Urteil des OLG Hamm vom 21.04.2008

OLG Hamm: firma, ersatzfahrzeug, vermieter, nebenkosten, unfall, sicherheit, anmerkung, beweislast, preisliste, vollkasko

Oberlandesgericht Hamm, 6 U 188/07
Datum:
21.04.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 188/07
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 2 O 104/07
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.07.2007 verkündete Urteil
der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von
weitergehenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Fa. B2 GmbH,
P-Straße, ####1 C in Höhe von weiteren 171,-- Euro zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
21.03.2007 gemäß Mietwagenrechnung der Fa. B GmbH vom
27.12.2006 (Rechnungs-Nummer 151237) freizustellen. Im Übrigen
bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des zweiten Rechtszuges tragen die Klägerin 5/7 und
die Beklagten 2/7. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt
es beim angefochtenen Urteil.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
I.
2
Der Pkw BMW der Klägerin wurde am 11.12.2006 gegen 19.30 Uhr in C bei einem
Kreuzungsunfall beschädigt, als er mit einem zunächst entgegenkommenden und dann
nach links abbiegenden Pkw Renault zusammenstieß. Dass der Beklagte zu 1) als
Halter/Fahrer und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des Pkw dem Grunde
nach zum vollen Schadensersatz verpflichtet sind, ist in dieser Instanz nicht mehr in
Streit. Die Parteien streiten nur noch darum, in welcher Höhe die Beklagten die der
Klägerin entstandenen Mietwagenkosten zu übernehmen haben.
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Die Firma B2 GmbH, bei der die Klägerin für die Zeit vom 12.12.2006 bis zum
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23.12.2006 (12 Tage) einen Pkw BMW 320 i als Ersatzfahrzeug angemietet hatte, hat ihr
hierfür insgesamt 2.570,97 Euro brutto in Rechnung gestellt. Hiervon hat die Klägerin
einen Teilbetrag in Höhe von 1.871,50 Euro gegen die Beklagten geltend gemacht,
indem sie von ihnen die Freistellung gegenüber der Firma N GmbH begehrt hat.
Neben anderen Schadenspositionen, die nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens
sind, hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil dem Freistellungsantrag in
Höhe von 1.246,50 Euro nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage bezüglich
des Freistellungsantrages abgewiesen.
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Mit der form- und fristgerechten Berufung verfolgt die Klägerin ihren Freistellungsantrag
in Höhe von 625,-- Euro nebst Zinsen weiter.
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Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.
7
II.
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Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
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1.
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Das Landgericht hat zur Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten unter Hinweis
auf das BGH-Urteil VI ZR 99/06 vom 30.01.2007 (vgl. NZV 07, 178 = MDR 07, 713 = r +
s 07, 306) den Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 zum Ausgangspunkt genommen. Das
greift die Berufung im Grundsatz nicht an, macht aber geltend, ihr beschädigter Pkw
BMW sei in die Mietwagengruppe 7 des Schwacke-Mietpreisspiegels eingruppiert und
nicht – wie vom Landgericht angenommen – in die Gruppe 06.
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Das hat der Sachverständige Dipl.-Ing. V, von dem der Senat eine gutachterliche
Stellungnahme eingeholt hat, bestätigt und hat dazu ausgeführt, dass in der Super-
Schwacke-Liste des Monats 12/2006 der Pkw BMW 318 d in zwei Varianten aufgeführt
sei, von denen die einfachere Version in die Mietwagenklasse 06 gehört; beim
verunfallten Fahrzeug der Klägerin handele es sich jedoch nicht um eine
Schlichtausführung, sondern um ein Fahrzeug mit der zusätzlichen Bezeichnung Edition
Lifestyle; dieses werde in der Super-Schwacke-Liste in der Mietwagenklasse 07 geführt.
Auf dieser Grundlage erweist sich die von der Klägerin vorgenommene Berechnung des
Grundpreises als zutreffend. Für einen Pkw der Fahrzeugruppe 07 sind für eine
Anmietdauer von 12 Tagen im Pkw-Normaltarif aufzuwenden:
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1 x Wochenpauschale Modus 610,00 Euro
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5 Tage Modus á 105,-- Euro 525,00 Euro
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Summe 1.135,00 Euro.
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2.
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Den darauf begehrten 30 %-Aufschlag für unfallbedingte Kosten und Risikofaktoren hat
das Landgericht der Klägerin, die bei der Firma B2 GmbH ein Fahrzeug im
Unfallersatztarif angemietet hat, zu Recht versagt.
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Die Mietwagenkosten und speziell die in der Vergangenheit von den meisten
Vermietern angebotenen Unfallersatztarife, welche teilweise erheblich über den
Normaltarifen liegen, sind seit längerem Gegenstand einer heftigen
Auseinandersetzung zwischen Autovermietern und Haftpflichtversicherern. Damit hat
sich der BGH in den letzten Jahren in einer Anzahl von Entscheidungen befasst (vgl. die
zusammenfassende Darstellung von Martis/Enslin in MDR 08, 6 mit zahlreichen
Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen). Zuammengefasst ergibt sich danach, dass
der Geschädigte, der nach einem Unfall bei mußmaßlich bestehendem Ersatzanspruch
zu Lasten des gegnerischen KH-Versicherers ein Ersatzfahrzeug anmieten will, damit
rechnen muss, dass ihm ein solches vom Vermieter nicht zu dem Normaltarif für selbst
zahlende Kunden angeboten wird, sondern zu einem deutlich höheren Unfallersatztarif.
Er muss sich deshalb nach günstigeren Tarifen erkundigen und muss den Normaltarif
für selbst zahlende Kunden auch dann wählen, wenn er für diesen Fall Vorleistungen
bringen muss, aber dazu ohne Einschränkung in der Lage ist (vgl. Lemcke, r + s 07, 346
in Anmerkung zum BGH-Urteil VI ZR 161/06 vom 12.06.07; Greiner, zfs 06, 124, 128,
129; vgl. auch BGH-Urteil VI ZR 105/06 vom 13.02.07 – r + s 07, 341).
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Dass ihr in diesem Sinne ein adäquates Mietfahrzeug zum Normaltarif nicht zugänglich
gewesen wäre, ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht. Ihre umfangreichen
Ausführungen und teilweise durch Gutachten gestützten betriebswirtschaftlichen
Berechnungen, mit welchen sie die Berechtigung eines 30 %-Zugschlages auf den
Normaltarif zu begründen versucht, betreffen lediglich die Frage, ob die Besonderheiten
des Unfallersatzgeschäftes einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis
rechtfertigen (vgl. hierzu Martis/Enslin, a.a.O. m. w. N.). Damit ist aber nichts zu der
unabhängig davon zu prüfenden Frage gesagt worden, ob der Klägerin die Anmietung
eines Ersatzfahrzeugs zum Normaltarif zugänglich gewesen wäre. Allein ihre im
Senatstermin abgegebene Erklärung, sie sei nach dem Unfall erst spät abends
erschöpft nach Hause gekommen und habe am anderen Morgen bereits um 9.00 Uhr
einen Termin in N2 wahrnehmen müssen, reicht hierfür nicht aus. Denn damit ist nichts
dazu gesagt, ob sie bei entsprechender Nachfrage von der Firma N oder aufgrund
telefonischer Erkundigung von einem anderen Vermieter nicht ebenso schnell ein
Fahrzeug zum Normaltarif habe bekommen können, und erst recht nicht dazu, dass die
Inanspruchnahme eines Mietfahrzeugs zum Unfallersatztarif auch für die folgenden 11
Tage erforderlich gewesen wäre. Damit hat also die Klägerin nicht dargelegt und
bewiesen, das ihr ein wesentlich günstigerer Tarif nicht zugänglich gewesen wäre.
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Die in diesem Zusammenhang häufig auftretende Frage, ob die Zugänglichkeit des
Normaltarifs im konkreten Fall davon abhängt, dass der Geschädigte den Vermieter
durch Einsatz von Kreditkarten oder auf ähnliche Weise Sicherheit bietet, betrifft zwar
die Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB und steht damit zur Beweislast des
Schädigers. Indessen trifft den Geschädigten eine sekundäre Darlegungslast (vgl.
Greiner, a.a.O). Dass aber die Anmietung eines Fahrzeugs zum Normaltarif an der
mangelnden Möglichkeit gescheitert wäre, dem Vermieter eine von diesem geforderte
Sicherheit zu bieten, ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht.
20
3.
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Bei den Mietwagennebenkosten hat das Landgericht die Kosten der
Haftungsreduzierung gem. § 287 ZPO ausgehend von der Mietpreisliste der Firma B2
für die Mietwagenklasse 6 auf 20,-- Euro täglich geschätzt, und hat auf dieser Grundlage
für 12 Tage einen Betrag von 240,-- Euro für erstattungsfähig gehalten.
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Der Senat teilt die Auffassung der Berufung, dass nicht einerseits hinsichtlich des
Mietpreises (Grundgebühr) auf die Schwacke-Liste abgestellt werden kann und
andererseits hinsichtlich der Haftungsreduzierungskosten auf die Preisliste der Fa. B2
GmbH, der andere Kalkulationen zugrunde liegen mögen. Da es um die Ermittlung der
erforderlichen Kosten für ein Mietfahrzeug geht, erscheint es sachgerecht, im selben
System zu bleiben.
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Der Sachverständige Dipl.-Ing. V2 hat mit Hilfe der Schwacke-Nebenkostentabelle
12/06 für die Klasse 7, in welcher das beschädigte Fahrzeug der Klägerin
einzugruppieren war, im Wochenmodus 161,-- Euro und pro Tag 23,-- Euro als
Mietwagenkosten für Vollkasko/Haftungsreduzierung ermittelt. Aufaddiert ergibt sich
damit der von der Klägerin hierfür geltend gemachte
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Betrag von 276,00 Euro.
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Die weiteren Nebenkosten für Winterreifen in Höhe von 120,00 Euro
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sind vom Landgericht zuerkannt worden und in dieser Instanz
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nicht im Streit. Insgesamt sind daher an Nebenkosten 396,00 Euro
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ersatzfähig.
29
4.
30
Ihren ursprünglichen Vortrag, sie habe ein klassenkleineres Ersatzfahrzeug angemietet,
hat die Klägerin nicht aufrechterhalten, und auch der Sachverständige Dipl.-Ing. V hat
bestätigt, dass das Unfallfahrzeug und das Ersatzfahrzeug übereinstimmend in der
Mietwagengruppe 7 des Schwacke-Mietpreisspiegels einzuordnen sind. Deswegen hat
das Landgericht zu Recht wegen der ersparten Eigenbetriebskosten einen Abzug
vorgenommen (vgl. Senat NZV 99, 379 = OLGR 99, 370 = r + s 99, 194). Der Senat hält
daran fest, dass dieser im Massengeschäft der KH-Schadenabrechnung mit 10 % der
Mietwagenkosten bei einer Schätzung gem. § 287 ZPO angemessen erfasst werden
kann (vgl. Lemcke, in Anmerkung zu OLG Frankfurt, r + s 97, 503; Greger, NZV 96, 430,
432). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn – wie hier – der zu ersetzende Mietpreis
nicht durch pauschale Zuschläge auf den Normaltarif einem deutlich höheren
Unfallersatztarif angenähert wird, von dessen Höhe die ersparten Eigenbetriebskosten
nicht abhängig sind. Die von der Klägerin geltend gemachten Preisunterschiede für den
Dieselkraftstoff des Unfallfahrzeugs und für das Superbenzin für das Mietfahrzeug sind
nicht so erheblich, dass sie entscheidenden Einfluss auf das Schätzungsergebnis
nehmen müssten.
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5.
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Entsprechend dem Abrechnungsschema des Landgerichts errechnet sich der der
Klägerin zuzuerkennende weitere Betrag wie folgt:
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Mietwagenkosten im Normaltarif für 12 Tage 1.135,00 Euro
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abzüglich 10 % Eigenersparnis 113,50 Euro
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Zwischensumme 1.021,50 Euro
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zuzüglich Mietwagennebenkosten 396,00 Euro
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Zwischensumme 1.417,50 Euro.
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Abzüglich vom Landgericht zuerkannter 1.246,50 Euro,
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waren auf die Berufung
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der Klägerin demgemäß weitere 171,00 Euro
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zuzusprechen.
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Die Entscheidungen über Zinsen, Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf
§§ 286, 288 BGB, §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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