Urteil des OLG Hamm vom 23.07.1999

OLG Hamm: wohnung, einbruchdiebstahl, entwendung, versicherungsnehmer, kontrolle, besitz, form, marke, arbeitsstelle, vollstreckbarkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 20 U 48/99
23.07.1999
Oberlandesgericht Hamm
20. Zivilsenat
Urteil
20 U 48/99
Landgericht Bochum, 2 O 436/98
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25. November 1998 verkündete
Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
(abgekürzt nach § 543 Abs. 1 ZPO)
I.
Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Hausrat-Einbruchdiebstahlversicherung zu den
Bedingungen VHB 84 abgeschlossen. Sie nimmt die Beklagte mit der Klage auf Zahlung
einer Entschädigung in Höhe von 44.028,00 DM in Anspruch, und zwar wegen eines
Einbruchdiebstahls, der sich in der Zeit vom 19.05.1998 ab 19.30 Uhr bis zum 24.05.1998,
13.10 in der von ihr mit Mietvertrag vom 15. August 1997 von dem Zeugen L ab 1.
September 1997 angemieteten und im ersten Obergeschoß des Mehrfamilienhauses A-
Straße in G gelegenen Wohnung ereignet haben soll. Die Klägerin behauptet, es seien ihr
die in der Liste Bl. 6-10 d.A. aufgeführten Gegenstände, darunter Schmuck im Werte von
24.300,00 DM, gestohlen worden. Die Beklagte hat den behaupteten Einbruchdiebstahl
sowie die Höhe des angeblichen Schadens bestritten. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen, weil die Klägerin den behaupteten Einbruchdiebstahl nicht nachgewiesen
habe.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Klägerin, die ihren
erstinstanzlichen Antrag auf Zahlung von 44.028,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung
der Klage weiterverfolgt, ist nicht begründet.
II.
Die Beklagte ist nicht gem. den §§ 1, 49 VVG i.V.m. den §§ 5, 18 VHB 84 verpflichtet, die
Klägerin wegen der angeblich bei dem behaupteten Einbruchdiebstahl als gestohlen
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gemeldeten Gegenstände zu entschädigen. Die Klägerin hat die bedingungsgemäße
Entwendung der von ihr als gestohlen gemeldeten Gegenstände nicht nachgewiesen.
Zwar kommen einem Versicherungsnehmer zum Nachweis des Versicherungsfalles
Einbruchdiebstahl Beweiserleichterungen zugute, so daß er nicht den vollen Nachweis
eines streitigen Diebstahls beweisen muß, sondern nur das äußere Bild einer
bedingungsgemäßen Entwendung. Dazu gehört aber der Beweis eines Mindestmaßes von
Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den
Schluß auf einen versicherten Diebstahl zulassen (so u.a.: BGH VersR 1996, 186). Zum
äußeren Bild eines bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahls gehört in der Regel auch,
daß Einbruchspuren vorhanden sind, wenn nicht ein Nachschlüsseldiebstahl in Betracht
kommt (so: BGH VersR 1995, 956). Das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ist hier nicht
gegeben. Von den Polizeibeamten sind nach der Meldung des Diebstahls durch die
Klägerin weder an der Wohnungseingangstür noch an den Fenstern in der Wohnung der
Klägerin Spuren festgestellt worden, die auf ein unbefugtes Öffnen der Tür bzw. der Fenster
schließen lassen. Türschloß und Winkelschließblech wiesen keine "optisch feststellbaren
Veränderungen" auf. Für den Ermittlungsbeamten war es demzufolge nicht erkennbar, wie
es den Tätern gelungen sein soll, die Tür unbefugt zu öffnen. Auch die anschließende
Untersuchung der Schließzylinder der Wohnungseingangstür durch den Sachverständigen
X, die die Beklagte veranlaßt hat, hat nicht zu einer Feststellung von Spuren geführt, die auf
ein Öffnen der Tür durch gewaltsames Überdrehen des Zylinders oder mit Hilfe eines
Sperrwerkzeugs schließen lassen. Allein der Umstand, daß die Wohnung beim Erscheinen
der Polizeibeamten "durchwühlt" war, reicht für die Annahme eines versicherten Diebstahls
aber nicht aus.
Der Klägerin ist es auch nicht gelungen, einen Nachschlüsseldiebstahl in der einem
Versicherungsnehmer zugute kommenden erleichterten Form nachzuweisen. Nach dem
Inhalt des von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens des Sachverständigen X,
dessen Richtigkeit die Klägerin nicht in Zweifel gezogen hat, ist davon auszugehen, daß
die Täter mit einem passenden Schlüssel in die Wohnung der Klägerin gelangt sind. Die
Untersuchung des Schließzylinders hat nämlich zu dem Ergebnis geführt, daß dieser zur
Tatzeit nur mit einem passenden Schlüssel betätigt worden sein kann. Zur Tatzeit
existierten nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen X mindestens drei
passende Schlüssel für den Schließzylinder, nämlich die dem Sachverständigen X
ausgehändigten Schlüssel der Marke "Abus" und "Silka" sowie mindestens 1 weiterer von
dem Schlüssel "Abus" mittels einer Schlüsselfräsmaschine duplizierter Schlüssel. Der
Sachverständige hat an dem Schlüssel "Abus" nämlich Spuren vom Duplizieren
festgestellt, die auch auf den von ihm gefertigten Fotos zu erkennen sind.
Die Klägerin hat zwar angegeben, von einem duplizierten Schlüssel nichts gewußt zu
haben. Ihre Angaben sind insoweit aber nicht glaubhaft, denn es erscheint dem Senat
aufgrund der weiteren Einlassung der Klägerin ausgeschlossen, daß von dem Schlüssel
"Abus" ein weiterer Schlüssel ohne ihr Wissen hergestellt worden ist. Der Klägerin sind im
Senatstermin die beiden vom Sachverständigen X untersuchten Schlüssel vorgelegt
worden. Sie hat dazu erklärt, der "Abus"-Schlüssel sei derjenige, den sie im Besitz gehabt
habe, den anderen Schlüssel "Silka" habe sie ihrem Bruder überlassen. "Ihren" Schlüssel
hatte die Klägerin zuvor schon als "gelblich" beschrieben. Die Beschreibung trifft auf den
"Abus"-Schlüssel zu. Die von dem Sachverständigen X festgestellten Duplizierungsspuren
sind von ihm als "einige Wochen alt" und "geringfügig durch Gebrauchsspuren überlagert"
beschrieben worden. Da die Klägerin zum Zeitpunkt des angeblichen Einbruchs in ihre
Wohnung im Mai 1998 bereits seit mehreren Monaten - nämlich seit September 1997 - im
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Besitz dieses Schlüssels war, kann die Herstellung eines weiteren Schlüssels nur während
ihrer Besitzzeit geschehen sein. Die Klägerin hat aber angegeben, der von ihr benutzte
Schlüssel "Abus" sei "nie weggekommen". Er sei entweder an einem Schlüsselbund in
ihrer Tasche oder griffbereit auf einem Tisch in ihrer Wohnung gewesen. Diesen Schlüssel
habe sie auch zu keinem Zeitpunkt jemand anderem überlassen, und zwar auch nicht für
kürzere Zeit. Sie habe diesen Schlüssel zu keinem Zeitpunkt vermißt. Sie war auch nicht
etwa irgendwo beschäftigt, wo ihr der Schlüssel vorübergehend entwendet und unbemerkt
wieder zugesteckt werden konnte; denn sie war nach eigenen Angaben seinerzeit ohne
Arbeitsstelle. Wenn der Schlüssel "Abus" aber stets in der Kontrolle der Klägerin war und
nach ihren eigenen Angaben auch nicht unbemerkt dieser Kontrolle entzogen werden
konnte, kann nicht ohne ihr Wissen von diesem Schlüssel ein weiterer Schlüssel
hergestellt worden sein. Vom Verbleib des duplizierten Schlüssels will die Klägerin
angeblich aber nichts wissen. Bei dieser Sachlage hätte es ihr aber zum Nachweis einer
versicherten Entwendung - z.B. mittels Nachschlüsseldiebstahls - oblegen, zum Verbleib
des mit ihrem Wissen duplizierten Schlüssels vorzutragen.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziffer 10,
711, 713 ZPO.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 44.028,00 DM.