Urteil des OLG Hamm vom 30.10.2007

OLG Hamm: beweisverfahren, peremptorische einrede, firma, unterbrechung der frist, ablauf der frist, verjährungsfrist, persönliche erfüllung, mandat, hinweispflicht, zugehör

Oberlandesgericht Hamm, 28 U 46/07
Datum:
30.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
28. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 U 46/07
Vorinstanz:
Landgericht Paderborn, 4 O 511/06
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 07. Februar 2007 verkündete
Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn wird zurückge-
wiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e
1
A.
2
Wegen der Anträge der Parteien und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die
Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, die nachfolgend mit den
notwendigen Änderungen und Ergänzungen dargestellt sind (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
3
Die Klägerin nimmt die Beklagte, die mit der Verfolgung von Sachmängelansprüchen
am Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentumsanlage N-Weg in Q beauftragt
worden war und durch ihren das Mandat betreuenden Sozius E2 das selbständige
Beweisverfahren 58 H 1/03 Amtsgericht Paderborn gegen mehrere am Bauvorhaben
beteiligte Unternehmer und die planenden und bauaufsichtsführenden Architekten
eingeleitet hat, mit dem Vorwurf auf Schadensersatz in Anspruch, der Sozius E2 der
Beklagten habe es versäumt, eine eingetretene Verjährung der Ansprüche zu
verhindern.
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Die Mitglieder der Klägerin haben im Jahre 1997 von der Bauträgerin Wicker & J GmbH,
die auch die baugleiche Anlage N2 errichtet hatte, Wohnungseigentum in der Anlage N-
Weg in Q erworben. Die inhaltlich im Wesentlichen gleichlautenden – Kaufverträge
hatte der Anwaltsnotar Dr. T2 in Q beurkundet. Gemäß Ziff. 5.2. Abs. 3 ( Abs. 5 der
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hatte der Anwaltsnotar Dr. T2 in Q beurkundet. Gemäß Ziff. 5.2. Abs. 3 ( Abs. 5 der
Verträge hatte die Bauträgerin die Wahl, ihre mit der Abnahme des Bauvorhabens
beginnende, fünfjährige Gewährleistungspflicht dadurch zu erfüllen, dass sie entweder
selbst nachbesserte oder ihre Gewährleistungsansprüche gegenüber den
Bauhandwerkern an den (jeweiligen) Käufer abtrat, "der die Abtretung hiermit annimmt".
Nach der am 01. November 1997 erfolgten Endabnahme zeigten sich erhebliche
Baumängel an dem Gemeinschaftseigentum beider Wohnanlagen. Die
Gewährleistungsansprüche beider Eigentümergemeinschaften wurden zunächst von
Rechtsanwalt Dr. T2 unter Hinweis auf eine in den Kaufverträgen erfolgte Abtretung
durch die Bauträgerin gegenüber den Bauhandwerkern geltend gemacht. Als
Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und Rechtsanwalt Dr. T2 auftraten und sich
Bedenken wegen seiner notariellen Vorbefassung ergaben, beauftragte die Klägerin die
Beklagte mit der (weiteren) Wahrnehmung ihrer Interessen.
Der Sozius E2 der Beklagten reichte - mit dem Hinweis auf eine in den Kaufverträgen
erfolgte Abtretung der Ansprüche der Bauträgerin an die jeweiligen Erwerber - unter
dem 24. September 2001 (Bl. 1 BA 1) beim Amtsgericht Paderborn einen Antrag auf
Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Firma T GmbH als
planende und bauaufsichtsführende Architektin und die an der Ausführung des
Bauvorhabens beteiligten Handwerker, ua. die Firma D. KG (Bl. 11 BA 1) ein. Für diese
meldeten sich im Dezember 2001 (Bl. 30 BA 1) die Rechtsanwälte V2 pp., die
unzureichend substanziierten Vortrag in der Formulierung " als
gewährleistungspflichtiger Bauhandwerker komme die Firma D hinsichtlich des
Mangels zu Ziff. I,4 in Betracht", sowie fehlende Glaubhaftmachung rügten. Unter dem
22. Oktober 2002 erstattete der Sachverständige Dipl.Ing. I ein schriftliches Gutachten,
zu dem die Rechtsanwälte V2 pp. mit Schriftsatz vom 19. November 2002 im Einzelnen
zu den die Firma D betreffenden Mangelfeststellungen vortrugen und unter dem
29. Januar 2003 eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zu Ziff. 3 b
seines Gutachtens beantragten. Wegen des Todes des Sachverständigen wurde mit
dem Ergänzungsgutachten der Sachverständige Dipl.Ing. M beauftragt, der unter dem
16. Januar 2004 sein schriftliches Gutachten erstattete.
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In der Eigentümerversammlung vom 23. Februar 2005 (Anl. 6b) entschloss sich die
Klägerin, der Beklagten das Mandat zu entziehen, weil ihr Sozius E2 trotz mehrfacher
Aufforderung bislang nichts unternommen habe, und ihre jetzigen
Prozessbevollmächtigten mit der Verfolgung ihrer Ansprüche zu beauftragen. Mit
Schreiben ihres Sozius Rechtsanwalt S vom 07. März 2005 (Anl. 7) zeigten die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin deren Interessenvertretung gegenüber der
Beklagten an und baten um Übersendung der Handakten in dieser Angelegenheiten.
Unter dem 02. Dezember 2005 reichte Rechtsanwalt S auf der Grundlage der von der
Klägerin wegen fortschreitender Baumängel privat eingeholten Gutachten des
Sachverständigen Dipl.Ing. H2 vom 23. August (Anl. 4a BA2) und 01. September 2005
(Anl. 8) Klage gegen die Firma D. KG ein. Zum Nachweis der "erfolgten" Abtretung der
Gewährleistungsansprüche der Bauträgerin an die jeweiligen Erwerber und Mitglieder
der Klägerin bezog er sich auf die beigefügte Kopie des notariellen Kaufvertrages
zwischen der Bauträgerin und den Eheleuten N (Anl. 1 BA2). In ihrer Klageerwiderung
vom 27. Januar 2006 (BA2) rügten Rechtsanwälte V. als Prozessbevollmächtigte der
Firma D. KG nunmehr erstmals die Anspruchsberechtigung der Klägerin, weil deren
Mitgliedern die der Bauträgerin zustehenden Gewährleistungsansprüche im Kaufvertrag
noch nicht abgetreten worden seien, und beriefen sich auf eine Verjährung etwaiger
Ansprüche. Durch am 07. April 2006 zugestelltes Urteil vom 23. März 2006 (Bl. 57 BA2)
wies das Landgericht die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerin ab. Unter den
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21. April 2006 verkündete die Klägerin der Beklagten den Streit. Die Zustellung der
Streitverkündung an die Beklagte erfolgte am 26. April 2006.
Mit Schreiben vom 08. Mai 2006 meldeten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin
schließlich gegenüber der Beklagten Regressansprüche an. Diese wurden mit
Schreiben der Berufshaftpflichtversicherung der Beklagten, der B VersicherungsAG,
vom 05. September 2006 (Anl. 15) unter Berufung auf eine eingetretene Verjährung
zurückgewiesen. Am 17. Oktober 2006 ging dann die Klageschrift im vorliegenden
Regressverfahren ein.
8
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Sozius E2 der Beklagten hätte es pflichtwidrig
unterlassen, sie vor einem Verlust begründeter Gewährleistungsansprüche zu schützen.
Er hätte weder dafür Sorge getragen, dass ihr die primär nur der Bauträgerin gegen die
Bauhandwerker und Architekten aufgrund der in Erscheinung getretenen Mängel
erwachsenen Gewährleistungsansprüche zur eigenen Rechtsverfolgung wirksam
abgetreten worden sind, noch die ihr gegenüber der Bauträgerin aus eigenem Recht
erwachsenen Gewährleistungsansprüche in unverjährter Zeit geltend gemacht, weshalb
gegen diese insbesondere auch in Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Löschung
der GmbH keine von ihr zu erfüllende Gewährleistungshaftung mehr durchzusetzen sei
und zwar auch nicht durch Zugriff (= Pfändung nach Titulierung) auf die bis zum
1. November 2007 noch nicht verjährten Ansprüche der Bauträgerfirma gegen den
Architekten, deren Verjährungsfrist erst mit Ablauf der Gewährleistungsansprüche
gegenüber den Bauhandwerkern (= fünf Jahre ab Bauabnahme) angelaufen sei. Wenn
der Sozius E2 der Beklagten ihre, der Klägerin, Anspruchsberechtigung zutreffend
geprüft hätte, dann wäre entweder die Bauträgerin rechtzeitig in Anspruch genommen
oder deren Gewährleistungsansprüche gegen die Bauhandwerker und Architekten an
sie abgetreten worden. Danach hätten die Gewährleistungsansprüche aufgrund der
durch das Beweisverfahren erfolgten Unterbrechung ihrer Verjährung erfolgreich
durchgesetzt werden können. Den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden
habe nunmehr die Beklagte zu ersetzen. Dieser bestehe in den vergeblich
aufgewandten Kosten des Beweissicherungsverfahrens und des Vorprozesses gegen
die Firma D. KG, sowie den nicht durchzusetzenden Kosten für die Beseitigung der
Mängel. Den Schaden hat die Klägerin im Einzelnen mit 40.200,34 € beziffert und
zusammen mit der nicht erstattungsfähigen hälftigen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2004
VV RVG in Höhe von 757,60 € geltend gemacht.
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Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat sich darauf berufen, ihr
Sozius E2 habe niemals Veranlassung gehabt, an der Richtigkeit seiner Auffassung zu
zweifeln, die Bauträgerin habe ihre Gewährleistungsansprüche aus dem Bauvorhaben
gegen die Bauhandwerker und die Architekten bereits in den notariellen Verträgen an
die Erwerber abgetreten. Vielmehr habe sich der die Kaufverträge beurkundende Notar,
welcher zum einen für die Eigentümer der baugleichen Wohnanlage N2 auf der
Grundlage der von ihm formulierten Verträge gegenüber denselben Bauhandwerkern
ebenfalls ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet hatte, und zum anderen die
Bauträgerin als Bauherrin gegenüber einer von der an der Bauausführung beteiligten
Firma M2 geltend gemachten Restwerklohnforderung vertrat, noch vor Einreichung des
Beweisantrages mit Schreiben vom 15. März 2001 (Bl. 29) an ihren Sozius E2 gewandt
und unter Hinweis auf die bereits in den Kaufverträgen an die Erwerber abgetretenen
Gewährleistungsansprüche um deren Rückabtretung zum Zwecke der Aufrechnung
gegen die Werklohnforderung gebeten. Auch im Beweisverfahren sei die
Anspruchsberechtigung der Klägerin mit keinem Wort in Frage gestellt worden. Auch die
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Prozessbevollmächtigten der Klägerin seien bei Einreichung der Klage ja von deren
Anspruchsberechtigung ausgegangen. Erstmals im Klageverfahren habe dann die
Firma D. KG in Widerspruch zu ihrer rügelosen Einlassung im Beweisverfahren die
Anspruchsberechtigung der Klägerin bezweifelt. Im Übrigen seien die vermeintlichen
Schadensersatzansprüche der Klägerin auch seit dem 01. November 2005 verjährt. Auf
die Verletzung eines Sekundäranspruchs könne sich die Klägerin nicht berufen, da für
den Sozius E2 der Beklagten kein begründeter Anlass bestanden hätte, eine
Pflichtverletzung in Erwägung zu ziehen und deshalb auf die Möglichkeit eines
Regressanspruchs und seine kurze Verjährung hinzuweisen. Ferner hat die Beklagte
vorsorglich Grund und Höhe der geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten von
34.144,82 € bestritten, soweit diese die im Beweisverfahren festgestellten Mängel und
Nachbesserungskosten überstiegen. Schließlich hat sie bezweifelt, dass gegen die
Bauträgerin Ansprüche hätten durchgesetzt werden können, weil diese spätestens im
Zeitpunkt der Beendigung des Beweissicherungsverfahrens, zu dem frühestens eine
Klage hätte eingereicht werden können, nicht mehr operativ tätig und zahlungsunfähig
gewesen sei.
Die Klägerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass eine Sekundärhaftung
der Beklagten eingreife. Bei Erhebung der Klage hätte geprüft werden müssen, ob die
rechtlichen Voraussetzungen des Klageanspruchs gegeben gewesen seien. Dabei
hätte der Sozius E2 der Beklagten erkennen müssen, dass die Anspruchsberechtigung
gefehlt habe und aus diesem Grunde durch das Beweisverfahren keine
Unterbrechung/Hemmung der Verjährung eingetreten sei, weshalb ansonsten
begründete Ansprüche nicht mehr durchsetzbar gewesen wären.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Primärverjährung des
Regressanspruchs habe mit der Verjährung der Gewährleistungsansprüche begonnen,
die wiederum mit der Endabnahme des Bauvorhabens am 01. November 1997
begonnen und mit Ablauf des 01. November 2002 mangels vorheriger
Unterbrechung/Hemmung der Verjährungsfrist vollendet gewesen sei. Damit sei die
Primärverjährung mit Ablauf des 01. November 2005 und schon vor Anmeldung der
Regressansprüche eingetreten. Es habe für die Beklagte vor dem Ablauf der
Primärverjährung auch kein begründeter Anlass zur Prüfung einer Pflichtverletzung
bestanden, der sie zum Hinweis auf einen möglichen Regressanspruch verpflichtet
hätte. Gegenüber dem Zeitpunkt der Einreichung des Beweissicherungsantrages hätten
sich keine Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen ergeben. Da keine
Verletzung eines solchen Sekundäranspruchs erfolgt sei, könne sich die Beklagte auf
den Eintritt der Primärverjährung berufen.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr
erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt. Unter Ergänzung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens macht sie weiterhin geltend, dass die Beklagte die ihr
obliegende sekundäre Hinweispflicht verletzt hätte und sich deshalb nicht auf die
Primärverjährung berufen könne. Sie meint, dass der Sozius E2 der Beklagten zur
Vorbereitung der Klage verpflichtet gewesen wäre, ihre, der Klägerin,
Anspruchsberechtigung zu prüfen. Dabei hätte er erkennen müssen, dass diese nicht
vorgelegen habe und deshalb berechtigte Gewährleistungsansprüche gegen die
Bauhandwerker und Architekten zwischenzeitlich verjährt seien.
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Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das
angefochtene Urteil. Sie meint, dass nach der bei der Einleitung des Beweisverfahrens
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erfolgten Prüfung der Anspruchsberechtigung der Klägerin angesichts des weiterhin
bestehenden und nun fortzusetzenden Mandates für die Erhebung der Klage keine
erneute Prüfung der bereits beantworteten Rechtsfrage mehr habe erfolgen müssen. Ihr
Sozius E2 habe weiterhin von der Richtigkeit seiner rechtlichen Beurteilung ausgehen
dürfen. Das Beweisverfahren habe lediglich der Feststellung der Mängel an dem
Bauvorhaben, der Klärung der Verantwortlichkeit der einzelnen Handwerker für die
Mängel, sowie der Höhe der Mängelbeseitigungskosten gedient.
Die Akten 58 H 1/03 Amtsgericht Paderborn und 4 O 592/05 Landgericht Paderborn
lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Der Senat hat die
Parteien angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und des Inhaltes der während
der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweise wird auf den Berichterstattervermerk
zum Verhandlungstermin verwiesen.
15
B.
16
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Sie kann von der Beklagten
gemäß den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung, die gemäß Art. 229 § 5 S. 1
EGBGB auf das im Jahre 2001 erteilte Mandat noch anzuwenden sind, keine Zahlung
von 40.200,34 € beanspruchen. Der Sozius E2 der Beklagten, dessen Verhalten der
Beklagten gemäß § 128 HGB zuzurechnen ist, hat zwar ihm aufgrund des
übernommenen Mandates obliegende Pflichten verletzt (I.), wodurch der Klägerin
zustehende Nachbesserungsansprüche wegen der Mängel am Gemeinschaftseigentum
nicht mehr durchsetzbar sind (II.). Die daraus entstandenen Regressansprüche sind
jedoch verjährt (III.).
17
I. Der Sozius E2 der Beklagten hat ihm aufgrund des übernommenen Mandates
obliegende Pflichten verletzt, weil er zum einen im Rahmen der ihm obliegenden
Rechtsprüfung verkannt hat, dass die Klägerin nicht befugt war, im eigenen Namen die
am Gemeinschaftseigentum aufgetretenen Mängel gegenüber den Bauhandwerkern
und die planenden und bauaufsichtsführenden Architekten geltend zu machen, und es
aus diesem Grunde zum anderen unterlassen hat, diese Ansprüche vor einer
zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung zu schützen.
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1. Die Klägerin hat die Beklagte beauftragt, die ihr aufgrund von Mängeln an dem
Gemeinschaftseigentum der Wohnanlage N-Weg in der Person ihrer Mitglieder
erwachsenen Gewährleistungsansprüche zu verfolgen und diesbezüglich einen mit
Rücksicht auf die bei der baugleichen Wohnanlage N2 aufgetretenen Probleme von
vornherein ins Auge gefassten Rechtsstreit vorzubereiten und dann für sie zu führen.
Insoweit lag kein allein auf die Prozessführung in einem bereits rechtshängigen
Rechtsstreit beschränktes Mandat vor, sondern der Sozius E2 der Beklagten hatte
umfassend die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Realisierung der Ansprüche zu
prüfen, die dazu erforderlichen Maßnahmen vorzuschlagen und nach entsprechender
Entscheidung der Klägerin zu veranlassen. Im Rahmen dieses unbeschränkten, von
vornherein auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hinauslaufenden Mandates hatte
die Beklagte durch ihren Sozius E2 die Interessen der Klägerin nach jeder Richtung und
umfassend wahrzunehmen (BGH in NJW 2006, 3494 [3495 sub Rdn. 9]; NJW-RR 2000,
791 ff.; NJW 1998, 900 [901]; NJW 1988, 486 [487]; NJW 1988, 1079 [1080]; vgl. auch
Borgmann in NJW 2000, 2953 [2955]; Fahrendorf in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, "Die
Haftung des Rechtsanwalts", 7. Aufl. 2005, Rdn. 405). Deshalb war der Sozius E2 der
Beklagten verpflichtet, die Klägerin vor Nachteilen zu bewahren, soweit solche – wenn
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auch nur für einen Rechtskundigen voraussehbar und vermeidbar waren (vgl.
Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 535 m.w.N.; BGH in NJW 2006, 3494 [3495 sub Rdn. 9]). Bei
zweifelhafter Sach und Rechtslage hatte er dabei zu bedenken, dass im Streitfall das
zur Entscheidung berufene Gericht sich der für die Klägerin nachteiligen Auffassung
anschließen konnte. Aus diesem Grunde oblag es ihm, den zur erfolgreichen
Wahrnehmung der Interessen der Klägerin sichersten Weg zu beschreiten (Fahrendorf,
a.a.O., std. Rechtsprechung BGH a.a.O.).
2. Diese Grundsätze hat der Sozius E2 der Beklagten nicht bedacht, als er für die
Klägerin etwa vier Jahre nach der die fünfjährige Verjährungsfrist der
Gewährleistungsverpflichtungen sowohl der Bauträgerin als auch der Bauhandwerker
auslösenden Endabnahme des Bauvorhabens am 01. November 1997 im September
2004 das selbständige Beweisverfahren gegen die Bauhandwerker und die mit der
Planung und Bauaufsicht der Wohnanlage beauftragten Architekten eingeleitet hatte.
Dieser Weg versprach nur dann eine sichere und erfolgreiche Realisierung der
Gewährleistungsansprüche wegen der am Gemeinschaftseigentum in Erscheinung
getretenen Mängel, wenn die Klägerin Inhaberin dieser Ansprüche war. Anderenfalls
drohte aus zwei Gründen ein Verlust der Gewährleistungsansprüche: Einerseits konnte
die Klägerin nur als Anspruchsberechtigte (vgl. Palandt-Putzo, 61. Aufl., BGB § 477
Rdn. 15) gegen die wegen der Mängel gemäß §§ 633 ff. BGB a.F.
gewährleistungspflichtigen Bauhandwerker und Architekten ein gemäß Art. 229 § 6
Abs. 1 EGBGB, §§ 639 Abs. 1, 477 Abs. 2, 217 BGB a.F. die Verjährung der
Gewährleistungansprüche zunächst unterbrechendes, mit Wirkung ab dem 01. Januar
2002 die Verjährung dann bis zu der nach Abschluss des Verfahrens neu beginnenden
vollen fünfjährigen Verjährungsfrist (vgl. dazu OLG Düsseldorf in NJOZ 2006, 3202
[3203 zu 3.b.cc.]) noch hemmendes Beweisverfahren einleiten und sie nach dessen
Abschluss aufgrund des Ergebnisses dieser vorgezogenen Beweisaufnahme verklagen.
Andererseits hinderte ein nur gegen die Bauhandwerker und die Architekten
eingeleitetes Beweisverfahren nicht die Verjährung der Gewährleistungsansprüche
gegen die Bauträgerin, die nach Ablauf der Frist eine Erfüllung ihrer
Gewährleistungsverpflichtungen gemäß § 214 Abs. 1 BGB n.F./§ 222 Abs. 1 BGB a.F.
verweigern konnte. Insoweit musste der Sozius E2 der Beklagten das Dilemma
verhüten, dass die Klägerin einerseits mangels eigener werkvertraglicher Forderungen
die Bauhandwerker und die Architekten ohne eine Abtretung der werkvertraglichen
Ansprüche ihrer Bauträgerin als Bestellerin der Werkleistungen nicht erfolgreich in
Anspruch nehmen konnte und andererseits die ihr aus den Kaufverträgen verpflichtete
Bauträgerin bis zum Ablauf der Verjährungsfrist tatsächlich nicht in Anspruch nahm.
Dem ist der Sozius E2 der Beklagten nicht gerecht geworden.
20
a. Die für eine eigene Rechtsverfolgung der Klägerin erforderliche Abtretung war
entgegen seiner Auffassung nicht bereits im Rahmen der mit der Bauträgerin
abgeschlossenen Kaufverträge in der Gewährleistungsregelung der Ziff. 5.2. vereinbart
worden.
21
aa. Der Wortlaut des Vertragstextes enthielt insoweit keine eindeutige, keiner
Auslegung bedürftige (vgl. insoweit BGH in NJW-RR 2004, 628 [629 zu II.2.a.];
VIZ 2003, 241 [242; 243]; NJW 2002, 1260 [2161]) Abtretungsvereinbarung. Dass die
Vertragsparteien im Zeitpunkt der Beurkundung etwa ausdrücklich übereinstimmend
eine Abtretung sämtlicher Gewährleistungsansprüche gewollt hatten, und dieser Wille
nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" selbst dann maßgebend wäre,
wenn er in der Urkunde keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat
22
(vgl. Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., BGB § 133 Rdn. 8; BGHZ 113,251 [258 ff.] = NJW
1991, 1604 ff.; BGH in NJW 1998, 746 [747]; BGH in NJW 2002, 1038 [1039]; BGH in
NJW 2002, 888 [891]; NJW 2003, 3692 [zu II.1.]; NJW 2003, 2748 [2750 zu 2.b.] BeckRS
2007 12109 [Rdn. 13]), wird von der Beklagten schon weder behauptet, noch unter
Beweis gestellt. Es wäre auch eher ungewöhnlich, wenn der rechtskundige Notar einen
solchen übereinstimmenden Willen nicht unmissverständlich in der Vertragsurkunde
aufgenommen hätte. Hat der Notar aber lediglich den Text des für eine Mehrzahl von
Veräußerungen vorformulierten und deshalb auch gemäß den §§ 305 ff. BGB zu
beurteilenden Vertrages (vgl. Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., BGB § 305 Rdn. 14, 17)
vorgelesen, so ist der Inhalt der Gewährleistungsklausel gemäß den allgemeinen
Auslegungsregeln objektiv zu ermitteln. Führt dies zu keinem eindeutigen Ergebnis,
dann wäre die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB anzuwenden (Palandt-
Heinrichs, 66. Aufl., BGB § 305 Rdn. 18).
Das Landgericht Paderborn hat in dem Rechtsstreit 4 O 592/05 zutreffend entschieden,
dass der Vertrag bei objektiver Auslegung der Klausel keine bereits vollzogene
Abtretung der Gewährleistungsansprüche der Bauträgerin an die einzelnen Käufer
enthält und auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Annahme, die
Urkundsbeteiligten seien von einer anderen Einschätzung ausgegangen, gegeben sind.
Dem schließt sich der Senat in vollem Umfang an. Es machte keinen Sinn, der
Bauträgerin in Ziff. 5.2 Abs. 3 des Vertrages einerseits in erster Linie das Recht
einzuräumen, selbst nachzubessern, und sie dann in Abs. 5 "auch" zu berechtigen, ihre
Gewährleistungspflicht durch Abtretung ihrer Gewährleistungsansprüche gegenüber
den Bauhandwerkern zu erfüllen, andererseits aber durch eine bereits vollzogene
Abtretung die erste Alternative leer laufen zu lassen, weil die Bauträgerin die letztlich
von den Handwerkern geschuldete Nachbesserung ersichtlich nur mit den ihr aufgrund
der mit den Bauhandwerkern geschlossenen Verträge erwachsenen
Gewährleistungsansprüchen verfolgen und nicht etwa aus eigener Tasche bezahlen
wollte. Dementsprechend hatte der die Bauträgerin gegenüber den
Werklohnforderungen einer der Bauhandwerker vertretende Anwaltsnotar Dr. T2 auch in
seinem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 15. März 2001 darum gebeten, die
nach seiner Auffassung bereits auf die jeweiligen Erwerber übertragenen
Gewährleistungsansprüche an die Bauträgerin rückabzutreten. Wollte die Bauträgerin
aber mit einer bereits vollzogenen Abtretung ihrer Gewährleistungsansprüche ohnehin
von vornherein nur eine (damals auch im Rahmen vorformulierter Vertragsklauseln noch
zulässige, vom BGH [in NJW 2002, 2470 ff.] nunmehr aber als unwirksam erachtete)
subsidiäre Gewährleistungshaftung für sich begründen, dann wäre die Einräumung
einer primären Eigenhaftung ebenfalls sinnlos. Grundsätzlich verdient aber eine
sinngebende, an der recht verstandenen Interessenlage ausgerichtete Auslegung den
Vorzug vor einer Auslegung, die zur Sinnlosigkeit einer Vereinbarung führen würde,
weil im Zweifel davon auszugehen ist, dass die Parteien das Vernünftige erreichen
wollen (vgl. Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., BGB § 133 Rdn. 25; BGH in NJW 2005, 3415;
NJW 2004, 1240; NJW-RR 2003, 1136; NJW 2000, 1333 [1335]; NJW 1998, 2966; NJW
1994, 1537 [1538]; NJW 1993, 1976 [1978]; NJW 1993, 1925; vgl. auch BFH in
VIZ 2000, 503 [504]). Einen in sich geschlossenen, sinnvollen Inhalt ergibt die
Gewährleistungsregelung nur bei der Auslegung des Landgerichts, die von einem
Wahlrecht der Bauträgerin zwischen einer vorrangigen Eigenhaftung und einer noch
anzubietenden Abtretung der Gewährleistungsansprüche mit einer im Vertrag bereits
antizipierten Annahme eines etwaigen zukünftigen Angebotes ausgeht. Eine solche
Wahl ist unstreitig später nicht erfolgt.
23
Bei objektivem Verständnis der Klausel ist zudem keine Abtretung der
Gewährleistungsansprüche gegen die Architekten erfolgt, da diese keine
Bauhandwerker sind (vgl. OLG Hamm in NJW-RR 1991, 1044; BGH in NJW 1978,
1375). Nach dem Wortlaut der Klausel sollten nur die Gewährleistungsansprüche gegen
Bauhandwerker abgetreten werden. Die Haftung der Architekten durfte aber vom Sozius
E2 der Beklagten nicht ausgeblendet werden. Zum einen war nicht sichergestellt,
inwieweit die Baumängel auf Planungsfehlern der Architekten beruhten, für die die
Bauhandwerker außer im Falle der Verletzung ihnen obliegender Hinweispflichten nicht
(ebenfalls) hafteten. Zum anderen bot eine Haftung der Architekten für Planungsfehler
und eine etwaige Verletzung ihrer Bauaufsichtspflichten eine zusätzliche und aufgrund
ihrer Berufshaftpflichtversicherung besonders hohe Sicherheit für die Erfüllung
berechtigter Gewährleistungsansprüche der Klägerin.
24
bb. Selbst wenn die vom Sozius E2 der Beklagten mit Rücksicht auf das sich in dessen
Verhalten ausdrückende Verständnis des beurkundenden Notars vorgenommene
Auslegung der Klausel vertretbar gewesen wäre, bestand der sicherste Weg zur
Wahrung der Rechte der Klägerin darin, angesichts des zumindest in hohem Maße
auslegungsbedürftigen Wortlautes der Klausel Klarheit zu schaffen (vgl. BGH in NJW
1996, 2648 ff.; NJW 1998, 2048 ff.; NJW 2002, 1048 [1049]; Sieg in Zugehör, "Handbuch
der Anwaltshaftung", 2. Aufl., Rdn. 745; Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 560) und die
Verkäuferin aufzufordern, entweder eine etwa bereits erfolgte Abtretung zu bestätigen
oder sicherer noch – diese vorsorglich erneut vorzunehmen. Dass er dies vor Einleitung
des selbständigen Beweisverfahrens nicht bedacht und veranlasst hat, um die Gefahr
einer Verjährung der Ansprüche verlässlich zu vermeiden, stellt eine Pflichtverletzung
dar.
25
II. Diese Pflichtverletzung des Sozius E2 der Beklagten hat auch zu einem Schaden der
Klägerin geführt.
26
1. Die von den Bauhandwerkern und der Bauträgerin vertraglich übernommene
fünfjährige Gewährleistungshaftung ist noch während der laufenden Beweisverfahrens
abgelaufen. In beiden Fällen begann die Frist mit der am 01. November 1997 erfolgten
Endabnahme des Bauvorhabens. Da das selbständige Beweisverfahren wegen der
fehlenden Anspruchsberechtigung der Klägerin keine Unterbrechung der Frist bewirkt
hatte, war die Verjährung bereits im November 2002 eingetreten, während das
Beweisverfahren erst Anfang des Jahres 2004 abgeschlossen war. Die dadurch
begründete peremptorische Einrede des § 222 BGB a.F./§ 214 BGB n.F. bewirkt einen
Vermögensschaden infolge des dauerhaften tatsächlichen Verlustes der verjährten
Ansprüche.
27
2. Etwas anderes galt grundsätzlich lediglich für die Gewährleistungshaftung der
Architekten, wie die Klägerin in der Klageschrift zutreffend ausgeführt hat. Deren gemäß
dem Architektenvertrag (Anl. 11 § 2) auch die Leistungsphase 9 der HOAI
(nachfolgende Objektbetreuung bis zum Abschluss der Gewährleistungshaftung der
Bauhandwerker) umfassende Werkleistung ist nach h.M. in Schrifttum und
Rechtsprechung (vgl. insoweit die Nachweise bei Putzier in NZBau 2004, 177 [178
FN 1117)], siehe auch BGH in NJW-RR 2006, 1248 [1249 zu Rdn. 17]) erst nach deren
Abschluss abnahmefähig. Soweit gemäß § 7 Abs. 5 des Formulararchitektenvertrages
eine frühere Teilabnahme vorgesehen war, war diese Klausel nicht wirksam und
ungeeignet, einen früheren Fristbeginn zu bewirken (vgl. dazu BGH in NJW-RR 2006,
1248 f.). Die deshalb etwa gegenüber den Architekten noch nicht verjährten
28
Gewährleistungsansprüche konnte die Klägerin aber erst nach einer noch
vorzunehmenden Abtretung durch die Bauträgerin geltend machen. Diese hatte aber
zum einen nach eigener Darstellung der Beklagten bereits vor Abschluss des
selbständigen Beweisverfahrens wegen ihrer Vermögenslosigkeit ihr operatives
Geschäft eingestellt und ist dementsprechend nach unwidersprochen gebliebener
Behauptung der Klägerin in der Klagebegründung zwischenzeitlich auch im
Handelsregister gelöscht worden. Insbesondere waren aber zum anderen die
gegenüber der Bauträgerin bestehenden Gewährleistungsansprüche schon lange
verjährt, wie schon die Klagebegründung erkannt hat.
Es mag dahin stehen, ob sich das daraus folgende Leistungsverweigerungsrecht nur auf
eine persönliche Erfüllung ihrer Gewährleistungshaftung erstreckte oder auch die
Wahlmöglichkeit der Abtretung der Ansprüche gegen die Bauhandwerker und/oder
Architekten erfasste. Selbst wenn die Klägerin trotz der eingetretenen Verjährung ihrer
Ansprüche von der Bauträgerin zumindest als weiter wirkende Nebenpflicht aus dem
Vertrag möglicherweise noch die Abtretung nicht verjährter Ansprüche gegen die
Architekten hätte verlangen können, war eine Realisierung dieser Ansprüche mit
derartigen rechtlichen und tatsächlichen Unwägbarkeiten verbunden, dass bei der im
Schadensrecht gebotenen normativen Betrachtung (vgl. insoweit Fahrendorf, a.a.O.,
Rdn. 823 ff. m.w.N.) und in Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 255 BGB schon die
Verjährung der Gewährleistungsansprüche gegenüber der zwischenzeitlich gelöschten
Bauträgerin zu einer als Schaden anzusehenden, objektiven Vermögenseinbuße der
Klägerin auch wegen der an sich noch nicht verjährten Ansprüche gegen die
Architekten führte, so dass sich im Ergebnis nichts ändert und fallentscheidend die von
den Parteien im Berufungsverfahren in den Mittelpunkt gerückte Frage der
Regressverjährung, insbesondere einer sog. Sekundärhaftung bleibt (dazu unten III.).
29
Erst aufgrund des Bestreitens ihrer Aktivlegitimation in der Klageerwiderung der
Prozessbevollmächtigten der Firma D. KG vom 27. Januar 2006 hatte die bis dahin
aufgrund der Beratung des Sozius E2 der Beklagten von ihrer Anspruchsberechtigung
ausgehende Klägerin eine Veranlassung, die Bewerkstelligung dieser
Anspruchsberechtigung durch die Bauträgerin einzufordern. Diese etwa durch Klage auf
Erfüllung in Anspruch zu nehmen und dann deren Ansprüche zu pfänden, war rechtlich
und auch tatsächlich aussichtslos. Der Anspruch gegen die Bauträgerin war zum einen
verjährt, so dass diese eine eigene Klage gegen die Architekten verweigern konnte.
Zum anderen war die GmbH gelöscht und kein vertretungsberechtigtes Organ der
Gesellschaft mehr vorhanden.
30
Allenfalls wäre in Erwägung zu ziehen gewesen, ob die Klägerin nicht etwa gemäß
§§ 66 Abs. 5 S. 2 GmbHG, 273 Abs. 4 AktG beim Registergericht die Bestellung eines
Nachtragsliquidators mit dem Ziel hätte beantragen können, dass die im Vermögen
auch einer gelöschten GmbH als Liquidationsgesellschaft noch vorhandenen
Gewährleistungsansprüche gegenüber den Architekten an die Klägerin abgetreten
wurden. Auch dieses Verfahren war aber zum einen mit unabwägbaren Risiken
verbunden und ist zum anderen von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die
insoweit zunächst einmal nur mit der gerichtlichen Durchsetzung von
Gewährleistungsansprüchen gegen die Firma D. KG und nicht als Erfüllungsgehilfen
der Klägerin zur Beseitigung eines von dieser erkannten Fehlers des Sozius E2 der
Beklagten beauftragt worden sind, in einer der Klägerin nicht etwa gemäß § 278 BGB
zurechenbaren Weise nicht erkannt worden. Da zudem die Beklagte die Pflicht hatte,
solche Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Ansprüche der Klägerin von
31
vornherein zu vermeiden, ist ihr auch diese Entwicklung zuzurechnen. Insgesamt hat sie
durch das Verhalten ihres Sozius E2 wegen des Eintritts der Verjährung der Ansprüche
gegen die Bauträgerin auch die Durchsetzung der Ansprüche gegen die Architekten so
sehr erschwert, dass die Verjährung der Ansprüche gegen die Bauträgerin nicht
lediglich das noch nicht sichere Risiko eines Vermögensnachteils auch durch den
Verlust der Ansprüche gegen die Architekten begründete, sondern bei wertender
Betrachtung bereits in diesem Zeitpunkt zu einer objektiven Verschlechterung der
Vermögenslage der Klägerin geführt hat (vgl. zur Risiko-Schaden-Formel der
höchstrichterlichen Rechtsprechung Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 1010). Die keineswegs
einfach und ohne tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten möglicherweise noch zu
realisierenden Ansprüche gegen die Architekten lassen so diesen Schaden nicht
entfallen, sondern die Beklagte konnte allenfalls gemäß § 255 BGB die – nicht
verlangte Abtretung etwa noch bestehender Ansprüche an sich verlangen (vgl.
Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 839 ff. m.w.N.).
III. Die der Klägerin aufgrund der Pflichtverletzungen des Sozius E2 der Beklagten
erwachsenen Schadensersatzansprüche sind gemäß dem zwar mit Wirkung zum
15. Dezember 2004 aufgehobenen, gemäß Art. 229 §§ 6, 12 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB
jedoch vorliegend noch anzuwendenden (vgl. Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 942 – 945;
Zugehör, a.a.O.; Rdn. 1265) § 51 b 1. Alt. BRAO verjährt.
32
1. Die Verjährungsfrist für den Regressanspruch gegen die Beklagte begann mit Ablauf
des 01. Novembers 2002. Mit diesem Zeitpunkt waren die wegen der Mängel am
Gemeinschaftseigentum begründeten Gewährleistungsansprüche sowohl gegenüber
den Bauhandwerkern, als auch gegenüber der Bauträgerin verjährt. Die daraus
folgende peremptorische Einrede gegen die Gewährleistungsansprüche der Klägerin
bewirkte den Eintritt des Schadens (vgl. Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 1034; BGH in NJW
2001, 3543 [3544 zu II.1.b.]; NJW 2000, 2661 [2692f.]; NJW 1994, 2822 [2823f.]), mit
dem die kenntnisunabhängige dreijährige Frist des § 51 b 1. Alt. BRAO begann. Diese
Frist gilt auch für die zwar noch nicht vollends verjährten, aber aus den bereits
dargelegten Gründen von der Klägerin nicht verfolgten Gewährleistungsansprüche
gegen die Architekten. Zum einen war auch insoweit aufgrund der Pflichtverletzung des
Sozius E2 der Beklagten mit der Verjährung der Ansprüche gegen die Bauträgerin bei
der gebotenen wertenden Betrachtung bereits eine objektive Verschlechterung der
Vermögenslage der Klägerin eingetreten, die einen die Verjährungsfrist auslösenden
Schaden bewirkte. Zum anderen ist ohnehin durch die Verjährung der Ansprüche gegen
die Bauhandwerker und die Bauträgerin ein Teilschaden eingetreten, der nach dem
Grundsatz der Schadenseinheit (siehe Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 1047; BGH in NJW
2007, 830 [832 Rdn. 25]; NJW-RR 2006, 694 [696 Rdn. 23]; NJW 2002, 1414 [1415
zu I.1.a.bb.]) auch den Beginn der Verjährung aller weiteren durch dieselbe
Verletzungshandlung (hier die unterlassene Herbeiführung der Anspruchsberechtigung
der Klägerin) adäquat bewirkten, aber erst später eingetretenen Nachteile auslöste, die
voraussehbar waren. Diese Voraussetzungen sind aber hinsichtlich
Gewährleistungsansprüche gegen die Architekten erfüllt.
33
2. Da die am 01. November 2002 begonnene Regressverjährung mit Ablauf des
01. November 2005 vollendet war, vermochte die erst am 26. April 2006 im Vorprozess
erfolgte Streitverkündung die Verjährung ebenso wenig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB
zu hemmen, wie dies durch nachfolgende Verhandlungen mit der Beklagten und ihrer
Berufshaftpflichtversicherung gemäß § 203 BGB geschah. Die dann am 17. Oktober
2006 eingereichte Regressklage war somit verspätet.
34
3. Die Beklagte ist auch nicht daran gehindert, sich auf den Eintritt der Verjährung zu
berufen.
35
a. Zwar gilt die Pflicht des Anwaltes, den Mandanten umfassend zu beraten und zu
belehren, sowie vor voraussehbaren und vermeidbaren Schäden zu schützen, nicht nur
in Bezug auf den Gegenstand des übernommenen Mandates, sondern sie erstreckt sich
nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. dazu BGH in VersR 1997, 357
[358]; VersR 1996, 1499 [1502]; WM 1994, 2162 [2165]; NJW 1992, 836 [837]; NJW
1985, 2250) als vertragliche Nebenpflicht auch auf das unmittelbare Rechtsverhältnis
zwischen Anwalt und Mandant. Um diesen vor den Härten einer strikten, keine Kenntnis
des Mandanten von dem infolge eines Fehlers seines Anwaltes eingetretenen Schaden
voraussetzende Anwendung des § 51 b BRAO zu schützen, kann der Anwalt verpflichtet
sein, darauf hinzuweisen, dass seinem Mandanten durch eine ihm unterlaufene
Pflichtverletzung ein Schaden entstanden sein könnte und ein dadurch begründeter
Ersatzanspruch innerhalb der dreijährigen Frist des § 51 b BRAO verjähren würde.
Verletzt der Anwalt diese nebenvertragliche Hinweispflicht, so hat er den Mandanten
gemäß § 249 BGB im Wege der Naturalrestitution so zu stellen, als hätte der Mandant,
was grundsätzlich zu vermuten ist (siehe dazu BGH in NJW 2000, 1263 [1264]; NJW
2001, 826 [828]; NJW 2003, 82[2 824]), aufgrund des rechtzeitigen Hinweises die
notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung einer Verjährung ergriffen. Dieser sog.
Sekundäranspruch verwehrt es dem Anwalt, die Einrede der Verjährung gegen den
primären Schadensersatzanspruch zu erheben (BGH in NJW 2000, 1263 [1264]; vgl. zur
entsprechenden Steuerberaterhaftung auch BGH in NJW-RR 2004, 1358 [1361 zu 2.a.];
NJW 1995, 2108; NJW-RR 1997, 50, [52]).
36
b. Die Beklagte traf jedoch keine solche sekundäre Hinweispflicht. Die
Voraussetzungen einer Sekundärhaftung sind vorliegend nicht erfüllt. Sie entsteht nicht
schon durch die Verletzung der den primären Schadensersatzanspruch begründenden
Hauptleistungspflichten, sondern sie setzt eine erneute, eigenständige Pflichtwidrigkeit
des Anwaltes voraus. Ansonsten würde schon die Verletzung einer
Hauptleistungspflicht zu einer dem Zweck des § 51 b BRAO, den Anwalt davor zu
bewahren, durch berufstypische Risiken in unüberschaubarer Weise auf unangemessen
lange Weise wirtschaftlich bedroht zu werden (BGH in NJW 1985, 2250 [2252]) und
– vor der Schuldrechtsreform auch dem Gedanken des § 225 BGB a.F.
widersprechenden Verlängerung der Verjährungsfrist führen (BGH in NJW 1985, 2250
[2252]; NJW 1993, 199 [200]; vgl. auch BGH in NJW 1991, 2833 [2836]). Die
nebenvertragliche Hinweispflicht, deren Verletzung zur Sekundärhaftung führt, entsteht
daher nur dann, wenn ein sorgfältig und gewissenhaft arbeitender Anwalt vor Ablauf der
Primärverjährung (vgl. BGH in NJW 1985, 2250 [2252]; NJW 1992, 836 [837]; NJW
1993, 2747 [275]; Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 1087; Zugehör, a.a.O., Rdn. 1366), vor der
die Hinweispflicht den Mandant schützen soll, aufgrund objektiver Umstände
"begründeten Anlass" hat, eine Pflichtverletzung und damit die Möglichkeit eines
Regressanspruchs in Erwägung zu ziehen (vgl. Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 1073 ff.;
Zugehör, a.a.O., Rdn. 1384 ff.). Begründeten Anlass können zum einen Anstöße von
außen durch Hinweise Dritter etwa in einem Urteil, einem Bescheid, einem
gegnerischen Schriftsatz (vgl. BGH in NJW-RR 1992, 1110 [1113]; BGH in NJW 1991,
2828 [2830]) – oder Vorhaltungen des Mandanten (vgl. Senat in OLGR 1998, 332, 335)
geben. Er kann sich aber auch aus einer möglichen eigenen Erkenntnis ergeben, weil
der Anwalt entweder bei der weiteren Bearbeitung seines Mandates oder im Rahmen
eines neuen Mandates über denselben Gegenstand oder in derselben Angelegenheit
37
Sach- und Rechtsfragen zu prüfen und zu berücksichtigen hat, die er zuvor übersehen
oder falsch gewürdigt hatte (vgl. BGH in NJW 1996, 661 [662] = WM 1996, 540 [541];
BGH, MDR 1984, 477) oder sich erneut mit dem gleichen Problemen zu befassen hat,
deren falsche Behandlung ihn zuvor regresspflichtig gemacht haben könnte (vgl. BGH in
NJW 1991, 2833 [2836]; BGH in NJW 1994, 2822 [2284]).
Hinweise Dritter auf die fehlende Anspruchsberechtigung der Klägerin sind erst nach
dem Ende des Mandates der Beklagten im Februar 2005 und dem Eintritt der
Primärverjährung im November 2005 in der Klageerwiderung der Firma D. KG vom
27. Januar 2006 in dem Rechtsstreit 4 O 592/05 Landgericht Paderborn erfolgt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin hatte der Sozius E2 der Beklagten nach Abschluss
des selbständigen Beweisverfahrens zur (weiteren) Vorbereitung einer Klage gegen die
Firma D. KG keinen Grund, die Anspruchsberechtigung der Klägerin erneut zu prüfen,
wodurch er bei der gebotenen Sorgfalt seine fehlerhafte Auslegung der
Gewährleistungsklausel und die mangels eigener Anspruchsberechtigung der Klägerin
durch das Beweisverfahren nicht verhinderte Verjährung der
Gewährleistungsansprüche hätte erkennen müssen.
38
aa. Wann ein solcher (interner) Grund zur erneuten Prüfung der Relevanz schon früher
allerdings fehlerhaft – beurteilter Sach und Rechtsfragen vorliegt, kann nicht durch eine
abstrakte, semantische Interpretation des Wortlautes einzelner rechtlicher Aussagen des
Bundesgerichtshofs in seinen (auch) zu diesem Problemkreis ergangenen Urteilen
erschlossen werden, sondern es sind insbesondere die jeweils zugrunde liegenden und
vom Bundesgerichtshof gewürdigten Sachverhalte in die Analyse der tragenden Gründe
der Entscheidungen einzubeziehen:
39
1. In seinem Urteil vom 29. November 1983 (VersR 1984, 162: Anwaltsregress) hat
der BGH einen Anwalt, der seinen Mandanten bei Abschluss eines Vertrages
fehlerhaft beraten hatte, deshalb für verpflichtet gehalten, seine frühere Beratung
erneut zu würdigen, weil er den Mandanten im einem späteren Regressverfahren
gegen den Notar, der den Vertrag beurkundet hatte, als Prozessbevollmächtigter
vertreten und insoweit auch die negative Tatbestandsvoraussetzung einer in
seiner Person begründeten anderweitigen Ersatzmöglichkeit (§ 19 BNotO; § 839
Abs. 1 BGB) zu prüfen hatte.
2. Das Urteil vom 16. November 1995 (NJW 1996, 661 ff.: Anwaltsregress) betraf
einen fehlerhaften Vertragsentwurf durch einen Anwalt, der seinen Mandanten in
einem späteren Rechtsstreit, in dem der Käufer die Rückabwicklung des Vertrages
begehrte, als Prozessbevollmächtigter vertrat. Auch in diesem Fall war im Rahmen
der Prozessvertretung die pflichtgemäße Erfüllung des früheren Mandates in
Hinblick auf ihre nunmehr im Rechtsstreit zu beurteilenden Folgen für eine
erfolgreiche Rechtsverteidigung von dem Anwalt zu prüfen.
3. Das Urteil vom 14. Juli 1994 (NJW 1994, 2822: Anwaltsregress) betraf eine
Schadensersatzklage gegen eine Stadt, die der Anwalt nach Eintritt der
Verjährung mehrfach erweitert hatte, ohne dass sich die Stadt vor Ablauf der
Primärverjährung des Regressanspruches gegen den Anwalt auf die Verjährung
der gegen sie erhobenen Ansprüche berufen hatte. Hier ergab sich die
Prüfungspflicht aus der mehrfachen späteren Erweiterung des ursprünglichen
Prozessmandates, in deren Rahmen die materiellrechtlichen Voraussetzungen
40
dieser (jeweils verjährten) Erweiterungen (jeweils) neu zu prüfen waren.
4. Das Urteil vom 26. Oktober 2000 (BGH in NJW 2001, 517 ff.: Anwaltsregress)
betraf das Mandat eines Anwaltes, für eine überschuldete, insolvenzreife
Genossenschaft einen außergerichtlichen Sanierungsvergleich zu erreichen,
obwohl dafür die Grundlagen fehlten und bei pflichtgemäßer Erfüllung des
Mandates von vornherein die Anmeldung der Insolvenz zu empfehlen gewesen
wäre, und dies der Masse die hohen Kosten des zum Scheitern verurteilten
Sanierungsversuches erspart hätte. In diesem Fall hat der BGH die Hinweispflicht
des Anwaltes auf seine schon bei Übernahme des Mandates erfolgte
Pflichtverletzung daraus hergeleitet, dass er im Laufe dieses Mandates immer
wieder erneut mit Tatsachen konfrontiert wurde, die das von vornherein klar
absehbare Scheitern der Sanierung bestätigten und bekräftigten.
5. Das Urteil vom 04. April 1991 (NJW 1991, 2828 ff.: Steuerberaterregress) betraf
von einer Steuerberaterin für geschiedene Eheleute in den Jahren 1980 bis 1983
gefertigte und eingereichte Einkommenssteuererklärungen, bei denen sie die
Freibeträge für das schwer behinderte gemeinsame Kind nicht hälftig bei beiden
Mandanten, sondern ausschließlich bei der Mutter berücksichtigte und dadurch
eine (unanfechtbare) höhere Steuerbelastung des Vaters verursacht hatte. Der
BGH hielt Steuerberaterin für verpflichtet, für jeden neuen Veranlagungszeitraum
die Voraussetzungen der (neuen) Steuerpflicht selbständig zu prüfen. Dabei hätte
sie die in den vergangenen Veranlagungszeiträumen unterlaufenen Fehler
erkennen können.
6. Auf der gleichen Linie bewegt sich das Urteil vom 20. Juni 1991 (NJW 1991,
2833 ff.: Steuerberaterregress), das sich mit fehlerhaften Zuschätzungen eines
Steuerberaters zu befassen hatte, die er für mehrere, aufeinander folgende
Veranlagungszeiträume vorgenommen und so eine überhöhte Steuerbelastung
seines Mandanten verursacht hatte. Auch hier ging der BGH davon aus, dass die
Anfertigung und Einreichung von Steuererklärungen für einen neuen
Veranlagungszeitraum eine erneute Prüfung der Steuerpflichtvoraussetzungen
verlangte, die Erkenntnisse auf Pflichtverletzungen bei früheren
Veranlagungszeiträumen ermöglichte.
7. Das Urteil vom 12. Februar 2004 (NJW-RR 2004, 1359 ff.: Steuerberaterregress)
befasst sich mit einer Steuerberaterin, die im Rahmen der ihr aufgrund des
Beratervertrages obliegenden monatlichen Lohnbuchführung (Lohnabrechnung
und Lohnkontenführung) zwei Arbeitnehmerinnen ihrer Mandantin fehlerhaft als
von der gesetzlichen Krankenversicherung befreit eingeschlüsselt und dies dann
auch in den Jahresmeldungen an die Einzugsstelle gem. § 28a Abs. 2 SGB IV
übernommen hatte. Da die Jahresmeldungen für den Arbeitgeber oder den für ihn
tätigen Steuerberater eine Kontrollfunktion haben, habe dies der Steuerberaterin
"nochmals vor Augen geführt, dass im abgelaufenen Jahr 1995 keine Beiträge zur
gesetzlichen Krankenversicherung abgeführt worden waren, obwohl nach den
zugleich bescheinigten Einkommensverhältnissen dafür Grund bestanden hatte".
Dieser erkennbare Widerspruch gab nach Auffassung des BGH Anlass, eine
mögliche Haftpflicht zu prüfen.
41
Mit Ausnahme des teilweise abweichenden Urteils vom 26. Oktober 2000 (4) weisen
alle Entscheidungen im Kern einen gemeinsamen Ansatz auf: Der ursprüngliche,
pflichtwidrig ausgeführte Tätigkeitsbereich des Beraters war in sich abgeschlossen und
42
nach einer Zäsur ergaben sich bei der objektiv gebotene Beurteilung der
Voraussetzungen einer neu auszuführenden Tätigkeit für den Berater erkennbare
Anhaltspunkte, dass seine frühere Tätigkeit unzureichend war. Besonders deutlich
ergab sich dies in den Fällen 1 und 2, in denen der Anwalt aufgrund eines neuen
Mandates mit der präjudiziellen Bedeutung seiner vorangegangenen Tätigkeit
konfrontiert wurde und diese deshalb neu zu beurteilen hatte. Ähnlich gelagert waren
die vom BGH entschiedenen Fälle (5 und 6) der Steuerberaterregresse. Zwar war dort
die Zäsur angesichts des für die Tätigkeit eines Steuerberaters (im Gegensatz zum
Rechtsanwalt) eher typischen Dauermandates nicht so deutlich, wie die Grenze
zwischen den jeweiligen Einzelmandaten des Anwaltes. Sie ergab sich aber aus der
Grenze zwischen den jeweiligen Veranlagungszeiträumen, die jeweils einer
eigenständigen Prüfung der Voraussetzungen der Steuerpflicht des Mandanten
bedurften. Zwar besaßen die früheren Veranlagungszeiträume keine präjudiziellen
Wirkungen für die späteren Zeiträume. Dennoch erhellte die Prüfung der
Voraussetzungen im neuen Veranlagungszeitraum auch etwaige frühere Versäumnisse,
weil zwischen ihnen weitgehende Parallelen bestanden. In den Fällen 3 und 7 ergab
sich die Zäsur durch die mehrfachen Klageerweiterungen (im Anwaltsregress) und
durch den Unterschied zwischen der monatlichen Lohnkontenführung und der
Jahresmeldung an die Einzugsstelle (im Steuerberaterregress). Die erneute, objektiv
gebotene Prüfungsobliegenheit stellte sich dann bei den jeweiligen, gesondert in ihren
materiellrechtlichen Grundlage zu beurteilenden Klageerweiterungen und der eine
besondere Kontrollfunktion besitzenden Jahresmeldung. Im Urteil vom 26. Oktober 2000
(4) erfolgte die Zäsur und gleichzeitige erneute Prüfungsobliegenheit durch
nachträgliche Kenntnis von tatsächlichen Umständen, die ihrerseits ergaben, dass der
Sanierungsversuch von vornherein zum Scheitern verurteilt war und die objektiv allein
vernünftige Empfehlung die Anmeldung der Insolvenz darstellte.
bb. Eine solche Zäsur im Mandat und ein neuer Anlass zur Prüfung der
Anspruchsberechtigung der Klägerin ergaben sich für den Sozius E2 der Beklagten
nicht. Sein Mandat war – angesichts der bereits in der Wohnanlage N2 aufgetretenen
Streitpunkte von vornherein auf eine gerichtliche Durchsetzung der
Gewährleistungsansprüche der Klägerin gerichtet (siehe insoweit
Gerold/Schmidt/Madert, 17. Aufl., RVG VV Nr. 2300 Rdn. 3; VV 3100 Rdn. 14 ff.). Das
selbständige Beweisverfahren stellte so auch nur eine vorweggenommene
Beweisaufnahme für das fest ins Auge gefasste Klageverfahren dar. Zur Vorbereitung
der bis zur Kündigung des Mandates der Klägerin nicht einmal anhängig gemachten
Klage hatte der Sozius E2 der Beklagten schon zu Beginn des Mandates (NJW-RR
2006, 923 [925 sub Rdn. 22]) möglichst genau den Sachverhalt zu klären, den er seiner
fachlichen Tätigkeit zugrunde legen sollte. Insoweit hatte er daher insbesondere von
vornherein die Anspruchsberechtigung der Klägerin abzuklären, damit deren
Aktivlegitimation für das vorgeschaltete Beweisverfahren und die anschließende Klage
sichergestellt war. War diese Frage für ihn aber zu Beginn des Mandates, wenn auch
unzutreffend, geprüft und beantwortet worden, dann konnte er diese Prüfung seiner
weiteren Tätigkeit bis zum Abschluss des Mandates zugrunde legen, soweit kein neuer
objektiver Grund auf einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Fehler hinwies
(vgl. Zugehör, a.a.O.; Rdn. 1387), der Anlass zu einer neuen Prüfung gab. Da die
Aktivlegitimation der Klägerin für das gerichtliche – sowohl das Beweisverfahren, als
auch die anschließende Klage umfassende – Verfahren für den Sozius E2 der
Beklagten feststand, gab allein der Abschluss des Beweisverfahrens keinen objektiven
Anlass, erneut die Anspruchsberechtigung der Klägerin in Frage zu stellen und zu
überprüfen. Von außen sind während des Beweisverfahrens keine Zweifel an der
43
Anspruchsberechtigung der Klägerin geäußert worden. Auch der Zeitablauf durch das
Verfahren gab keinen Anlass zur erneuten Prüfung. Die Ergebnisse des
Beweisverfahrens waren für die zu erhebende Klage nur insoweit von nunmehr zu
würdigender Bedeutung, als es vorliegende Mängel und die gewährleistungsrechtlichen
Verantwortungsbereiche der Werkunternehmer festgestellt hatte. Erkenntnisse zur
Anspruchsberechtigung der Klägerin sollte das Beweisverfahren weder erbringen, noch
hat es sie erbracht. Auf der Grundlage seiner (zu Beginn des Mandates unzutreffend
gebildeten) Rechtsauffassung konnte der Sozius E2 der Beklagten auch davon
ausgehen, dass das im September 2001 eingeleitete Beweisverfahren die Verjährung
der Gewährleistungsansprüche mit der Folge unterbrochen hatte, dass nach dem Ende
des Verfahrens eine neue fünfjährige Verjährungsfrist lief, die ausreichende Zeit für die
aufgrund der Klärung der Mängel und der jeweiligen Verantwortlichkeit der am
Bauvorhaben beteiligten Unternehmen nun konkret zu erhebende Klage bot.
Hinsichtlich des erteilten Prozessmandates war weder eine die vorangegangene
Rechtsprüfung und ihre Umsetzung abschließende Erledigung eingetreten, noch gaben
neu zu beurteilende Sachverhalte und Rechtsfragen einen Anlass, die bisherige
Mandatsführung kritisch zu würdigen. Neue Anhaltspunkte dafür, dass die
Anspruchsberechtigung der Klägerin im Rahmen des Klageverfahrens anders als bei
der Einleitung des sie vorbereitenden selbständigen Beweisverfahrens zu beurteilen
sein könnte, besaß der Sozius E2 der Beklagten nicht (vgl. insoweit BGH in NJOZ 2005,
4031 [4033 zu II.2.] = WM 2005, 2106). Letztlich hat er seine primäre Pflichtverletzung
nur schlicht fortgesetzt. Eine neue selbständige Pflichtverletzung, die Voraussetzung
einer Sekundärhaftung ist, vermag der Senat mit dem Landgericht nicht zu erkennen.
3. Schließlich kann die Klägerin der Beklagten auch nicht entgegenhalten, dass bei
einer grundsätzlich gebotenen zügigen Einreichung der Klage (vgl. insoweit Fahrendorf,
a.a.O., Rdn. 837) durch den Sozius E2 der Beklagten die Rüge der fehlenden
Anspruchsberechtigung der Klägerin schon während des laufenden Mandates der
Beklagten und vor Ablauf der Primärverjährungsfrist erfolgt wäre und dann eine den
Eintritt der Verjährung verhindernde sekundäre Hinweispflicht ausgelöst hätte. Dies
stellt nur scheinbar ein zur Bekämpfung der Verjährungseinrede geeignetes Argument
dar. Zum einen kann schon tatsächlich nicht festgestellt werden, dass in einem von der
Beklagten eingeleiteten Klageverfahren die Rüge der fehlenden
Anspruchsberechtigung der Klägerin überhaupt erhoben worden wäre. Es ist einerseits
nicht auszuschließen, dass die bislang von der schlichten, schon von dem
beurkundenden Anwaltsnotar aufgestellten Behauptung einer keineswegs
ungewöhnlichen Abtretung der Ansprüche im notariellen Kaufvertrag ausgehenden
Prozessbevollmächtigten der Firma D. KG erst durch den in dem späteren Rechtsstreit
4 O 592/05 Landgericht Paderborn eingereichten und von ihnen zur Kenntnis
genommenen Vertragstext zu ihrer Rüge veranlasst worden sind. Andererseits ist offen,
ob auch der Sozius E2 der Beklagten den Vertragstext im Rechtsstreit eingereicht und
so die Rüge der Gegenseite ausgelöst hätte. Zum anderen greift das Argument auch
aus Rechtsgründen nicht. Die Pflicht des Anwaltes, ein gerichtliches Verfahren zügig zu
betreiben, soll den Mandanten davor schützen, einen Vollstreckungstitel erst zu einem
Zeitpunkt zu erlangen, an dem sein Schuldner (zwischenzeitlich) kein
vollstreckungsfähiges Vermögen mehr besitzt (vgl. Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 837, 1789).
Der Schutzbereich dieser Pflicht ist jedoch nicht darauf gerichtet, dass der Mandant
durch die "zügige" Einreichung einer unbegründeten Klage rechtzeitig vor Ablauf der
primären Regressverjährung Kenntnis von einem Fehler seines Anwaltes erlangt und
von diesem auf den möglichen Regressanspruch und die insoweit zu beachtende
Verjährungsregelung des § 51 b 1. Alt. BRAO hingewiesen wird. Da der eingetretene
44
Schaden – die Verjährung des Regressanspruchs gemäß § 51 b 1. Alt. BRAO – nicht
unter den Schutzzweck der verletzten Anwaltspflicht – zügige Bearbeitung des
Prozessmandates – fällt, ist die Beklagte wegen der Verletzung dieser Pflicht nicht zum
Ersatz des durch die Primärverjährung entstandenen Verlustes verpflichtet (vgl. insoweit
Fahrendorf, a.a.O., Rdn. 755) und hat daher die Klägerin auch nicht im Wege der
Naturalrestitution so zu stellen, als wäre die Verjährung nicht eingetreten.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
45
V. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die
Abwendungsbefugnis ergeben sich aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
46
VI. Die Voraussetzungen der Zulassung einer Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen
nicht vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der
Grundlage und in Anwendung anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung und
Literatur getroffen hat. Die Rechtssache besitzt so keine grundsätzliche Bedeutung.
Angesichts der bereits zum 15. Dezember 2004 erfolgten Aufhebung der
spezialrechtlichen Verjährungsvorschrift des § 51 b BRAO kommt der Frage der
Voraussetzungen eines diese Verjährungsvorschrift einschränkenden
Sekundäranspruchs dazu noch in der vorliegend zu beurteilenden Sonderform allenfalls
für eine nur noch kurze Übergangszeit Bedeutung zu. Insoweit ist keine Entscheidung
des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich.
47