Urteil des OLG Hamm vom 04.07.2002

OLG Hamm: stoff, datum

Oberlandesgericht Hamm, 23 W 203/02
Datum:
04.07.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
23 W 203/02
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 12 O 96/02
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Verfügungsklägerin nach
einem Gegenstandswert von 379,00 EUR zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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Der als "Erinnerung" bezeichnete Rechtsbehelf der Verfügungsklägerin ist als sofortige
Beschwerde zulässig (§§ 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG), aber unbegründet.
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Die Rechtspflegerin hat für die Tätigkeit des Prozeßbevollmächtigten der
Verfügungsklägerin im Kammertermin vom 15. März 2002 zu Recht lediglich eine 5/10-
Verhandlungsgebühr nach § 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO für eine nicht streitige Verhandlung
und keine 10/10-Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO angesetzt.
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Eine Erörterung i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO setzt ein Rechtsgespräch über streitige,
den Prozeßstoff betreffende Fragen voraus, das zwischen den Parteien bzw. zwischen
diesen und dem Gericht geführt werden kann (s. Senatsbeschlüsse vom 07.03.1996 - 23
W 79/96 - in JurBüro 1997, 139, 140 und vom 28.09.1995 - 23 W 43/95 - in JurBüro
1996, 249; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Anm. 3.1 zum Stichwort
"Erörterungsgebühr"). Dabei kann es im Einzelfall zwar ausreichen, daß eine Erörterung
allein zwischen dem Gericht und einer Partei stattfindet, ohne daß sich die andere Partei
beteiligt. Es ist jedoch der von der Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluß
vertretenen Ansicht beizupflichten, daß der Prozeßbevollmächtigte einer Partei keine
Erörterungsgebühr verdienen kann, wenn die andere Partei in einem Anwaltsprozeß
entgegen § 78 ZPO nicht durch einen bei dem jeweiligen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt vertreten ist. Eine Besprechung der Angelegenheit zwischen dem Gericht
und dem erschienenen Prozeßbevollmächtigten, eventuell unter Einbeziehung der
lediglich persönlich vertretenen anderen Partei, stellt in einem Anwaltsprozeß keine
Erörterung i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO dar.
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Durch die Einfügung der Erörterungsgebühr als zusätzlichen Gebührentatbestand in die
BRAGO sollten Unbilligkeiten ausgeräumt werden, die sich aus der engen Fassung der
Verhandlungsgebühr in § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO dadurch ergaben, daß diese erst
durch eine Antragstellung im Termin ausgelöst wird. Für den Fall, daß bereits ein
streitiges Rechtsgespräch stattgefunden hat und eine Antragstellung etwa wegen eines
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Vergleichsschlusses unterblieben ist, sollte durch die Erörterungsgebühr ein Ausgleich
gebührenrechtlicher Art für eine Prozeßlage geschaffen werden, die ansonsten erst bei
einer Antragstellung in der mündlichen Verhandlung entstanden wäre
(Göttlich/Mümmler, a.a.O.; von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO,
15. Aufl., Rdn. 147). Aus diesem subsidiären Charakter der Erörterungsgebühr folgt, daß
sie ebenso wie eine 10/10-Verhandlungsgebühr für eine streitige Verhandlung nicht
entstehen kann, wenn eine Partei im Termin nicht ordnungsgemäß vertreten ist (von
Eicken, a.a.O., Rdn. 156; Gebauer in Anwaltkommentar, BRAGO, § 31 Rdn. 293 f.;
Göttlich/Mümmler, a.a.O., Anm. 5.1 zum Stichwort "Erörterungsgebühr"). In einem
solchen Fall ist von vornherein klar, daß das Verfahren nur einseitig durchgeführt
werden kann, so daß nur eine 5/10-Verhandlungsgebühr nach § 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO
und keine volle Verhandlungsgebühr entstehen kann, an deren Stelle im Falle einer
unterbliebenen Antragstellung eine Erörterungsgebühr treten könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des
Beschwerdewertes, der dem Abänderungsbegehren der Verfügungsklägerin entspricht,
beruht auf §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
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