Urteil des OLG Hamm vom 30.03.2007

OLG Hamm: baum, besondere gefährlichkeit, unfall, eigentümer, anzeichen, körperliche integrität, fahrlässige körperverletzung, körperliche unversehrtheit, eigentum, kontrolle

Oberlandesgericht Hamm, 13 U 62/06
Datum:
30.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Grund- und Teilurteil
Aktenzeichen:
13 U 62/06
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 2 O 233/04
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des
Landgerichts Arnsberg vom 07.04.2006 teilweise abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
Die Klage ist dem Grunde nach hinsichtlich der Klageanträge zu 1) - 3)
gegenüber dem Beklagten zu 2) und den Beklagten zu 3) und 4)
gerechtfertigt. Hinsichtlich des Betragsverfahrens wird die Sache
zurückverwiesen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2) zusammen mit den
Beklagten zu 3) und 4) gesamtschuldnerisch verpflichtet ist, der Klägerin
sämtliche materiellen und zukünftige immaterielle Schäden aus dem
Unfall vom 03.08.2003 zu ersetzen, soweit sie nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder
noch übergehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die
Berufung des Beklagten zu 2) wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung auch über die Kosten der Berufungsinstanz
und der Nebenintervention bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand:
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz
und Schmerzensgeld aufgrund eines Unfalls vom 03.08.2003 in N geltend.
2
An diesem Tag befuhr sie zusammen mit den Zeugen I und G mit dem Fahrrad den
asphaltierten Verbindungsweg zwischen der Stadt N und dem Ortsteil C, der an einem
Waldstück, das überwiegend mit hohen Buchen bewachsen ist (vgl. Kopie Anl. 1 Bl. 290
d.A.), vorbeiführt. Die drei Radfahrer hatten zunächst eine Spitzkehre zu durchfahren,
bevor sie wahrnahmen, dass ihnen der Beklagte zu 3) mit dem Lkw Daimler, einem
Milchtankwagen mit dem amtlichen Kennzeichen #### ##, haftpflichtversichert bei der
Beklagten zu 4), entgegenkam. Die Klägerin fuhr rechtsseitig auf dem Bankett des
einige Meter breiten Weges weiter, die Zeugen G und I blieben zurück. Alle drei
Radfahrer ließen den Lkw passieren. Als die Klägerin und die Zeugen sodann
weiterfuhren, brach ein in südliche Richtung gewachsener Stämmling einer ca. 90-
jährigen Rotbuche ab. Dieser Stämmling hatte einen Durchmesser von ca. 60 cm und
war insgesamt 12 - 14 m lang und ragte über den Weg bis in das jenseitige Feld. Die
Buche selbst stand ca. 9 m vom Wegrand entfernt. Der Abbruch erfolgte, als die Klägerin
sich gerade unter dem überragenden Ast befand. Der mehrere Tonnen schwere Ast fiel
auf die Klägerin, die sich dabei schwere Verletzungen zuzog, und zwar einen Brust- und
Lendenwirbelbruch und Rippenbrüche, wobei ein Knochensplitter in das Rückenmark
eindrang, was zu besonders schweren Auswirkungen und zu einer
Querschnittslähmung der Klägerin führte. Darüber hinaus bestanden und bestehen
weitere Verletzungen und Beeinträchtigungen. Wegen ihrer Verletzungen wurde die
Klägerin per Rettungshubschrauber ins K-Krankenhaus nach T geflogen, dort erfolgte
die Erstbehandlung und die stationäre Betreuung im Intensiv- und Aufwachbereich bis
zum 18.08.2003. Die Klägerin wurde sodann ins Klinikum N2,
Berufsgenossenschaftliche Sonderstation für Schwerunfallverletzte, nach L verlegt, wo
sie am 28.01.2004 entlassen wurde.
3
Das Versorgungsamt T2 erkannte durch Bescheid vom 04.11.2003 eine
Schwerstbehinderung der Klägerin mit einem Grad von 100 % an. Nach eigenen
Angaben ist sie inzwischen wieder in ihrem Beruf als Lehrerin tätig.
4
Die Klägerin nimmt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld die Beklagten zu 1) - 2)
bzw. mit der Berufung auch die Beklagten zu 5) und 6) unter dem Gesichtspunkt der
Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, die Beklagten zu 3) und 4) unter dem
Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung für den Lkw in Anspruch.
5
Sie hat im Wesentlichen behauptet: Die Rotbuche sei extrem umsturzgefährdet
gewesen. Die als verkehrssicherungspflichtig anzusehenden Beklagten zu 1) und 2)
bzw. die für diese tätigen Baumkontrolleure hätten bei sorgfältiger Baumschau erkennen
müssen, dass der Schadensbaum unter erheblichen Defektsymptomen gelitten habe.
Der abgebrochene Stämmling sei mit dem Stamm durch einen sog. Druckzwiesel
verbunden gewesen. Dieser und der Überhang zur Straßenseite sowie weitere
Defektsymptome hätten die Baumkontrolleure veranlassen müssen, eine Sicherung vor
einem Abbruch dieses schweren überhängenden Astes vorzunehmen. Zur Haftung der
Beklagten zu 3) und 4) macht die Klägerin geltend, der zeitliche Zusammenhang
zwischen dem Durchfahren des bei der Beklagten zu 4) versicherten Lkw und dem
Astabbruch ergebe, dass es aufgrund der durch den Lkw hervorgerufenen
Luftverwirbelungen, der dabei entstandenen Sogwirkung und der, auf diese Weise von
dem Lkw verursachten Krafteinwirkung auf den problematischen Stämmling zu dessen
Abbruch gekommen sei.
6
Die Klägerin hat beantragt
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1. die Beklagten zu 1) - 4) zu verurteilen, an sie als Gesamtschuldner 10.219,16 €
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2004 zu zahlen.
2. die Beklagten zu 1) - 4) zu verurteilen, an die Klägerin als Gesamtschuldner ein
angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
dem 03.08.2003 zu zahlen.
3. die Beklagten zu 1) - 4) zu verurteilen, an sie als Gesamtschuldner eine
monatliche Schmerzensgeldrente von 350,00 € seit dem 01.09.2003
vierteiljährlich im Voraus jeweils zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden
Jahres zu zahlen.
4. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) - 4) verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche
materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 03.08.2003 zu zahlen,
soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte
übergegangen sind oder noch übergehen.
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9
Die Beklagten zu 1) - 4) haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagten zu 1) und 2) haben bestritten, für den Weg, den die Klägerin zur Unfallzeit
befuhr, verkehrssicherungspflichtig zu sein. Sie haben gemeint,
verkehrssicherungspflichtig für den Weg sei die Beklagte zu 6) gewesen, die Stadt N.
Sie haben darauf verwiesen, dass es sich um einen zweckbestimmten Privatweg ohne
Widmung für den öffentlichen Verkehr gehandelt habe.
12
Die Beklagten zu 1) und 2) haben darüber hinaus behauptet, sie hätten ihre
Sicherungspflicht hinsichtlich der Bäume des Waldbestandes nicht verletzt. Die
Beaufsichtigung ihrer Forstbestände sei dem staatlichen Forstamt X übertragen; dieses
habe die Bäume regelmäßig durch den in dessen Diensten stehenden Förster M, den
Beklagten zu 5), kontrollieren lassen, und zwar zweimal jährlich, einmal im Frühjahr und
einmal im Herbst. Die letzte Kontrolle habe im Frühjahr 2003 stattgefunden, dabei sei
nichts Auffälliges festgestellt worden. Außerdem sei noch im Winter 2001/2002 eine
Durchforstung dieses Baumbestandes L2-Straße erfolgt, wobei auch zwangsläufig die
streitgegenständliche Buche, von der der Stämmling abgebrochen sei, in Augenschein
genommen worden sei.
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Der Beklagte zu 1) hat seiner Haftung auch deshalb widersprochen, weil ihm das
Eigentum an dem Grundstück, auf dem der Baum stand, erst durch Vertrag vom
23.06.2003 übertragen worden und das Grundstück erst am 26.06.2003 auf ihn
übergegangen sei. Die Beklagten zu 1) und 2) haben behauptet, die Baumkontrollen
seien zuverlässig und regelmäßig durch den Revierleiter M, den Beklagten zu 5),
durchgeführt worden. Davon hätten sie sich durch regelmäßige Meldungen überzeugen
können. Die Beklagten haben außerdem bestritten, dass es sich bei den von der
Klägerin angeführten Merkmalen an der Rotbuche überhaupt um Defektsymptome
handele, die zu Maßnahmen hätten führen müssen, und haben die Richtigkeit des von
dem Sachverständigen Dr. I2 im Rahmen des von der Klägerin beantragten
14
Beweissicherungsverfahrens LG Arnsberg 2 OH 14/03 erstatteten Gutachtens in Frage
gestellt, wie auch dessen weitergehenden gutachtlichen Stellungnahmen und die
gutachterliche Bewertung des Sachverständigen Prof. Dr. N3. Die Beklagten zu 1) und
2) haben ferner behauptet, dass die Fahrt des Milchtankwagens, der mit einer
Geschwindigkeit von bereichsweise 45 - 46 km/h über den Wirtschaftsweg gefahren sei,
und die von ihm verursachten Luftverwirbelungen zum Abbruch des Astes geführt
hätten; sie haben gemeint, daher seien auch die Beklagten zu 3) und 4) haftpflichtig.
Letzterem sind die Beklagten zu 3) und 4) entgegengetreten.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens erster Instanz wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils und auf die beigezogene Akte 2 OH 14/03 LG
Arnsberg Bezug genommen.
16
Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil erkannt, die Klageanträge zu 1) - 3) seien
gegenüber dem Beklagten zu 2) dem Grunde nach gerechtfertigt; es hat ferner
festgestellt, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet sei, der Klägerin sämtliche materiellen
und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 03.08.2003 zu ersetzen, soweit die
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind
oder noch übergehen.
17
Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
18
Im Wesentlichen hat das Landgericht seine Entscheidung wie folgt begründet: Die
Verpflichtungen des Beklagten zu 2) ergäben sich aus §§ 831 Abs. 1 BGB, 249 BGB;
der Beklagte zu 2) hafte weiter als Eigentümer des Waldgrundstücks, da ihm bis zum
1. Juli 2003 die Verkehrssicherungspflicht für den in seinem Eigentum stehenden
Schadensbaum oblegen habe. Diese sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
durch den mit der Überwachung beauftragten Revierförster M verletzt worden; dies
müsse sich der Beklagte zu 2) zurechnen lassen; der Entlastungsbeweis nach § 831
BGB sei nicht geführt.
19
Die Klage gegen den Beklagten zu 1) sei demgegenüber unbegründet, er hafte nicht
nach § 831 Abs. 1 BGB. Er sei erst Mitte 2003 Eigentümer des Waldgrundstücks
geworden und habe für die vorangegangene Zeit nicht als verkehrssicherungspflichtiger
Eigentümer des Baumes in der haftungsrechtlichen Verantwortung gestanden. In der
kurzen Zeit seit Übernahme des Grundstücks bis zum Unfall sei dem Beklagten zu 1)
eine umfassende Prüfung des Waldbesitzes weder möglich noch zumutbar gewesen.
Insoweit sei die Klage gegen den Beklagten zu 1) durch Teil-Endurteil abzuweisen.
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Eine Haftung des Beklagten zu 3) als Halter und der Beklagten zu 4) als
Haftpflichtversicherer des Milchwagens, nach dessen Durchfahrt der Ast abgebrochen
sei, bestehe nicht. Die Betriebsgefahr des Lkw habe sich nicht adäquat kausal auf den
Eintritt des Schadens ausgewirkt.
21
Die gegen die Beklagten zu 3) und 4) gerichtete Klage sei auch deshalb unbegründet,
weil die Klägerin nicht bewiesen habe, dass der Milchtankwagen ursächlich für den
Abbruch des Astes gewesen sei. Insoweit kämen der Klägerin auch nicht die
Grundsätze des Anscheinsbeweises zugute. Eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB
scheide aus, da die Fahrt des Tankwagens keinen unberechtigten Verkehr in diesem für
den landwirtschaftlichen Verkehr freigegebenen Weg dargestellt habe.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils Bezug genommen.
23
Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung der Klage gegen die
Beklagten zu 1), 3) und 4).
24
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen zu der dem Beklagten zu
1) zuzurechnenden Verkehrssicherungspflichtverletzung und zur Haftung der Beklagten
zu 3) und 4).
25
Im Rahmen ihrer Berufung hat die Klägerin durch Schriftsatz vom 12.05.2006 (Bl. 484 ff
GA (Bd. III) die Klage erweitert und nimmt nunmehr auch die Beklagten zu 5) und 6) in
Anspruch. Insoweit macht die Klägerin geltend, der Beklagte zu 5) habe durch
mangelnde Baumschau eine fahrlässige Körperverletzung begangen; die Beklagte zu 6)
hafte ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung.
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Die Klägerin beantragt,
27
unter Abänderung des am 07.04.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts
Arnsberg - 2 O 233/04 -
28
1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner gemeinsam mit dem Beklagten
zu 2.) an die Klägerin 10.219,16 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz
seit dem 09.03.2004 zu zahlen,
2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner gemeinsam mit dem Beklagten
zu 2.) an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkte
über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2003 zu zahlen,
3. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner gemeinsam mit dem
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Beklagten zu 2.) an die Klägerin eine monatliche Schmerzensgeldrente in
31
Höhe von 350,00 € seit dem 01.09.2003 vierteljährlich im Voraus jeweils
32
zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres zu zahlen,
33
4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner gemeinsam mit dem
Beklagten zu 2.) verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und
immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 03.08.2003 zu zahlen, soweit die
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen
sind oder noch übergehen.
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35
Die Beklagten zu 1), 3) und 4) beantragen jeweils,
36
die klägerische Berufung zurückzuweisen, soweit sie betroffen sind.
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Der Beklagte zu 5) beantragt,
38
die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.
39
Die Beklagte zu 6) beantragt,
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die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen, und zwar in erster Linie bereits als
unzulässig.
41
Der Beklagte zu 2) hat ebenfalls Berufung eingelegt und beantragt,
42
abändernd die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.
43
Die Klägerin beantragt demgegenüber,
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die Berufung des Beklagten zu 2) zurückzuweisen.
45
Als Nebenintervenienten schließen sich die Beklagten zu 3) und 4) den klägerischen
Anträgen an, soweit diese sich gegen die Beklagten zu 1) und 2) richten.
46
Die Beklagte zu 6) schließt sich als Nebenintervenientin den Anträgen der Klägerin an,
soweit diese sich gegen die Beklagten zu 1) - 4) richten.
47
Die Beklagten zu 5) und 6) machen geltend, die jetzige Erweiterung der Klage auf sie
sei bereits unzulässig.
48
Der Beklagte zu 1) verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit die gegen ihn gerichtete
Klage abgewiesen worden ist.
49
Im Übrigen wiederholen und vertiefen die Beklagten zu 1) und 2) ihr Vorbringen erster
Instanz und treten insbesondere der Auffassung des Landgerichts entgegen, wonach
die verkehrssichernde Kontrolle des Schadensbaums nicht ordnungsgemäß
durchgeführt worden sei. Die Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers des
Schadensbaumes sei erfüllt worden, weil das bezeichnete Forstamt mit der
Überwachung betraut worden sei. Die Baumkontrollen seien ordnungsgemäß
durchgeführt worden. Außerdem seien Kontrollen auch von der Eigentümerin des
Weges ausgeführt worden, die zu keinen Beanstandungen des Schadensbaumes
geführt hätten. Die Beklagten zu 1) und 2) verweisen darauf, dass die
Verkehrssicherungspflicht auch unter der Einschränkung der Zumutbarkeit bestehe; es
sei deshalb ausgeschlossen, dass jeder im Wald und auf den Weg ragende Baum im
Einzelnen untersucht werde; dazu habe auch nicht alleine der Zwieselwuchs Anlass
gegeben, der bei dem Schadensbaum im Gefüge von der Straße auch nicht zu sehen
gewesen sei.
50
Die Beklagten zu 3) und 4) verteidigen das angefochtene Urteil, soweit in ihrem Sinne
51
entschieden worden ist, und wiederholen und vertiefen dabei ihr erstinstanzliches
Vorbringen.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom
12.02.2007 nebst Berichterstattervermerk Bezug genommen.
52
Entscheidungsgründe:
53
I. Berufung des Beklagten zu 2)
54
Die Berufung des Beklagten zu 2) ist unbegründet.
55
Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass der Beklagte zu 2) als Eigentümer des
Waldgrundstücks bis zum 1. Juli 2003 verkehrssicherungspflichtig hinsichtlich des
streitgegenständlichen Baumes war und die Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde.
Es hat auch die erhobenen Beweise zutreffend gewürdigt. Insoweit schließt sich der
Senat den Entscheidungsgründen des Urteils erster Instanz im Wesentlichen an.
Ergänzend und vertiefend dazu ist gegenüber dem Vorbringen der Berufung des
Beklagten zu 2) auszuführen:
56
Die verkehrssicherungsrechtliche Gefahrenzuständigkeit des Beklagten zu 2) ergibt sich
im Streitfall aus seiner Stellung als Eigentümer des Baumes, aber auch aufgrund seiner
Verantwortlichkeit für den eigenen Herrschafts- und Organisationsbereich als
Eigentümer des Waldgrundstücks, in dem sich der Baum befand und an den die Straße
angrenzt. Da der Baum sich in der Nähe der Straße befand und bis auf diese überhing,
lassen sich die Einschränkungen für Waldbäume im vorliegenden Fall nicht ohne
weiteres auf eine Begrenzung der Verkehrssicherungspflicht und deren Inhalt
übertragen. Der Überhang und die Nähe der Straße beeinflussen hier wesentlich, dass
die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze für Waldbäume nicht das Maß der
erforderlichen Gefahrenabwehr bestimmen, sondern die Sicherheit des Verkehrs auf der
Straße. Das Landgericht hat richtig erkannt, dass ein Forsteigentümer, dessen
Waldstück an eine öffentliche Straße angrenzt, kraft seiner Verfügungsgewalt über sein
Gelände im Rahmen seiner Möglichkeiten und des Zumutbaren die Pflicht schädlicher
Einwirkung durch Holzbruch auf die Verkehrsteilnehmer zu vermeiden hat.
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Die Sicherung von Waldbesuchern ist dagegen völlig unterschiedlich zu bestimmen. Da
dem unentgeltlichen Betretungsrecht gem. § 14 BWaldG eine Duldungspflicht des
Waldeigentümers gegenübersteht, braucht dieser im Grundsatz keine besonderen
Vorkehrungen zum Schutz der Waldbesucher zu treffen, abgesehen von völlig
untypischen Gefahrenquellen. Eine Verkehrssicherungs- und Haftungspflicht des
Waldeigentümers für typische Waldgefahren besteht grundsätzlich nicht. Typische
Waldgefahren, zu denen auch mangelnde Standfestigkeit von Bäumen abseits von
Verkehrsflächen zählen, gehören zu dem vom Waldbesucher übernommenen Risiko,
der Waldbesuch erfolgt vielmehr auf dessen eigene Gefahr. Von besonderen
Ausnahmesituationen abgesehen ist der Waldeigentümer für Waldbesucher nicht
verkehrssicherungspflichtig (OLG Hamm VersR 1985, 597). Es ist allgemein anerkannt,
dass nur für atypische Gefahren eine Verkehrssicherungspflicht im Einzelfall bestehen
kann, etwa wenn dem Waldeigentümer bekannt ist oder bekannt sein muss, dass
besondere, situationsbedingte Risiken bestehen. Die Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht kommt im Bereich des Waldes daher nur dann in Betracht,
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wenn der Waldbesitzer besondere Gefahren schafft oder duldet, die ein Waldbesucher
nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich nicht einzurichten vermag,
weil er mit ihnen nicht rechnen muss. Mit natürlichen Gefahren muss derjenige, der sich
in die Natur begibt, stets rechnen. Solche Gefahren werden dann auch selbst
übernommen.
Anders ist dies jedoch zu beurteilen, soweit das Waldgrundstück eines Eigentümers an
eine öffentliche Straße angrenzt. Hier ist, wie das Landgericht richtig gesehen hat, eine
Sicherungspflicht des Baumbestandes, von dem Gefahren für den auf dem
angrenzenden öffentlichen Weg oder der öffentlichen Straße für den Verkehr ausgehen
können, zur Vermeidung schädlicher Einwirkung auf die Verkehrsteilnehmer durch
umstürzende Bäume zu bejahen. Die Benutzer solcher Wege übernehmen nicht wie
zuvor dargelegt natürliche Gefahren durch Aufsuchen eines natürlichen Umfeldes.
Soweit Einwirkungen auf die Verkehrsteilnehmer durch umstürzende Bäume zu
vermeiden sind, kommt es auf die Einsicht eines besonnenen, auf dem Gebiet der
Forstwirtschaft fachlich beratenen Menschen an und darauf, inwieweit solche Gefahren
von diesem erkannt werden können (BGH VersR 1974, 88; Wussow/Hemmerich-
Dornick a.a.O. Rn. 78). Hier gelten dann, wie das Landgericht zutreffend ausführt, die für
die Sicherheit von Straßenbäumen entwickelten Grundsätze für eine äußere
Sichtprüfung bezogen auf die Gesundheit und Standsicherheit zweimal jährlich im
belaubten und unbelaubten Zustand (OLG Hamm NZV 2003, 527; OLG Düsseldorf
VersR 92, 467; OLG Celle OLGR 2000, 188). Die Anwendung dieser Grundsätze zur
Sicherungspflicht auch von Straßenbäumen auf Randbäume des Waldgrundstücks
überschreitet nicht das Verhältnismäßigkeitsgebot in der Güter- und
Interessenabwägung zwischen dem Bestandsschutz der Schutzgüter und der
Handlungsfreiheit des Eigentümers und dessen allgemeinen wirtschaftlichen
Interessen. In der Ausformung der Verkehrspflichten gilt zwar auch der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit des Aufwandes für den
Gefahrenabwendungserfolg, also des Sicherungsaufwandes (BGHZ 42, 118; NJW 72,
724, 726). Das bedeutet jedoch nur, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz das
Wesen der widerstreitenden Interessen in der Konfliktsituation herauszuarbeiten und zu
beachten hat, um zu verhindern, dass der Eigentümer eines Waldgrundstücks stärker
belastet wird als zur Wahrung der schutzwürdigen Belange des Schutzgutes erforderlich
ist. Keinesfalls ist hinzunehmen, dass Inhalt und Maß der Sicherungspflicht im Einzelfall
dadurch bestimmt wird, wie groß der Bestand eines Eigentümers ist. Deshalb ist der
Einwand des Beklagten zu 2) an seinen Waldbeständen verliefen viele Kilometer
öffentlicher Straßen verfehlt. Mit diesem Argument können Sicherheitsunterschiede
innerhalb der Kulturlandschaft nicht hingenommen werden.
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Dass das Maß der Verkehrspflichten an der jeweils konkreten Ausformung und
Möglichkeit von Gefahren zu messen ist und an der Pflichtenstellung des Eigentümers
eines Randbaums, und an dem Maß der Gefahr, ist der entscheidende
Bestimmungsfaktor für die zu fordernden Sicherungsmaßnahmen, wenn sich Bäume im
Randbereich eines Waldes wie Straßenbäume gefahrbringend auswirken können. Die
Eigentümer werden zur Wahrung der schutzwürdigen Belange der Straße dann auch
nur in dem für die Sicherheit erforderlichen Maße belastet (vgl. Steffen RGRK a.a.O.,
§ 823 Rn. 150).
60
Daraus folgt zugleich, dass zur Verkehrssicherung nicht solche Maßnahmen gefordert
werden können, die zu neuen Gefahren führen, etwa zur Beseitigung von Bäumen, die
ihrerseits für die Standsicherheit benachbarter Bäume im Gefüge des Waldes
61
erforderlich sind. Solche forstwirtschaftlichen und auch ökologischen Interessen an der
Erhaltung von Bäumen sind zu berücksichtigende Aspekte, sie dürfen jedoch nicht von
vornherein dazu führen, dass der Sicherungsaufwand bei der vorbeugenden Prüfung
von Gefahren reduziert wird. Auf erkennbare Gefahren sind im Interesse der
Gefahrenabwehr Waldbäume, die am Rande eines Verkehrsweges stehen, zu
kontrollieren, um dann eine sachgerechte Abwägung für die erforderlichen
Sicherheitsmaßnahmen im konkreten Fall überhaupt treffen zu können.
Daran hat es hier gefehlt. Die Besorgnis, dass durch Beseitigung dieses Baumes eine
andere sicherungsbedürftige Gefahr im dargelegten Sinne hätte geschaffen werden
können, war auch offenkundig unbegründet; denn es bestanden offensichtliche andere
Möglichkeiten als die der sofortigen Beseitigung des Baumes, etwa der Rückschnitt des
bedrohlich über die Straße hängenden schweren Stämmlings oder dessen Verseilung,
die die Sachverständige C2 (Bd IV Bl. 786 ff) in Erwägung gezogen hat.
62
Der Senat hat auch nach weiterer Beweisaufnahme keine Zweifel am Bestehen einer
Verkehrssicherungspflicht nach den dargelegten Grundsätzen und deren Verletzung.
Anknüpfungspunkt für die deliktische Haftung des Beklagten zu 2) wegen der
Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht ist sein Eigentum des Waldgrundstückes, in
dem sich der schädigende Baum befand. Verkehrssicherungspflichten müssen
allgemein im Lichte der Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB beurteilt und bestimmt
werden. Nach herrschender Auffassung begründet die Anknüpfung an das
Schutzbedürfnis absoluter Rechtsgüter i.S.d. § 823 Abs. 1 wie Leben, Gesundheit und
körperliche Integrität ein Verhaltensprogramm, dessen Konkretisierung von dem
Anknüpfungspunkt zur Begründung der Verkehrssicherungspflicht, von dem Rang des
Schutzgutes, das im Einzelfall gefährdet wird und von der Art und Größe der Gefahr und
der Schadenswahrscheinlichkeit für die Schutzgüter bestimmt wird (BGHZ 58, 149;
Steffen in VersR 1980, 409; Wussow; Hemmerich-Dornick, 15. Aufl., Kap. 3 Rn. 3).
Verkehrssicherungspflichten und die Haftung für deren Verletzung beruht also auf dem
Gebot der Schadensabwehr für die Rechtsgüter, die gesetzlich nach § 823 Abs. 1 BGB
geschützt sind. Soweit ein Gegenstand eine Gefahr begründet, ist der Eigentümer zur
Gefahrenabwehr verpflichtet, weil er dazu die rechtliche Möglichkeit hat, entsprechend
auf die gefahrbringende Sache einzuwirken; entsprechende Verhaltenspflichten zur
Gefahrenkontrolle und Beherrschung begründen auch die Eröffnung eines bestimmten
Verkehrs oder Verkehrsbereichs und damit eines Herrschafts- oder eines
Organisationsbereichs. Abzugrenzen ist die Haftungszuständigkeit (Verpflichtung auch
gegenüber anderen Funktions- und Kontrollkreisen), und zwar zur Ausgrenzung
entschädigungsloser allgemeiner Lebensrisiken und zugelassener Gefährdungen
(Steffen in RGRK, 12. Aufl. § 823, Rn. 139). Hier hatte der Beklagte zu 2) den Verkehr
auf dem an seinem Waldstück entlangführenden Weg zwar nicht eröffnet und
zugelassen; der Inhalt seiner Verkehrssicherungspflicht, die an sein Eigentum anknüpft,
wurde jedoch auch dadurch bestimmt, dass unter Umständen die Rechtsgüter Dritter bei
der Benutzung dieses Weges gefährdet sein konnten. Insoweit traf ihn auch die
Verpflichtung für eine geeignete Organisation der notwendigen Gefahrenabwehr zu
sorgen und soweit er dies nicht veranlasste, seine Einstandspflicht nach § 831 BGB.
63
Dass neben der Anknüpfung an das Eigentum des Beklagten zu 2) zur Begründung der
Verkehrssicherungspflicht das hier sich realisierende Risiko möglicherweise auch
andere Zuständigkeitsbereiche zur Gefahrenabwehr als die Anknüpfung bei der
Eigentümerstellung des Beklagten zu 2) durchlaufen hatte, etwa die
Gefahrenzuständigkeit der Stadt N als Straßenbaulastverpflichtete, ändert an der
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Pflichtenstellung des Beklagten zu 2) im Verhältnis zur Klägerin nichts. Diese
Pflichtenstellung kann allenfalls wie dargelegt dadurch beschränkt oder eingegrenzt
sein, dass die Klägerin ein haftungseinschränkendes oder gar ausschließendes Risiko
übernommen hätte, indem sie sich in ein natürliches, von natürlichen Gefahren
geprägtes Umfeld begeben hat und den Weg L2-Straße befuhr. Dies war jedoch nicht
anzunehmen; deshalb kann der Unfall auch nicht ihrem allgemeinen Lebensrisiko
zugerechnet werden; für sie war das Abbruchrisiko des Stämmlings nicht annähernd
erkennbar. Auf ein solches Risiko musste sie als Benutzerin des Weges nicht achten.
Sie hatte auch kein sorgloses, unberechtigtes Vertrauen darauf, nicht in dieser Weise zu
Schaden zu kommen. Demgegenüber traf den Beklagten zu 2) eine konkrete
Pflichtenstellung im Interesse des Schutzes von Rechtsgütern nach § 823 Abs. 1 BGB,
die auch in erster Linie inhaltsbestimmend für die konkreten Pflichten sind. Für die
Klägerin war das Abbruchsrisiko des Stämmlings nicht annähernd erkennbar oder
vorausschauend in ihr Vorstellungsbild aufzunehmen, auch wenn der schwere
Stämmling über dem Weg hing. Sie musste auf ein solches Risiko noch nicht einmal
achten, außerdem war eine konkrete Risikoabschätzung für sie überhaupt nicht möglich.
Demgegenüber bestand die Pflichtenstellung des Beklagten zu 2) gerade darin, solche
Gefahren zu erkennen und zu beherrschen, die nach sachkundigem Urteil drohen,
wobei wiederum das Maß der Gefahr bestimmend ist für die Intensität der
anzustellenden Untersuchungen und der Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Wo
besonders schwere Schäden drohen oder wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen
konkreten Schadenseintritt besteht und soweit der jeweilige Verkehr sich nicht selbst auf
Gefahren einzustellen vermag, ist ihm eine hohe Intensität und ein hoher Aufwand im
Rahmen der Gefahrvermeidung zuzumuten, der nicht dadurch eingeschränkt war, dass
der Weg auch nur eine untergeordnete Verkehrsbedeutung hatte. Keinesfalls war vor
allem der Aufwand für die Erkennung des Ausmaßes der Gefahr, die von dem
Stämmling ausging, eingeschränkt, zumal dieser, wie noch darzulegen ist, schon durch
seinen Wuchs und sein äußeres Erscheinungsbild ein besonderes Gefahrenpotential
verriet.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen in erster und zweiter Instanz begründete der
über die Straße hängende Stämmling nach seinem Wuchs und nach weiteren
besonderen Gegebenheiten eine außerordentliche große Gefahr des Abbruchs und
damit der Gefährdung von Benutzern des Verbindungsweges. Gerade diese von den
Sachverständigen übereinstimmend beschriebene Gefahr hat sich im vorliegenden Fall
auch verwirklicht. Es handelte sich um eine außergewöhnliche Gefahr, die aber
vorhersehbar war und bei pflichtgemäßer Kontrolle auch hätte erkannt werden können,
und außerdem um eine qualifizierte Gefahr durch die besonders schwere Schäden
drohte, wie sich im konkreten Schadensereignis leider bestätigt hat. Dies, wie der
Abbruch des Astes überhaupt, war bei hinreichender Kontrolle und pflichtgemäßer
Überwachung dieses Baumes vorhersehbar, unabhängig davon, ob möglicherweise
auch andere Faktoren für den Abbruch des Astes wirksam geworden sind, wie die
Durchfahrt des Lkw des Beklagten zu 3) und die von ihm verursachte Krafteinwirkung
auf den Ast durch Luftverwirbelung oder Luftstau. Auch die besonderen sommerlichen
Verhältnisse, die eine erhöhte Bruchgefährdung durch eine eingeschränkte
Wasserversorgung des Stammes mit sich brachten, war auf Seiten des Beklagten zu 2)
bei der Gefahrenkontrolle und Beherrschung präventiv in Rechnung zu stellen.
Allerdings lag kein klassischer Sommerbruch vor, den der Sachverständige Prof. Dr. N3
in seiner abweichenden Art und Ausprägung hinreichend beschrieben hat und deshalb
ausschließen konnte, vgl. Ergänzungsgutachten vom 02.11.2005 und mündliches
Gutachten vom 24.03.2006.
65
Das Spezifische der hier aktualisierten Gefahr bestand nach dem übereinstimmenden
Urteil der Sachverständigen Dr. I2 und Prof. Dr. N3 in dem Wuchs des schweren
Stämmlings über die Straße und der Art des Zwiesels, der sich im Trennungsbereich
des Stämmlings von dem Hauptstamm gebildet hatte.
66
Der Sachverständige Dr. I2 hat bereits in seinem ersten Gutachten im
Beweissicherungsverfahren 2 OH 14/03 LG Arnsberg dazu ausgeführt:
67
Betrachtet man den Schadensbaum einmal aus der Nähe, so zeigt sich, dass er im
unteren Stammbereich einseitig eine deutliche Stammausformung ähnlich einer
Rippe ausgebildet hat (auf der Südseite).
68
U- und V-Zwiesel bezeichnen die verschiedenen Wuchsformen eines Baumes und
damit auch gravierende Unterschiede von Zug- und Druck.
69
Der Sachverständige erläutert weiter:
70
Ein V-Zwiesel sieht ganz anders aus (als ein Zugzwiesel): Rippenbildung
Rissbildung, schwarze Streifen unterhalb der Verbindungsstelle
71
Der Zugwiesel wird im Bereich der Gabel - wie der Name schon erkennen lässt auf
Zug belastet. Dies geschieht z.B. dadurch, dass sich die Stämmling eines
freistehenden Baumes bedingt durch ihr Eigengewicht voneinander wegbiegen.
Dabei gelingt es dem Baum, die bei einer halbkreisförmigen Kerbform
normalerweise auftretenden Kerbspannungen durch die Anlagerung von Material
zu reduzieren. Diese Materialanlagerung ist jedoch äußerlich von der Seite nicht
erkennbar, d.h. der Baum bildet keine Rippen aus.
72
Beim Druckzwiesel dagegen ist die Situation ganz anders. Wenn wie in dem
Buchenbestand die Bäume ursprünglich sehr eng stehen, geraten die Stämmlinge
eines Baumes zunehmend in Kontakt miteinander, wobei sich an der Kontaktstelle
eingeschlossene Rinde befindet. Auch hier versucht der Baum wieder die im
Bereich der Berührungsstelle auftretenden höheren Spannungen abzubauen,
indem er die Kontaktfläche vergrößert und abflacht. Am Baum ist das von außen
deutlich sichtbar durch die Ausbildung von Rippen.
73
In dem Augenblick jedoch, in dem sich die Krafteinwirkung ändert (umkehrt), wird
eine derartiger Baum zu einer potentiellen Gefahr. Diese Kraftänderung kann z.B.
durch Bestandsauflichtung, Fällung von Nachbarbäumen geschehen oder durch
veränderten Wuchs zum Licht. Dann ist der Baum plötzlich nicht mehr gezwungen,
seine Stämmlinge gegeneinander zu drücken sondern er kann sie seitwärts zum
Licht strecken. Die bisher der Druckbelastung sehr gut angepasste Rinde wird nun
auf Zug belastet mit der Folge, dass die eingeschlossene Rinde nun wie ein Riss
wirkt ... und ein Ausbruch eines Stämmlings ist die unausweichliche Folge.
74
Der Sachverständige führt weiter aus, dass nach beiden anerkannten
Baumkontrollmethoden (Hamburger Baumpflegemethode und VTA-Methode) bei
einem Druckzwiesel grundsätzlich eine eingehendere Untersuchung erforderlich
ist.
75
Der Sachverständige Dr. I2 hat sodann in diesem Erstgutachten für den Schadensbaum
dargelegt, dass nicht feststellbar sei, ob vor dem Unfall an dem Schadensbaum ein
erkennbarer Riss vorgelegen habe und akute Bruchgefahr bestand. Er erläutert die
Bruchstelle weiter anhand der Bilder 13 - 16 und kommt zu dem Schluss, insgesamt
machte die Buche einen vitalen und keinen kranken Eindruck. Zur Bruchsicherheit
führte er aus, wenn ein Druckzwiesel bereits eine potentielle Gefahr darstelle, werde
durch das Vorhandensein des zweiten an einem Baum die davon ausgehende
Gefährdung zwangsläufig gesteigert. Die Gefahr an diesem Baum sei vor allem darin
begründet gewesen, dass er im Bereich der Druckzwiesel auseinanderbrechen könnte.
76
In seinem weiteren Gutachten, das er auf den Beweisbeschluss vom 03.11.2003 am
05.01.2004 erstattete, führt der Sachverständige Dr. I2 aus: Die schadensverursachende
Buche habe ca. 9 - 10 m von dem Wirtschaftsweg entfernt am Bestandsrand gestanden,
der Stammfuß habe sich 4 m unterhalb des Straßenniveaus befunden, deshalb auch die
Abbruchstelle des Stämmlings noch leicht unter dem Straßenniveau. Der Stämmling
habe nicht ganz wagerecht über die Fahrbahn geragt, sondern etwa in einem Winkel
von 34 - 38 Grad im Verhältnis zum Hauptstamm. Auf weitere Beweisfrage stellt der
Sachverständige fest, dass die Bilder 13 - 16 seines Erstgutachtens die Abbruchstelle
zwischen dem Hauptstamm und dem schadensstiftenden Stämmling zeigen. Hier sei
auch Fäule sichtbar.
77
Der Sachverständige stellt weiter in seinem zweiten Gutachten fest, dass auch zur Zeit
seines Ortstermins am 17.12.2003, den er zur Erstattung des Zweitgutachtens
durchführte, noch mehrere Bäume in der Nähe der Straße stehen, von denen erhebliche
Gefahren für die Verkehrsteilnehmer ausgehen.
78
Der Sachverständige Prof. N3 beschreibt in seinem ersten Gutachten vom 22.06.2005
die Defekt- und Warnsignale ähnlich wie der Sachverständige I2 und kommt zu dem
Ergebnis, der Stammkopf des Baumes sei von dem erkennbaren Risiko der Spaltung
bedroht. In seinem weiteren Gutachten vom 02.11.2005 führt er aus:
79
Der von einem Lkw erzeugte Luftdruck sei nicht geeignet, gesunde Äste zum
Abbruch zu bringen. Biomechanisch sei der Druckzwiesel mit Rindeneinschluss,
wie ihn der Sachverständige I2 beschrieben habe, hoch gefährlich. Eine
spitznasige Rippe weise darauf hin, dass an der Anschlussstelle nur wenig
verschweißte Jahresringe den Stämmling mit dem Stamm verbinden. Dies deute
auf ein Risiko hin. Ebenfalls begründe ein besonderes Risiko, dass es sich an der
Ausbruchstelle um einen Zwiesel ohne Ohren gehandelt habe. Ein solcher Fall
begründe immer das maximale Risiko.
80
Ferner lag dem Senat neben weiteren Stellungnahmen das mit der
Berufungserwiderung des Beklagten zu 2) vorgelegte Privatgutachten der
Baumsachverständigen C2 vom 03.08.2003 über die Vorhersehbarkeit des Ausbruchs
eines Buchenstämmlings vor (Bd IV Bl. 786 ff d.A.). Diese Sachverständige führt im
Wesentlichen aus, ein Druckzwiesel sei keineswegs immer als ein Defektssymptom
einzustufen.
81
Im Gegensatz zum instabilen Druckzwiesel fänden sich beim stabilen
Druckzwiesel keine die Zwieselnaht verlängernden seitlichen Anbauten
(Zwieselohren genannt), ebenso wenig sei eingeklemmte Rinde
(Verbindungsfehlstelle) festzustellen Die beiden zuletzt genannten Phänomene
82
könnten u.U. gleichbedeutend mit nicht gegebener Verkehrssicherheit sein.
Verzweige sich ein Stamm in Form eines unauffälligen Zug- oder stabilen
Druckzwiesels so sei der Baum in dieser Zone als bruchsicher einzustufen.
Weise ein Solitärbaum einen instabilen Druckzwiesel auf, müsse an der
Verkehrssicherheit gezweifelt werden, so dass Handlungsbedarf bestehe.
83
In einem solchen Fall habe ein Entlastungsschnitt zu erfolgen oder sei eine
Kronensicherung einzubauen. Ein solcher Baum, der dies zeige, wachse mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einem Bruchereignis entgegen. Aus
diesem Grund müsse gesichert werden.
84
In aller Regel sei es so, dass Bäume nur dann potentiell instabile Druckzwiesel
ausbildeten, wenn sie im Streben nach Sonnenlicht einem kritischen
Konkurrenzdruck ausgesetzt seien.
85
Die Sachverständigen Dr. I2 und Prof. N3 haben bei ihrer Anhörung durch den Senat
wiederholt, dass hier erkennbar ein ihrer Einschätzung nach höchst gefährlicher
Druckzwiesel vorgelegen habe; beide Sachverständigen haben betont, wiederholt und
erläutert, dass die Defektsymptome zu weiteren eingehenderen Untersuchungen hätten
im Rahmen der Baumkontrolle führen müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Berichterstattervermerk des Senats Bezug genommen.
86
Der Senat hat sich von diesen Gutachten der Sachverständigen Prof. N3 und Dr. I2 und
ihren Erläuterungen im Termin vom 12.02.2007 überzeugen lassen. Der Einholung
eines weiteren Baumgutachtens bedurfte es nicht. Der Senat sieht insbesondere auch
keine Widersprüche in den Stellungnahmen der Sachverständigen. Beide
Sachverständigen N3 und I2 haben im Gegenteil durchgehend den Zwiesel, an dem der
Stämmling unfallursächlich ausgebrochen ist, als höchst gefährlich eingestuft und dies
auch übereinstimmend damit begründet, dass keine Zwieselohren vorhanden gewesen
seien, die auf eine Verstärkung durch gemeinsame Jahresringe hätten schließen lassen
können. Stattdessen sind die beiden Sachverständigen übereinstimmend davon
ausgegangen, dass vielmehr Anzeichen dafür bestanden, dass zwischen Stämmling
und dem Hauptstamm im Bereich des Zwiesels Rinde eingewachsen war, was den
Verdacht besonderer Schadensanfälligkeit begründen musste, weil diese
eingewachsene Rinde zwischen den Baumteilen als Riss zu beurteilen sei, indem sich
durch Zug- und Druckbelastung weitere Schadensursachen entwickeln können wie z.B.
die Fäulnis, die nach Abbruch von dem Sachverständigen Dr. I2 nachvollziehbar
dokumentiert und auch deutlich erkennbar war. Der bei zuverlässiger Einschätzung des
Zwiesels zu hegende Verdacht auf weitere Gefahren hat sich also bestätigt.
87
Das Gutachten der Sachverständigen C2 steht dem nicht entgegen. Ihre Ausführungen
sind dahingehend zu verstehen, dass auch für sie der Zwiesel, den der Stämmling mit
dem Hauptstamm bildete, gefährlich war. Unterschiede ergeben sich zwischen den
Gutachten insofern, ob und inwieweit die äußerst große Gefahr, die von diesem
Stämmling ausging, bei den Baumkontrollen erkennbar gewesen ist. Das war nach den
überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen N3 und I2 aufgrund der
spezifischen Symptome, die der Zwiesel hier zeigte und die auch nach dem Unfall durch
die dem Gutachten I2 beigefügten Lichtbilder 13 - 16 nachgewiesen sind, der Fall. Das
Bild Nr. 16 hat insbesondere auch der Sachverständige Prof. N3 bei seiner Beurteilung
zugrunde gelegt und festgestellt, dass es sich eindeutig um einen Zwiesel ohne Ohren
88
gehandelt habe, also um einen Zwiesel, der das maximale Risiko darstelle, weil es
erkennbar an den cirkum ferentiellen Zuggurten durch Ohren gefehlt habe. Die
unmittelbar nach dem Unfall gefertigten Lichtbilder (Ermittlungsakte Bl. 62 ff) zeigen
ebenfalls die Bruchstelle und weisen aus, dass die Sachverständigen von richtigen
Voraussetzungen ausgegangen sind. Dem steht die Kritik im Gutachten C2 nicht
entgegen, die im Wesentlichen dahin geht, dieses Bild zeige den Bereich erst nach dem
Ausbruch, wenn man sich jedoch den Ausbruch geschlossen vorstelle, wären
Holzanlagerungen zu erkennen, also auch Zwieselohren, die auf Verstärkungen in
diesem kritischen Bereich hätten schließen lassen können. Die Sachverständige C2
bestätigt jedoch in der Sache, dass es sich um eine Zwieselbildung mit eingewachsener
Rinde handelte und keine ausreichende Verschweißung vorlag.
Aber selbst dann, wenn man von der Richtigkeit der im Parteigutachten C2 dargelegten
Kritik an den Sachverständigen I2 und N3 ausginge, ändert dies nichts an der
Richtigkeit der Beurteilung durch die gerichtlichen Sachverständigen. Denn es darf nicht
übersehen werden, dass insbesondere der Sachverständige Dr. I2 weitere deutliche
Anhaltspunkte für schwere Defekte des Schadensbaumes dargelegt hat, so den
Zustand auf der Rückseite, d.h. Nordseite mit einer tiefen Rissbildung, Anzeichen für
Fäulnis und Anzeichen für Pilzbefall, jedenfalls in der näheren Umgebung des
Schadensbaumes, der nach seiner Auffassung zu intensiveren Kontrollen der die
Straße gefährdenden Bäume hätte führen müssen. Der Sachverständige Dr. I2 hat dies
im Einzelnen dokumentiert und überzeugend dargetan. Deshalb ist auch die
Feststellung des Sachverständigen Prof. N3 richtig und nicht, wie der Beklagte zu 2)
meint, als Unsachlichkeit aufzufassen, wenn er davon spricht, dass sich dieser Baum
bereits zur Zeit des Unfalls in einem Zustand der Selbstauflösung befunden habe. Das
hat in der Sache auch Dr. I2 mit der Bemerkung gemeint, der Baum sei dem Abbruch
entgegengewachsen und auch die Sachverständige C2. Dr. I2 stellt ebenfalls zutreffend
und gut nachvollziehbar in den Vordergrund, dass dieser schon allein deshalb
besonders auffällig und gefahrträchtig war und der eingehenden Untersuchung bedurfte,
bei der die besondere Gefährlichkeit aufgefallen wäre, weil der Schrägwuchs mit einem
Stämmling im Durchmesser von 60 cm über mehrere Meter bis über die Straße und
hinein in das nächste Feld auf einer Distanz von insgesamt 12 m schon allein wegen
seines Eigengewichts ein hohes Gefahrenpotential darstellte und wegen des
Eigengewichts auch besonders bruchgefährdet war, unabhängig von den
Erkenntnissen, die bei genauerem Hinsehen und der Untersuchung des Risses
(Rindeneinschlusses) im Zwiesel hätten festgestellt werden können. Der allein deshalb
gegebenen latenten Bruchgefahr war jedenfalls durch baumpflegerische Maßnahme
entgegenzuwirken. Erst recht, wenn bei sorgfältiger Baumkontrolle die weiteren
Gefahrenanzeichen erkannt worden wären.
89
Allein das Vorhandensein des Zwiesels kann allerdings auch nach Auffassung des
Senats nicht dazu führen, dass hier und in allen anderen Fällen von Zwieseln dieser Art
sofort durch vollständigen Rückschnitt entgegengewirkt werden muss. Die
Sachverständigen, insbesondere Dr. I2 haben mit Recht darauf hingewiesen, dass die
Beseitigung von Bäumen an Waldrändern und ein starker Rückschnitt von Stämmlingen
zu weiteren Gefahren in der Stabilität von Waldrandbäumen führen können. Das heißt
aber nicht, dass solche Bäume, die wie hier eine aktuelle akute Gefahr begründen, im
Einzelfall nicht doch beseitigt werden müssen, um diese zu beseitigen. Wie die
Gefahrenbeseitigung im Einzelnen zu geschehen hatte, falls ein problematischer
Druckzwiesel vorliegt, ob künstliche Stützung, etwa Vergurtung oder durch Rückschnitt
oder Baumfällung, bleibt weitestgehend den Baumsachverständigen vorbehalten. In
90
jedem Falle hat eine solche Untersuchung stattzufinden, damit ein biomechanischer
Abbruch aufgrund einer zu großen Last an der Verbindungsstelle, unter Umständen
auch durch Einwirkung anderer Kräfte, vermieden wird.
Hier waren Maßnahmen schon wegen der von dem Sachverständigen Dr. I2
bezeichneten Faktoren erforderlich, die die besondere Gefährlichkeit begründeten,
wobei der primäre Faktor in dem besonderen Wuchs des Baumes liegt und sekundär
die bedenklichen Anzeichen an der Zwieselstelle, also der Verbindungsstelle zwischen
dem Stämmling und dem Hauptstamm, zu berücksichtigen sind.
91
Dem Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung bei der Baumkontrolle kann der
Beklagte zu 2) auch nicht deshalb entgehen, weil die Zwieselproblematik für den
Baumkontrolleur nicht ohne weiteres von der Straße aus erkennbar war. Dabei kommt
es nicht einmal auf die Methodenfrage an, ob nun die VTA-Methode (Visual Tree
Assement) oder Hamburger Baumkontrolle, an. Denn allein aufgrund des offenkundigen
Eindrucks stand, wie der Sachverständige I2 ausgeführt hat, die Problematik dieses
Baumes fest.
92
Dieser Unfall der Klägerin durfte und musste sich nicht ereignen; er war
verkehrssicherungsrechtlich auch vermeidbar, wenn auch nicht durch sofortige Fällung
des Baumes, so doch durch vorausschauende Einschätzung der Gefahr, die allein
aufgrund der Massenverhältnisse und der Unsicherheiten, die der Zwiesel allemal bot,
hier jedoch in besonderem Maße dadurch, dass Rinde eingewachsen war und deshalb
sich eine besondere Schwachstelle an einem neuralgischen Punkt eingestellt hatte,
bestand. Das musste bei sorgfältiger Baumkontrolle erkannt und vorausschauend
beurteilt werden. Diese Gefahr durfte den Kontrolleuren auch deshalb nicht entgehen,
weil sie schon lange vorlag, worauf die Sachverständigen ebenfalls hingewiesen
haben. Das ist unmittelbar plausibel. Auf die Unterschiede in den Beurteilungsmethoden
kommt es auch schon deshalb nicht an, weil auch die VTA-Methode voraussetzt, dass
problematische Anzeichen genauer untersucht und in Augenschein genommen werden.
Daher kommt es auch nicht darauf an, ob nun von der Straße aus die Problematik des
Baumes erkennbar gewesen sei. Dann setzt eben visuelle Baumuntersuchung voraus,
dass so weit in den Baumbestand hineingegangen wird, dass alles, was erforderlich ist
ggf. gesehen werden kann. Auch dazu bestand schon nach dem hier vorliegenden
spezifischen Baumwachstum Veranlassung. Seit langem ist im Übrigen in der
Rechtsprechung anerkannt, dass spezifischen Anzeichen für Gefahren vertiefend im
Rahmen der VTA-Methode nachgegangen werden muss. Die visualisierte
Baumkontrolle muss aber sicherstellen, dass der Kontrolleur auch in die Lage versetzt
wird, evtl. Warnzeichen am Baum oder in der Umgebung des Baumes auch wirklich
wahrzunehmen. Dementsprechend wird man fordern müssen, dass dann, wenn durch
einen wie hier überhängenden Ast schwere Gefahren begründet werden, auch
vertiefende Untersuchungen am Baum selbst vorgenommen werden. Daran hat es hier
offenkundig gefehlt.
93
Der Entlastungsbeweis nach § 831 BGB kommt hier nicht in Betracht. Dieser ist schon
deshalb auszuschließen, weil es an einem wirksamen Kontroll- und
Überwachungssystem organisatorisch fehlte. Gerade der Umfang der
Sicherungsüberwachung, die der Beklagte zu 2) dem beauftragten Forstamt übertragen
hatte, begründete die Gefahr, dass in der Routine sich Fehler einschleichen; dies wurde
geradezu durch die formalisierte Meldung über Kontrollen, die inhaltlich völlig belanglos
blieben und routinemäßig übersandt wurden, gefördert. Ohne Nachweis einer
94
fortdauernden und planmäßigen Kontrolle wann genau welcher Abschnitt wie
kontrolliert wurde, ließ sich für den Beklagten zu 2) überhaupt kein Bild gewinnen, ob
die von ihm delegierte Sicherung und Überwachung der in Straßenräume ragende
Bäume zuverlässig ausgeführt wird, wie überhaupt sein Vorbringen zeigt, von der
Straße aus sei der Baum nicht recht zu sehen gewesen. Dies spricht dafür, dass schon
keine klaren Vorstellungen über Inhalt und Bedeutung der vorzunehmenden Aufgaben
bestanden. Wie unzuverlässig die Kontrollen tatsächlich waren und wie wenig der
Beklagte zu 2) um die Sicherheit bemüht gewesen ist, ist auch daran zu erkennen, dass
nach Angabe der Kontrolleure im Jahre 2001 das hier in Rede stehende Waldstück
intensiv durchforstet worden war und die Randbereiche besonders stark kontrolliert
worden waren. Dies ist offenkundig falsch, weil der Sachverständige Dr. I2 keinerlei
Anzeichen für eine intensive Durchforstung festgestellt hat, sondern im Gegenteil
bemerken musste, dass im Umfeld der Bäume weitere schwere Warnzeichen vorlagen,
wie u.a. Pilzbefall von Bäumen. Bedenklich ist auch die von dem Beklagten zu 2)
offensiv vertretene Auffassung, Druckzwiesel seien für sich keine ausreichenden
Anzeichen dafür, dass der Baum einer weiteren besonderen Kontrolle bedürfe (so die
anwaltlich verfasste Einlassung des Baumkontrolleurs M vom 21.06.2005, Strafakte
Bl. 173, 174). Ein weiteres Anzeichen für die Unzuverlässigkeit des beauftragten
Forstamtes sieht der Senat darin, dass trotz der Erfahrung mit dem vorliegenden
Schwerstunfall der Klägerin der Sachverständige Dr. I2 bei seinem am 13.08.2003
durchgeführten Ortstermin weitere ähnlich gefährliche Bäume am Rand der Straße
gefunden hat. Dies belegt, dass die Tätigkeit der Verrichtungsgehilfen, die Fachleute auf
dem Gebiet der Forstwirtschaft sind und nach ihren Fähigkeiten und Kenntnissen in der
Lage sind, eine Sicherheitskontrolle durchzuführen, an deren Zuverlässigkeit jedoch
Zweifel bestehen, nicht hinreichend kontrolliert und überwacht wurden. Jedenfalls ist der
Nachweis fortdauernder planmäßiger Kontrollen und fortgesetzt sorgfältiger Auswahl
und Überwachung, wie dies der Entlastungsbeweis voraussetzt, nicht geführt.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Die eingangs dargelegte Verkehrssicherungspflicht
begründet für einen Eigentümer und für den von ihm zu überwachenden
Herrschaftsbereich die Verpflichtung zur wirksamen Gefahrenabwehr, die umso weiter
reicht, je schwerer die zu befürchtenden Schäden sind, die aus einer Gefahr drohen
können (Abwehr qualifizierter Gefahren, BGHZ 58, 149, 156). Dies folgt unmittelbar
daraus, dass die Verkehrssicherungspflichten in ihrer normativen Bedeutung auf die
Reichweite der Schutzgüter des § 823 Abs. 1, insbesondere Leben, Gesundheit und
körperliche Unversehrtheit bezogen ist und deshalb die Ausformung der
Verkehrssicherungspflichten nicht statisch sind, sondern von den Gegebenheiten
abhängen. Bei der Baumkontrolle ist, wie das Landgericht zutreffend ausführt, ein
unterschiedlicher Maßstab hinzunehmen, je nachdem ob es sich um Waldbäume
handelt oder um Straßenbäume; auf diesen Unterschied kann es im Streitfall ohnehin
nicht ankommen, weil wie dargelegt wurde der spezifische Wuchs des
Schadensbaumes eine Gefahr begründet, die auch bei einem kritischen Straßenbaum
gegeben wäre.
95
Es ist deshalb zu betonen und dem Eindruck entgegenzuwirken, dass die bloße
Erfüllung von bestimmten vorbezeichneten Methoden bei der Gefahrenabwehr im
Einzelfall ausreichend sein müssen; jedenfalls dann, wenn besondere Gegebenheiten
wie hier vorliegen, ist im Einzelfall das Maß der Untersuchung und Prüfung der
Gefahren und der Gegenmaßnahmen nach sachkundigem Urteil zu bestimmen.
96
Grundsätzlich gilt, das Gesamtbild darf nicht aus dem Auge verloren werden. Einer
97
besonderen konkreten Gefahr und deren Realisierung ist mit geeigneten Maßnahmen
entgegenzuwirken.
Die Beachtung der allgemeinen Grundsätze zur Begründung der
Verkehrssicherungspflichten führt auch zu der Feststellung, dass vor dem Hintergrund
des Streitfalls nicht jeder Zwiesel oder Druckzwiesel sofort zur Fällung des Baumes
führen muss oder zu rigorosen oder sonstigen rigorosen Maßnahmen zur
Gefahrenabwehr geboten seien.
98
Der Senat verkennt nicht, dass die Entscheidung auf einer im Wesentlichen
nachträglichen zutreffenden Beurteilung durch die Sachverständigen Dr. I2 und Prof. Dr.
N3 beruht. Im Kern liegt die Haftungsbegründung zu Lasten des Beklagten zu 2) jedoch
darin, dass hier ein hochgefährlicher Ast über der Straße hing und schon deshalb zu
besonderer Aufmerksamkeit nötigte, bei der hätte erkannt werden können und müssen,
dass auch keine feste Verschweißung am Stamm vorlag, also zusätzliche Gefahren,
neben den besonderen Wuchseigenschaften zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr
zwangen. Der Beklagte zu 2) hat deshalb für die schweren und tragischen Folgen des
Unfalls der Klägerin deshalb einzustehen, weil überhaupt keine Anzeichen dafür
bestehen, dass der Beklagte zu 2) als verantwortlicher Eigentümer die von ihm mit der
Verkehrssicherung betrauten Hilfskräfte in gebotener Weise kritisch überwachte, oder
auch nur die dafür notwendigen organisatorischen Maßnahmen und Anordnung
getroffen hatte.
99
3.
100
Die nicht nachgelassenen, nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen
Schriftsätze der Beklagten zu 1) und 2) geben dem Senat keine Veranlassung zur
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
101
4.
102
Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes und aller anderen Schäden wird es
weiterer Feststellungen bedürfen, so dass die Voraussetzungen für ein Grundurteil i.S.
des § 304 ZPO hinsichtlich der Zahlungsanträge vorliegen. Der Senat tritt insbesondere
auch der Auffassung des Landgerichts bei, dass hier die Zahlung einer
Schmerzensgeldrente neben der Zahlung eines Kapitalbetrages in Betracht kommt.
Zum Betragsverfahren hat die Klägerin nicht eigens vorgetragen; sie geht insoweit von
einer Zurückverweisung an das Landgericht aus.
103
5.
104
Die Feststellungsverurteilung ist bezüglich des Beklagten zu 2) hinsichtlich materieller
und zukünftiger immaterieller Schäden, die noch nicht bezifferbar oder noch nicht
eingetreten sind, gerechtfertigt. Bereits angesichts der schweren Verletzung der
Klägerin besteht die naheliegende Möglichkeit der Verwirklichung weiterer Schäden
und Leiden.
105
II. Die Berufung der Klägerin
106
Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
107
1.
108
Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Beklagten zu 1) unbegründet. Das
Landgericht hat eine Haftung des Beklagten zu 1) zutreffend verneint.
109
Die Klägerin meint, der Beklagte zu 1) sei ebenfalls gem. §§ 831 Abs. 1 S. 1, 823 BGB
verpflichtet. Zwar sei er erst kurze Zeit Eigentümer des Waldgrundstücks gewesen. Er
sei nach dem Tode seines Bruders X2 im Jahre 2001 aber schon Besitzer gemeinsam
mit seinem Vater, dem Beklagten zu 2) gewesen, mit dem er gemeinsam unter
Einbeziehung der Forstverwaltung die umfangreichen Waldflächen bewirtschaftet habe,
und zwar in leitender Funktion. Mit dieser Begründung kann die Klägerin nicht
durchdringen, da Anknüpfungspunkt der hier bestehenden Verkehrssicherungspflicht
allein das Eigentum an der Waldfläche bzw. an dem schadenstiftenden Baum ist. An
den Besitz kann dies nicht geknüpft werden, da bei Gefahren, die von einer Sache für
den Verkehr ausgehen, Sicherungspflichten nur für den Eigentümer ausgelöst werden,
der den entscheidenden und bestimmenden Einfluss hat und der allein auf die Sache
oder den Gefahrenbereich in der Weise Einfluss nehmen kann, dass die Gefahr
beseitigt wird. Nur der Eigentümer einer gefahrbringenden Sache ist dafür
verantwortlich, dass diese den Verkehr nicht gefährdet. Dies mag bei beweglichen
Sachen oder bei Übertragung der Verkehrssicherungspflicht im Einzelfall anders zu
entscheiden sein. Der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Haftung ist der
maßgebliche Einfluss, den allein das Eigentum vermittelt. Deshalb ist es gerechtfertigt,
bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der übertragenen Verkehrssicherungspflicht durch
den eingesetzten Verrichtungsgehilfen, den Eigentümer nach § 831 BGB haften zu
lassen, dem das Versagen des Verrichtungsgehilfen auch ausschließlich zuzurechnen
ist.
110
2.
111
Soweit das Landgericht eine Haftung des Beklagten zu 3) als Halter des
Milchtankwagens und des Beklagten zu 4) als dessen Haftpflichtversicherung gem.
§§ 823 Abs. 1 BGB, 7 StVG i.V.m. § 3 PflVG ablehnt, folgt der Senat dem dagegen aus
den nachstehenden Gründen nicht.
112
Das Landgericht hat im Ansatz richtig erkannt, dass sich der Haftungsansatz allein aus
dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr, d.h. der Verursachung des Schadens beim
Betrieb des Kraftfahrzeuges, § 7 StVG ergeben kann und § 823 Abs. 2 BGB als
Haftungsgrundlage aus mehreren Gründen ausscheidet. Auf die insoweit nach
Auffassung des Senats in jeder Hinsicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils
(S. 23 zu Nr. 2) wird Bezug genommen.
113
Dem angefochtenen Urteil ist jedoch nicht darin zu folgen, die Kausalität der Einwirkung
des Lkw für den Abbruch des Astes könne nicht festgestellt werden. Denn die
Sachverständigen Dr. I2 und Prof. Dr. N3 sind sich darin einig, dass der problematische
Stämmling in immer größerem Maße in eine Abbruchgefährdung hineinwuchs und wie
der Sachverständige Prof. N3 plausibel ausführt zuletzt kleinste Krafteinwirkungen
reichten, um zu dessen Abbruch zu führen. Die von ihm zuletzt selbst relativierte
Feststellung, dass selbst eine Meise oder ein Eichhörnchen zu dem kritischen Punkt
des Abbruchs führen könnten, wird missverstanden, wenn dies als Alternative zu sonst
in Betracht kommenden Kausalitäten gesehen würde und diese ausgeschlossen
werden. Der Sachverständige Prof. N3 hat seinen Hinweis darauf, dass zuletzt kleinste
114
Krafteinwirkungen genügten, den Ast in der konkreten Situation zum Abbruch zu
bringen, selbst nicht im Sinne der Aufzeigung von alternativen Ursachen verstanden,
sondern offensichtlich zur Exemplifizierung des Grenzbereiches, den der Ast in seinem
Zustand und seiner Statik erreicht hatte. Es ist auch offen und (ebenfalls nicht
bewiesen), dass es unmittelbar vor dem Astausbruch eine Zusatzbelastung etwa durch
ein Tier, das sich auf dem Ast niedergelassen hätte, gegeben hat. Dagegen steht fest,
dass der Lkw des Beklagten zu 3) unmittelbar vor dem Astbruch unter dem Ast
durchgefahren war der ohnehin verspätete Vortrag der Beklagten zu 3) und 4)
hinsichtlich des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs beruht auf ungesicherten
Annahmen - und dies, nach dem Ergebnis der Auswertung der Tachoscheiben, mit einer
nicht ganz niedrigen Geschwindigkeit sondern mit einer Geschwindigkeit von ca.
40 km/h + x, woraus sich schon nach allgemeinem Erfahrungswissen ergibt, dass dies
nach der Bauart des Fahrzeuges einen nicht unbeachtlichen Luftstau hervorruft, den der
Lkw vor sich herschiebt, der nach oben abfließt ergibt und nach Durchfahrt zu einem
Luftzug führt. Dies muss in Verbindung mit den Aussagen I und G als bewiesen
angesehen werden. Die Zeugen G und I befanden sich in Fahrtrichtung des Lkws vor
dem Lkw und beobachteten diesen auch schon in Ausübung eigener Sorgfalt, weil er an
ihnen vorbeifahren musste. Der Zeuge I hat darüber hinaus glaubhaft bekundet, er habe
beobachtet, wie sich das Laub bewegt habe und meine auch, gesehen zu haben, dass
der Ast selbst in Schwingungen geraten sei. Ob dies der Fall war, ist nicht einmal
entscheidend. Wesentlich ist dagegen, dass es eine aerodynamische Krafteinwirkung
auf diesen hoch abbruchgefährdeten Ast gegeben hat und diese nach der Auffassung
der Sachverständigen N3 und I2 geeignet war, letzte Ursache für dessen Abbruch zu
sein, wobei die maßgebliche Ursache in den dargelegten besonderen Verhältnissen
des Astes selbst lag, nämlich dessen Eigengewicht und dessen weitem Schrägwuchs
über die Straße bei nicht sicherer Verschweißung im Zwiesel. Der Sachverständige
Dr. I2 hat noch differenzierter erläutert, dass gerade die Zugwirkung eines Luftstroms,
hier erzeugt durch den vorbeifahrenden Lkw eine seitliche Krafteinwirkung auf den
Innenbereich des Zwiesels, d.h. auf das nicht festverhaftete eingewachsene Stück der
Rinde ausgeübt haben kann, so dass damit der letzte Halt des Astes entfiel.
Damit ist nach Überzeugung des Senats die Kausalität im Sinne der Äquivalenz
(conditio sine qua non) erwiesen. Nach der Lebenserfahrung und Überzeugung des
Senats hat die anzunehmende Krafteinwirkung, die jeder Radfahrer bei der Vorbeifahrt
eines derartigen Lkw zu spüren bekommt, auf den Ast eingewirkt; diese war nach der
besonderen Schadensanlage des Astes auch geeignet, den letzten Anstoß zum
Abbruch des Astes gerade in diesem Moment, zu bewirken; auf die gesonderte
Feststellung des Maßes der Kräfte, etwa durch ergänzende Einholung eines
verkehrsanalytischen Gutachtens kommt es, abgesehen von der Nichtwiederholbarkeit
der Unfallsituation nicht an, ebenso wenig wie auf die von dem Sachverständigen Prof.
N3 experimentell gemessenen Windgeschwindigkeiten und deren Eignung für den
Abriss von Teilen eines vitalen Astes. Die Kausalität im Sinne der Äquivalenz ergibt
sich hier nämlich aus der Zusammenschau der Vorbeifahrt des Lkw, dicht unter dem
über die Straße hängenden Ast bei dessen sich hoch kritisch ausgebildeter
Schadensanlage, die sogar noch durch die zur Unfallzeit herrschende
Trockenheitsperiode beeinflusst gewesen sein kann. Erst daraus ergibt sich die für die
Klägerin tragische Verknüpfung der hier wirksamen Umstände, die zu der Annahme
führen, dass vernünftigerweise keine anderen Gründe für den Abbruch des Astes
gerade in dem Moment, als der Lkw vorbeifuhr und die Klägerin unter dem Ast stand, in
Betracht zu ziehen sind. Es kommt hinzu, dass auch die spezifische Sogwirkung, auf die
der Sachverständige Dr. I2 hingewiesen hat, den konkreten Geschehenshergang
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plausibel macht, während andererseits unterstellt werden muss, dass es etwa durch
leichten Wind oder auch durch über den Ast hüpfende Tiere bereits zuvor zu
Belastungen gekommen ist, ohne dass der Stämmling dabei abbrach. Deshalb können
solche Alternativursachen für den Unfall der Klägerin ausgeschlossen werden.
Bei dem Betrieb des Kraftfahrzeuges ist der Unfall dann verursacht worden, wenn sich
die von dem Kraftfahrzeug als solchem ausgehende Gefahr auf den Schadensablauf
ausgewirkt hat; wenn das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug
mitbeeinflusst, mitbewirkt worden ist. Bei dieser insoweit wertenden Betrachtung ist
nach der Rechtsprechung des BGH das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" weit
auszulegen (vgl. BGH VersR 95, 90; 91, 1068; BGHZ, 315 ff; 107, 359). Nur wenn
zwischen dem Betrieb des Kraftfahrzeuges und dem Schadensereignis ein dem
Schutzzweck des § 7 StVG entsprechender Zusammenhang besteht, ist der Unfall bei
dem Betrieb "des Kraftfahrzeuges" eingetreten (BGH DAR 88, 159; NJW 1990, 2885;
1991, 2568). Die Voraussetzung der Adäquanz der kausalen Verursachung setzt
voraus, dass der Unfall in nahem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem
Betriebsvorgang steht (BGH NJW 72, 1808; 88, 2802; OLG Düsseldorf VersR 1987, 568;
OLG Köln VersR 91, 1387). Darüber hinaus kommt es entscheidend auf den Nachweis
an, dass der Unfall in einem inneren Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeug
eigentümlichen Gefahr steht (BGH VersR 1995, 90 a.E.).
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Dieser Nachweis ist nach Auffassung des Senats geführt, weil es bei schnellerer Fahrt
eines Lkws auf einer engen Straße zu Luftverwirbelungen kommt, durch die dabei
notwendige Luftverdrängung und diese Luftströme durch Zug und Druck auf die
Umgebung Kräfte ausüben. Auch wird der Zusammenhang nicht deshalb unterbrochen,
dass weitere Ursachen aus anderen Gefahrenkreisen hinzukommen (vgl. BGH VersR
1988, 640) oder der Unfall bei anderer Gelegenheit ohnehin eingetreten wäre.
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Treffen also die von einem im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeug ausgehenden
Wirkungen hier auch der Wirkungen der dynamischen Fortbewegung auf schädliche
Anlagen anderer Gegenstände oder Bereiche, ist die Adäquanz der Filter zur
Ausgrenzung derjenigen Kausalverläufe, die dem in Anspruch Genommenen
billigerweise nicht mehr zugerechnet werden können. Es verbleiben Wirkungen, wenn
sie im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen und ganz
unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu
lassenden Umständen zur Herbeiführung des Erfolges geeignet sind (so die Definition
des BGH, BGHZ 3, 261), wobei der BGH auch bei dieser Beurteilung der
Wahrscheinlichkeit von der Situation im Zeitpunkt des die Haftung begründenden
Ereignisses ausgeht; jedoch sind nicht nur die damals dem Ersatzpflichtigen bekannten
Umstände zu berücksichtigen, sondern auch jene, die einem erfahrenen Beobachter
damals bereits erkennbar waren oder mit deren Vorliegen er nach der Lebenserfahrung
zu rechnen hatte im Sinne einer objektiven nachträglichen Prognose (BGHZ a.a.O.). In
dem zum vorliegenden Streitfall ähnlich liegenden (Hubschrauberfall) BGH NJW 1981,
383 hat der BGH ausgeführt, dass der Filter der Adäquanz als Grenze für die
haftungsrechtliche Zurechnung verschieden zu bestimmen sei, je nachdem, ob es sich
um eine Haftung aus Verhaltensverletzung handelt oder um eine reine
Gefährdungshaftung, wie sie nach der hier jedenfalls eingreifenden Vorschrift des § 7
StVG gegeben ist. Da einer Gefährdungshaftung keine Verhaltenspflichten zugrunde
liegen, besteht ihr Sinn und Zweck darin oder dient sie dazu, die Auswirkungen einer
konkreten, im Regelfall erlaubten gesetzten Gefahr auszugleichen. Deshalb komme es
nicht darauf an, ob der festgestellte Schadensfall anhand bisheriger Erfahrungen
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vorausgesehen werden musste, sondern nur darauf, ob es sich um eine spezifische
Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn
der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll.
Das bedeutet aber nicht, dass im Bereich der reinen Gefährdungshaftung der
ursächlichen Zurechnung nach bloßer Äquivalenz keine Grenzen gesetzt seien; diese
ergeben sich vielmehr dort, wo es sich nicht nur um eine spezifische Auswirkung
derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer die Haftungsvorschrift den Verkehr
schadlos halten will.
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Bei Beachtung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, ist es auch nicht
von Belang, dass die Beklagten zu 3) und 4) selbst leicht Opfer der entscheidenden, hier
im Vordergrund stehenden Schadensanlage des mit dem Baum nicht hinreichend
verschweißten Stämmlings hätten sein können. Dies berührt nicht die
Haftungsgrundlage der Beklagten zu 3) und 4) im Verhältnis zur Klägerin.
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Daher waren die Beklagten zu 3) und 4) gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu
verurteilen. Die Beklagten zu 3) und 4) haften auch auf Schmerzensgeld, da nach der
Übergangsvorschrift des Art. 229 EGBGB, § 8 Abs. 1 Nr. 2 auch auf Unfälle
anzuwenden ist, die nach dem 31.07.2002 eintreten.
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Auch hinsichtlich der Beklagten zu 3) und 4) bedarf die Schadenshöhe weiterer
Aufklärung, so dass die Voraussetzungen für ein Grundurteil hinsichtlich der
Zahlungsanträge vorliegen.
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Auch die Feststellungsverurteilung ist aus den unter I 4 genannten Gründen gegenüber
den Beklagten zu 3) und 4) gerechtfertigt.
123
III.
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Mit den in der Berufungsinstanz gegenüber der Stadt N und dem zuständigen
Baumkontrolleur M erhobenen Ansprüchen (Beklagte zu 5) und 6)) muss sich der Senat
nicht befassen, weil diese subjektive Klageerweiterung unzulässig ist. Der BGH
behandelt solche gewillkürte Parteierweiterungen grundsätzlich als Klageänderung
i.S.d. § 263 ZPO, der bestimmt, dass nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit eine
Änderung der Klage nur zulässig ist, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie
für sachdienlich erachtet. Eine Einwilligung der Beklagten liegt nicht vor; die
Klageänderung ist auch nicht sachdienlich, da sie den hinzugekommenen Beklagten im
Falle einer Endentscheidung eine Instanz nähme und sachlich völlig über andere
Gesichtspunkte, die bisher nicht primärer Streitgegenstand waren und über die das
Landgericht auch noch nicht befunden hat, zu befinden wäre, nämlich u.a. über die
Frage, wer für die Verkehrssicherheit der Straße L2-Straße verantwortlich ist.
125
IV.
126
Die Zulassung der Revision erscheint dem Senat nicht angezeigt: es handelt sich um
die Entscheidung eines außergewöhnlichen Sachverhalts ohne grundsätzliche
Bedeutung, die die Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
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