8.11.2001 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Krankenversicherungsvertrag der Parteien
nicht durch den Rücktritt der Beklagten vom 5. Dezember 2000 beendet
ist.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leisten.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch
schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft
eines im Inland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Kreditinstitutes zu
erbringen.
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Krankenversicherung auf Zahlung von
Behandlungskosten, Krankentagegeld sowie Feststellung des Bestehens von
Versicherungsschutz in Anspruch.
2
Am 20.10.2000 beantragte der Kläger die Wiederinkraftsetzung seiner
Krankenvollversicherung einschließlich Krankentagegeld sowie seiner
Pflegeversicherung, ausweislich des vorgenannten Antrages "zum 1.11.2000". Bereits
zuvor war der Kläger bei der Beklagten krankenversichert gewesen; dieser
Versicherungsschutz endete wegen Prämienrückständen im Dezember 1999.
3
Das Antragsformular vom 20.10.2000 wurde in Abwesenheit des Klägers vom Zeugen
G, einem Versicherungsagenten der Beklagten, ausgefüllt und von der Ehefrau des
abwesenden Klägers in dessen Einverständnis unterzeichnet (Bl. 51 f GA).
4
Auf der Rückseite des Antragsformulars heißt es unter dem Stichwort "Erläuterungen
der Signal Krankenversicherung" u.a.: "Ein Vertrag kommt frühestens zustande, wenn
der Vorstand die Annahme des Antrages erklärt oder der Versicherungsschein
ausgehändigt oder angeboten wird."
5
Ferner heißt es in dem Antragsformular wörtlich: " ... Ich verpflichte mich, alle etwaigen
Veränderungen der Antragsangaben und des Gesundheitszustandes der zu
versichernden Personen, die in der Zeit zwischen dem Tag der Antragstellung und dem
Abschluss des Vertrages eintreten, dem Versicherer umgehend schriftlich anzuzeigen
...".
6
Unter dem 14.11.2000 wurde der Kläger notfallmäßig in das B Krankenhaus, F
eingewiesen; am 15.11.2000 wurde ein Hirntumor diagnostiziert.
7
Am 16.11.2000 nahm die Beklagte den Versicherungsantrag "im Rahmen des Antrages,
etwaiger ergänzender Erklärungen sowie der allgemeinen Versicherungsbedingungen"
... an; auf das entsprechende Schreiben vom 16.11.2000 wird Bezug genommen (Bl. 68
GA).
8
Nach Eingang des Kostenübernahmeantrages durch das oben genannte Krankenhaus
der Kläger hatte bei Aufnahme die Beklagte als seinen Versicherer benannt erklärte
die Beklagte wegen der ihr nicht bekannten Erkrankung des Klägers und seiner
stationären Behandlung unter dem 5.12.2000 den Rücktritt vom Vertrag. Zur
Übersendung des Versicherungsscheines und der MBKK/MBKT 94 kam es nachfolgend
nicht mehr.
9
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, für die durch die Tumorerkrankung verursachten
Kosten bestehe Versicherungsschutz; ferner stehe ihm ab dem 12.12.2000 ein
Anspruch auf Krankentagegeld zu. Er hat behauptet, am 14./15.11.2000 den Zeugen G
fernmündlich über seine Einweisung in das Krankenhaus informiert zu haben, als er
sich nach dem Stand der Sache erkundigt habe.
10
Der Kläger hatte ferner mit Schriftsatz vom 29.5.2001 einen Feststellungsantrag, auf
dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 38 GA), anhängig gemacht; dieser Antrag war
der Beklagten unter dem 13.6. 2001 zugestellt worden. Diesen Feststellungsantrag hat
der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug
genommen wird, in der mündlichen Verhandlung vom 8.11.2001 indessen nicht gestellt.
11
Der Kläger hat insoweit beantragt,
12
1.
13
36.376,28 DM nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des
Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit Rechtshängigkeit,
14
15
2.
16
weitere 2.591,62 DM zu zahlen.
17
Die Beklagte hat beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Sie hat ihrerseits die Ansicht vertreten, der Rücktritt sei berechtigterweise erklärt
worden, da der Kläger seiner Nachmeldeobliegenheit nicht nachgekommen sei. Im
übrigen bestehe schon deswegen kein Versicherungsschutz, weil der Vertrag gemäß
der §§ 2 I MBKK/MBKT 94 frühestens mit Annahme des Antrages zustande gekommen
sei, der Versicherungsfall ab dem 14.11.2000 mithin vor Beginn des
Versicherungsschutzes liege.
20
Durch Urteil vom 8.11.2001 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünden keine
Ansprüche auf Erstattung von Krankenkosten sowie Zahlung von Krankentagegeld zu,
da der Versicherungsfall vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sei. Der
Versicherungsschutz beginne gemäß §§ 2 MBKK/MBKT 94 jedoch erst mit der
Annahmeerklärung der Beklagten. Auf diese Regelung habe die Beklagte auf der
Rückseite des Antrages deutlich hingewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf das Urteil vom 8.11.2001 Bezug genommen (Bl. 114 ff GA).
21
Über den Feststellungsantrag des Klägers vom 29.5.2001 hat das Landgericht nicht
entschieden.
22
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Zahlungs- und Feststellungsbegehren weiter.
23
Wegen der Berechnung des Zahlungsantrages wird auf die Klageschrift vom 10.4.2001,
den Schriftsatz vom 5.11.2001 sowie auf den Schriftsatz vom 6.3.2002 Bezug
genommen.
24
Der Kläger vertritt die Ansicht, auf die Regelungen der §§ 2 MBKK/MBKT 94 könne sich
die Beklagte nicht berufen, da diese Versicherungsbedingungen bei Zugang der
Annahmeerklärung nicht vorlagen. Im übrigen liege im Hinblick auf den im Antrag
genannten Versicherungsbeginn und die darauf bezugnehmende Annahmeerklärung
eine vorrangige Individualvereinbarung vor; insoweit sei eine Rückwärtsversicherung
zum 1.11.2000 abgeschlossen worden.
25
Der Rücktritt selbst sei schon deswegen unberechtigt, da – so behauptet der Kläger
26
weiterhin – er den Zeugen G am 14.11. und 15.11.2000 telefonisch über seine
Krankenhauseinweisung und den Verdacht auf Gehirntumor informiert habe.
Der Kläger beantragt,
27
1.
28
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 19.423,56 € nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz aus 18.153,76 € seit dem 7.6.2001 sowie nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz aus weiteren 1.269,80 € seit dem 8.11.2001 zu zahlen;
29
30
2.
31
festzustellen, dass der Krankenversicherungsvertrag zwischen den Parteien nicht
durch Rücktritt der Beklagten vom 5.12.2000 beendet ist.
32
Die Beklagte beantragt,
33
die Berufung zurückzuweisen.
34
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts und behauptet weiterhin, der
Kläger habe seine Nachmeldeobliegenheit verletzt; eine telefonische Unterrichtung des
Zeugen G über die Krankenhauseinweisung sei nicht erfolgt.
35
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
36
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2002 persönlich
angehört. Ferner ist Beweis erhoben worden durch eidliche Vernehmung der Zeugen G
und M sowie durch uneidliche Vernehmung der Zeugin G2. Wegen des Ergebnisses der
Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke vom
12.6.2002 und 21.8.2002 Bezug genommen (Bl. 187, 209 ff GA).
37
Entscheidungsgründe
38
Die Berufung des Klägers ist in vollem Umfang begründet.
39
I.
40
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien geschlossenen
Krankenversicherungsvertrag nach Maßgabe der vereinbarten Tarife ### und ### ein
Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Behandlungs- und Arzneimittelkosten
sowie ein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld für den Zeitraum vom 12.12.2000
bis 31.3.2001 zu.
41
1.
42
Der zwischen den Parteien in Rede stehende Krankenversicherungsvertrag ist
entsprechend dem Antrag des Klägers vom 20.10.2000 mit Wirkung zum 1.11.2000
43
zustande gekommen.
Zwar ist der Krankenversicherungsvertrag erst mit Zugang der Annahmeerklärung der
Beklagten vom 16.11.2000 wirksam geworden. Die Auslegung der Vertragserklärungen
der Parteien ergibt jedoch, dass vorliegend eine Rückwärtsversicherung im Sinne des §
2 I VVG zum 1.11.2000 abgeschlossen worden ist.
44
Der Versicherungsantrag des Klägers vom 20.10.2000 enthält vorgedruckt die
Formulierung, es werde eine Wiederinkraftsetzung der Krankenversicherung beantragt
und handschriftlich dazu den Eintrag "zum 1.11.2000". Damit ist der 1.1.2000 als
gewünschter Vertragsbeginn bezeichnet worden; eine Erklärung dazu, was unter
Vertragsbeginn zu verstehen ist, enthält das Antragsformular jedoch nicht; insoweit
bedarf der Versicherungsantrag der Auslegung.
45
a)
46
Grundsätzlich kann die Angabe des jeweiligen Vertragsbeginns verschiedene
Bedeutung haben. So kann der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für solche
Versicherungsfälle begehren, die nach dem angegebenen Zeitpunkt, aber vor dem
voraussichtlichen Vertragsschluss eintreten. In diesem Fall handelt es sich um eine
Rückwärtsversicherung gemäß § 2 I VVG; das angegebene Datum bezeichnet dabei
den materiellen Versicherungsbeginn. Möglich ist aber auch, dass eine Vorverlegung
des materiellen Versicherungsschutzes nicht gewollt ist, sondern lediglich formell der
Beginn der Versicherungslaufzeit – und damit der Pflicht des Versicherungsnehmers,
Prämien zu zahlen – vorverlegt werden soll; in diesen Fällen bezeichnet das Datum
lediglich den technischen Versicherungsbeginn.
47
b)
48
Im vorliegenden Fall hat der Kläger mit dem eingesetzten Datum des 1.11.2000 im
Sinne einer individuellen Willenserklärung den von ihm gewünschten
Versicherungsbeginn bezeichnet. Die Auslegung dieser Willenserklärung ergibt für die
Beklagte erkennbar, dass der Kläger insoweit ab dem 1.11.2000 materiellen
Versicherungsschutz beantragt hat.
49
So ist bei Beantwortung der Frage, was ein Versicherungsnehmer bei Antragstellung
unter Versicherungsbeginn versteht, vom üblichen Wortsinn und der dem
Erklärungsempfänger erkennbaren Interessenlage des Erklärenden auszugehen. Dabei
wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer unter Versicherungsbeginn regelmäßig
den Beginn des materiellen Versicherungsschutzes verstehen, mit anderen Worten, den
Zeitpunkt, ab dem beide Parteien zur Erbringung der jeweiligen Leistungen verpflichtet
sind. Dies allein entspricht in der Regel auch den Interessen des
Versicherungsnehmers. Dass dieser nämlich ab dem von ihm angegebenen Zeitpunkt
Prämien zahlen will, ohne dafür eine irgendwie geartete Gegenleistung des
Versicherers zu erhalten, ist ein fernliegender Gedanke, sofern dem nicht andere
Vorteile entgegen stehen.
50
Ausnahmsweise kann ein Interesse des Versicherungsnehmers bestehen, den
Vertragsbeginn lediglich technisch vorzuverlegen, ohne dafür schon materiellen
Versicherungsschutz zu erlangen. Ein derartiges Interesse kann sich in der
Krankenversicherung z.B. daraus ergeben, dass Wartezeiten abgekürzt werden können
51
oder der Versicherungsnehmer in eine günstigere Altersgruppe eingestuft wird.
Derartige Ausnahmefälle sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich und können daher für
die Auslegung des Versicherungsantrages vom 20.10.2000 außer Betracht bleiben.
Fehlt jedoch ein besonderes Interesse an einer Vorverlegung allein des technischen
Versicherungsbeginns, ist – so auch hier – davon auszugehen, dass der
Versicherungsnehmer mit dem von ihm als Versicherungsbeginn angegebenen Datum
den materiellen Versicherungsschutz meint und daher auch beantragt ( vgl. für die
Sachversicherung BGH, VersR 82, 841; für die Lebensversicherung BGH, VersR 90,
729). Der mithin auf Abschluss einer Rückwärtsversicherung gerichtete Wille des
Klägers war für die Beklagte auch ohne weiteres erkennbar; hätte sie dem nicht
entsprechen wollen, hätte sie die Annahme des Vertragsangebotes nicht "nach
Maßgabe des Antrages" erklären dürfen, sondern hätte unter Berücksichtigung der
Vorgaben des § 5 VVG eine Abweichung erklären müssen. Dies ist jedoch nicht
geschehen.
2.
52
Entgegen der Ansicht der Beklagten bezeichnet der 1.11.2000 auch nicht wegen der
Regelungen der §§ 2 I MBKK/MBKT lediglich den technischen Versicherungsbeginn.
Zwar bestimmen die vorgenannten Klauseln, dass der materielle Versicherungsschutz
nicht vor Abschluss des Vertrages, insbesondere nicht vor Zugang einer schriftlichen
Annahmeerklärung beginnt. Unstreitig sind aber die MBKK/MBKT bei Antragstellung
dem Kläger bzw. seiner für ihn handelnden Ehefrau nicht übergeben und auch
nachträglich nicht übersandt worden. Da die Beklagte, auch wenn der Kläger bereits
einmal bei ihr versichert war, deren Regelungsinhalt nicht als bekannt voraus setzen
konnte, kann dieser auch keinen Einfluß auf die Auslegung des Antrages gewinnen.
53
3.
54
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich auch aus der Erklärung der
Beklagten zum Vertragsschluss, abgedruckt auf der Rückseite des Antragsformulars,
keine abweichende Beurteilung. Soweit dort darauf hingewiesen wird, der Vertrag
komme erst bei Erklärung der Annahme durch den Vorstand oder Übersendung des
Versicherungsscheines zustande, stellt dieser Hinweis keine Regelung des materiellen
Versicherungsbeginns dar, sondern formuliert lediglich eine ohnehin
selbstverständliche Rechtsfolge.
55
4.
56
Besteht daher materieller Versicherungsschutz ab dem 1.11.2000, ist die Beklagte
verpflichtet, sämtliche ab diesem Zeitpunkt entstandenen Behandlungs- und
Arzneimittelkosten, ebenso das begehrte Krankentagegeld von täglich 150,- DM für die
Zeit vom 12.12.2000 bis 31.3.2001 zu ersetzen. Der Höhe nach ist der zu ersetzende
Betrag zwischen den Parteien unstreitig. Eine Überprüfung durch den Senat hat
insoweit lediglich einen geringfügigen, die Beklagte nicht beschwerenden Rechenfehler
ergeben (ne ultra petita). Da die geltend gemachten Zahlungsansprüche auch nicht
durch Rücktritt der Beklagten entfallen sind (dazu nachfolgend Punkt II. der Gründe), war
dem Kläger mithin der Klagebetrag wie beantragt zuzusprechen.
57
II.
58
Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet; der Krankenversicherungsvertrag ist
nicht durch den Rücktritt der Beklagten vom 5.12.2000 beendet worden.
59
1.
60
Der Senat hält eine Entscheidung über den bisher vom Landgericht nicht beschiedenen
Feststellungsantrag für sachdienlich; § 540 ZPO.
61
Zwar fehlte dem Landgericht, da der mit Schriftsatz vom 29.5.2001 anhängig gemachte
Feststellungsantrag ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung vom
8.11.2001 nicht gestellt worden ist, insoweit die Befugnis zur Sachentscheidung (§§
165, 308 ZPO). Das Landgericht hat jedoch verfahrensfehlerhaft, da der Antrag aufgrund
wirksamer Zustellung rechtshängig war, in der Sache ein Teilurteil erlassen. Ein solches
darf aber nur ergehen, wenn es durch das über den Rest ergehende Schlussurteil nicht
mehr berührt werden kann; d.h., wenn die Entscheidung über den Teil unabhängig
davon ist, wie der Streit über den Rest ausgeht, wenn also die Gefahr widersprechender
Entscheidungen ausgeschlossen ist (BGHZ 20, 311; 107, 242). Dies aber war
hinsichtlich des beschiedenen Zahlungs- und des nicht beschiedenen
Feststellungsantrages ersichtlich nicht der Fall.
62
Von einer Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO hat der Senat indessen abgesehen und
statt dessen, was im vorliegenden Fall – um den diesbezüglichen Verfahrensfehler
auszuräumen - zweckmäßig erschien, den beim Landgericht anhängig gebliebenen
Feststellungsantrag an sich gezogen und über ihn entschieden (vgl. auch BGH, NJW
1960, 339 f.).
63
2.
64
Der mit Schreiben vom 5.12.2000 erklärte Rücktritt der Beklagten wegen Verletzung
einer Nachmeldeobliegenheit des Klägers ist unbegründet.
65
Ob der Kläger entsprechend dem Wortlaut des Antragsformulars im Sinne einer
Nachmeldeobliegenheit verpflichtet war, seine stationäre Einweisung und den
bestehenden Krankheitsverdacht bzw. die am 15.11.2000 diagnostizierte Krankheit der
Beklagten vor Vertragsannahme mitzuteilen, begegnet nach Auffassung des Senates
nicht unerheblichen Zweifeln. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der
Lebensversicherung eine Nachmeldeobliegenheit auch in der Rückwärtsversicherung
bejaht (BGH VersR 90, 729). Dies betraf aber einen gefahrerhöhenden Umstand, der
nicht zugleich einen Versicherungsfall darstellte. Jedenfalls in der Literatur wird eine
vorvertragliche Anzeigeobliegenheit für einen eingetretenen Versicherungsfall mit der
zumindest für den rückwärts gerichteten Teil der (zu schließenden) Versicherung
überzeugenden Überlegung abgelehnt, dass es anderenfalls der Versicherer in der
Hand habe, den Vertrag nur dann zu schließen, wenn er mangels Schadeneintritts für
den VN sinnlos wäre und im übrigen Prämien ohne Gegenleistung zu kassieren
(Römer-Langheid § 2 VVG, Rn 8; weitere Nachweise bei Baumann, BK zum VVG, § 2,
Rn 64). Wenn man dagegen eine Nachmeldeobliegenheit jedenfalls für den Fall
bejahen wollte, dass in dem Versicherungsfall zugleich ein gefahrerhöhender Umstand
liegt, spricht vieles dafür, dass der Versicherer jedenfalls für den eingetretenen
Versicherungsfall eintrittspflichtig bleibt, weil andernfalls die Rückwärtsversicherung
keinen Sinn hätte (so Baumann aaO Rn 67). Welche Folgen das für gedehnte
Versicherungsfälle hat und ob, wenn eine anderweitige Versicherung des Risikos, wie
66
im Streitfall, nahezu ausgeschlossen erscheint, nicht auch der Rücktritt ausgeschlossen
sein muß, ist bislang ungeklärt. Auch der Senat braucht das nicht zu vertiefen. Denn die
insoweit beweisbelastete Beklagte hat den Beweis, dass der Kläger seine
diesbezügliche etwaige Meldeobliegenheit verletzt hat, jedenfalls nicht zu erbringen
vermocht. Nach Auffassung des Senates würde insoweit trotz der nach dem Antrag
erforderlichen schriftlichen Mitteilung eine hier in Rede stehende telefonische
Information des Agenten genügen, zumindest würde das für einen Rücktritt erforderliche
Verschulden entfallen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vermag der Senat nicht zu entscheiden,
welche Zeugenbekundung der Wahrheit entspricht. So hat der Zeuge G bekundet, er
habe zwar am 14./15.11.2000 mit dem Kläger telefoniert; dieser habe jedoch lediglich
danach gefragt, wann mit dem Eingang des Versicherungsscheines zu rechnen sei; von
einer Krankenhauseinweisung und einer Tumorerkrankung sei nicht die Rede gewesen.
Er selbst habe erst durch den Kostenübernahmeantrag des Krankenhauses von der
Einweisung und Erkrankung des Klägers erfahren. Demgegenüber hat die Zeugin M
bekundet, der Kläger habe sich noch am Tag der Einweisung, insbesondere auch vor
dem Hintergrund, dass seitens des Krankenhauses der Versicherungsschutz
nachgefragt wurde, mit dem Zeugen G telefonisch in Verbindung gesetzt und nach der
Versicherungspolice gefragt. Dabei habe er auch betont, die Angelegenheit sei
nunmehr wichtig, da er ins Krankenhaus eingewiesen sei und der Verdacht einer
Gehirnentzündung oder eines Tumors bestehe. Der Zeuge G habe dazu erklärt, der
Kläger möge sich jetzt keine Sorgen machen.
67
Beide Zeugenbekundungen sind für sich genommen plausibel. Sie erklären beide die
getätigten Anrufe jeweils stringent. Beide Zeugen haben den vermeintlichen
Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen nach eindringlichem Vorhalt durch den Senat mit dem
Eid bekräftigt. Der Senat verkennt auch nicht, dass beide Zeugen ein Eigeninteresse am
Ausgang des Verfahrens haben: So handelt es sich bei der Zeugin M um die
Lebensgefährtin des Klägers, der als solcher naturgemäß ein persönliches Interesse
nicht abgesprochen werden kann. Dasselbe gilt aber auch für den Zeugen G, der eine
Hauptagentur der Beklagten betreibt. Ist ihm die schwere Erkrankung des Klägers
mitgeteilt worden, hat er das aber bei seinen Bemühungen um einen schnellen
Vertragsschluß nicht an die Beklagte weitergeleitet, hätte er sich dieser gegenüber einer
schweren Verfehlung schuldig gemacht. Dies kann bei der Würdigung seiner Aussage
nicht unberücksichtigt bleiben.
68
Welcher der beiden Zeugen mit seiner Version der Telefonate vom 14./15.11.2000 die
Wahrheit bekundet hat und welcher der Zeugen (ein Irrtum scheidet nach Lage der
Dinge aus) einen Meineid geleistet hat, ist weder anhand des Inhaltes der Aussagen
noch anhand des persönlichen Eindruckes, den die Zeugen hinterlassen haben, zu
entscheiden. Diese Nichterweislichkeit geht zu Lasten der Beklagten.
69
III.
70
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 I, 284 I S.2 , 288 I BGB.
71
IV.
72
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
73
V.
74
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst; § 543 I ZPO.
75